baren, inneren Wirbeln der Kopf mit dem Räderwerke sich ausstülpt und das Thier nach langem oder auch kurzem Schlummer zu neuem Dasein erweckt ist. War das Thier todt, wenn es nach monatelangem Eintrocknen wieder auflebt? Gewiß nicht. Das Leben war nur unterbrochen, allerdings in sehr eingreifender Weise. Es war aber von keiner Zersetzung oder chemischen Umwandlung die Rede, und es ist nicht weniger begreifbar, daß trotz einer vielleicht absoluten Austrocknung die feinen Gewebsbestandtheile des Körpers einer Fortsetzung des Lebens fähig sind, als daß Frösche und Fische vollständig einfrieren können, ohne zu sterben. Sie werden eben nur
[Abbildung]
Das Blumenthierchen (Floscularia ornata).
in eine, den gewöhnlichen Verlauf der Lebensprocesse unterbrechende Starrheit ver- setzt, nach deren Aufhebung das Lebensrad weiter schnurrt.
Als einen Repräsentanten aus einer letzten großen Familie, die man als die röhrenbewohnenden Rä- derthiere bezeichnen kann, da wenigstens die meisten in Hülsen stecken, führe ich noch das Blumenthierchen (Flosculsria) vor. Das Auf- fallendste an ihm ist eine ertreme Umbildung des Räder- organs. Statt desselben er- blicken wir auf den fünf kegel- förmigen Hervorragungen des Kopfrandes Büschel langer, zarter Fäden, die schon des- halb nicht Wimpern genannt werden können, weil sie starr und fast unbeweglich sind. Fast im Mundtrichter findet sich der die Nahrung zu- wirbelnde Wimperbesatz. Das Thier ist von einer feinen, gallertigen Hülle umgeben, in welche es sich, wie ähnliche Gattungen, durch Zusammen- schnellen des Fußes zurück- ziehen kann. Am merkwür- digsten verhalten sich wegen einer gemeinschaftlichen Hülle die Kugelthierchen (Conochilus), indem eine ganze Anzahl Jndividuen in einer frei schwimmenden Gallertkugel so stecken, daß sie mit den Köpfen über die Oberfläche der Kugel hervorragen und durch gemeinsames Wimpern mit vereinten Kräften die einen Theil ihrer Welt bedeutende Kugel in gemessene, drehende Bewegung versetzen.
Wir haben uns, denke ich, soweit mit den Räderthieren befreundet, um an die wichtigen Beziehungen derselben mit anderen Thierklassen denken zu können. Man hat sie Wimperkrebse genannt, um damit auszudrücken, daß einige ihrer Eigenschaften, z. B. der am Ende gespaltene
Röhrenbewohnende Räderthiere.
baren, inneren Wirbeln der Kopf mit dem Räderwerke ſich ausſtülpt und das Thier nach langem oder auch kurzem Schlummer zu neuem Daſein erweckt iſt. War das Thier todt, wenn es nach monatelangem Eintrocknen wieder auflebt? Gewiß nicht. Das Leben war nur unterbrochen, allerdings in ſehr eingreifender Weiſe. Es war aber von keiner Zerſetzung oder chemiſchen Umwandlung die Rede, und es iſt nicht weniger begreifbar, daß trotz einer vielleicht abſoluten Austrocknung die feinen Gewebsbeſtandtheile des Körpers einer Fortſetzung des Lebens fähig ſind, als daß Fröſche und Fiſche vollſtändig einfrieren können, ohne zu ſterben. Sie werden eben nur
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Das Blumenthierchen (Floscularia ornata).
in eine, den gewöhnlichen Verlauf der Lebensproceſſe unterbrechende Starrheit ver- ſetzt, nach deren Aufhebung das Lebensrad weiter ſchnurrt.
Als einen Repräſentanten aus einer letzten großen Familie, die man als die röhrenbewohnenden Rä- derthiere bezeichnen kann, da wenigſtens die meiſten in Hülſen ſtecken, führe ich noch das Blumenthierchen (Flosculsria) vor. Das Auf- fallendſte an ihm iſt eine ertreme Umbildung des Räder- organs. Statt deſſelben er- blicken wir auf den fünf kegel- förmigen Hervorragungen des Kopfrandes Büſchel langer, zarter Fäden, die ſchon des- halb nicht Wimpern genannt werden können, weil ſie ſtarr und faſt unbeweglich ſind. Faſt im Mundtrichter findet ſich der die Nahrung zu- wirbelnde Wimperbeſatz. Das Thier iſt von einer feinen, gallertigen Hülle umgeben, in welche es ſich, wie ähnliche Gattungen, durch Zuſammen- ſchnellen des Fußes zurück- ziehen kann. Am merkwür- digſten verhalten ſich wegen einer gemeinſchaftlichen Hülle die Kugelthierchen (Conochilus), indem eine ganze Anzahl Jndividuen in einer frei ſchwimmenden Gallertkugel ſo ſtecken, daß ſie mit den Köpfen über die Oberfläche der Kugel hervorragen und durch gemeinſames Wimpern mit vereinten Kräften die einen Theil ihrer Welt bedeutende Kugel in gemeſſene, drehende Bewegung verſetzen.
Wir haben uns, denke ich, ſoweit mit den Räderthieren befreundet, um an die wichtigen Beziehungen derſelben mit anderen Thierklaſſen denken zu können. Man hat ſie Wimperkrebſe genannt, um damit auszudrücken, daß einige ihrer Eigenſchaften, z. B. der am Ende geſpaltene
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Röhrenbewohnende Räderthiere.
baren, inneren Wirbeln der Kopf mit dem Räderwerke ſich ausſtülpt und das Thier nach langem
oder auch kurzem Schlummer zu neuem Daſein erweckt iſt. War das Thier todt, wenn es nach
monatelangem Eintrocknen wieder auflebt? Gewiß nicht. Das Leben war nur unterbrochen,
allerdings in ſehr eingreifender Weiſe. Es war aber von keiner Zerſetzung oder chemiſchen
Umwandlung die Rede, und es iſt nicht weniger begreifbar, daß trotz einer vielleicht abſoluten
Austrocknung die feinen Gewebsbeſtandtheile des Körpers einer Fortſetzung des Lebens fähig ſind,
als daß Fröſche und Fiſche vollſtändig einfrieren können, ohne zu ſterben. Sie werden eben nur
[Abbildung Das Blumenthierchen (Floscularia ornata).]
in eine, den gewöhnlichen
Verlauf der Lebensproceſſe
unterbrechende Starrheit ver-
ſetzt, nach deren Aufhebung das
Lebensrad weiter ſchnurrt.
Als einen Repräſentanten
aus einer letzten großen
Familie, die man als die
röhrenbewohnenden Rä-
derthiere bezeichnen kann,
da wenigſtens die meiſten
in Hülſen ſtecken, führe ich
noch das Blumenthierchen
(Flosculsria) vor. Das Auf-
fallendſte an ihm iſt eine
ertreme Umbildung des Räder-
organs. Statt deſſelben er-
blicken wir auf den fünf kegel-
förmigen Hervorragungen des
Kopfrandes Büſchel langer,
zarter Fäden, die ſchon des-
halb nicht Wimpern genannt
werden können, weil ſie ſtarr
und faſt unbeweglich ſind.
Faſt im Mundtrichter findet
ſich der die Nahrung zu-
wirbelnde Wimperbeſatz. Das
Thier iſt von einer feinen,
gallertigen Hülle umgeben,
in welche es ſich, wie ähnliche
Gattungen, durch Zuſammen-
ſchnellen des Fußes zurück-
ziehen kann. Am merkwür-
digſten verhalten ſich wegen
einer gemeinſchaftlichen Hülle die Kugelthierchen (Conochilus), indem eine ganze Anzahl
Jndividuen in einer frei ſchwimmenden Gallertkugel ſo ſtecken, daß ſie mit den Köpfen über die
Oberfläche der Kugel hervorragen und durch gemeinſames Wimpern mit vereinten Kräften die
einen Theil ihrer Welt bedeutende Kugel in gemeſſene, drehende Bewegung verſetzen.
Wir haben uns, denke ich, ſoweit mit den Räderthieren befreundet, um an die wichtigen
Beziehungen derſelben mit anderen Thierklaſſen denken zu können. Man hat ſie Wimperkrebſe
genannt, um damit auszudrücken, daß einige ihrer Eigenſchaften, z. B. der am Ende geſpaltene
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/720>, abgerufen am 24.11.2024.
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