Abweichend von allen bisher betrachteten Mücken und Fliegen, sowohl in Hinsicht auf ihre äußere Erscheinung, als auch bezüglich ihrer Entwickelung, stehen die sogenannten Puppen- gebärer (Pupipara) einzig unter den Dipteren da, und ließe sich von ihnen allein ein dickes Buch schreiben. Das Weibchen bringt jedesmal nur einen Nachkommen in Form einer Puppe zur Welt, eine Larve, welche sich bis zur Puppenreife im Leibe der Mutter entwickelt hat und bei der Geburt genau genommen noch Larve ist, weshalb der früher gewählte Name für diese interessante Abtheilung nach den neuesten Forschungen nicht mehr zutreffen will. Die hierher gehörigen Thiere leben sämmtlich im vollkommenen Zustande als Parasiten auf anderen, meist warmblutigen Thieren, und gliedern sich in drei Familien: Lausfliegen, Fledermausfliegen und Bienenläuse.
Die Lausfliegen (Coriacea oder Hippoboscidae) haben einen hornigen, am Hinterleibe mehr lederartigen und dehnbaren plattgedrückten Körper. Der horizontale, quereiförmige Kopf schließt sich mit seinem Hinterrande eng an den Thorax an, trägt an den Seiten große Augen, sehr kurze, walzenförmige Fühler, welche man leicht übersieht, weil sie sich andrücken, und umgibt die Mundöffnung mit einem wallartigen Rande. Der Saugrüssel bildet hier die Oberlippe und die sie scheidenartig umschließenden Unterkieferhälften, die Unterlippe ist sehr kurz und die Taster fehlen gänzlich. Die langen Flügel zeigen meist nur am Außenrande deutliches Geäder, fallen bisweilen leicht aus oder verkrümmen, die sehr kleinen Schwinger hinter ihnen bleiben immer frei und stehen ungewöhnlich tief. Wegen des breiten Brustbeines rücken die Beine weit auseinander, ihre Schenkel sind flach gedrückt, die Tarsen kurz und derb, das Endglied am längsten, seine zweitheiligen Klauen sehr kräftig. Durch solche Bildung werden diese Fliegen befähigt, mit unge- meiner Gewandtheit und Schnelligkeit vor-, rück- und seitwärts am Pelze von Pferden, Hirschen, Rehen und anderen Säugethieren, zwischen den Federn der Vögel umherzulaufen, vielleicht richtiger gesagt, umherzukrabbeln. Jn der Regel lebt eine Art auf einem bestimmten Thiere und saugt dessen Blut, nur Lipoptena cervi macht eine Ausnahme: so lange sie Flügel hat, hält sie sich als die Ornithobia pallidaMeigen's bis zum Herbst auf Vögeln auf, später (nach der Begattung?) verliert sie die Flügel und schmarotzt dann auf dem Edelhirsche, Reh und Eber. Jm Herbst fliegt sie stellenweise in Wäldern nicht selten umher, setzt sich in das Gesicht vorbeigehender Menschen und an deren Kleider, wie mir scheinen wollte, vorzugsweise an braun gefärbte Gegen- stände. Wenn ich mit einem Freunde auf Excursionen in solche Gegenden kam, wählten sie dessen braungefärbten, langfilzigen Hut, während ich immer von ihrer Zudringlichkeit verschont blieb. Jhr Umherkrabbeln im Gesicht gehört durchaus nicht zu den angenehmen Empfindungen. Der
Jnhalt des weiblichen Eierstocks reicht bei der flügellosen Schafzecke, Teke (Melophagus ovinus) zu acht Eiern aus, und die Nachkommen- schaft einer einzelnen von allen diesen Fliegen beschränkt sich auf eine nur sehr geringe Anzahl. Eine große, baumartig verzweigte Drüse sondert eine Flüssigkeit ab, welche die in der Entwickelung begriffene Larve gierig aufsaugt. Wenn sie geboren wird, stellt sie einen glatten, ovalen Körper ohne jede Gliederung dar, der anfänglich weiß aus- sieht und sich allmälig dunkler färbt. Die Pferdelausfliege (Hippobosca equina) behält Zeit ihres Lebens die Flügel, welche fünf dicke Längsadern am Außenrande kennzeichnen; die erste ist doppelt, die zweite und dritte sind einfach, letztere kommt fast in der Flügelmitte aus der zweiten und trifft am Rande mit dessen Ader weit vor der Flügelspitze zusammen, die vierte und fünfte Längsader erscheinen in der Nähe der kleinen Querader plötzlich wie abgebrochen, weiter- hin sehr blaß. Das Thier ist glänzend rostgelb, der Thorax auf der Scheibe kastanienbraun, das Schildchen blaßgelb, die ungleichen, gezähnten Fußklauen sind schwarz. Die Nebenaugen fehlen, der kurze Rüssel endet stumpf. Die Art findet sich auf Pferden (und Rindern) nicht
Die Zweiflügler. Puppengebärer.
Abweichend von allen bisher betrachteten Mücken und Fliegen, ſowohl in Hinſicht auf ihre äußere Erſcheinung, als auch bezüglich ihrer Entwickelung, ſtehen die ſogenannten Puppen- gebärer (Pupipara) einzig unter den Dipteren da, und ließe ſich von ihnen allein ein dickes Buch ſchreiben. Das Weibchen bringt jedesmal nur einen Nachkommen in Form einer Puppe zur Welt, eine Larve, welche ſich bis zur Puppenreife im Leibe der Mutter entwickelt hat und bei der Geburt genau genommen noch Larve iſt, weshalb der früher gewählte Name für dieſe intereſſante Abtheilung nach den neueſten Forſchungen nicht mehr zutreffen will. Die hierher gehörigen Thiere leben ſämmtlich im vollkommenen Zuſtande als Paraſiten auf anderen, meiſt warmblutigen Thieren, und gliedern ſich in drei Familien: Lausfliegen, Fledermausfliegen und Bienenläuſe.
Die Lausfliegen (Coriacea oder Hippoboscidae) haben einen hornigen, am Hinterleibe mehr lederartigen und dehnbaren plattgedrückten Körper. Der horizontale, quereiförmige Kopf ſchließt ſich mit ſeinem Hinterrande eng an den Thorax an, trägt an den Seiten große Augen, ſehr kurze, walzenförmige Fühler, welche man leicht überſieht, weil ſie ſich andrücken, und umgibt die Mundöffnung mit einem wallartigen Rande. Der Saugrüſſel bildet hier die Oberlippe und die ſie ſcheidenartig umſchließenden Unterkieferhälften, die Unterlippe iſt ſehr kurz und die Taſter fehlen gänzlich. Die langen Flügel zeigen meiſt nur am Außenrande deutliches Geäder, fallen bisweilen leicht aus oder verkrümmen, die ſehr kleinen Schwinger hinter ihnen bleiben immer frei und ſtehen ungewöhnlich tief. Wegen des breiten Bruſtbeines rücken die Beine weit auseinander, ihre Schenkel ſind flach gedrückt, die Tarſen kurz und derb, das Endglied am längſten, ſeine zweitheiligen Klauen ſehr kräftig. Durch ſolche Bildung werden dieſe Fliegen befähigt, mit unge- meiner Gewandtheit und Schnelligkeit vor-, rück- und ſeitwärts am Pelze von Pferden, Hirſchen, Rehen und anderen Säugethieren, zwiſchen den Federn der Vögel umherzulaufen, vielleicht richtiger geſagt, umherzukrabbeln. Jn der Regel lebt eine Art auf einem beſtimmten Thiere und ſaugt deſſen Blut, nur Lipoptena cervi macht eine Ausnahme: ſo lange ſie Flügel hat, hält ſie ſich als die Ornithobia pallidaMeigen’s bis zum Herbſt auf Vögeln auf, ſpäter (nach der Begattung?) verliert ſie die Flügel und ſchmarotzt dann auf dem Edelhirſche, Reh und Eber. Jm Herbſt fliegt ſie ſtellenweiſe in Wäldern nicht ſelten umher, ſetzt ſich in das Geſicht vorbeigehender Menſchen und an deren Kleider, wie mir ſcheinen wollte, vorzugsweiſe an braun gefärbte Gegen- ſtände. Wenn ich mit einem Freunde auf Excurſionen in ſolche Gegenden kam, wählten ſie deſſen braungefärbten, langfilzigen Hut, während ich immer von ihrer Zudringlichkeit verſchont blieb. Jhr Umherkrabbeln im Geſicht gehört durchaus nicht zu den angenehmen Empfindungen. Der
Jnhalt des weiblichen Eierſtocks reicht bei der flügelloſen Schafzecke, Teke (Melophagus ovinus) zu acht Eiern aus, und die Nachkommen- ſchaft einer einzelnen von allen dieſen Fliegen beſchränkt ſich auf eine nur ſehr geringe Anzahl. Eine große, baumartig verzweigte Drüſe ſondert eine Flüſſigkeit ab, welche die in der Entwickelung begriffene Larve gierig aufſaugt. Wenn ſie geboren wird, ſtellt ſie einen glatten, ovalen Körper ohne jede Gliederung dar, der anfänglich weiß aus- ſieht und ſich allmälig dunkler färbt. Die Pferdelausfliege (Hippobosca equina) behält Zeit ihres Lebens die Flügel, welche fünf dicke Längsadern am Außenrande kennzeichnen; die erſte iſt doppelt, die zweite und dritte ſind einfach, letztere kommt faſt in der Flügelmitte aus der zweiten und trifft am Rande mit deſſen Ader weit vor der Flügelſpitze zuſammen, die vierte und fünfte Längsader erſcheinen in der Nähe der kleinen Querader plötzlich wie abgebrochen, weiter- hin ſehr blaß. Das Thier iſt glänzend roſtgelb, der Thorax auf der Scheibe kaſtanienbraun, das Schildchen blaßgelb, die ungleichen, gezähnten Fußklauen ſind ſchwarz. Die Nebenaugen fehlen, der kurze Rüſſel endet ſtumpf. Die Art findet ſich auf Pferden (und Rindern) nicht
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[416/0442]
Die Zweiflügler. Puppengebärer.
Abweichend von allen bisher betrachteten Mücken und Fliegen, ſowohl in Hinſicht auf ihre
äußere Erſcheinung, als auch bezüglich ihrer Entwickelung, ſtehen die ſogenannten Puppen-
gebärer (Pupipara) einzig unter den Dipteren da, und ließe ſich von ihnen allein ein dickes Buch
ſchreiben. Das Weibchen bringt jedesmal nur einen Nachkommen in Form einer Puppe zur
Welt, eine Larve, welche ſich bis zur Puppenreife im Leibe der Mutter entwickelt hat und bei
der Geburt genau genommen noch Larve iſt, weshalb der früher gewählte Name für dieſe intereſſante
Abtheilung nach den neueſten Forſchungen nicht mehr zutreffen will. Die hierher gehörigen
Thiere leben ſämmtlich im vollkommenen Zuſtande als Paraſiten auf anderen, meiſt warmblutigen
Thieren, und gliedern ſich in drei Familien: Lausfliegen, Fledermausfliegen und
Bienenläuſe.
Die Lausfliegen (Coriacea oder Hippoboscidae) haben einen hornigen, am Hinterleibe
mehr lederartigen und dehnbaren plattgedrückten Körper. Der horizontale, quereiförmige Kopf
ſchließt ſich mit ſeinem Hinterrande eng an den Thorax an, trägt an den Seiten große Augen,
ſehr kurze, walzenförmige Fühler, welche man leicht überſieht, weil ſie ſich andrücken, und umgibt
die Mundöffnung mit einem wallartigen Rande. Der Saugrüſſel bildet hier die Oberlippe und
die ſie ſcheidenartig umſchließenden Unterkieferhälften, die Unterlippe iſt ſehr kurz und die Taſter
fehlen gänzlich. Die langen Flügel zeigen meiſt nur am Außenrande deutliches Geäder, fallen
bisweilen leicht aus oder verkrümmen, die ſehr kleinen Schwinger hinter ihnen bleiben immer frei
und ſtehen ungewöhnlich tief. Wegen des breiten Bruſtbeines rücken die Beine weit auseinander,
ihre Schenkel ſind flach gedrückt, die Tarſen kurz und derb, das Endglied am längſten, ſeine
zweitheiligen Klauen ſehr kräftig. Durch ſolche Bildung werden dieſe Fliegen befähigt, mit unge-
meiner Gewandtheit und Schnelligkeit vor-, rück- und ſeitwärts am Pelze von Pferden, Hirſchen,
Rehen und anderen Säugethieren, zwiſchen den Federn der Vögel umherzulaufen, vielleicht richtiger
geſagt, umherzukrabbeln. Jn der Regel lebt eine Art auf einem beſtimmten Thiere und ſaugt
deſſen Blut, nur Lipoptena cervi macht eine Ausnahme: ſo lange ſie Flügel hat, hält ſie ſich
als die Ornithobia pallida Meigen’s bis zum Herbſt auf Vögeln auf, ſpäter (nach der Begattung?)
verliert ſie die Flügel und ſchmarotzt dann auf dem Edelhirſche, Reh und Eber. Jm Herbſt
fliegt ſie ſtellenweiſe in Wäldern nicht ſelten umher, ſetzt ſich in das Geſicht vorbeigehender
Menſchen und an deren Kleider, wie mir ſcheinen wollte, vorzugsweiſe an braun gefärbte Gegen-
ſtände. Wenn ich mit einem Freunde auf Excurſionen in ſolche Gegenden kam, wählten ſie deſſen
braungefärbten, langfilzigen Hut, während ich immer von ihrer Zudringlichkeit verſchont blieb.
Jhr Umherkrabbeln im Geſicht gehört durchaus nicht zu den angenehmen Empfindungen. Der
[Abbildung Pferde-Lausfliege (Hippo-
bosca oqulua).]
Jnhalt des weiblichen Eierſtocks reicht bei der flügelloſen Schafzecke,
Teke (Melophagus ovinus) zu acht Eiern aus, und die Nachkommen-
ſchaft einer einzelnen von allen dieſen Fliegen beſchränkt ſich auf eine
nur ſehr geringe Anzahl. Eine große, baumartig verzweigte Drüſe
ſondert eine Flüſſigkeit ab, welche die in der Entwickelung begriffene
Larve gierig aufſaugt. Wenn ſie geboren wird, ſtellt ſie einen glatten,
ovalen Körper ohne jede Gliederung dar, der anfänglich weiß aus-
ſieht und ſich allmälig dunkler färbt. Die Pferdelausfliege
(Hippobosca equina) behält Zeit ihres Lebens die Flügel, welche fünf
dicke Längsadern am Außenrande kennzeichnen; die erſte iſt doppelt, die
zweite und dritte ſind einfach, letztere kommt faſt in der Flügelmitte
aus der zweiten und trifft am Rande mit deſſen Ader weit vor der Flügelſpitze zuſammen, die vierte
und fünfte Längsader erſcheinen in der Nähe der kleinen Querader plötzlich wie abgebrochen, weiter-
hin ſehr blaß. Das Thier iſt glänzend roſtgelb, der Thorax auf der Scheibe kaſtanienbraun,
das Schildchen blaßgelb, die ungleichen, gezähnten Fußklauen ſind ſchwarz. Die Nebenaugen
fehlen, der kurze Rüſſel endet ſtumpf. Die Art findet ſich auf Pferden (und Rindern) nicht
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/442>, abgerufen am 24.11.2024.
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