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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Gletscherfloh. Zottiger und bleigrauer Springschwanz.
und hinteren Hälfte an den betreffenden Theilen des noch unentwickelten Keimes hängen. Beine
und Fühler erscheinen anfangs als ungegliederte Säckchen. Vom Legen des Eies bis zur Ent-
wickelung des Embryo vergehen ungefähr zwölf Tage. Die winzigen Jungen haben einen verhältniß-
mäßig großen Kopf und einen kurzen Hinterleib. Der nächsten Häutung, mit welcher der Körper
seine unveränderliche Gestalt erhält, folgen in Zwischenräumen von zwölf bis funfzehn Tagen
zahlreiche weitere Häutungen nach.

Zu den interessantesten Arten gehört der Gletscherfloh (Desoria glacialis). Jn einer
Gegend, wo die Sonne nichts bescheint als Eis, Eiswasser und Stein, wo sie die untere Luft-
schicht kaum über den Gefrierpunkt zu erwärmen vermag, da lebt das schwarze, durchaus haarige
Thierchen, welches zu Ehren seines ersten Entdeckers Desor

[Abbildung] Der Gletscherfloh (Desoria glacialis).
seinen wissenschaftlichen Namen erhalten hat. Vor ungefähr
30 Jahren ward es am Mont Rosa, bald darauf auch auf dem
Unter-Aargletscher und auf den beiden Grindelwaldgletschern
gefunden. Die Fühler sind viergliedrig, die Springgabel gerade
und die Augen gruppiren sich zu sieben jederseits. Nicolet
stellte verschiedene Versuche mit den Gletscherflöhen an und fand, daß sie sich in Wasser von
+ 24° C. ganz behaglich fühlten und erst bei + 38° C. starben; dieselben Thiere, welche der
wärmeren Temperatur ausgesetzt gewesen waren, ließ Nicolet bei -- 11° C. einfrieren und zehn
Tage im Eise liegen, und als er dasselbe schmolz, hüpften sie wieder munter umher, ein aber-
maliger Beweis dafür, welche Lebenszähigkeit dem
[Abbildung] Der zottige Springschwanz (Podura villosa).
Geziefer und oft dem zartesten, innewohnt, wo man
sie am wenigsten sucht.

Der zottige Springschwanz (Podura villosa)
gehört zu den buntesten, indem den gelbrothen Körper
schwarze Binden bedecken; er hält sich gern im Gebüsch
auf, unter dem herabgefallenen Laube in Gesellschaft
des bleigrauen Springschwanzes (P. plumbea),
dessen Körper außer Haaren auch Schuppen decken, hat
sehr lange, wenn auch nur viergliedrige Fühler, eine
lange Springgabel und ein auffällig verlängertes
drittes Hinterleibsglied. Beide erreichen eine Länge
von 11/2 Linien. Beim Durchsuchen solch dumpfer Oertlichkeiten stoßen uns noch zahlreiche ähn-
liche Wesen auf, welche in den Hauptmerkmalen sich als Springschwänze zu erkennen geben, wenn
die einzelnen auch wieder ihre Eigenthümlichkeiten haben, in Folge deren sich die Forscher veranlaßt
sahen, aus der ursprünglichen Gattung Podura Linne's eine Reihe neuer Gattungen zu bilden.



Geradflügler begegnen dem forschenden Blicke auf dem Lande und auf dem Wasser, an
Blumen und Sträuchern, wie zwischen verwesenden Pflanzenstoffen, im Dunkel unserer Wohnungen,
wie im sonnendurchleuchteten Luftmeere, auf den üppig grünenden Wiesen unten im Thale, wie
auf den ewigen Schneefeldern der Berggipfel, ja an dem fast allein noch möglichen Orte: auf
den -- -- Leibern warmblutiger Thiere. Es gibt unter ihnen auch Schmarotzer, welche aber
nicht von dem Blute jener zehren, sondern von den Haaren ihres Felles, wie die Haarlinge,
oder von den weicheren Theilen ihres Gefieders, wie die Federlinge. Die Pelzfresser, wie
man sie mit gemeinsamem Namen nennen kann, gleichen ihrer äußern Erscheinung nach so sehr
den Läusen, daß nichts näher liegt, als sie für solche zu halten, und doch darf sie der Kerfkenner

Gletſcherfloh. Zottiger und bleigrauer Springſchwanz.
und hinteren Hälfte an den betreffenden Theilen des noch unentwickelten Keimes hängen. Beine
und Fühler erſcheinen anfangs als ungegliederte Säckchen. Vom Legen des Eies bis zur Ent-
wickelung des Embryo vergehen ungefähr zwölf Tage. Die winzigen Jungen haben einen verhältniß-
mäßig großen Kopf und einen kurzen Hinterleib. Der nächſten Häutung, mit welcher der Körper
ſeine unveränderliche Geſtalt erhält, folgen in Zwiſchenräumen von zwölf bis funfzehn Tagen
zahlreiche weitere Häutungen nach.

Zu den intereſſanteſten Arten gehört der Gletſcherfloh (Desoria glacialis). Jn einer
Gegend, wo die Sonne nichts beſcheint als Eis, Eiswaſſer und Stein, wo ſie die untere Luft-
ſchicht kaum über den Gefrierpunkt zu erwärmen vermag, da lebt das ſchwarze, durchaus haarige
Thierchen, welches zu Ehren ſeines erſten Entdeckers Deſor

[Abbildung] Der Gletſcherfloh (Desoria glacialis).
ſeinen wiſſenſchaftlichen Namen erhalten hat. Vor ungefähr
30 Jahren ward es am Mont Roſa, bald darauf auch auf dem
Unter-Aargletſcher und auf den beiden Grindelwaldgletſchern
gefunden. Die Fühler ſind viergliedrig, die Springgabel gerade
und die Augen gruppiren ſich zu ſieben jederſeits. Nicolet
ſtellte verſchiedene Verſuche mit den Gletſcherflöhen an und fand, daß ſie ſich in Waſſer von
+ 24° C. ganz behaglich fühlten und erſt bei + 38° C. ſtarben; dieſelben Thiere, welche der
wärmeren Temperatur ausgeſetzt geweſen waren, ließ Nicolet bei — 11° C. einfrieren und zehn
Tage im Eiſe liegen, und als er daſſelbe ſchmolz, hüpften ſie wieder munter umher, ein aber-
maliger Beweis dafür, welche Lebenszähigkeit dem
[Abbildung] Der zottige Springſchwanz (Podura villosa).
Geziefer und oft dem zarteſten, innewohnt, wo man
ſie am wenigſten ſucht.

Der zottige Springſchwanz (Podura villosa)
gehört zu den bunteſten, indem den gelbrothen Körper
ſchwarze Binden bedecken; er hält ſich gern im Gebüſch
auf, unter dem herabgefallenen Laube in Geſellſchaft
des bleigrauen Springſchwanzes (P. plumbea),
deſſen Körper außer Haaren auch Schuppen decken, hat
ſehr lange, wenn auch nur viergliedrige Fühler, eine
lange Springgabel und ein auffällig verlängertes
drittes Hinterleibsglied. Beide erreichen eine Länge
von 1½ Linien. Beim Durchſuchen ſolch dumpfer Oertlichkeiten ſtoßen uns noch zahlreiche ähn-
liche Weſen auf, welche in den Hauptmerkmalen ſich als Springſchwänze zu erkennen geben, wenn
die einzelnen auch wieder ihre Eigenthümlichkeiten haben, in Folge deren ſich die Forſcher veranlaßt
ſahen, aus der urſprünglichen Gattung Podura Linné’s eine Reihe neuer Gattungen zu bilden.



Geradflügler begegnen dem forſchenden Blicke auf dem Lande und auf dem Waſſer, an
Blumen und Sträuchern, wie zwiſchen verweſenden Pflanzenſtoffen, im Dunkel unſerer Wohnungen,
wie im ſonnendurchleuchteten Luftmeere, auf den üppig grünenden Wieſen unten im Thale, wie
auf den ewigen Schneefeldern der Berggipfel, ja an dem faſt allein noch möglichen Orte: auf
den — — Leibern warmblutiger Thiere. Es gibt unter ihnen auch Schmarotzer, welche aber
nicht von dem Blute jener zehren, ſondern von den Haaren ihres Felles, wie die Haarlinge,
oder von den weicheren Theilen ihres Gefieders, wie die Federlinge. Die Pelzfreſſer, wie
man ſie mit gemeinſamem Namen nennen kann, gleichen ihrer äußern Erſcheinung nach ſo ſehr
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[501/0533] Gletſcherfloh. Zottiger und bleigrauer Springſchwanz. und hinteren Hälfte an den betreffenden Theilen des noch unentwickelten Keimes hängen. Beine und Fühler erſcheinen anfangs als ungegliederte Säckchen. Vom Legen des Eies bis zur Ent- wickelung des Embryo vergehen ungefähr zwölf Tage. Die winzigen Jungen haben einen verhältniß- mäßig großen Kopf und einen kurzen Hinterleib. Der nächſten Häutung, mit welcher der Körper ſeine unveränderliche Geſtalt erhält, folgen in Zwiſchenräumen von zwölf bis funfzehn Tagen zahlreiche weitere Häutungen nach. Zu den intereſſanteſten Arten gehört der Gletſcherfloh (Desoria glacialis). Jn einer Gegend, wo die Sonne nichts beſcheint als Eis, Eiswaſſer und Stein, wo ſie die untere Luft- ſchicht kaum über den Gefrierpunkt zu erwärmen vermag, da lebt das ſchwarze, durchaus haarige Thierchen, welches zu Ehren ſeines erſten Entdeckers Deſor [Abbildung Der Gletſcherfloh (Desoria glacialis).] ſeinen wiſſenſchaftlichen Namen erhalten hat. Vor ungefähr 30 Jahren ward es am Mont Roſa, bald darauf auch auf dem Unter-Aargletſcher und auf den beiden Grindelwaldgletſchern gefunden. Die Fühler ſind viergliedrig, die Springgabel gerade und die Augen gruppiren ſich zu ſieben jederſeits. Nicolet ſtellte verſchiedene Verſuche mit den Gletſcherflöhen an und fand, daß ſie ſich in Waſſer von + 24° C. ganz behaglich fühlten und erſt bei + 38° C. ſtarben; dieſelben Thiere, welche der wärmeren Temperatur ausgeſetzt geweſen waren, ließ Nicolet bei — 11° C. einfrieren und zehn Tage im Eiſe liegen, und als er daſſelbe ſchmolz, hüpften ſie wieder munter umher, ein aber- maliger Beweis dafür, welche Lebenszähigkeit dem [Abbildung Der zottige Springſchwanz (Podura villosa).] Geziefer und oft dem zarteſten, innewohnt, wo man ſie am wenigſten ſucht. Der zottige Springſchwanz (Podura villosa) gehört zu den bunteſten, indem den gelbrothen Körper ſchwarze Binden bedecken; er hält ſich gern im Gebüſch auf, unter dem herabgefallenen Laube in Geſellſchaft des bleigrauen Springſchwanzes (P. plumbea), deſſen Körper außer Haaren auch Schuppen decken, hat ſehr lange, wenn auch nur viergliedrige Fühler, eine lange Springgabel und ein auffällig verlängertes drittes Hinterleibsglied. Beide erreichen eine Länge von 1½ Linien. Beim Durchſuchen ſolch dumpfer Oertlichkeiten ſtoßen uns noch zahlreiche ähn- liche Weſen auf, welche in den Hauptmerkmalen ſich als Springſchwänze zu erkennen geben, wenn die einzelnen auch wieder ihre Eigenthümlichkeiten haben, in Folge deren ſich die Forſcher veranlaßt ſahen, aus der urſprünglichen Gattung Podura Linné’s eine Reihe neuer Gattungen zu bilden. Geradflügler begegnen dem forſchenden Blicke auf dem Lande und auf dem Waſſer, an Blumen und Sträuchern, wie zwiſchen verweſenden Pflanzenſtoffen, im Dunkel unſerer Wohnungen, wie im ſonnendurchleuchteten Luftmeere, auf den üppig grünenden Wieſen unten im Thale, wie auf den ewigen Schneefeldern der Berggipfel, ja an dem faſt allein noch möglichen Orte: auf den — — Leibern warmblutiger Thiere. Es gibt unter ihnen auch Schmarotzer, welche aber nicht von dem Blute jener zehren, ſondern von den Haaren ihres Felles, wie die Haarlinge, oder von den weicheren Theilen ihres Gefieders, wie die Federlinge. Die Pelzfreſſer, wie man ſie mit gemeinſamem Namen nennen kann, gleichen ihrer äußern Erſcheinung nach ſo ſehr den Läuſen, daß nichts näher liegt, als ſie für ſolche zu halten, und doch darf ſie der Kerfkenner

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/533>, abgerufen am 23.11.2024.