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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Schnabelkerfe. Blindwanzen.
Wohnzimmer, namentlich hinter Tapeten, mit Brettern verschalte Wände oder in die Fugen der
Bettstellen, also an dieselben Orte, wo sich die Wanzen den Tag über versteckt halten. Die
letzte Brut geht jedoch meist zu Grunde und nur die erwachsenen Jndividuen, welche zu ihrer vollen
Entwickelung elf Wochen bedürfen, überwintern und können sehr viel Kälte vertragen. Das Häß-
lichste an ihnen ist das hinterlistige, heimliche Blutsaugen, welches sie bis auf die Nacht
verschieben, um den Schlafenden in seiner Ruhe zu stören. Daß sie, wie behauptet wird,
durch die Ausdünstungen des Schläfers herbeigelockt, sich unter Umständen auch von der Decke
herabfallen lassen, will ich gern glauben, weil ich einst Augenzeuge war, wie eine auf eben
diese Weise in eine dampfende Kaffeetasse gelangte. Trotz ihres Blutdurstes vermögen sie
lange zu hungern. Leunis hatte ein Weibchen in eine gut verschlossene Schachtel eingesperrt
und als er diese nach sechs Monaten öffnete, fand er es nicht nur noch am Leben, sondern
von einer Schaar Nachkommen umgeben, welche gleich der Mutter, durchsichtig, wie Glas waren.
Bei ihrer großen Fruchtbarkeit und der Leichtigkeit, mit welcher sie verschleppt werden können,
gehören die Wanzen zu dem lästigsten alles Ungeziefers, besonders in größeren Städten, wo
die Uebervölkerung der Häuser ihre gründliche Verfolgung so ungemein erschwert. Daher fehlt es
auch nicht an zahlreichen Vertilgungsmitteln, welche sich aber ohne möglichste Vermeidung
aller jener Stellen, an denen sie sich gern häuslich niederlassen und ohne fleißiges Durchsuchen
aller verdächtigen wenig bewähren. Wie wirkungslos das einfache Ausweißen der Zimmer diesem
Ungeziefer gegenüber ist, davon überzeugte ich mich während meiner Studienzeit in Berlin. Jn
der sehr saubern, blanken Werkstatt eines Buchbinders sah ich ein Wänzchen mit weiß übertünchtem
Rücken wohlgemuth einherspazieren. Eine Beimischung von Eisenvitriol unter den Kalk wirkt
schon besser, nachdem zuvor alle Ritzen rein ausgekratzt, mit Eiweiß und Jnsektenpulver, Schmier-
seife oder Aetznatronlauge ausgepinselt und dann verstrichen worden sind. Dergleichen Mittel,
mit großer Energie angewendet, können, wenn nicht sehr ungünstige Verhältnisse obwalten, jeden
in seiner Wohnung endlich vor diesem lästigen Ungeziefer sicher stellen, keinen Reisenden aber
schützen, welchen sein Unstern in ein von Wanzen bewohntes Nachtlager führte. Für diesen Fall
soll, wie mir von verschiedenen Seiten versichert wurde, das Brennenlassen des Lichtes die Blut-
sauger von dem Schläfer zurückhalten.

Wo die Bettwanzen hergekommen sind, weiß man nicht; denn daß Ostindien, wie behauptet
wird, ihre ursprüngliche Heimat sei, bedarf noch des Nachweises. Die alten Griechen und Römer
kannten sie schon, wie bereits erwähnt wurde; im 11. Jahrhundert haben sie sich zuerst in
Straßburg gezeigt, dagegen wird der Behauptung, sie seien um 1670 durch die Bettstellen der
vertriebenen Hugenotten zuerst nach London gebracht worden, von anderer Seite widersprochen,
weil schon 1503 daselbst ein paar adelige Damen ihre Stiche für Anzeichen der Pest gehalten
hatten. Heutigen Tages erscheint die Wanze wohl fast überall als treuer Begleiter des Menschen.
-- Die ungeflügelten Wanzen an Hausschwalben und Fledermäusen, welche man bisher für Bett-
wanzen hielt, sollen, was ich jedoch nicht glauben kann, davon verschieden sein; übrigens wird
von Eversmann eine russische Art von nur 11/2 Linien Länge und lehmgelber Farbe am fast
querrunzeligen Hinterleibe als gewimperte Bettwanze (C. ciliatus) unterschieden.



Alle die kleinen, zarten und weichen Wanzen, welche im Sommer Blumen und Gräser
beleben, mit einer vielen andern Ordnungsgenossen fremden Beweglichkeit und fortwährenden
Bereitschaft zu geräuschlosem Fluge hier erscheinen und dort verschwinden, so lange die Sonne scheint,
und vorherrschend dem Honige nachgehen, gehören der Familie der Wiesen- oder Blindwanzen
(Phytocoridae, Capsini) an, einer Familie, die mit verhältnißmäßig zahlreicheren Arten mehr in

Die Schnabelkerfe. Blindwanzen.
Wohnzimmer, namentlich hinter Tapeten, mit Brettern verſchalte Wände oder in die Fugen der
Bettſtellen, alſo an dieſelben Orte, wo ſich die Wanzen den Tag über verſteckt halten. Die
letzte Brut geht jedoch meiſt zu Grunde und nur die erwachſenen Jndividuen, welche zu ihrer vollen
Entwickelung elf Wochen bedürfen, überwintern und können ſehr viel Kälte vertragen. Das Häß-
lichſte an ihnen iſt das hinterliſtige, heimliche Blutſaugen, welches ſie bis auf die Nacht
verſchieben, um den Schlafenden in ſeiner Ruhe zu ſtören. Daß ſie, wie behauptet wird,
durch die Ausdünſtungen des Schläfers herbeigelockt, ſich unter Umſtänden auch von der Decke
herabfallen laſſen, will ich gern glauben, weil ich einſt Augenzeuge war, wie eine auf eben
dieſe Weiſe in eine dampfende Kaffeetaſſe gelangte. Trotz ihres Blutdurſtes vermögen ſie
lange zu hungern. Leunis hatte ein Weibchen in eine gut verſchloſſene Schachtel eingeſperrt
und als er dieſe nach ſechs Monaten öffnete, fand er es nicht nur noch am Leben, ſondern
von einer Schaar Nachkommen umgeben, welche gleich der Mutter, durchſichtig, wie Glas waren.
Bei ihrer großen Fruchtbarkeit und der Leichtigkeit, mit welcher ſie verſchleppt werden können,
gehören die Wanzen zu dem läſtigſten alles Ungeziefers, beſonders in größeren Städten, wo
die Uebervölkerung der Häuſer ihre gründliche Verfolgung ſo ungemein erſchwert. Daher fehlt es
auch nicht an zahlreichen Vertilgungsmitteln, welche ſich aber ohne möglichſte Vermeidung
aller jener Stellen, an denen ſie ſich gern häuslich niederlaſſen und ohne fleißiges Durchſuchen
aller verdächtigen wenig bewähren. Wie wirkungslos das einfache Ausweißen der Zimmer dieſem
Ungeziefer gegenüber iſt, davon überzeugte ich mich während meiner Studienzeit in Berlin. Jn
der ſehr ſaubern, blanken Werkſtatt eines Buchbinders ſah ich ein Wänzchen mit weiß übertünchtem
Rücken wohlgemuth einherſpazieren. Eine Beimiſchung von Eiſenvitriol unter den Kalk wirkt
ſchon beſſer, nachdem zuvor alle Ritzen rein ausgekratzt, mit Eiweiß und Jnſektenpulver, Schmier-
ſeife oder Aetznatronlauge ausgepinſelt und dann verſtrichen worden ſind. Dergleichen Mittel,
mit großer Energie angewendet, können, wenn nicht ſehr ungünſtige Verhältniſſe obwalten, jeden
in ſeiner Wohnung endlich vor dieſem läſtigen Ungeziefer ſicher ſtellen, keinen Reiſenden aber
ſchützen, welchen ſein Unſtern in ein von Wanzen bewohntes Nachtlager führte. Für dieſen Fall
ſoll, wie mir von verſchiedenen Seiten verſichert wurde, das Brennenlaſſen des Lichtes die Blut-
ſauger von dem Schläfer zurückhalten.

Wo die Bettwanzen hergekommen ſind, weiß man nicht; denn daß Oſtindien, wie behauptet
wird, ihre urſprüngliche Heimat ſei, bedarf noch des Nachweiſes. Die alten Griechen und Römer
kannten ſie ſchon, wie bereits erwähnt wurde; im 11. Jahrhundert haben ſie ſich zuerſt in
Straßburg gezeigt, dagegen wird der Behauptung, ſie ſeien um 1670 durch die Bettſtellen der
vertriebenen Hugenotten zuerſt nach London gebracht worden, von anderer Seite widerſprochen,
weil ſchon 1503 daſelbſt ein paar adelige Damen ihre Stiche für Anzeichen der Peſt gehalten
hatten. Heutigen Tages erſcheint die Wanze wohl faſt überall als treuer Begleiter des Menſchen.
— Die ungeflügelten Wanzen an Hausſchwalben und Fledermäuſen, welche man bisher für Bett-
wanzen hielt, ſollen, was ich jedoch nicht glauben kann, davon verſchieden ſein; übrigens wird
von Eversmann eine ruſſiſche Art von nur 1½ Linien Länge und lehmgelber Farbe am faſt
querrunzeligen Hinterleibe als gewimperte Bettwanze (C. ciliatus) unterſchieden.



Alle die kleinen, zarten und weichen Wanzen, welche im Sommer Blumen und Gräſer
beleben, mit einer vielen andern Ordnungsgenoſſen fremden Beweglichkeit und fortwährenden
Bereitſchaft zu geräuſchloſem Fluge hier erſcheinen und dort verſchwinden, ſo lange die Sonne ſcheint,
und vorherrſchend dem Honige nachgehen, gehören der Familie der Wieſen- oder Blindwanzen
(Phytocoridae, Capsini) an, einer Familie, die mit verhältnißmäßig zahlreicheren Arten mehr in

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[532/0568] Die Schnabelkerfe. Blindwanzen. Wohnzimmer, namentlich hinter Tapeten, mit Brettern verſchalte Wände oder in die Fugen der Bettſtellen, alſo an dieſelben Orte, wo ſich die Wanzen den Tag über verſteckt halten. Die letzte Brut geht jedoch meiſt zu Grunde und nur die erwachſenen Jndividuen, welche zu ihrer vollen Entwickelung elf Wochen bedürfen, überwintern und können ſehr viel Kälte vertragen. Das Häß- lichſte an ihnen iſt das hinterliſtige, heimliche Blutſaugen, welches ſie bis auf die Nacht verſchieben, um den Schlafenden in ſeiner Ruhe zu ſtören. Daß ſie, wie behauptet wird, durch die Ausdünſtungen des Schläfers herbeigelockt, ſich unter Umſtänden auch von der Decke herabfallen laſſen, will ich gern glauben, weil ich einſt Augenzeuge war, wie eine auf eben dieſe Weiſe in eine dampfende Kaffeetaſſe gelangte. Trotz ihres Blutdurſtes vermögen ſie lange zu hungern. Leunis hatte ein Weibchen in eine gut verſchloſſene Schachtel eingeſperrt und als er dieſe nach ſechs Monaten öffnete, fand er es nicht nur noch am Leben, ſondern von einer Schaar Nachkommen umgeben, welche gleich der Mutter, durchſichtig, wie Glas waren. Bei ihrer großen Fruchtbarkeit und der Leichtigkeit, mit welcher ſie verſchleppt werden können, gehören die Wanzen zu dem läſtigſten alles Ungeziefers, beſonders in größeren Städten, wo die Uebervölkerung der Häuſer ihre gründliche Verfolgung ſo ungemein erſchwert. Daher fehlt es auch nicht an zahlreichen Vertilgungsmitteln, welche ſich aber ohne möglichſte Vermeidung aller jener Stellen, an denen ſie ſich gern häuslich niederlaſſen und ohne fleißiges Durchſuchen aller verdächtigen wenig bewähren. Wie wirkungslos das einfache Ausweißen der Zimmer dieſem Ungeziefer gegenüber iſt, davon überzeugte ich mich während meiner Studienzeit in Berlin. Jn der ſehr ſaubern, blanken Werkſtatt eines Buchbinders ſah ich ein Wänzchen mit weiß übertünchtem Rücken wohlgemuth einherſpazieren. Eine Beimiſchung von Eiſenvitriol unter den Kalk wirkt ſchon beſſer, nachdem zuvor alle Ritzen rein ausgekratzt, mit Eiweiß und Jnſektenpulver, Schmier- ſeife oder Aetznatronlauge ausgepinſelt und dann verſtrichen worden ſind. Dergleichen Mittel, mit großer Energie angewendet, können, wenn nicht ſehr ungünſtige Verhältniſſe obwalten, jeden in ſeiner Wohnung endlich vor dieſem läſtigen Ungeziefer ſicher ſtellen, keinen Reiſenden aber ſchützen, welchen ſein Unſtern in ein von Wanzen bewohntes Nachtlager führte. Für dieſen Fall ſoll, wie mir von verſchiedenen Seiten verſichert wurde, das Brennenlaſſen des Lichtes die Blut- ſauger von dem Schläfer zurückhalten. Wo die Bettwanzen hergekommen ſind, weiß man nicht; denn daß Oſtindien, wie behauptet wird, ihre urſprüngliche Heimat ſei, bedarf noch des Nachweiſes. Die alten Griechen und Römer kannten ſie ſchon, wie bereits erwähnt wurde; im 11. Jahrhundert haben ſie ſich zuerſt in Straßburg gezeigt, dagegen wird der Behauptung, ſie ſeien um 1670 durch die Bettſtellen der vertriebenen Hugenotten zuerſt nach London gebracht worden, von anderer Seite widerſprochen, weil ſchon 1503 daſelbſt ein paar adelige Damen ihre Stiche für Anzeichen der Peſt gehalten hatten. Heutigen Tages erſcheint die Wanze wohl faſt überall als treuer Begleiter des Menſchen. — Die ungeflügelten Wanzen an Hausſchwalben und Fledermäuſen, welche man bisher für Bett- wanzen hielt, ſollen, was ich jedoch nicht glauben kann, davon verſchieden ſein; übrigens wird von Eversmann eine ruſſiſche Art von nur 1½ Linien Länge und lehmgelber Farbe am faſt querrunzeligen Hinterleibe als gewimperte Bettwanze (C. ciliatus) unterſchieden. Alle die kleinen, zarten und weichen Wanzen, welche im Sommer Blumen und Gräſer beleben, mit einer vielen andern Ordnungsgenoſſen fremden Beweglichkeit und fortwährenden Bereitſchaft zu geräuſchloſem Fluge hier erſcheinen und dort verſchwinden, ſo lange die Sonne ſcheint, und vorherrſchend dem Honige nachgehen, gehören der Familie der Wieſen- oder Blindwanzen (Phytocoridae, Capsini) an, einer Familie, die mit verhältnißmäßig zahlreicheren Arten mehr in

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/568>, abgerufen am 23.11.2024.