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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Gemeiner Flohkrebs. Talitrus. Phronima. Caprella.
hält sich, wie gesagt, am Grunde seichter, aber nicht faulig werdender Gewässer, am liebsten
unter größeren Steinen und Holzstücken auf und nährt sich vorzugsweise von Pflanzenstoffen,
skelettirt z. B. im Herbst meisterhaft die in seine Gewässer fallenden Blätter. Hebt man einen
solchen, ihnen Schutz gewährenden Stein jäh auf, so findet man sie gewöhnlich dicht gedrängt,
groß und klein durch einander sitzend und liegend. Aber kaum fühlen sie sich gestört, als sie
schon mit größter Hurtigkeit nach allen Richtungen auseinander stieben, um hinter den ersten
besten Gegenstand sich wieder zu verbergen. Diejenigen, welche an dem aufgenommenen Steine
haften bleiben, suchen mit energischen Bewegungen des Hinterleibes sich loszumachen und seitlich
sich fortschnellend, ohne eigentlich zu hüpfen, das rettende Element zu gewinnen. Gelingt ihnen
das nicht bald, so trocknen ihre Kiemen ein und sie sind besonders an der Sonne schnell hin.
Der Grund ihres schleunigen Ausreißens ist jedenfalls nicht blos in der Furcht vor dem sich
Nahenden, sondern vorzüglich in der Lichtschene zu suchen. Denn hält man sie in einem Gefäße,
so ist das erste, was sie thun, einen möglichst dunklen Platz unter einem Blatt oder Kiefel aufzu-
suchen. Jch habe seit einigen Jahren im Flohkrebs ein sehr passendes Futter für meine Olme
(Proteus) gefunden. Die Olme sind durchaus nicht zu bewegen, todtes Futter aufzunehmen.
Kleine Regenwürmer nehmen sie zwar, aber, wie mir scheint, nicht besonders gern. An Floh-
krebsen fressen sie sich ganz
dick. Gewöhnlich geben die
Flohkrebse, indem sie beim
Vorbeischwimmen den Olm
an der Schnautzekitzeln, selbst
diesem blinden, wenn auch
recht behenden Thiere, das
Zeichen zum Zuschnappen.

Außer dem Gammarus
pulex
sind aus den süßen
Gewässern Europas noch

[Abbildung] Talitrus. Phronima. [] vergr.
einige wenige, ihm sehr nahe stehende, und zahlreiche Arten aus dem Meere beschrieben. Andere
frei im Meere lebende Gattungen reihen sich an, welche sich durch die Längenverhältnisse der Fühler
und die Beschaffenheit der Beine unterscheiden, so Orchestia, Talitrus und die besonders in den
nordischen Meeren vertretene Gattung Lysianassa. Die Arten von Corophium graben sich Löcher
in den Schlamm, diejenigen von Cerapus bauen sich, wie die Larven der Phryganiden, cylindrische
Gehäuse, welche sie mit sich schleppen.

Durch einen gedrungenen, plumpen Körper mit großem, gleichsam aufgetriebenen Kopf ist
die Familie der parasitischen Flohkrebse (Hyperina) gekennzeichnet. Auch mangeln ihnen
die Sprungbeine, und, obwohl geschickte Schwimmer, halten sie sich meist an Fischen und Medusen
angeklammert. So die abgebildete Phronima.

Jm engsten Anschluß an die Flohkrebse folgen die Kehlfüßer (Laemodipoda), jenen gleichend
durch die Verwachsung des Kopfes mit den ersten Brustringen, von ihnen abweichend durch die
gänzliche Verkümmerung des Hinterleibes. Gewöhnlich finden sich an zwei Leibesringen blatt-
förmige Kiemen statt der Beine. Jndem, wie gesagt, auch der zweite Brustring mit dem Kopfe
eng verbunden ist, bekommen die Thierchen das Ansehen, als ob das erste Fußpaar ihnen an der
Kehle säße. Es sind zwei, in Aussehen und Lebensweise sehr verschiedene Hauptgattungen
zu unterscheiden. Die erste, Caprella, hat einen dünnen, fadenförmigen, gestreckten Körper. Die
beiden ersten Beinpaare haben das vorletzte Glied verdickt, die drei hinteren Paare gestreckt. Die
zahlreichen, drei bis sechs Linien langen Arten halten sich auf den Tangen und Algen der Meere
auf und gewähren, in ihrer Kleinheit von den meisten Besuchern des Meeres gänzlich übersehen,
dem Beobachter des unscheinbaren Thierlebens in ihrem Treiben ein anziehendes Schauspiel. Sie

Gemeiner Flohkrebs. Talitrus. Phronima. Caprella.
hält ſich, wie geſagt, am Grunde ſeichter, aber nicht faulig werdender Gewäſſer, am liebſten
unter größeren Steinen und Holzſtücken auf und nährt ſich vorzugsweiſe von Pflanzenſtoffen,
ſkelettirt z. B. im Herbſt meiſterhaft die in ſeine Gewäſſer fallenden Blätter. Hebt man einen
ſolchen, ihnen Schutz gewährenden Stein jäh auf, ſo findet man ſie gewöhnlich dicht gedrängt,
groß und klein durch einander ſitzend und liegend. Aber kaum fühlen ſie ſich geſtört, als ſie
ſchon mit größter Hurtigkeit nach allen Richtungen auseinander ſtieben, um hinter den erſten
beſten Gegenſtand ſich wieder zu verbergen. Diejenigen, welche an dem aufgenommenen Steine
haften bleiben, ſuchen mit energiſchen Bewegungen des Hinterleibes ſich loszumachen und ſeitlich
ſich fortſchnellend, ohne eigentlich zu hüpfen, das rettende Element zu gewinnen. Gelingt ihnen
das nicht bald, ſo trocknen ihre Kiemen ein und ſie ſind beſonders an der Sonne ſchnell hin.
Der Grund ihres ſchleunigen Ausreißens iſt jedenfalls nicht blos in der Furcht vor dem ſich
Nahenden, ſondern vorzüglich in der Lichtſchene zu ſuchen. Denn hält man ſie in einem Gefäße,
ſo iſt das erſte, was ſie thun, einen möglichſt dunklen Platz unter einem Blatt oder Kiefel aufzu-
ſuchen. Jch habe ſeit einigen Jahren im Flohkrebs ein ſehr paſſendes Futter für meine Olme
(Proteus) gefunden. Die Olme ſind durchaus nicht zu bewegen, todtes Futter aufzunehmen.
Kleine Regenwürmer nehmen ſie zwar, aber, wie mir ſcheint, nicht beſonders gern. An Floh-
krebſen freſſen ſie ſich ganz
dick. Gewöhnlich geben die
Flohkrebſe, indem ſie beim
Vorbeiſchwimmen den Olm
an der Schnautzekitzeln, ſelbſt
dieſem blinden, wenn auch
recht behenden Thiere, das
Zeichen zum Zuſchnappen.

Außer dem Gammarus
pulex
ſind aus den ſüßen
Gewäſſern Europas noch

[Abbildung] Talitrus. Phronima. [] vergr.
einige wenige, ihm ſehr nahe ſtehende, und zahlreiche Arten aus dem Meere beſchrieben. Andere
frei im Meere lebende Gattungen reihen ſich an, welche ſich durch die Längenverhältniſſe der Fühler
und die Beſchaffenheit der Beine unterſcheiden, ſo Orchestia, Talitrus und die beſonders in den
nordiſchen Meeren vertretene Gattung Lysianassa. Die Arten von Corophium graben ſich Löcher
in den Schlamm, diejenigen von Cerapus bauen ſich, wie die Larven der Phryganiden, cylindriſche
Gehäuſe, welche ſie mit ſich ſchleppen.

Durch einen gedrungenen, plumpen Körper mit großem, gleichſam aufgetriebenen Kopf iſt
die Familie der paraſitiſchen Flohkrebſe (Hyperina) gekennzeichnet. Auch mangeln ihnen
die Sprungbeine, und, obwohl geſchickte Schwimmer, halten ſie ſich meiſt an Fiſchen und Meduſen
angeklammert. So die abgebildete Phronima.

Jm engſten Anſchluß an die Flohkrebſe folgen die Kehlfüßer (Laemodipoda), jenen gleichend
durch die Verwachſung des Kopfes mit den erſten Bruſtringen, von ihnen abweichend durch die
gänzliche Verkümmerung des Hinterleibes. Gewöhnlich finden ſich an zwei Leibesringen blatt-
förmige Kiemen ſtatt der Beine. Jndem, wie geſagt, auch der zweite Bruſtring mit dem Kopfe
eng verbunden iſt, bekommen die Thierchen das Anſehen, als ob das erſte Fußpaar ihnen an der
Kehle ſäße. Es ſind zwei, in Ausſehen und Lebensweiſe ſehr verſchiedene Hauptgattungen
zu unterſcheiden. Die erſte, Caprella, hat einen dünnen, fadenförmigen, geſtreckten Körper. Die
beiden erſten Beinpaare haben das vorletzte Glied verdickt, die drei hinteren Paare geſtreckt. Die
zahlreichen, drei bis ſechs Linien langen Arten halten ſich auf den Tangen und Algen der Meere
auf und gewähren, in ihrer Kleinheit von den meiſten Beſuchern des Meeres gänzlich überſehen,
dem Beobachter des unſcheinbaren Thierlebens in ihrem Treiben ein anziehendes Schauſpiel. Sie

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[651/0695] Gemeiner Flohkrebs. Talitrus. Phronima. Caprella. hält ſich, wie geſagt, am Grunde ſeichter, aber nicht faulig werdender Gewäſſer, am liebſten unter größeren Steinen und Holzſtücken auf und nährt ſich vorzugsweiſe von Pflanzenſtoffen, ſkelettirt z. B. im Herbſt meiſterhaft die in ſeine Gewäſſer fallenden Blätter. Hebt man einen ſolchen, ihnen Schutz gewährenden Stein jäh auf, ſo findet man ſie gewöhnlich dicht gedrängt, groß und klein durch einander ſitzend und liegend. Aber kaum fühlen ſie ſich geſtört, als ſie ſchon mit größter Hurtigkeit nach allen Richtungen auseinander ſtieben, um hinter den erſten beſten Gegenſtand ſich wieder zu verbergen. Diejenigen, welche an dem aufgenommenen Steine haften bleiben, ſuchen mit energiſchen Bewegungen des Hinterleibes ſich loszumachen und ſeitlich ſich fortſchnellend, ohne eigentlich zu hüpfen, das rettende Element zu gewinnen. Gelingt ihnen das nicht bald, ſo trocknen ihre Kiemen ein und ſie ſind beſonders an der Sonne ſchnell hin. Der Grund ihres ſchleunigen Ausreißens iſt jedenfalls nicht blos in der Furcht vor dem ſich Nahenden, ſondern vorzüglich in der Lichtſchene zu ſuchen. Denn hält man ſie in einem Gefäße, ſo iſt das erſte, was ſie thun, einen möglichſt dunklen Platz unter einem Blatt oder Kiefel aufzu- ſuchen. Jch habe ſeit einigen Jahren im Flohkrebs ein ſehr paſſendes Futter für meine Olme (Proteus) gefunden. Die Olme ſind durchaus nicht zu bewegen, todtes Futter aufzunehmen. Kleine Regenwürmer nehmen ſie zwar, aber, wie mir ſcheint, nicht beſonders gern. An Floh- krebſen freſſen ſie ſich ganz dick. Gewöhnlich geben die Flohkrebſe, indem ſie beim Vorbeiſchwimmen den Olm an der Schnautzekitzeln, ſelbſt dieſem blinden, wenn auch recht behenden Thiere, das Zeichen zum Zuſchnappen. Außer dem Gammarus pulex ſind aus den ſüßen Gewäſſern Europas noch [Abbildung Talitrus. Phronima. [FORMEL] vergr.] einige wenige, ihm ſehr nahe ſtehende, und zahlreiche Arten aus dem Meere beſchrieben. Andere frei im Meere lebende Gattungen reihen ſich an, welche ſich durch die Längenverhältniſſe der Fühler und die Beſchaffenheit der Beine unterſcheiden, ſo Orchestia, Talitrus und die beſonders in den nordiſchen Meeren vertretene Gattung Lysianassa. Die Arten von Corophium graben ſich Löcher in den Schlamm, diejenigen von Cerapus bauen ſich, wie die Larven der Phryganiden, cylindriſche Gehäuſe, welche ſie mit ſich ſchleppen. Durch einen gedrungenen, plumpen Körper mit großem, gleichſam aufgetriebenen Kopf iſt die Familie der paraſitiſchen Flohkrebſe (Hyperina) gekennzeichnet. Auch mangeln ihnen die Sprungbeine, und, obwohl geſchickte Schwimmer, halten ſie ſich meiſt an Fiſchen und Meduſen angeklammert. So die abgebildete Phronima. Jm engſten Anſchluß an die Flohkrebſe folgen die Kehlfüßer (Laemodipoda), jenen gleichend durch die Verwachſung des Kopfes mit den erſten Bruſtringen, von ihnen abweichend durch die gänzliche Verkümmerung des Hinterleibes. Gewöhnlich finden ſich an zwei Leibesringen blatt- förmige Kiemen ſtatt der Beine. Jndem, wie geſagt, auch der zweite Bruſtring mit dem Kopfe eng verbunden iſt, bekommen die Thierchen das Anſehen, als ob das erſte Fußpaar ihnen an der Kehle ſäße. Es ſind zwei, in Ausſehen und Lebensweiſe ſehr verſchiedene Hauptgattungen zu unterſcheiden. Die erſte, Caprella, hat einen dünnen, fadenförmigen, geſtreckten Körper. Die beiden erſten Beinpaare haben das vorletzte Glied verdickt, die drei hinteren Paare geſtreckt. Die zahlreichen, drei bis ſechs Linien langen Arten halten ſich auf den Tangen und Algen der Meere auf und gewähren, in ihrer Kleinheit von den meiſten Beſuchern des Meeres gänzlich überſehen, dem Beobachter des unſcheinbaren Thierlebens in ihrem Treiben ein anziehendes Schauſpiel. Sie

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 651. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/695>, abgerufen am 24.11.2024.