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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Gemeiner Floh.
beherbergt. Der hier abgebildete gemeine Floh (Pulex irritans) des Menschen ist als Welt-
bürger hinreichend bekannt und besonders von reizbaren, empfindlichen Naturen gefürchtet. Die
Mundtheile sind in ihrer Gliederung nebenstehend abgebildet; es sei nur noch darauf aufmerksam
gemacht, daß die Kiefertaster aus vier Gliedern bestehen, während sie bei andern Arten wieder
anders gebildet sind. Jm August und September werden diese Thiere besonders lästig und in
warmen Ländern mehr noch als
in unsern gemäßigten Himmels-
strichen. Ein befruchtetes Weib-
chen legt etwa zwölf, verhältniß-
mäßig große, länglich ovale Eier
zwischen die Ritzen der Dielen,
in staubige, schmutzige Ecken.
Dergleichen Brutstätten, beson-
ders in Kinderstuben, haben vor
Zeiten zu dem Glauben Anlaß
gegeben, die Flöhe entständen
aus Sägespänen unter den Dielen,
wenn sie mit Harn begossen
würden. Das Richtige bei dieser
Sache bleibt, daß Stubenkehricht,
der an vielen Orten mit feuchten
Sägespänen, welche man vorher
zum Sprengen gegen den Staub
[Abbildung] Der gemeine Floh (Pulex irritans).
a
Die Oberlippe. b Die Kinnbacken als die Stechapparate. c Die Taster der Unter-
lippe. d Diese selbst. e Die Taster der kurzen, nicht sichtbaren Kinnladen. f Die
Larve. g Die Puvve. (Alle Figuren stark vergrößert.)
anwendete, gemengt ist, eine besondere Anziehungskraft für die von Eiern geschwellten Weibchen
ausübt. Jm Sommer genügen sechs Tage, während des Winters im geheizten Zimmer die
doppelte Zeit, um im Ei die Larve zur Entwickelung zu bringen. Sie erscheint als schlankes,
weißes Würmchen mit Fühlern, zwei Freßspitzen und Augen am Kopfe. Zwei Nachschieber
am Leibesende und seitliche Börstchen unterstützen ihre schlangenartigen Windungen und bringen
sie ziemlich schnell von der Stelle. Rösel fütterte sie mit Stubenfliegen, getrockneter, auf ange-
feuchteten Mulm geschabter Blutmasse und dergleichen, wodurch sie sich sichtlich färbten. Nach
elf Tagen sind sie erwachsen, geben den Unrath von sich, werden wieder weiß und bereiten
sich an ihren Aufenthaltsorten eine kleine Höhlung zur Verpuppung. Wenn die Made ihre
Haut abgestreift hat, welche sich hinter ihr findet, ist sie zu einer weißen, muntern Puppe mit
zwei zangenartigen Schwanzspitzen geworden, an der man die einzelnen Theile des künftigen
Thieres wohl unterscheidet. Nach und nach färbt sie sich dunkler bis im Sommer nach elf
Tagen der gewandte "Turner" daraus hervorkommt. Somit währt die ganze Verwandlung
etwa vier, im Winter unter günstigen Verhältnissen sechs Wochen. Der Neugeborne
bedient sich sofort seines Vortheils, der kräftigen Hinterbeine, und von Blutdurst getrieben --
er kann lange hungern, sticht aber dann um so empfindlicher -- fucht er in langen Sätzen
den Gegenstand, der ihm Nahrung bietet. Da er unter Menschen und Thieren geboren
wurde, so dürsten seine Bemühungen bald belohnt werden. Mit Virtuosität bohrt er seine spitzen
Klingen ein und saugt in vollen Zügen, stets der Gefahr ausgesetzt, in seinem Behagen gestört
zu werden, oder gar seine Lust mit dem Leben büßen zu müssen. Hat er sich wacker durch-
schmarotzt, ist er den allabendlich auf ihn angestellten Jagden glücklich entgangen und hat er
den Gegenstand seiner thierischen Liebe gefunden -- die Männchen sind bedeutend kleiner als die
Weibchen -- so erfüllt er den Lauf der Natur. -- Bekanntlich gibt es Leute, welche durch
Abrichten von Flöhen (Auspannen derselben an kleine Wagen etc.) sich ihren Lebensunterhalt ver-
schaffen. Jndem sie die Thiere längere Zeit in flache Döschen einsperren, wo sie sich bei Spring-

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Gemeiner Floh.
beherbergt. Der hier abgebildete gemeine Floh (Pulex irritans) des Menſchen iſt als Welt-
bürger hinreichend bekannt und beſonders von reizbaren, empfindlichen Naturen gefürchtet. Die
Mundtheile ſind in ihrer Gliederung nebenſtehend abgebildet; es ſei nur noch darauf aufmerkſam
gemacht, daß die Kiefertaſter aus vier Gliedern beſtehen, während ſie bei andern Arten wieder
anders gebildet ſind. Jm Auguſt und September werden dieſe Thiere beſonders läſtig und in
warmen Ländern mehr noch als
in unſern gemäßigten Himmels-
ſtrichen. Ein befruchtetes Weib-
chen legt etwa zwölf, verhältniß-
mäßig große, länglich ovale Eier
zwiſchen die Ritzen der Dielen,
in ſtaubige, ſchmutzige Ecken.
Dergleichen Brutſtätten, beſon-
ders in Kinderſtuben, haben vor
Zeiten zu dem Glauben Anlaß
gegeben, die Flöhe entſtänden
aus Sägeſpänen unter den Dielen,
wenn ſie mit Harn begoſſen
würden. Das Richtige bei dieſer
Sache bleibt, daß Stubenkehricht,
der an vielen Orten mit feuchten
Sägeſpänen, welche man vorher
zum Sprengen gegen den Staub
[Abbildung] Der gemeine Floh (Pulex irritans).
a
Die Oberlippe. b Die Kinnbacken als die Stechapparate. c Die Taſter der Unter-
lippe. d Dieſe ſelbſt. e Die Taſter der kurzen, nicht ſichtbaren Kinnladen. f Die
Larve. g Die Puvve. (Alle Figuren ſtark vergrößert.)
anwendete, gemengt iſt, eine beſondere Anziehungskraft für die von Eiern geſchwellten Weibchen
ausübt. Jm Sommer genügen ſechs Tage, während des Winters im geheizten Zimmer die
doppelte Zeit, um im Ei die Larve zur Entwickelung zu bringen. Sie erſcheint als ſchlankes,
weißes Würmchen mit Fühlern, zwei Freßſpitzen und Augen am Kopfe. Zwei Nachſchieber
am Leibesende und ſeitliche Börſtchen unterſtützen ihre ſchlangenartigen Windungen und bringen
ſie ziemlich ſchnell von der Stelle. Röſel fütterte ſie mit Stubenfliegen, getrockneter, auf ange-
feuchteten Mulm geſchabter Blutmaſſe und dergleichen, wodurch ſie ſich ſichtlich färbten. Nach
elf Tagen ſind ſie erwachſen, geben den Unrath von ſich, werden wieder weiß und bereiten
ſich an ihren Aufenthaltsorten eine kleine Höhlung zur Verpuppung. Wenn die Made ihre
Haut abgeſtreift hat, welche ſich hinter ihr findet, iſt ſie zu einer weißen, muntern Puppe mit
zwei zangenartigen Schwanzſpitzen geworden, an der man die einzelnen Theile des künftigen
Thieres wohl unterſcheidet. Nach und nach färbt ſie ſich dunkler bis im Sommer nach elf
Tagen der gewandte „Turner“ daraus hervorkommt. Somit währt die ganze Verwandlung
etwa vier, im Winter unter günſtigen Verhältniſſen ſechs Wochen. Der Neugeborne
bedient ſich ſofort ſeines Vortheils, der kräftigen Hinterbeine, und von Blutdurſt getrieben —
er kann lange hungern, ſticht aber dann um ſo empfindlicher — fucht er in langen Sätzen
den Gegenſtand, der ihm Nahrung bietet. Da er unter Menſchen und Thieren geboren
wurde, ſo dürſten ſeine Bemühungen bald belohnt werden. Mit Virtuoſität bohrt er ſeine ſpitzen
Klingen ein und ſaugt in vollen Zügen, ſtets der Gefahr ausgeſetzt, in ſeinem Behagen geſtört
zu werden, oder gar ſeine Luſt mit dem Leben büßen zu müſſen. Hat er ſich wacker durch-
ſchmarotzt, iſt er den allabendlich auf ihn angeſtellten Jagden glücklich entgangen und hat er
den Gegenſtand ſeiner thieriſchen Liebe gefunden — die Männchen ſind bedeutend kleiner als die
Weibchen — ſo erfüllt er den Lauf der Natur. — Bekanntlich gibt es Leute, welche durch
Abrichten von Flöhen (Auſpannen derſelben an kleine Wagen ꝛc.) ſich ihren Lebensunterhalt ver-
ſchaffen. Jndem ſie die Thiere längere Zeit in flache Döschen einſperren, wo ſie ſich bei Spring-

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[419/0445] Gemeiner Floh. beherbergt. Der hier abgebildete gemeine Floh (Pulex irritans) des Menſchen iſt als Welt- bürger hinreichend bekannt und beſonders von reizbaren, empfindlichen Naturen gefürchtet. Die Mundtheile ſind in ihrer Gliederung nebenſtehend abgebildet; es ſei nur noch darauf aufmerkſam gemacht, daß die Kiefertaſter aus vier Gliedern beſtehen, während ſie bei andern Arten wieder anders gebildet ſind. Jm Auguſt und September werden dieſe Thiere beſonders läſtig und in warmen Ländern mehr noch als in unſern gemäßigten Himmels- ſtrichen. Ein befruchtetes Weib- chen legt etwa zwölf, verhältniß- mäßig große, länglich ovale Eier zwiſchen die Ritzen der Dielen, in ſtaubige, ſchmutzige Ecken. Dergleichen Brutſtätten, beſon- ders in Kinderſtuben, haben vor Zeiten zu dem Glauben Anlaß gegeben, die Flöhe entſtänden aus Sägeſpänen unter den Dielen, wenn ſie mit Harn begoſſen würden. Das Richtige bei dieſer Sache bleibt, daß Stubenkehricht, der an vielen Orten mit feuchten Sägeſpänen, welche man vorher zum Sprengen gegen den Staub [Abbildung Der gemeine Floh (Pulex irritans). a Die Oberlippe. b Die Kinnbacken als die Stechapparate. c Die Taſter der Unter- lippe. d Dieſe ſelbſt. e Die Taſter der kurzen, nicht ſichtbaren Kinnladen. f Die Larve. g Die Puvve. (Alle Figuren ſtark vergrößert.)] anwendete, gemengt iſt, eine beſondere Anziehungskraft für die von Eiern geſchwellten Weibchen ausübt. Jm Sommer genügen ſechs Tage, während des Winters im geheizten Zimmer die doppelte Zeit, um im Ei die Larve zur Entwickelung zu bringen. Sie erſcheint als ſchlankes, weißes Würmchen mit Fühlern, zwei Freßſpitzen und Augen am Kopfe. Zwei Nachſchieber am Leibesende und ſeitliche Börſtchen unterſtützen ihre ſchlangenartigen Windungen und bringen ſie ziemlich ſchnell von der Stelle. Röſel fütterte ſie mit Stubenfliegen, getrockneter, auf ange- feuchteten Mulm geſchabter Blutmaſſe und dergleichen, wodurch ſie ſich ſichtlich färbten. Nach elf Tagen ſind ſie erwachſen, geben den Unrath von ſich, werden wieder weiß und bereiten ſich an ihren Aufenthaltsorten eine kleine Höhlung zur Verpuppung. Wenn die Made ihre Haut abgeſtreift hat, welche ſich hinter ihr findet, iſt ſie zu einer weißen, muntern Puppe mit zwei zangenartigen Schwanzſpitzen geworden, an der man die einzelnen Theile des künftigen Thieres wohl unterſcheidet. Nach und nach färbt ſie ſich dunkler bis im Sommer nach elf Tagen der gewandte „Turner“ daraus hervorkommt. Somit währt die ganze Verwandlung etwa vier, im Winter unter günſtigen Verhältniſſen ſechs Wochen. Der Neugeborne bedient ſich ſofort ſeines Vortheils, der kräftigen Hinterbeine, und von Blutdurſt getrieben — er kann lange hungern, ſticht aber dann um ſo empfindlicher — fucht er in langen Sätzen den Gegenſtand, der ihm Nahrung bietet. Da er unter Menſchen und Thieren geboren wurde, ſo dürſten ſeine Bemühungen bald belohnt werden. Mit Virtuoſität bohrt er ſeine ſpitzen Klingen ein und ſaugt in vollen Zügen, ſtets der Gefahr ausgeſetzt, in ſeinem Behagen geſtört zu werden, oder gar ſeine Luſt mit dem Leben büßen zu müſſen. Hat er ſich wacker durch- ſchmarotzt, iſt er den allabendlich auf ihn angeſtellten Jagden glücklich entgangen und hat er den Gegenſtand ſeiner thieriſchen Liebe gefunden — die Männchen ſind bedeutend kleiner als die Weibchen — ſo erfüllt er den Lauf der Natur. — Bekanntlich gibt es Leute, welche durch Abrichten von Flöhen (Auſpannen derſelben an kleine Wagen ꝛc.) ſich ihren Lebensunterhalt ver- ſchaffen. Jndem ſie die Thiere längere Zeit in flache Döschen einſperren, wo ſie ſich bei Spring- 27*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/445>, abgerufen am 23.11.2024.