Bei den Jnsekten gliedert sich, wie früher gezeigt wurde, der Körper in drei verschiedenartige Theile, von welchen der mittelste die sechs Beine und meist auch Flügel trägt, bei den Tausend- füßlern in zahlreiche, gleichartige Ringe mit entsprechend vielen Beinen und einem deutlich davon abgesetzten Kopf mit Fühlern; bei denjenigen Kerfen, welche die Forscher als Spinnenthiere (Arachnoidea) zusammenfassen, gestalten sich diese Verhältnisse abermals anders. Der Körper zerfällt hier in ein vorderes Stück, den sogenannten Kopfbrusttheil (cephalothorax) und in den Hinterleib. Jener erscheint mit wenigen Ausnahmen, in welchen er aus vier ganz gleichen Ringen besteht, als ein ungetheiltes Ganzes, dessen Rückenplatte ein großes, mehr oder weniger gewölbtes, den Ursprung sämmtlicher Gliedmaßen überdeckendes Schild darstellt, während sein von den Hüften der Gliedmaßen rings umgebener Brusttheil meist auf einen geringen Umfang beschränkt bleibt. Auch bei den weiterhin folgenden Krebsen findet sich ein Kephalothorax, der, wie der Name andeuten soll, durch Verschmelzung von Kopf und Thorax entstanden ist. Nicht so verhält es sich bei den Spinnenthieren, wo der Kopf gar nicht zur Entwickelung gelangt ist, wie die Augen und Fühler beweisen. Jene, nur einfacher Art, schwanken zwischen zwei und zwölf, sehlen auch gänzlich und nehmen keinen bestimmten Platz ein, sondern gruppiren sich für die verschiedenen Arten in sehr charakteristischer Weise über die ganze vordere Breite des Kopfbruststücks. Unter dem freien Vorderrande des letzteren lenkt sich ein bei den verschiedenen Spinnenthieren verschieden gebildetes Gliederpaar ein, welches seiner Verwendung und äußern Erscheinung nach für den Ober- kiefer gelten muß, ohne jedoch dem Wesen nach ein solcher zu sein; denn es entspringt über der Mundöffnung und bekommt seine Nerven von dem obern Nervenknoten, wie bei den bisher betrachteten Gliederthieren die Fühlhörner. Man hat darum diese mit den Verrichtungen der Kinnbacken betrauten Fühler nicht unpassend als Kieferfühler bezeichnet und sie als charakteri- stisches Merkmal der Spinnenthiere angesehen, denen die Fühler im bisherigen Sinne fehlen. Außer den Kieferfühlern kommen noch fünf Paare von Gliedmaßen vor, von denen die vier hintersten ganz das Ansehen von Gangbeinen haben, die drei letzten auch entschieden denselben Organen bei den Jnsekten entsprechen. Weil aber die vordern die Stelle der Unterkiefer vertreten und in den verschiedenen Ordnungen immer wieder anders gebildet sind, so kommen wir bei Besprechung der letzteren nochmals auf alle diese Verhältnisse zurück. Der Hinterleib ist bisweilen gegliedert, aber häufiger aus einem einzigen Stück gebildet und niemals mit Beinen versehen, wie so häufig bei den Krebsen. Das Athmen erfolgt durch sackartige, in Falten gelegte Lungen, durch Luftröhren
Die Spinnenthiere.
Bei den Jnſekten gliedert ſich, wie früher gezeigt wurde, der Körper in drei verſchiedenartige Theile, von welchen der mittelſte die ſechs Beine und meiſt auch Flügel trägt, bei den Tauſend- füßlern in zahlreiche, gleichartige Ringe mit entſprechend vielen Beinen und einem deutlich davon abgeſetzten Kopf mit Fühlern; bei denjenigen Kerfen, welche die Forſcher als Spinnenthiere (Arachnoidea) zuſammenfaſſen, geſtalten ſich dieſe Verhältniſſe abermals anders. Der Körper zerfällt hier in ein vorderes Stück, den ſogenannten Kopfbruſttheil (cephalothorax) und in den Hinterleib. Jener erſcheint mit wenigen Ausnahmen, in welchen er aus vier ganz gleichen Ringen beſteht, als ein ungetheiltes Ganzes, deſſen Rückenplatte ein großes, mehr oder weniger gewölbtes, den Urſprung ſämmtlicher Gliedmaßen überdeckendes Schild darſtellt, während ſein von den Hüften der Gliedmaßen rings umgebener Bruſttheil meiſt auf einen geringen Umfang beſchränkt bleibt. Auch bei den weiterhin folgenden Krebſen findet ſich ein Kephalothorax, der, wie der Name andeuten ſoll, durch Verſchmelzung von Kopf und Thorax entſtanden iſt. Nicht ſo verhält es ſich bei den Spinnenthieren, wo der Kopf gar nicht zur Entwickelung gelangt iſt, wie die Augen und Fühler beweiſen. Jene, nur einfacher Art, ſchwanken zwiſchen zwei und zwölf, ſehlen auch gänzlich und nehmen keinen beſtimmten Platz ein, ſondern gruppiren ſich für die verſchiedenen Arten in ſehr charakteriſtiſcher Weiſe über die ganze vordere Breite des Kopfbruſtſtücks. Unter dem freien Vorderrande des letzteren lenkt ſich ein bei den verſchiedenen Spinnenthieren verſchieden gebildetes Gliederpaar ein, welches ſeiner Verwendung und äußern Erſcheinung nach für den Ober- kiefer gelten muß, ohne jedoch dem Weſen nach ein ſolcher zu ſein; denn es entſpringt über der Mundöffnung und bekommt ſeine Nerven von dem obern Nervenknoten, wie bei den bisher betrachteten Gliederthieren die Fühlhörner. Man hat darum dieſe mit den Verrichtungen der Kinnbacken betrauten Fühler nicht unpaſſend als Kieferfühler bezeichnet und ſie als charakteri- ſtiſches Merkmal der Spinnenthiere angeſehen, denen die Fühler im bisherigen Sinne fehlen. Außer den Kieferfühlern kommen noch fünf Paare von Gliedmaßen vor, von denen die vier hinterſten ganz das Anſehen von Gangbeinen haben, die drei letzten auch entſchieden denſelben Organen bei den Jnſekten entſprechen. Weil aber die vordern die Stelle der Unterkiefer vertreten und in den verſchiedenen Ordnungen immer wieder anders gebildet ſind, ſo kommen wir bei Beſprechung der letzteren nochmals auf alle dieſe Verhältniſſe zurück. Der Hinterleib iſt bisweilen gegliedert, aber häufiger aus einem einzigen Stück gebildet und niemals mit Beinen verſehen, wie ſo häufig bei den Krebſen. Das Athmen erfolgt durch ſackartige, in Falten gelegte Lungen, durch Luftröhren
<TEI><text><body><floatingText><body><divn="1"><pbfacs="#f0590"n="[554]"/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Spinnenthiere</hi>.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#in">B</hi>ei den Jnſekten gliedert ſich, wie früher gezeigt wurde, der Körper in drei verſchiedenartige<lb/>
Theile, von welchen der mittelſte die ſechs Beine und meiſt auch Flügel trägt, bei den Tauſend-<lb/>
füßlern in zahlreiche, gleichartige Ringe mit entſprechend vielen Beinen und einem deutlich davon<lb/>
abgeſetzten Kopf mit Fühlern; bei denjenigen Kerfen, welche die Forſcher als <hirendition="#g">Spinnenthiere</hi><lb/>
(<hirendition="#aq">Arachnoidea</hi>) zuſammenfaſſen, geſtalten ſich dieſe Verhältniſſe abermals anders. Der Körper<lb/>
zerfällt hier in ein vorderes Stück, den ſogenannten <hirendition="#g">Kopfbruſttheil</hi> (<hirendition="#aq">cephalothorax</hi>) und in den<lb/>
Hinterleib. Jener erſcheint mit wenigen Ausnahmen, in welchen er aus vier ganz gleichen Ringen<lb/>
beſteht, als ein ungetheiltes Ganzes, deſſen Rückenplatte ein großes, mehr oder weniger gewölbtes,<lb/>
den Urſprung ſämmtlicher Gliedmaßen überdeckendes Schild darſtellt, während ſein von den Hüften<lb/>
der Gliedmaßen rings umgebener Bruſttheil meiſt auf einen geringen Umfang beſchränkt bleibt.<lb/>
Auch bei den weiterhin folgenden Krebſen findet ſich ein Kephalothorax, der, wie der Name<lb/>
andeuten ſoll, durch Verſchmelzung von Kopf und Thorax entſtanden iſt. Nicht ſo verhält es ſich<lb/>
bei den Spinnenthieren, wo der Kopf gar nicht zur Entwickelung gelangt iſt, wie die Augen und<lb/>
Fühler beweiſen. Jene, nur einfacher Art, ſchwanken zwiſchen zwei und zwölf, ſehlen auch<lb/>
gänzlich und nehmen keinen beſtimmten Platz ein, ſondern gruppiren ſich für die verſchiedenen<lb/>
Arten in ſehr charakteriſtiſcher Weiſe über die ganze vordere Breite des Kopfbruſtſtücks. Unter<lb/>
dem freien Vorderrande des letzteren lenkt ſich ein bei den verſchiedenen Spinnenthieren verſchieden<lb/>
gebildetes Gliederpaar ein, welches ſeiner Verwendung und äußern Erſcheinung nach für den Ober-<lb/>
kiefer gelten muß, ohne jedoch dem Weſen nach ein ſolcher zu ſein; denn es entſpringt <hirendition="#g">über</hi> der<lb/>
Mundöffnung und bekommt ſeine Nerven von dem obern Nervenknoten, wie bei den bisher<lb/>
betrachteten Gliederthieren die Fühlhörner. Man hat darum dieſe mit den Verrichtungen der<lb/>
Kinnbacken betrauten Fühler nicht unpaſſend als <hirendition="#g">Kieferfühler</hi> bezeichnet und ſie als charakteri-<lb/>ſtiſches Merkmal der Spinnenthiere angeſehen, denen die Fühler im bisherigen Sinne fehlen.<lb/>
Außer den Kieferfühlern kommen noch fünf Paare von Gliedmaßen vor, von denen die vier hinterſten<lb/>
ganz das Anſehen von Gangbeinen haben, die drei letzten auch entſchieden denſelben Organen bei<lb/>
den Jnſekten entſprechen. Weil aber die vordern die Stelle der Unterkiefer vertreten und in den<lb/>
verſchiedenen Ordnungen immer wieder anders gebildet ſind, ſo kommen wir bei Beſprechung der<lb/>
letzteren nochmals auf alle dieſe Verhältniſſe zurück. Der Hinterleib iſt bisweilen gegliedert, aber<lb/>
häufiger aus einem einzigen Stück gebildet und niemals mit Beinen verſehen, wie ſo häufig bei<lb/>
den Krebſen. Das Athmen erfolgt durch ſackartige, in Falten gelegte Lungen, durch Luftröhren<lb/></p></div></div></body></floatingText></body></text></TEI>
[[554]/0590]
Die Spinnenthiere.
Bei den Jnſekten gliedert ſich, wie früher gezeigt wurde, der Körper in drei verſchiedenartige
Theile, von welchen der mittelſte die ſechs Beine und meiſt auch Flügel trägt, bei den Tauſend-
füßlern in zahlreiche, gleichartige Ringe mit entſprechend vielen Beinen und einem deutlich davon
abgeſetzten Kopf mit Fühlern; bei denjenigen Kerfen, welche die Forſcher als Spinnenthiere
(Arachnoidea) zuſammenfaſſen, geſtalten ſich dieſe Verhältniſſe abermals anders. Der Körper
zerfällt hier in ein vorderes Stück, den ſogenannten Kopfbruſttheil (cephalothorax) und in den
Hinterleib. Jener erſcheint mit wenigen Ausnahmen, in welchen er aus vier ganz gleichen Ringen
beſteht, als ein ungetheiltes Ganzes, deſſen Rückenplatte ein großes, mehr oder weniger gewölbtes,
den Urſprung ſämmtlicher Gliedmaßen überdeckendes Schild darſtellt, während ſein von den Hüften
der Gliedmaßen rings umgebener Bruſttheil meiſt auf einen geringen Umfang beſchränkt bleibt.
Auch bei den weiterhin folgenden Krebſen findet ſich ein Kephalothorax, der, wie der Name
andeuten ſoll, durch Verſchmelzung von Kopf und Thorax entſtanden iſt. Nicht ſo verhält es ſich
bei den Spinnenthieren, wo der Kopf gar nicht zur Entwickelung gelangt iſt, wie die Augen und
Fühler beweiſen. Jene, nur einfacher Art, ſchwanken zwiſchen zwei und zwölf, ſehlen auch
gänzlich und nehmen keinen beſtimmten Platz ein, ſondern gruppiren ſich für die verſchiedenen
Arten in ſehr charakteriſtiſcher Weiſe über die ganze vordere Breite des Kopfbruſtſtücks. Unter
dem freien Vorderrande des letzteren lenkt ſich ein bei den verſchiedenen Spinnenthieren verſchieden
gebildetes Gliederpaar ein, welches ſeiner Verwendung und äußern Erſcheinung nach für den Ober-
kiefer gelten muß, ohne jedoch dem Weſen nach ein ſolcher zu ſein; denn es entſpringt über der
Mundöffnung und bekommt ſeine Nerven von dem obern Nervenknoten, wie bei den bisher
betrachteten Gliederthieren die Fühlhörner. Man hat darum dieſe mit den Verrichtungen der
Kinnbacken betrauten Fühler nicht unpaſſend als Kieferfühler bezeichnet und ſie als charakteri-
ſtiſches Merkmal der Spinnenthiere angeſehen, denen die Fühler im bisherigen Sinne fehlen.
Außer den Kieferfühlern kommen noch fünf Paare von Gliedmaßen vor, von denen die vier hinterſten
ganz das Anſehen von Gangbeinen haben, die drei letzten auch entſchieden denſelben Organen bei
den Jnſekten entſprechen. Weil aber die vordern die Stelle der Unterkiefer vertreten und in den
verſchiedenen Ordnungen immer wieder anders gebildet ſind, ſo kommen wir bei Beſprechung der
letzteren nochmals auf alle dieſe Verhältniſſe zurück. Der Hinterleib iſt bisweilen gegliedert, aber
häufiger aus einem einzigen Stück gebildet und niemals mit Beinen verſehen, wie ſo häufig bei
den Krebſen. Das Athmen erfolgt durch ſackartige, in Falten gelegte Lungen, durch Luftröhren
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. [554]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/590>, abgerufen am 20.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.