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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Lichtscheue Termite.
wissen kann, was sich aus ihnen entwickeln werde. Die Larven der zweiten Altersstufe, die sich
also einmal gehäutet haben und zwei oder drei Millimeter messen, lassen schon zwei Formen unter-
scheiden. Die einen ähneln im Thorar den Arbeitern, sind an ihrer Gestalt, ihren langsamen
Bewegungen und an ihrem kleineren, mattweißem Kopfe leicht zu erkennen und verwandeln sich
im Juni zu Arbeitern und Soldaten. Die andern sehen hinsichtlich des breiteren Prothorar und der
beiden folgenden Ringe, indem die Erweiterung nach hinten zu den nachmaligen Flügelscheiden
bereits beginnt, den Jmagos ähnlicher. Diese zweite Altersstufe kommt einzeln schon im Winter
zum Vorschein, herrscht aber vor, sowie die erste verschwunden ist, eben weil sie aus ihr durch
Häutung hervorgeht. Vier bis sechs Millimeter große Larven, in der ersten Form einem Arbeiter
und Soldaten schon sehr ähnlich, in der zweiten den Nymphen, bilden die dritte Altersstufe,
welche die zweite bald verdrängt. Die Larven der ersten Altersstufe haben zehngliedrige, die der
zweiten zwölf- bis vierzehngliedrige, die der dritten sechzehngliedrige Fühler. Arbeiter und Sol-
daten finden sich das ganze Jahr im Neste, sie werden aber gegen Juni hin seltener; zuerst die
Soldaten, dann die Arbeiter, magern ab und tragen die Spuren der Altersschwäche an sich,
denn es ist für sie die Zeit gekommen, dem neu herangereiften jüngeren Geschlechte das Feld zu
räumen. Wie die allgemeine Schilderung schon hervorhob, unterscheiden sich die Soldaten von den
Arbeitern nur durch die enorme Größe des Kopfes und der Kinnbacken; jener ist noch einmal so lang
als breit und cylindrisch, diese sind schwarz, säbelförmig nach oben und innen gebogen, innen ungezähnt
und von halber Kopflänge. Die Arbeiter, auf denen fast allein alle Sorgen um den Staat lasten,
haben die Gewohnheit aller Gattungsgenossen, sich nur unter bedeckten Gängen zu bewegen, was
sie jedoch nicht des Lichtes wegen, sondern um den Zutritt der frischen Luft abzusperren, thun mögen.
Lespes nämlich trug verschiedene Nester in gläserne Gefäße ein und bemerkte nicht, daß sich die
Arbeiter durch das von der Glasseite eines Ganges einfallende Sonnenlicht beirren ließen. Gewöhnlich
legen sie das Nest in einem alten Fichtenstumpfe, mitunter in Eichen, Hollunder, Tamarisken an,
jedoch stets in abgestorbenem und feuchtem, unter oder wenig über der Erde gelegenem Holze.
Kleine Gesellschaften, die seit einem oder höchstens zwei Jahren bestehen, halten sich hinter der
Rinde auf, dann aber gehen sie das Holz an. Die Gänge werden von dem Umfange nach dem
Mittelpunkt geführt und gleichzeitig die bei den Fichten flach unter der Erdoberfläche verlaufenden
Wurzeln in Angriff genommen. Sie sind nicht regelmäßig und sehr oft bilden holzfressende Larven,
besonders die der Bohrkäfer, die Pioniere der Termiten, während die weiteren Höhlungen der Bock-
käfer zu großen Zellen benutzt werden. Ohne dergleichen Vorarbeiten führen sie die Gänge in-
sofern in einer gewissen Regelmäßigkeit durch, als sie dieselben zwischen den Jahresringen anlegen
und diese als die härteren Theile stehen lassen. Runde Oeffnungen, groß genug, um einen oder
zwei Arbeiter nebeneinander durchzulassen, vermitteln zwischen ihnen die Verbindung. Die ganze
Jnnenseite des Nestes ist mit einer hellbraunen, glattpolirten Schicht überzogen; daß diese aus
den Excrementen bestehe, stellte sich bei der Beobachtung in der Gefangenschaft heraus. Merk-
würdig genug, Lespes fand in einzelnen Baumstumpfen neben den Termiten auch ein Ameisennest,
beide nur durch eine dünne Scheidewand getrennt. So vermag die ärgste Feindschaft, in welcher
diese Thiere leben, den Trieb zum Nesterbauen nicht zu stören. Jederseits werden an der
passenden Stelle die Kolonien gegründet, unbekümmert darum, ob der Feind in nächster Nachbar-
schaft gleichen Jnteressen nachgehe. Wenn Lespes ein Stück Nest nebst Jnhalt in seine Beobachtungs-
gläser einkerkerte, so begannen die Arbeiter zunächst auf dem Boden des Gefäßes im Geröll Gänge
anzulegen und befestigten sodann das Nest an den Seitenwänden jenes. Jn den Gegenden Frank-
reichs, auf welche sich die Beobachtungen erstrecken, fehlt es nicht an Fichtenstumpfen, weil man
sie nach dem Fällen der Bäume stehen läßt, und dies mag der Hauptgrund sein, weshalb die
Häuser von Bordeaux so ziemlich von Termiten verschont bleiben, obschon sich hie und da Spuren
von ihnen gezeigt haben. Zum Bauen der Wohnungen gehört auch ihre Erhaltung und da sind es
eben wieder die Arbeiter, welche hierfür Sorge zu tragen haben. Wird das Nest an einer Stelle

Taschenberg, wirbellose Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 30

Lichtſcheue Termite.
wiſſen kann, was ſich aus ihnen entwickeln werde. Die Larven der zweiten Altersſtufe, die ſich
alſo einmal gehäutet haben und zwei oder drei Millimeter meſſen, laſſen ſchon zwei Formen unter-
ſcheiden. Die einen ähneln im Thorar den Arbeitern, ſind an ihrer Geſtalt, ihren langſamen
Bewegungen und an ihrem kleineren, mattweißem Kopfe leicht zu erkennen und verwandeln ſich
im Juni zu Arbeitern und Soldaten. Die andern ſehen hinſichtlich des breiteren Prothorar und der
beiden folgenden Ringe, indem die Erweiterung nach hinten zu den nachmaligen Flügelſcheiden
bereits beginnt, den Jmagos ähnlicher. Dieſe zweite Altersſtufe kommt einzeln ſchon im Winter
zum Vorſchein, herrſcht aber vor, ſowie die erſte verſchwunden iſt, eben weil ſie aus ihr durch
Häutung hervorgeht. Vier bis ſechs Millimeter große Larven, in der erſten Form einem Arbeiter
und Soldaten ſchon ſehr ähnlich, in der zweiten den Nymphen, bilden die dritte Altersſtufe,
welche die zweite bald verdrängt. Die Larven der erſten Altersſtufe haben zehngliedrige, die der
zweiten zwölf- bis vierzehngliedrige, die der dritten ſechzehngliedrige Fühler. Arbeiter und Sol-
daten finden ſich das ganze Jahr im Neſte, ſie werden aber gegen Juni hin ſeltener; zuerſt die
Soldaten, dann die Arbeiter, magern ab und tragen die Spuren der Altersſchwäche an ſich,
denn es iſt für ſie die Zeit gekommen, dem neu herangereiften jüngeren Geſchlechte das Feld zu
räumen. Wie die allgemeine Schilderung ſchon hervorhob, unterſcheiden ſich die Soldaten von den
Arbeitern nur durch die enorme Größe des Kopfes und der Kinnbacken; jener iſt noch einmal ſo lang
als breit und cylindriſch, dieſe ſind ſchwarz, ſäbelförmig nach oben und innen gebogen, innen ungezähnt
und von halber Kopflänge. Die Arbeiter, auf denen faſt allein alle Sorgen um den Staat laſten,
haben die Gewohnheit aller Gattungsgenoſſen, ſich nur unter bedeckten Gängen zu bewegen, was
ſie jedoch nicht des Lichtes wegen, ſondern um den Zutritt der friſchen Luft abzuſperren, thun mögen.
Lespès nämlich trug verſchiedene Neſter in gläſerne Gefäße ein und bemerkte nicht, daß ſich die
Arbeiter durch das von der Glasſeite eines Ganges einfallende Sonnenlicht beirren ließen. Gewöhnlich
legen ſie das Neſt in einem alten Fichtenſtumpfe, mitunter in Eichen, Hollunder, Tamarisken an,
jedoch ſtets in abgeſtorbenem und feuchtem, unter oder wenig über der Erde gelegenem Holze.
Kleine Geſellſchaften, die ſeit einem oder höchſtens zwei Jahren beſtehen, halten ſich hinter der
Rinde auf, dann aber gehen ſie das Holz an. Die Gänge werden von dem Umfange nach dem
Mittelpunkt geführt und gleichzeitig die bei den Fichten flach unter der Erdoberfläche verlaufenden
Wurzeln in Angriff genommen. Sie ſind nicht regelmäßig und ſehr oft bilden holzfreſſende Larven,
beſonders die der Bohrkäfer, die Pioniere der Termiten, während die weiteren Höhlungen der Bock-
käfer zu großen Zellen benutzt werden. Ohne dergleichen Vorarbeiten führen ſie die Gänge in-
ſofern in einer gewiſſen Regelmäßigkeit durch, als ſie dieſelben zwiſchen den Jahresringen anlegen
und dieſe als die härteren Theile ſtehen laſſen. Runde Oeffnungen, groß genug, um einen oder
zwei Arbeiter nebeneinander durchzulaſſen, vermitteln zwiſchen ihnen die Verbindung. Die ganze
Jnnenſeite des Neſtes iſt mit einer hellbraunen, glattpolirten Schicht überzogen; daß dieſe aus
den Excrementen beſtehe, ſtellte ſich bei der Beobachtung in der Gefangenſchaft heraus. Merk-
würdig genug, Lespès fand in einzelnen Baumſtumpfen neben den Termiten auch ein Ameiſenneſt,
beide nur durch eine dünne Scheidewand getrennt. So vermag die ärgſte Feindſchaft, in welcher
dieſe Thiere leben, den Trieb zum Neſterbauen nicht zu ſtören. Jederſeits werden an der
paſſenden Stelle die Kolonien gegründet, unbekümmert darum, ob der Feind in nächſter Nachbar-
ſchaft gleichen Jntereſſen nachgehe. Wenn Lespès ein Stück Neſt nebſt Jnhalt in ſeine Beobachtungs-
gläſer einkerkerte, ſo begannen die Arbeiter zunächſt auf dem Boden des Gefäßes im Geröll Gänge
anzulegen und befeſtigten ſodann das Neſt an den Seitenwänden jenes. Jn den Gegenden Frank-
reichs, auf welche ſich die Beobachtungen erſtrecken, fehlt es nicht an Fichtenſtumpfen, weil man
ſie nach dem Fällen der Bäume ſtehen läßt, und dies mag der Hauptgrund ſein, weshalb die
Häuſer von Bordeaux ſo ziemlich von Termiten verſchont bleiben, obſchon ſich hie und da Spuren
von ihnen gezeigt haben. Zum Bauen der Wohnungen gehört auch ihre Erhaltung und da ſind es
eben wieder die Arbeiter, welche hierfür Sorge zu tragen haben. Wird das Neſt an einer Stelle

Taſchenberg, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 30
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[465/0495] Lichtſcheue Termite. wiſſen kann, was ſich aus ihnen entwickeln werde. Die Larven der zweiten Altersſtufe, die ſich alſo einmal gehäutet haben und zwei oder drei Millimeter meſſen, laſſen ſchon zwei Formen unter- ſcheiden. Die einen ähneln im Thorar den Arbeitern, ſind an ihrer Geſtalt, ihren langſamen Bewegungen und an ihrem kleineren, mattweißem Kopfe leicht zu erkennen und verwandeln ſich im Juni zu Arbeitern und Soldaten. Die andern ſehen hinſichtlich des breiteren Prothorar und der beiden folgenden Ringe, indem die Erweiterung nach hinten zu den nachmaligen Flügelſcheiden bereits beginnt, den Jmagos ähnlicher. Dieſe zweite Altersſtufe kommt einzeln ſchon im Winter zum Vorſchein, herrſcht aber vor, ſowie die erſte verſchwunden iſt, eben weil ſie aus ihr durch Häutung hervorgeht. Vier bis ſechs Millimeter große Larven, in der erſten Form einem Arbeiter und Soldaten ſchon ſehr ähnlich, in der zweiten den Nymphen, bilden die dritte Altersſtufe, welche die zweite bald verdrängt. Die Larven der erſten Altersſtufe haben zehngliedrige, die der zweiten zwölf- bis vierzehngliedrige, die der dritten ſechzehngliedrige Fühler. Arbeiter und Sol- daten finden ſich das ganze Jahr im Neſte, ſie werden aber gegen Juni hin ſeltener; zuerſt die Soldaten, dann die Arbeiter, magern ab und tragen die Spuren der Altersſchwäche an ſich, denn es iſt für ſie die Zeit gekommen, dem neu herangereiften jüngeren Geſchlechte das Feld zu räumen. Wie die allgemeine Schilderung ſchon hervorhob, unterſcheiden ſich die Soldaten von den Arbeitern nur durch die enorme Größe des Kopfes und der Kinnbacken; jener iſt noch einmal ſo lang als breit und cylindriſch, dieſe ſind ſchwarz, ſäbelförmig nach oben und innen gebogen, innen ungezähnt und von halber Kopflänge. Die Arbeiter, auf denen faſt allein alle Sorgen um den Staat laſten, haben die Gewohnheit aller Gattungsgenoſſen, ſich nur unter bedeckten Gängen zu bewegen, was ſie jedoch nicht des Lichtes wegen, ſondern um den Zutritt der friſchen Luft abzuſperren, thun mögen. Lespès nämlich trug verſchiedene Neſter in gläſerne Gefäße ein und bemerkte nicht, daß ſich die Arbeiter durch das von der Glasſeite eines Ganges einfallende Sonnenlicht beirren ließen. Gewöhnlich legen ſie das Neſt in einem alten Fichtenſtumpfe, mitunter in Eichen, Hollunder, Tamarisken an, jedoch ſtets in abgeſtorbenem und feuchtem, unter oder wenig über der Erde gelegenem Holze. Kleine Geſellſchaften, die ſeit einem oder höchſtens zwei Jahren beſtehen, halten ſich hinter der Rinde auf, dann aber gehen ſie das Holz an. Die Gänge werden von dem Umfange nach dem Mittelpunkt geführt und gleichzeitig die bei den Fichten flach unter der Erdoberfläche verlaufenden Wurzeln in Angriff genommen. Sie ſind nicht regelmäßig und ſehr oft bilden holzfreſſende Larven, beſonders die der Bohrkäfer, die Pioniere der Termiten, während die weiteren Höhlungen der Bock- käfer zu großen Zellen benutzt werden. Ohne dergleichen Vorarbeiten führen ſie die Gänge in- ſofern in einer gewiſſen Regelmäßigkeit durch, als ſie dieſelben zwiſchen den Jahresringen anlegen und dieſe als die härteren Theile ſtehen laſſen. Runde Oeffnungen, groß genug, um einen oder zwei Arbeiter nebeneinander durchzulaſſen, vermitteln zwiſchen ihnen die Verbindung. Die ganze Jnnenſeite des Neſtes iſt mit einer hellbraunen, glattpolirten Schicht überzogen; daß dieſe aus den Excrementen beſtehe, ſtellte ſich bei der Beobachtung in der Gefangenſchaft heraus. Merk- würdig genug, Lespès fand in einzelnen Baumſtumpfen neben den Termiten auch ein Ameiſenneſt, beide nur durch eine dünne Scheidewand getrennt. So vermag die ärgſte Feindſchaft, in welcher dieſe Thiere leben, den Trieb zum Neſterbauen nicht zu ſtören. Jederſeits werden an der paſſenden Stelle die Kolonien gegründet, unbekümmert darum, ob der Feind in nächſter Nachbar- ſchaft gleichen Jntereſſen nachgehe. Wenn Lespès ein Stück Neſt nebſt Jnhalt in ſeine Beobachtungs- gläſer einkerkerte, ſo begannen die Arbeiter zunächſt auf dem Boden des Gefäßes im Geröll Gänge anzulegen und befeſtigten ſodann das Neſt an den Seitenwänden jenes. Jn den Gegenden Frank- reichs, auf welche ſich die Beobachtungen erſtrecken, fehlt es nicht an Fichtenſtumpfen, weil man ſie nach dem Fällen der Bäume ſtehen läßt, und dies mag der Hauptgrund ſein, weshalb die Häuſer von Bordeaux ſo ziemlich von Termiten verſchont bleiben, obſchon ſich hie und da Spuren von ihnen gezeigt haben. Zum Bauen der Wohnungen gehört auch ihre Erhaltung und da ſind es eben wieder die Arbeiter, welche hierfür Sorge zu tragen haben. Wird das Neſt an einer Stelle Taſchenberg, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 30

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/495>, abgerufen am 23.11.2024.