wenn sie schnell und behend laufen, einen komischen Anblick. Die deutschen Soldaten, welche ich in Dalmatien traf, nannten sie, ein Commandowort auf sie anwendend, "zieht Euch rechts". Obgleich die ausgewachsenen Krabben einen so verkümmerten Schwanz besitzen, ist derselbe doch bei ihren Jungen wohlentwickelt vorhanden und hat Veranlassung gegeben, daß man diese Jugendform als ein ganz anderes Thier mit besonderem Namen (Zoea) belegt hat. Das Aussehn ist allerdings fremdartig genug; der lange schnabelartige Fortsatz, der mächtige Rückenstachel, der Schwanz müssen theils ganz verschwinden, theils verkümmern, das Kopfbruststück eine ganz andere Gestalt annehmen, ehe der Krabbenkörper herauskommt. Man kann also sagen, daß die kurzschwänzige Krabbe in der Jugend ein langschwänziger Krebs ist, und zwar ist diese Jugendform in der ganzen Ordnung der Decapoden vorherrschend.
Die Familie der Viereckkrabben hat ein mehr oder weniger viereckiges, vorn quer abge- stutztes Kopfbruststück. Zu ihr gehören eine Reihe Landbewohner aus den Gattungen Gecarcinus, Gelasimus, Ocypoda, Grapsus u. a. Die Arten der erstgenannten Gattungen leben in Erdlöchern.
Das Leben der Landkrabben (Gecarcinus) wird von dem vielgereisten Pöppig so ge- schildert: "Vorzugsweise bewohnen sie feuchte schattige Wälder, verbergen sich unter Baumwurzeln oder graben auch Löcher von ansehnlicher Tiefe. Manche verlassen die halbsumpfigen Niederungen in der Nähe des Meeres nicht, andre leben in ziemlicher Entfernung von demselben und sogar auf steilen, felsigen Bergen. Auf den ganz wasserlosen, mit niedrigem Buschwalde bedeckten, sonst aber von Pflanzenerde fast entblösten Kalkfelsen Cubas finden sich während acht Monaten des Jahres große Landkrabben, die, im dürren Laube raschelnd, die einsamen Fußgänger erschrecken können und, entdeckt, mit vielem Muthe sich zur Wehre stellen. Man beobachtet sie nur einzeln, wenn auch häufig; denn Gesellschaftstrieb empfinden sie nur zur Zeit der Fortpflanzung. Gar nicht selten nisten sie sich ein an sehr unreinlichen Orten, neben den Cloaken der Landgüter und be- sonders gern auf Friedhöfen. Daß sie zu oberflächlich verscharrten Leichnamen sich einen Weg bahnen und dieselben benagen, glaubt man in Westindien allgemein und wohl mit vollem Rechte. Daher hat auch der Abscheu, den ziemlich alle Volksklassen gegen sie als Speise äußern, einen triftigen Grund. Die gemeine Landkrabbe (Gecarcinus ruricola) wird auf allen Jnseln West- indiens und an den Küsten des nahen Festlandes angetroffen. Einmal im Jahre verläßt sie ihren eine bis zwei Wegestunden von der Küste entfernten Aufenthalt und zieht nach dem Meere. Jm Februar bemerkt man die ersten dieser Wanderer, die zwar immer mehr an Zahl zunehmen, in- dessen jene dichtgedrängten Schaaren niemals bilden, von welchen ältere Reisebeschreiber sprechen, die, ohne vertilgende Angriffe zu achten, immer vorwärts drängten, kein Hinderniß fürchteten noch umgingen, sondern über und durch ländliche Wohnungen den Weg verfolgten und als Ver- folger aller dort angenisteten Ratten und Schlangen gern gesehn wurden -- Fabeln oder Ueber- treibungen, die einer Widerlegung nicht würdig sind. Der Zug dauert bis in den April. Am Strande angekommen überlassen sich die Landkrabben zwar den Wogen, vermeiden aber alle Orte, wo diese heftig branden und verweilen überhaupt niemals lange Zeit im Wasser. Sie ziehen sich aus demselben zurück, sobald die Eier, die mit einem zähen Leime angeklebt, die Unterseite des Hinterleibs des Weibchens zahlreich bedecken, abgewaschen sind. Jm Mai und Juni treten sie die Rückreise an und sind dann durchaus nicht genießbar, denn einerseits ist das Muskelfleisch sehr geschwunden, und außerdem hat die große Leber, die bei allen Krabben und Krebsen den einzigen genießbaren Theil des Bruststücks darstellt, ihre sonstige Schmackhaftigkeit mit einer scharfen Bitter- keit vertauscht, dabei aber an Umfang außerordentlich zugenommen. Einige Wochen reichen zur Erholung hin; gegen Mitte August verbirgt sich die Landkrabbe in einer mit todtem Laube wohl ausgefütterten Höhle, verstopft den Zugang mit vieler Vorsicht und besteht die Häutung, die etwa einen Monat zu erfordern scheint. Mit rothgeaderter, sehr dünner und höchst empfindlicher Haut überzogen wird die Krabbe bis Anfang September in ihrem Verstecke aufgefunden und dann als
Zehnfüßige Krebſe. Krabben. Viereckkrabben.
wenn ſie ſchnell und behend laufen, einen komiſchen Anblick. Die deutſchen Soldaten, welche ich in Dalmatien traf, nannten ſie, ein Commandowort auf ſie anwendend, „zieht Euch rechts“. Obgleich die ausgewachſenen Krabben einen ſo verkümmerten Schwanz beſitzen, iſt derſelbe doch bei ihren Jungen wohlentwickelt vorhanden und hat Veranlaſſung gegeben, daß man dieſe Jugendform als ein ganz anderes Thier mit beſonderem Namen (Zoëa) belegt hat. Das Ausſehn iſt allerdings fremdartig genug; der lange ſchnabelartige Fortſatz, der mächtige Rückenſtachel, der Schwanz müſſen theils ganz verſchwinden, theils verkümmern, das Kopfbruſtſtück eine ganz andere Geſtalt annehmen, ehe der Krabbenkörper herauskommt. Man kann alſo ſagen, daß die kurzſchwänzige Krabbe in der Jugend ein langſchwänziger Krebs iſt, und zwar iſt dieſe Jugendform in der ganzen Ordnung der Decapoden vorherrſchend.
Die Familie der Viereckkrabben hat ein mehr oder weniger viereckiges, vorn quer abge- ſtutztes Kopfbruſtſtück. Zu ihr gehören eine Reihe Landbewohner aus den Gattungen Gecarcinus, Gelasimus, Ocypoda, Grapsus u. a. Die Arten der erſtgenannten Gattungen leben in Erdlöchern.
Das Leben der Landkrabben (Gecarcinus) wird von dem vielgereiſten Pöppig ſo ge- ſchildert: „Vorzugsweiſe bewohnen ſie feuchte ſchattige Wälder, verbergen ſich unter Baumwurzeln oder graben auch Löcher von anſehnlicher Tiefe. Manche verlaſſen die halbſumpfigen Niederungen in der Nähe des Meeres nicht, andre leben in ziemlicher Entfernung von demſelben und ſogar auf ſteilen, felſigen Bergen. Auf den ganz waſſerloſen, mit niedrigem Buſchwalde bedeckten, ſonſt aber von Pflanzenerde faſt entblöſten Kalkfelſen Cubas finden ſich während acht Monaten des Jahres große Landkrabben, die, im dürren Laube raſchelnd, die einſamen Fußgänger erſchrecken können und, entdeckt, mit vielem Muthe ſich zur Wehre ſtellen. Man beobachtet ſie nur einzeln, wenn auch häufig; denn Geſellſchaftstrieb empfinden ſie nur zur Zeit der Fortpflanzung. Gar nicht ſelten niſten ſie ſich ein an ſehr unreinlichen Orten, neben den Cloaken der Landgüter und be- ſonders gern auf Friedhöfen. Daß ſie zu oberflächlich verſcharrten Leichnamen ſich einen Weg bahnen und dieſelben benagen, glaubt man in Weſtindien allgemein und wohl mit vollem Rechte. Daher hat auch der Abſcheu, den ziemlich alle Volksklaſſen gegen ſie als Speiſe äußern, einen triftigen Grund. Die gemeine Landkrabbe (Gecarcinus ruricola) wird auf allen Jnſeln Weſt- indiens und an den Küſten des nahen Feſtlandes angetroffen. Einmal im Jahre verläßt ſie ihren eine bis zwei Wegeſtunden von der Küſte entfernten Aufenthalt und zieht nach dem Meere. Jm Februar bemerkt man die erſten dieſer Wanderer, die zwar immer mehr an Zahl zunehmen, in- deſſen jene dichtgedrängten Schaaren niemals bilden, von welchen ältere Reiſebeſchreiber ſprechen, die, ohne vertilgende Angriffe zu achten, immer vorwärts drängten, kein Hinderniß fürchteten noch umgingen, ſondern über und durch ländliche Wohnungen den Weg verfolgten und als Ver- folger aller dort angeniſteten Ratten und Schlangen gern geſehn wurden — Fabeln oder Ueber- treibungen, die einer Widerlegung nicht würdig ſind. Der Zug dauert bis in den April. Am Strande angekommen überlaſſen ſich die Landkrabben zwar den Wogen, vermeiden aber alle Orte, wo dieſe heftig branden und verweilen überhaupt niemals lange Zeit im Waſſer. Sie ziehen ſich aus demſelben zurück, ſobald die Eier, die mit einem zähen Leime angeklebt, die Unterſeite des Hinterleibs des Weibchens zahlreich bedecken, abgewaſchen ſind. Jm Mai und Juni treten ſie die Rückreiſe an und ſind dann durchaus nicht genießbar, denn einerſeits iſt das Muskelfleiſch ſehr geſchwunden, und außerdem hat die große Leber, die bei allen Krabben und Krebſen den einzigen genießbaren Theil des Bruſtſtücks darſtellt, ihre ſonſtige Schmackhaftigkeit mit einer ſcharfen Bitter- keit vertauſcht, dabei aber an Umfang außerordentlich zugenommen. Einige Wochen reichen zur Erholung hin; gegen Mitte Auguſt verbirgt ſich die Landkrabbe in einer mit todtem Laube wohl ausgefütterten Höhle, verſtopft den Zugang mit vieler Vorſicht und beſteht die Häutung, die etwa einen Monat zu erfordern ſcheint. Mit rothgeaderter, ſehr dünner und höchſt empfindlicher Haut überzogen wird die Krabbe bis Anfang September in ihrem Verſtecke aufgefunden und dann als
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Zehnfüßige Krebſe. Krabben. Viereckkrabben.
wenn ſie ſchnell und behend laufen, einen komiſchen Anblick. Die deutſchen Soldaten, welche ich
in Dalmatien traf, nannten ſie, ein Commandowort auf ſie anwendend, „zieht Euch rechts“.
Obgleich die ausgewachſenen Krabben einen ſo verkümmerten Schwanz beſitzen, iſt derſelbe doch
bei ihren Jungen wohlentwickelt vorhanden und hat Veranlaſſung gegeben, daß man dieſe Jugendform
als ein ganz anderes Thier mit beſonderem Namen (Zoëa) belegt hat. Das Ausſehn iſt allerdings
fremdartig genug; der lange ſchnabelartige Fortſatz, der mächtige Rückenſtachel, der Schwanz müſſen
theils ganz verſchwinden, theils verkümmern, das Kopfbruſtſtück eine ganz andere Geſtalt annehmen,
ehe der Krabbenkörper herauskommt. Man kann alſo ſagen, daß die kurzſchwänzige Krabbe in
der Jugend ein langſchwänziger Krebs iſt, und zwar iſt dieſe Jugendform in der ganzen Ordnung
der Decapoden vorherrſchend.
Die Familie der Viereckkrabben hat ein mehr oder weniger viereckiges, vorn quer abge-
ſtutztes Kopfbruſtſtück. Zu ihr gehören eine Reihe Landbewohner aus den Gattungen Gecarcinus,
Gelasimus, Ocypoda, Grapsus u. a. Die Arten der erſtgenannten Gattungen leben in
Erdlöchern.
Das Leben der Landkrabben (Gecarcinus) wird von dem vielgereiſten Pöppig ſo ge-
ſchildert: „Vorzugsweiſe bewohnen ſie feuchte ſchattige Wälder, verbergen ſich unter Baumwurzeln
oder graben auch Löcher von anſehnlicher Tiefe. Manche verlaſſen die halbſumpfigen Niederungen
in der Nähe des Meeres nicht, andre leben in ziemlicher Entfernung von demſelben und ſogar
auf ſteilen, felſigen Bergen. Auf den ganz waſſerloſen, mit niedrigem Buſchwalde bedeckten, ſonſt
aber von Pflanzenerde faſt entblöſten Kalkfelſen Cubas finden ſich während acht Monaten des
Jahres große Landkrabben, die, im dürren Laube raſchelnd, die einſamen Fußgänger erſchrecken
können und, entdeckt, mit vielem Muthe ſich zur Wehre ſtellen. Man beobachtet ſie nur einzeln,
wenn auch häufig; denn Geſellſchaftstrieb empfinden ſie nur zur Zeit der Fortpflanzung. Gar nicht
ſelten niſten ſie ſich ein an ſehr unreinlichen Orten, neben den Cloaken der Landgüter und be-
ſonders gern auf Friedhöfen. Daß ſie zu oberflächlich verſcharrten Leichnamen ſich einen Weg
bahnen und dieſelben benagen, glaubt man in Weſtindien allgemein und wohl mit vollem Rechte.
Daher hat auch der Abſcheu, den ziemlich alle Volksklaſſen gegen ſie als Speiſe äußern, einen
triftigen Grund. Die gemeine Landkrabbe (Gecarcinus ruricola) wird auf allen Jnſeln Weſt-
indiens und an den Küſten des nahen Feſtlandes angetroffen. Einmal im Jahre verläßt ſie ihren
eine bis zwei Wegeſtunden von der Küſte entfernten Aufenthalt und zieht nach dem Meere. Jm
Februar bemerkt man die erſten dieſer Wanderer, die zwar immer mehr an Zahl zunehmen, in-
deſſen jene dichtgedrängten Schaaren niemals bilden, von welchen ältere Reiſebeſchreiber ſprechen,
die, ohne vertilgende Angriffe zu achten, immer vorwärts drängten, kein Hinderniß fürchteten
noch umgingen, ſondern über und durch ländliche Wohnungen den Weg verfolgten und als Ver-
folger aller dort angeniſteten Ratten und Schlangen gern geſehn wurden — Fabeln oder Ueber-
treibungen, die einer Widerlegung nicht würdig ſind. Der Zug dauert bis in den April. Am
Strande angekommen überlaſſen ſich die Landkrabben zwar den Wogen, vermeiden aber alle Orte,
wo dieſe heftig branden und verweilen überhaupt niemals lange Zeit im Waſſer. Sie ziehen ſich
aus demſelben zurück, ſobald die Eier, die mit einem zähen Leime angeklebt, die Unterſeite des
Hinterleibs des Weibchens zahlreich bedecken, abgewaſchen ſind. Jm Mai und Juni treten ſie die
Rückreiſe an und ſind dann durchaus nicht genießbar, denn einerſeits iſt das Muskelfleiſch ſehr
geſchwunden, und außerdem hat die große Leber, die bei allen Krabben und Krebſen den einzigen
genießbaren Theil des Bruſtſtücks darſtellt, ihre ſonſtige Schmackhaftigkeit mit einer ſcharfen Bitter-
keit vertauſcht, dabei aber an Umfang außerordentlich zugenommen. Einige Wochen reichen zur
Erholung hin; gegen Mitte Auguſt verbirgt ſich die Landkrabbe in einer mit todtem Laube wohl
ausgefütterten Höhle, verſtopft den Zugang mit vieler Vorſicht und beſteht die Häutung, die etwa
einen Monat zu erfordern ſcheint. Mit rothgeaderter, ſehr dünner und höchſt empfindlicher Haut
überzogen wird die Krabbe bis Anfang September in ihrem Verſtecke aufgefunden und dann als
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 630. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/670>, abgerufen am 27.11.2024.
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