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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Schaamkrabbe. Wollkrabbe. Krabben auf der Jagd.
mit einer höchst handartigen Bewegung zum Maule geführt. Nachdem die Krabbe einige Klauen
voll genommen, schien das Weichthier ihr keine hinlänglich solide Nahrung mehr zu sein, und sie
bewegte sich langsam dem trockenen Sande zu. Längs den feuchten Stellen hinkriechend, suchte
ein schöner Sandhüpfer seinen Weg nach einigen Büscheln Seegras einzuschlagen; er bewegte sich
langsam, nicht wissend, daß ein Feind auf ihn laure und fing bald an auf dem Grase seine
Mahlzeit zu halten. Die Bewegungen der Krabbe waren jetzt wundervoll; sie beobachtete den
Sandhüpfer und näherte sich ihm langsam; ein Klumpen Seegras lag zwischen ihnen, und von
diesem machte die Krabbe mit der Geschicklichkeit eines vollendeten Schützen Gebrauch als Deckung.
Ungefähr acht Zoll Raum trennte sie von ihrer Beute, und die Abkürzung des Zwischenraumes
war ihr Zweck. Allein der Sandhüpfer war auf seiner Hut und schien, früherer Erfahrung zu-
folge, es für möglich zu halten, daß ein Feind in der Nähe sei. Jn Kurzem verließ die Krabbe
ihren Schlupfort, duckte sich und kroch kunstvoll auf die Beute los: als sie ungefähr vier Zoll von
derselben war, hörte der Sandhüpfer zu fressen auf und wandte sich gegen die Krabbe. Einen
Moment hatten wir auf einen anderen, uns störenden Gegenstand die Augen gewendet; als wir
sie wieder auf die Kämpfenden richteten, war die Krabbe verschwunden. Was aus ihr geworden,
ließ sich unmöglich sagen. Der Sand war ringsum platt und ohne alle andre Bedeckung, als
einiges winziges Seegras. Näher zuschauend sahen wir einen Klumpen in dem Sande nahe bei
dem Hüpfer, und dieser Klumpen erhob sich langsam, wie durch einen unterirdischen Vorgang,
und die Krabbe tauchte aus dem Sand hervor, in welchen sie sich eingegraben hatte, um sich
der Beobachtung des Hüpfers zu entziehn. Nachdem sie sich vom Sande befreit, ging sie ver-
stohlen einen oder zwei Schritte vorwärts und stürzte dann plötzlich, wie die Katze auf die Maus,
auf den ruhig beschäftigten Sandhüpfer. Die wundervoll handartigen Klauen wurden nun unter
den Leib gestoßen, der Sandhüpfer gepackt und entzwei gerissen und mit den Klauen ins Maul
gesteckt. Während wir unsre ganze Aufmerksamkeit auf diese einzige Krabbe gerichtet hielten, hatten
wir einige Dutzend andre, in gleicher Weise beschäftigte nicht gesehn, die nur wenige Schritte
von uns sich emsig mit der gleichen Jagd abgaben. Große und kleine, rührige und scharfe, träge
und langsame Krabben waren alle geschäftig. Eine darunter gewährte uns besondere Unterhaltung
und zwar eine der größeren, welche mit ungemeiner Vorsicht aus dem Meer hervorkam. Nachdem
ich zufälliger Weise einen Arm bewegt hatte, als das Thier sich unserer Stellung näherte, zog
diese Handlung die Aufmerksamkeit der Krabbe auf sich und erweckte ihren Verdacht. Sie stellte
einen Augenblick Beobachtungen an, sank dann in den Sand und verschwand vor unseren Augen;
fast unmittelbar darauf indeß erhoben sich zwei kleine schwarze Punkte aus dem Sand und blieben
fest: die gestielten, beweglichen Augen der Krabbe, welche mit verborgenem Körper beobachtete, was
um sie her vorging."

"Erst nachdem wir mehrere Minuten lang bewegungslos geblieben, war die Krabbe endlich
befriedigt, erhob sich aus dem Sand und setzte ihre Jagd fort, und zwar in einer Weise, daß
man hätte glauben können, sie habe mittlerweile nachgedacht, wie sie am Besten zum Ziel komme.
Sie sing den Sandhüpfer auf folgende Weise. Rasch unter eine Anzahl derselben laufend, zer-
streute sie die Thierchen in alle Richtungen. Anfangs zwar gelang es ihr nicht, irgend eins zu
fangen, sie versank daher sogleich in den Sand und verhielt sich regungslos aber lauernd. Jn
kurzer Frist sammelten sich die Sandhüpfer, da sie keine Ursache zur Beunruhigung mehr sahen,
wieder an der Stelle, wo sie gestört worden, und sprangen emsig auf der Krabbe herum, welche
sich allmälig aus dem Sand erhob, um sich zur Action bereit zu machen. Nun sind die Sand-
hüpfer nach ihren phantastischen Sprüngen keineswegs gewiß, ob sie sich auf ihren Rücken, ihre
Füße oder Seiten niederlassen, und so müssen sie häufig sich ein wenig abmühen, um wieder auf
ihre Füße zu kommen. Die Krabbe wartete achtsam auf eine solche Gelegenheit, um ihre in un-
vortheilhafter Lage befindliche Beute zu fassen. Wenn sie daher einen Hüpfer in dieser Klemme
sah, stürzte sie heraus und packte ihn."

Schaamkrabbe. Wollkrabbe. Krabben auf der Jagd.
mit einer höchſt handartigen Bewegung zum Maule geführt. Nachdem die Krabbe einige Klauen
voll genommen, ſchien das Weichthier ihr keine hinlänglich ſolide Nahrung mehr zu ſein, und ſie
bewegte ſich langſam dem trockenen Sande zu. Längs den feuchten Stellen hinkriechend, ſuchte
ein ſchöner Sandhüpfer ſeinen Weg nach einigen Büſcheln Seegras einzuſchlagen; er bewegte ſich
langſam, nicht wiſſend, daß ein Feind auf ihn laure und fing bald an auf dem Graſe ſeine
Mahlzeit zu halten. Die Bewegungen der Krabbe waren jetzt wundervoll; ſie beobachtete den
Sandhüpfer und näherte ſich ihm langſam; ein Klumpen Seegras lag zwiſchen ihnen, und von
dieſem machte die Krabbe mit der Geſchicklichkeit eines vollendeten Schützen Gebrauch als Deckung.
Ungefähr acht Zoll Raum trennte ſie von ihrer Beute, und die Abkürzung des Zwiſchenraumes
war ihr Zweck. Allein der Sandhüpfer war auf ſeiner Hut und ſchien, früherer Erfahrung zu-
folge, es für möglich zu halten, daß ein Feind in der Nähe ſei. Jn Kurzem verließ die Krabbe
ihren Schlupfort, duckte ſich und kroch kunſtvoll auf die Beute los: als ſie ungefähr vier Zoll von
derſelben war, hörte der Sandhüpfer zu freſſen auf und wandte ſich gegen die Krabbe. Einen
Moment hatten wir auf einen anderen, uns ſtörenden Gegenſtand die Augen gewendet; als wir
ſie wieder auf die Kämpfenden richteten, war die Krabbe verſchwunden. Was aus ihr geworden,
ließ ſich unmöglich ſagen. Der Sand war ringsum platt und ohne alle andre Bedeckung, als
einiges winziges Seegras. Näher zuſchauend ſahen wir einen Klumpen in dem Sande nahe bei
dem Hüpfer, und dieſer Klumpen erhob ſich langſam, wie durch einen unterirdiſchen Vorgang,
und die Krabbe tauchte aus dem Sand hervor, in welchen ſie ſich eingegraben hatte, um ſich
der Beobachtung des Hüpfers zu entziehn. Nachdem ſie ſich vom Sande befreit, ging ſie ver-
ſtohlen einen oder zwei Schritte vorwärts und ſtürzte dann plötzlich, wie die Katze auf die Maus,
auf den ruhig beſchäftigten Sandhüpfer. Die wundervoll handartigen Klauen wurden nun unter
den Leib geſtoßen, der Sandhüpfer gepackt und entzwei geriſſen und mit den Klauen ins Maul
geſteckt. Während wir unſre ganze Aufmerkſamkeit auf dieſe einzige Krabbe gerichtet hielten, hatten
wir einige Dutzend andre, in gleicher Weiſe beſchäftigte nicht geſehn, die nur wenige Schritte
von uns ſich emſig mit der gleichen Jagd abgaben. Große und kleine, rührige und ſcharfe, träge
und langſame Krabben waren alle geſchäftig. Eine darunter gewährte uns beſondere Unterhaltung
und zwar eine der größeren, welche mit ungemeiner Vorſicht aus dem Meer hervorkam. Nachdem
ich zufälliger Weiſe einen Arm bewegt hatte, als das Thier ſich unſerer Stellung näherte, zog
dieſe Handlung die Aufmerkſamkeit der Krabbe auf ſich und erweckte ihren Verdacht. Sie ſtellte
einen Augenblick Beobachtungen an, ſank dann in den Sand und verſchwand vor unſeren Augen;
faſt unmittelbar darauf indeß erhoben ſich zwei kleine ſchwarze Punkte aus dem Sand und blieben
feſt: die geſtielten, beweglichen Augen der Krabbe, welche mit verborgenem Körper beobachtete, was
um ſie her vorging.“

„Erſt nachdem wir mehrere Minuten lang bewegungslos geblieben, war die Krabbe endlich
befriedigt, erhob ſich aus dem Sand und ſetzte ihre Jagd fort, und zwar in einer Weiſe, daß
man hätte glauben können, ſie habe mittlerweile nachgedacht, wie ſie am Beſten zum Ziel komme.
Sie ſing den Sandhüpfer auf folgende Weiſe. Raſch unter eine Anzahl derſelben laufend, zer-
ſtreute ſie die Thierchen in alle Richtungen. Anfangs zwar gelang es ihr nicht, irgend eins zu
fangen, ſie verſank daher ſogleich in den Sand und verhielt ſich regungslos aber lauernd. Jn
kurzer Friſt ſammelten ſich die Sandhüpfer, da ſie keine Urſache zur Beunruhigung mehr ſahen,
wieder an der Stelle, wo ſie geſtört worden, und ſprangen emſig auf der Krabbe herum, welche
ſich allmälig aus dem Sand erhob, um ſich zur Action bereit zu machen. Nun ſind die Sand-
hüpfer nach ihren phantaſtiſchen Sprüngen keineswegs gewiß, ob ſie ſich auf ihren Rücken, ihre
Füße oder Seiten niederlaſſen, und ſo müſſen ſie häufig ſich ein wenig abmühen, um wieder auf
ihre Füße zu kommen. Die Krabbe wartete achtſam auf eine ſolche Gelegenheit, um ihre in un-
vortheilhafter Lage befindliche Beute zu faſſen. Wenn ſie daher einen Hüpfer in dieſer Klemme
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[635/0675] Schaamkrabbe. Wollkrabbe. Krabben auf der Jagd. mit einer höchſt handartigen Bewegung zum Maule geführt. Nachdem die Krabbe einige Klauen voll genommen, ſchien das Weichthier ihr keine hinlänglich ſolide Nahrung mehr zu ſein, und ſie bewegte ſich langſam dem trockenen Sande zu. Längs den feuchten Stellen hinkriechend, ſuchte ein ſchöner Sandhüpfer ſeinen Weg nach einigen Büſcheln Seegras einzuſchlagen; er bewegte ſich langſam, nicht wiſſend, daß ein Feind auf ihn laure und fing bald an auf dem Graſe ſeine Mahlzeit zu halten. Die Bewegungen der Krabbe waren jetzt wundervoll; ſie beobachtete den Sandhüpfer und näherte ſich ihm langſam; ein Klumpen Seegras lag zwiſchen ihnen, und von dieſem machte die Krabbe mit der Geſchicklichkeit eines vollendeten Schützen Gebrauch als Deckung. Ungefähr acht Zoll Raum trennte ſie von ihrer Beute, und die Abkürzung des Zwiſchenraumes war ihr Zweck. Allein der Sandhüpfer war auf ſeiner Hut und ſchien, früherer Erfahrung zu- folge, es für möglich zu halten, daß ein Feind in der Nähe ſei. Jn Kurzem verließ die Krabbe ihren Schlupfort, duckte ſich und kroch kunſtvoll auf die Beute los: als ſie ungefähr vier Zoll von derſelben war, hörte der Sandhüpfer zu freſſen auf und wandte ſich gegen die Krabbe. Einen Moment hatten wir auf einen anderen, uns ſtörenden Gegenſtand die Augen gewendet; als wir ſie wieder auf die Kämpfenden richteten, war die Krabbe verſchwunden. Was aus ihr geworden, ließ ſich unmöglich ſagen. Der Sand war ringsum platt und ohne alle andre Bedeckung, als einiges winziges Seegras. Näher zuſchauend ſahen wir einen Klumpen in dem Sande nahe bei dem Hüpfer, und dieſer Klumpen erhob ſich langſam, wie durch einen unterirdiſchen Vorgang, und die Krabbe tauchte aus dem Sand hervor, in welchen ſie ſich eingegraben hatte, um ſich der Beobachtung des Hüpfers zu entziehn. Nachdem ſie ſich vom Sande befreit, ging ſie ver- ſtohlen einen oder zwei Schritte vorwärts und ſtürzte dann plötzlich, wie die Katze auf die Maus, auf den ruhig beſchäftigten Sandhüpfer. Die wundervoll handartigen Klauen wurden nun unter den Leib geſtoßen, der Sandhüpfer gepackt und entzwei geriſſen und mit den Klauen ins Maul geſteckt. Während wir unſre ganze Aufmerkſamkeit auf dieſe einzige Krabbe gerichtet hielten, hatten wir einige Dutzend andre, in gleicher Weiſe beſchäftigte nicht geſehn, die nur wenige Schritte von uns ſich emſig mit der gleichen Jagd abgaben. Große und kleine, rührige und ſcharfe, träge und langſame Krabben waren alle geſchäftig. Eine darunter gewährte uns beſondere Unterhaltung und zwar eine der größeren, welche mit ungemeiner Vorſicht aus dem Meer hervorkam. Nachdem ich zufälliger Weiſe einen Arm bewegt hatte, als das Thier ſich unſerer Stellung näherte, zog dieſe Handlung die Aufmerkſamkeit der Krabbe auf ſich und erweckte ihren Verdacht. Sie ſtellte einen Augenblick Beobachtungen an, ſank dann in den Sand und verſchwand vor unſeren Augen; faſt unmittelbar darauf indeß erhoben ſich zwei kleine ſchwarze Punkte aus dem Sand und blieben feſt: die geſtielten, beweglichen Augen der Krabbe, welche mit verborgenem Körper beobachtete, was um ſie her vorging.“ „Erſt nachdem wir mehrere Minuten lang bewegungslos geblieben, war die Krabbe endlich befriedigt, erhob ſich aus dem Sand und ſetzte ihre Jagd fort, und zwar in einer Weiſe, daß man hätte glauben können, ſie habe mittlerweile nachgedacht, wie ſie am Beſten zum Ziel komme. Sie ſing den Sandhüpfer auf folgende Weiſe. Raſch unter eine Anzahl derſelben laufend, zer- ſtreute ſie die Thierchen in alle Richtungen. Anfangs zwar gelang es ihr nicht, irgend eins zu fangen, ſie verſank daher ſogleich in den Sand und verhielt ſich regungslos aber lauernd. Jn kurzer Friſt ſammelten ſich die Sandhüpfer, da ſie keine Urſache zur Beunruhigung mehr ſahen, wieder an der Stelle, wo ſie geſtört worden, und ſprangen emſig auf der Krabbe herum, welche ſich allmälig aus dem Sand erhob, um ſich zur Action bereit zu machen. Nun ſind die Sand- hüpfer nach ihren phantaſtiſchen Sprüngen keineswegs gewiß, ob ſie ſich auf ihren Rücken, ihre Füße oder Seiten niederlaſſen, und ſo müſſen ſie häufig ſich ein wenig abmühen, um wieder auf ihre Füße zu kommen. Die Krabbe wartete achtſam auf eine ſolche Gelegenheit, um ihre in un- vortheilhafter Lage befindliche Beute zu faſſen. Wenn ſie daher einen Hüpfer in dieſer Klemme ſah, ſtürzte ſie heraus und packte ihn.“

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 635. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/675>, abgerufen am 24.11.2024.