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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Spinnenthiere. Lausmilben.
aber verräth die Gegenwart der Milben. Jn Bierfässern, an den Rändern nicht rein gehaltener
Milchäsche, an gedorrtem Fleische, zwischen Sämereien etc., kommen wieder andere Arten vor und
legen Beweis für die staunenswerthe Ausbreitung und Manchfaltigkeit der Milben ab.

Jahrhunderte lang waren die Gelehrten und unter ihnen besonders die Aerzte getheilter
Ansicht über das Wesen jener lästigen und zum Theil ekelhaften Hautkrankheit, deren Name
"Krätze" überall einen unangenehmen Klang hat. Seitdem die mancherlei Hautkrankheiten richtiger
unterschieden und ihre Ursachen gründlicher erforscht worden sind, hat sich unzweifelhaft heraus-
gestellt, daß die Krätze durch des Wühlen von Milben in der Oberhaut entsteht und daher niemals von
selbst, sondern durch unmittelbare Ansteckung von außen oder durch von Kleidungsstücken, Betten etc.
vermittelte Uebertragung von Krätzmilben oder deren Eiern zum Ausbruche kommen kann. Das
Thier nun, welches beim Menschen die genannte Krankheit verursacht, heißt die Krätzmilbe
des Menschen
(Sarcoptes hominis), wenigstens verdient dieser, von Raspail eingeführte wissen-
schaftliche, neuere Name den Vorzug vor dem älteren: Acarus scabici des Fabricius, weil die
unzureichende Beschreibung dieses letzteren Entomologen zweifelhaft läßt, ob er wirklich das in Rede
stehende Thier vor sich gehabt habe oder ein anderes, sehr ähnliches, deren es noch mehrere gibt.

Die Krätze zeigt sich als zerstrente, doch meist auf einzelne Körpertheile mit dünner Oberhaut,
wie Handgelenk, Ellbogen, Knie etc. beschränkte, linienförmige Erhöhungen (Gänge), deren jede
für sich von einem gereizten Punkte ausgeht, und die sich in ihrer Gesammtheit je nach der verschie-
denen Empfänglichkeit des Patienten und der Hautgegend als Punkt, Wärzchen, Bläschen oder
Pustel zeigen. Wenn nämlich die Krätzmilben auf die Haut gebracht werden, so bohren sie sich
mehr oder weniger schräg durch eine Hautfurche oder neben einem Haar ein und geben dabei eine
scharfe Flüssigkeit von sich, welche durch ihren Reiz die erwähnten Punkte, Bläschen etc., erzeugt.
Jn diesen Anfängen der Krätze findet man keine Milben, weil sie sich entweder schon tiefer
gegraben oder bereits schon wieder entfernt haben; denn alle jungen Milben, die Männchen sowohl,
wie die unbefruchteten Weibchen, führen ein sehr umherschweifendes Leben und verlassen ihre Gänge
schnell wieder, um neue zu graben. Sie sind es vorzugsweise, welche das unerträgliche Jucken
veranlassen. Dagegen fertigen die befruchteten Weibchen längere Gallerien (Nestgänge), welche
sie nicht wieder verlassen; sie setzen in diesen ihre Eier ab und werden todt in dem geschlossenen
Ende des Ganges gefunden. Eben so wenig wie in den Anfängen des Krätzausschlages finden
sich, wenigstens der Regel nach, die Milben in den Schuppen und Krusten (Schorfen), und in
diesen beiden Umständen ist der Grund davon zu suchen, daß man sie so lange nicht als Urheber
der Krankheit anerkennen wollte.

Jn der angegebenen Weise verhält es sich mit der gewöhnlichen, beim Menschen vorkommenden
Krätze, welche da, wo die Verhältnisse der Bevölkerung besser sind, wegen der Beschwerlichkeit
der Leiden, nicht lange auf ärztliche Hilfe zu warten braucht. Jndeß auch im Falle der Vernach-
lässigung erreicht sie nur eine gewisse Höhe, indem ein zu sehr gesteigerter Hautreiz den Thieren
nicht zusagt und eine starke Vermehrung derselben wenig begünstigt, so daß Jndividuen angetroffen
worden sind, welche Jahre lang die Krätze gehabt haben, ohne daß diese einen wesentlich andern,
als den gewöhnlichen Charakter angenommen hatte. Wenn sich dagegen die Milben unter besonders
günstigen Unständen befinden, die Haut in Folge ihrer Beschaffenheit weniger gereizt wird, vielleicht
die übrige Körperkonstitution unempfänglicher gegen die Hautthätigkeit ist und so das Treiben der
Thiere Monate lang und länger durch keine Behandlung gestört worden ist, -- so vermehren sie
sich in das Unglaubliche. Die zahlreichen, schnell auf einander folgen Generationen finden zum
Anlegen ihrer Nestgänge an den Stellen, welche sonst vorzugsweise dazu benutzt werden, keinen
Platz mehr und sind dann genöthigt, sie auch an den übrigen, für gewöhnlich verschont bleibenden
Körpertheilen anzubringen. Durch den beständigen Neiz, welchen sie auf die Haut ausüben,
erzeugen die Milben zugleich eine außergewöhnlich schnelle Neubildung der Oberhautelemente,
während deren ältere, von zahlreichen kurzen Gallerien und Löchern durchzogene Schichten mit

Die Spinnenthiere. Lausmilben.
aber verräth die Gegenwart der Milben. Jn Bierfäſſern, an den Rändern nicht rein gehaltener
Milchäſche, an gedorrtem Fleiſche, zwiſchen Sämereien ꝛc., kommen wieder andere Arten vor und
legen Beweis für die ſtaunenswerthe Ausbreitung und Manchfaltigkeit der Milben ab.

Jahrhunderte lang waren die Gelehrten und unter ihnen beſonders die Aerzte getheilter
Anſicht über das Weſen jener läſtigen und zum Theil ekelhaften Hautkrankheit, deren Name
„Krätze“ überall einen unangenehmen Klang hat. Seitdem die mancherlei Hautkrankheiten richtiger
unterſchieden und ihre Urſachen gründlicher erforſcht worden ſind, hat ſich unzweifelhaft heraus-
geſtellt, daß die Krätze durch des Wühlen von Milben in der Oberhaut entſteht und daher niemals von
ſelbſt, ſondern durch unmittelbare Anſteckung von außen oder durch von Kleidungsſtücken, Betten ꝛc.
vermittelte Uebertragung von Krätzmilben oder deren Eiern zum Ausbruche kommen kann. Das
Thier nun, welches beim Menſchen die genannte Krankheit verurſacht, heißt die Krätzmilbe
des Menſchen
(Sarcoptes hominis), wenigſtens verdient dieſer, von Raspail eingeführte wiſſen-
ſchaftliche, neuere Name den Vorzug vor dem älteren: Acarus scabici des Fabricius, weil die
unzureichende Beſchreibung dieſes letzteren Entomologen zweifelhaft läßt, ob er wirklich das in Rede
ſtehende Thier vor ſich gehabt habe oder ein anderes, ſehr ähnliches, deren es noch mehrere gibt.

Die Krätze zeigt ſich als zerſtrente, doch meiſt auf einzelne Körpertheile mit dünner Oberhaut,
wie Handgelenk, Ellbogen, Knie ꝛc. beſchränkte, linienförmige Erhöhungen (Gänge), deren jede
für ſich von einem gereizten Punkte ausgeht, und die ſich in ihrer Geſammtheit je nach der verſchie-
denen Empfänglichkeit des Patienten und der Hautgegend als Punkt, Wärzchen, Bläschen oder
Puſtel zeigen. Wenn nämlich die Krätzmilben auf die Haut gebracht werden, ſo bohren ſie ſich
mehr oder weniger ſchräg durch eine Hautfurche oder neben einem Haar ein und geben dabei eine
ſcharfe Flüſſigkeit von ſich, welche durch ihren Reiz die erwähnten Punkte, Bläschen ꝛc., erzeugt.
Jn dieſen Anfängen der Krätze findet man keine Milben, weil ſie ſich entweder ſchon tiefer
gegraben oder bereits ſchon wieder entfernt haben; denn alle jungen Milben, die Männchen ſowohl,
wie die unbefruchteten Weibchen, führen ein ſehr umherſchweifendes Leben und verlaſſen ihre Gänge
ſchnell wieder, um neue zu graben. Sie ſind es vorzugsweiſe, welche das unerträgliche Jucken
veranlaſſen. Dagegen fertigen die befruchteten Weibchen längere Gallerien (Neſtgänge), welche
ſie nicht wieder verlaſſen; ſie ſetzen in dieſen ihre Eier ab und werden todt in dem geſchloſſenen
Ende des Ganges gefunden. Eben ſo wenig wie in den Anfängen des Krätzausſchlages finden
ſich, wenigſtens der Regel nach, die Milben in den Schuppen und Kruſten (Schorfen), und in
dieſen beiden Umſtänden iſt der Grund davon zu ſuchen, daß man ſie ſo lange nicht als Urheber
der Krankheit anerkennen wollte.

Jn der angegebenen Weiſe verhält es ſich mit der gewöhnlichen, beim Menſchen vorkommenden
Krätze, welche da, wo die Verhältniſſe der Bevölkerung beſſer ſind, wegen der Beſchwerlichkeit
der Leiden, nicht lange auf ärztliche Hilfe zu warten braucht. Jndeß auch im Falle der Vernach-
läſſigung erreicht ſie nur eine gewiſſe Höhe, indem ein zu ſehr geſteigerter Hautreiz den Thieren
nicht zuſagt und eine ſtarke Vermehrung derſelben wenig begünſtigt, ſo daß Jndividuen angetroffen
worden ſind, welche Jahre lang die Krätze gehabt haben, ohne daß dieſe einen weſentlich andern,
als den gewöhnlichen Charakter angenommen hatte. Wenn ſich dagegen die Milben unter beſonders
günſtigen Unſtänden befinden, die Haut in Folge ihrer Beſchaffenheit weniger gereizt wird, vielleicht
die übrige Körperkonſtitution unempfänglicher gegen die Hautthätigkeit iſt und ſo das Treiben der
Thiere Monate lang und länger durch keine Behandlung geſtört worden iſt, — ſo vermehren ſie
ſich in das Unglaubliche. Die zahlreichen, ſchnell auf einander folgen Generationen finden zum
Anlegen ihrer Neſtgänge an den Stellen, welche ſonſt vorzugsweiſe dazu benutzt werden, keinen
Platz mehr und ſind dann genöthigt, ſie auch an den übrigen, für gewöhnlich verſchont bleibenden
Körpertheilen anzubringen. Durch den beſtändigen Neiz, welchen ſie auf die Haut ausüben,
erzeugen die Milben zugleich eine außergewöhnlich ſchnelle Neubildung der Oberhautelemente,
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[614/0652] Die Spinnenthiere. Lausmilben. aber verräth die Gegenwart der Milben. Jn Bierfäſſern, an den Rändern nicht rein gehaltener Milchäſche, an gedorrtem Fleiſche, zwiſchen Sämereien ꝛc., kommen wieder andere Arten vor und legen Beweis für die ſtaunenswerthe Ausbreitung und Manchfaltigkeit der Milben ab. Jahrhunderte lang waren die Gelehrten und unter ihnen beſonders die Aerzte getheilter Anſicht über das Weſen jener läſtigen und zum Theil ekelhaften Hautkrankheit, deren Name „Krätze“ überall einen unangenehmen Klang hat. Seitdem die mancherlei Hautkrankheiten richtiger unterſchieden und ihre Urſachen gründlicher erforſcht worden ſind, hat ſich unzweifelhaft heraus- geſtellt, daß die Krätze durch des Wühlen von Milben in der Oberhaut entſteht und daher niemals von ſelbſt, ſondern durch unmittelbare Anſteckung von außen oder durch von Kleidungsſtücken, Betten ꝛc. vermittelte Uebertragung von Krätzmilben oder deren Eiern zum Ausbruche kommen kann. Das Thier nun, welches beim Menſchen die genannte Krankheit verurſacht, heißt die Krätzmilbe des Menſchen (Sarcoptes hominis), wenigſtens verdient dieſer, von Raspail eingeführte wiſſen- ſchaftliche, neuere Name den Vorzug vor dem älteren: Acarus scabici des Fabricius, weil die unzureichende Beſchreibung dieſes letzteren Entomologen zweifelhaft läßt, ob er wirklich das in Rede ſtehende Thier vor ſich gehabt habe oder ein anderes, ſehr ähnliches, deren es noch mehrere gibt. Die Krätze zeigt ſich als zerſtrente, doch meiſt auf einzelne Körpertheile mit dünner Oberhaut, wie Handgelenk, Ellbogen, Knie ꝛc. beſchränkte, linienförmige Erhöhungen (Gänge), deren jede für ſich von einem gereizten Punkte ausgeht, und die ſich in ihrer Geſammtheit je nach der verſchie- denen Empfänglichkeit des Patienten und der Hautgegend als Punkt, Wärzchen, Bläschen oder Puſtel zeigen. Wenn nämlich die Krätzmilben auf die Haut gebracht werden, ſo bohren ſie ſich mehr oder weniger ſchräg durch eine Hautfurche oder neben einem Haar ein und geben dabei eine ſcharfe Flüſſigkeit von ſich, welche durch ihren Reiz die erwähnten Punkte, Bläschen ꝛc., erzeugt. Jn dieſen Anfängen der Krätze findet man keine Milben, weil ſie ſich entweder ſchon tiefer gegraben oder bereits ſchon wieder entfernt haben; denn alle jungen Milben, die Männchen ſowohl, wie die unbefruchteten Weibchen, führen ein ſehr umherſchweifendes Leben und verlaſſen ihre Gänge ſchnell wieder, um neue zu graben. Sie ſind es vorzugsweiſe, welche das unerträgliche Jucken veranlaſſen. Dagegen fertigen die befruchteten Weibchen längere Gallerien (Neſtgänge), welche ſie nicht wieder verlaſſen; ſie ſetzen in dieſen ihre Eier ab und werden todt in dem geſchloſſenen Ende des Ganges gefunden. Eben ſo wenig wie in den Anfängen des Krätzausſchlages finden ſich, wenigſtens der Regel nach, die Milben in den Schuppen und Kruſten (Schorfen), und in dieſen beiden Umſtänden iſt der Grund davon zu ſuchen, daß man ſie ſo lange nicht als Urheber der Krankheit anerkennen wollte. Jn der angegebenen Weiſe verhält es ſich mit der gewöhnlichen, beim Menſchen vorkommenden Krätze, welche da, wo die Verhältniſſe der Bevölkerung beſſer ſind, wegen der Beſchwerlichkeit der Leiden, nicht lange auf ärztliche Hilfe zu warten braucht. Jndeß auch im Falle der Vernach- läſſigung erreicht ſie nur eine gewiſſe Höhe, indem ein zu ſehr geſteigerter Hautreiz den Thieren nicht zuſagt und eine ſtarke Vermehrung derſelben wenig begünſtigt, ſo daß Jndividuen angetroffen worden ſind, welche Jahre lang die Krätze gehabt haben, ohne daß dieſe einen weſentlich andern, als den gewöhnlichen Charakter angenommen hatte. Wenn ſich dagegen die Milben unter beſonders günſtigen Unſtänden befinden, die Haut in Folge ihrer Beſchaffenheit weniger gereizt wird, vielleicht die übrige Körperkonſtitution unempfänglicher gegen die Hautthätigkeit iſt und ſo das Treiben der Thiere Monate lang und länger durch keine Behandlung geſtört worden iſt, — ſo vermehren ſie ſich in das Unglaubliche. Die zahlreichen, ſchnell auf einander folgen Generationen finden zum Anlegen ihrer Neſtgänge an den Stellen, welche ſonſt vorzugsweiſe dazu benutzt werden, keinen Platz mehr und ſind dann genöthigt, ſie auch an den übrigen, für gewöhnlich verſchont bleibenden Körpertheilen anzubringen. Durch den beſtändigen Neiz, welchen ſie auf die Haut ausüben, erzeugen die Milben zugleich eine außergewöhnlich ſchnelle Neubildung der Oberhautelemente, während deren ältere, von zahlreichen kurzen Gallerien und Löchern durchzogene Schichten mit

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/652>, abgerufen am 24.11.2024.