Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.Die Zweiflügler. Fliegen. die Brut sich entwickelt. Die Stubenfliege legt deren in Klümpchen von 60 bis 70 Stück in Zeiteiner Viertelstunde. Von Gestalt sind sie fast walzenförmig, nur vorn, wo die Made heraus- kommt, etwas spitzer, ihre zarte Haut glänzt wie Perlmutter. Die der Schmeißfliege haben die etwas gekrümmte Form einer Gurke und an der eingebogenen Seite eine Längsleiste, in welcher sich die Schale öffnet; auch sie werden zu 20 bis 100 auf ein Häuflein gelegt, bis 200 von jedem Weibchen, vorzugsweise an Fleisch, die der Stubenfliege besonders an Mist, jedoch sind beide Mütter nicht gerade wählerisch; die Stubenfliege verschmäht das Fleisch nicht, legt ihre Eier auch an verdorbenes Brod oder Getreide, Melonenschnitte, todte Thiere, in nicht reingehaltene Spucknäpfe, ja an den Schnupstabak in den Dosen, wenn man sie ihr offen stehen läßt; die Schmeißfliege geht an alten Käse, -- die springenden Maden desselben gehören aber nicht ihr, sondern zu Piophila casei -- an Aas, irre geleitet durch ihren sehr scharfen Geruchssinn an die sonderbaren Blüthen der Aaspflanzen (Stapelia) u. dergl. Jn höchstens 24 Stunden kriechen die Maden aus, sie sind weiß, kegelförmig von Gestalt, hinten gestutzt, beide aber an ihren Enden von verschiedenem Ansehen. Die Maden der Stubenfliege scheinen nur einen schwarzen Haken im Munde zu haben, weil beide, wie bei manchen Anthomyien, vollkommen gleich sind und dicht neben einander liegen; die der Schmeißfliege haben zwar zwei gleiche, aber durch eine Art von dazwischen liegendem, kurzem Pfeil getrennte Haken. Der flüssige Unrath, welchen die Maden von sich geben, scheint die Fäulniß ihrer Nahrung, besonders des Fleisches zu beschleunigen. Bald sind die von ihnen bewohnten Gegenstände durchwühlt; denn, obgleich ohne Augen, fliehen sie das Licht und arbeiten sich daher schnell in jene hinein. Ein Beobachter ließ eine Schmeißfliege ihre Eier an einen Fisch legen. Am zweiten Tage nach dem Ausschlüpfen waren die Maden schon noch einmal so groß, aber immer noch klein genug, daß ihrer 25 bis 30 zusammen kaum einen Gran wogen, am dritten Tage wog jede für sich schon sieben Grau, war also binnen 24 Stunden gegen 200 Mal schwerer geworden. Jn England trug sich vor Zeiten eine grauenhafte Geschichte zu, welche von verschiedenen glaubhaften Seiten bestätigt wird, und anderwärts haben ähnliche Erfahrungen den Beweis für das schnelle Wachsthum solchen Ungeziefers und seiner Gefährlichkeit geliefert. Ein Almosenempfänger, welcher in Folge seines unruhigen Wesens nicht Lust hatte, im Arbeitshause seiner Pfarrei zu bleiben, sondern es vorzog, in den benachbarten Dörfern bettelnd umherzustrolchen, erhielt milde Gaben, meist aus Brod und Fleisch bestehend. Wenn er seinen Hunger gestillt hatte, pflegte er das Uebrigbleibende, besonders das Fleisch zwischen Haut und Hemd zu stecken und auf der Brust zu tragen. Nachdem er einst einen beträchtlichen Vorrath davon gesammelt hatte, siel er in eine Unpäßlichkeit und legte sich auf einem Feldwege nieder, wo von der Sonnenhitze jener Jahreszeit -- es war Mitte Juni -- das Fleisch bald in Fäulniß überging und voll Fliegenlarven wurde. Diese fuhren nicht nur fort, die unbelebten Fleischstücke zu verzehren, sondern auch der lebende Körper blieb nicht verschont. Als der Unglückliche zufällig von einigen Vorübergehenden gefunden wurde, war er so von den Maden angefressen, daß sein Tod unvermeidlich schien. Nachdem man, so gut es gehen wollte, dieses ekelhafte Geziefer entfernt hatte, führten ihn die barmherzigen Samariter in ihre Heimat und holten sogleich einen Wundarzt herbei, welcher erklärte, der Körper befände sich in solchem Zustande, daß er den Verband nur einige Stunden überleben würde. Wirklich starb der Unglückliche, angefressen von Fliegenmaden. Da die Zeit nicht angegeben ist, wie lange er dagelegen hatte, und nicht anzunehmen, daß es mehrere Tage gewesen, so dürfte hier keine der beiden Musca-Arten in Betracht kommen, sondern eine lebendig gebärende Sarcophaga. Jn Paragnay sind Fälle vorgekommen, wo Leute von heftigem Kopfweh nach Nasenbluten während des Schlafes befallen wurden und nicht eher Erleichterung fanden, bis sie einige Fliegenmaden herausgenießt hatten. Fieberkranke auf Jamaika müssen mit größter Sorgfalt beobachtet werden, damit ihnen nicht eine große blaue Fliege ihre Eier in die Nase oder an das Zahnfleisch lege, von wo aus einzelne Maden schon bis zum Gehirn gelangt sind und dem Unglücklichen einen entsetzlichen Tod gebracht haben. Lassen wir dahingestellt sein, Die Zweiflügler. Fliegen. die Brut ſich entwickelt. Die Stubenfliege legt deren in Klümpchen von 60 bis 70 Stück in Zeiteiner Viertelſtunde. Von Geſtalt ſind ſie faſt walzenförmig, nur vorn, wo die Made heraus- kommt, etwas ſpitzer, ihre zarte Haut glänzt wie Perlmutter. Die der Schmeißfliege haben die etwas gekrümmte Form einer Gurke und an der eingebogenen Seite eine Längsleiſte, in welcher ſich die Schale öffnet; auch ſie werden zu 20 bis 100 auf ein Häuflein gelegt, bis 200 von jedem Weibchen, vorzugsweiſe an Fleiſch, die der Stubenfliege beſonders an Miſt, jedoch ſind beide Mütter nicht gerade wähleriſch; die Stubenfliege verſchmäht das Fleiſch nicht, legt ihre Eier auch an verdorbenes Brod oder Getreide, Melonenſchnitte, todte Thiere, in nicht reingehaltene Spucknäpfe, ja an den Schnupſtabak in den Doſen, wenn man ſie ihr offen ſtehen läßt; die Schmeißfliege geht an alten Käſe, — die ſpringenden Maden deſſelben gehören aber nicht ihr, ſondern zu Piophila casei — an Aas, irre geleitet durch ihren ſehr ſcharfen Geruchsſinn an die ſonderbaren Blüthen der Aaspflanzen (Stapelia) u. dergl. Jn höchſtens 24 Stunden kriechen die Maden aus, ſie ſind weiß, kegelförmig von Geſtalt, hinten geſtutzt, beide aber an ihren Enden von verſchiedenem Anſehen. Die Maden der Stubenfliege ſcheinen nur einen ſchwarzen Haken im Munde zu haben, weil beide, wie bei manchen Anthomyien, vollkommen gleich ſind und dicht neben einander liegen; die der Schmeißfliege haben zwar zwei gleiche, aber durch eine Art von dazwiſchen liegendem, kurzem Pfeil getrennte Haken. Der flüſſige Unrath, welchen die Maden von ſich geben, ſcheint die Fäulniß ihrer Nahrung, beſonders des Fleiſches zu beſchleunigen. Bald ſind die von ihnen bewohnten Gegenſtände durchwühlt; denn, obgleich ohne Augen, fliehen ſie das Licht und arbeiten ſich daher ſchnell in jene hinein. Ein Beobachter ließ eine Schmeißfliege ihre Eier an einen Fiſch legen. Am zweiten Tage nach dem Ausſchlüpfen waren die Maden ſchon noch einmal ſo groß, aber immer noch klein genug, daß ihrer 25 bis 30 zuſammen kaum einen Gran wogen, am dritten Tage wog jede für ſich ſchon ſieben Grau, war alſo binnen 24 Stunden gegen 200 Mal ſchwerer geworden. Jn England trug ſich vor Zeiten eine grauenhafte Geſchichte zu, welche von verſchiedenen glaubhaften Seiten beſtätigt wird, und anderwärts haben ähnliche Erfahrungen den Beweis für das ſchnelle Wachsthum ſolchen Ungeziefers und ſeiner Gefährlichkeit geliefert. Ein Almoſenempfänger, welcher in Folge ſeines unruhigen Weſens nicht Luſt hatte, im Arbeitshauſe ſeiner Pfarrei zu bleiben, ſondern es vorzog, in den benachbarten Dörfern bettelnd umherzuſtrolchen, erhielt milde Gaben, meiſt aus Brod und Fleiſch beſtehend. Wenn er ſeinen Hunger geſtillt hatte, pflegte er das Uebrigbleibende, beſonders das Fleiſch zwiſchen Haut und Hemd zu ſtecken und auf der Bruſt zu tragen. Nachdem er einſt einen beträchtlichen Vorrath davon geſammelt hatte, ſiel er in eine Unpäßlichkeit und legte ſich auf einem Feldwege nieder, wo von der Sonnenhitze jener Jahreszeit — es war Mitte Juni — das Fleiſch bald in Fäulniß überging und voll Fliegenlarven wurde. Dieſe fuhren nicht nur fort, die unbelebten Fleiſchſtücke zu verzehren, ſondern auch der lebende Körper blieb nicht verſchont. Als der Unglückliche zufällig von einigen Vorübergehenden gefunden wurde, war er ſo von den Maden angefreſſen, daß ſein Tod unvermeidlich ſchien. Nachdem man, ſo gut es gehen wollte, dieſes ekelhafte Geziefer entfernt hatte, führten ihn die barmherzigen Samariter in ihre Heimat und holten ſogleich einen Wundarzt herbei, welcher erklärte, der Körper befände ſich in ſolchem Zuſtande, daß er den Verband nur einige Stunden überleben würde. Wirklich ſtarb der Unglückliche, angefreſſen von Fliegenmaden. Da die Zeit nicht angegeben iſt, wie lange er dagelegen hatte, und nicht anzunehmen, daß es mehrere Tage geweſen, ſo dürfte hier keine der beiden Musca-Arten in Betracht kommen, ſondern eine lebendig gebärende Sarcophaga. Jn Paragnay ſind Fälle vorgekommen, wo Leute von heftigem Kopfweh nach Naſenbluten während des Schlafes befallen wurden und nicht eher Erleichterung fanden, bis ſie einige Fliegenmaden herausgenießt hatten. Fieberkranke auf Jamaika müſſen mit größter Sorgfalt beobachtet werden, damit ihnen nicht eine große blaue Fliege ihre Eier in die Naſe oder an das Zahnfleiſch lege, von wo aus einzelne Maden ſchon bis zum Gehirn gelangt ſind und dem Unglücklichen einen entſetzlichen Tod gebracht haben. Laſſen wir dahingeſtellt ſein, <TEI> <text> <body> <floatingText> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0436" n="410"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Zweiflügler. Fliegen.</hi></fw><lb/> die Brut ſich entwickelt. Die Stubenfliege legt deren in Klümpchen von 60 bis 70 Stück in Zeit<lb/> einer Viertelſtunde. Von Geſtalt ſind ſie faſt walzenförmig, nur vorn, wo die Made heraus-<lb/> kommt, etwas ſpitzer, ihre zarte Haut glänzt wie Perlmutter. Die der Schmeißfliege haben die<lb/> etwas gekrümmte Form einer Gurke und an der eingebogenen Seite eine Längsleiſte, in welcher<lb/> ſich die Schale öffnet; auch ſie werden zu 20 bis 100 auf ein Häuflein gelegt, bis 200 von jedem<lb/> Weibchen, vorzugsweiſe an Fleiſch, die der Stubenfliege beſonders an Miſt, jedoch ſind beide<lb/> Mütter nicht gerade wähleriſch; die Stubenfliege verſchmäht das Fleiſch nicht, legt ihre Eier auch an<lb/> verdorbenes Brod oder Getreide, Melonenſchnitte, todte Thiere, in nicht reingehaltene Spucknäpfe,<lb/> ja an den Schnupſtabak in den Doſen, wenn man ſie ihr offen ſtehen läßt; die Schmeißfliege<lb/> geht an alten Käſe, — die ſpringenden Maden deſſelben gehören aber nicht ihr, ſondern zu<lb/><hi rendition="#aq">Piophila casei</hi> — an Aas, irre geleitet durch ihren ſehr ſcharfen Geruchsſinn an die ſonderbaren<lb/> Blüthen der Aaspflanzen (<hi rendition="#aq">Stapelia</hi>) u. dergl. Jn höchſtens 24 Stunden kriechen die Maden<lb/> aus, ſie ſind weiß, kegelförmig von Geſtalt, hinten geſtutzt, beide aber an ihren Enden von<lb/> verſchiedenem Anſehen. Die Maden der Stubenfliege ſcheinen nur <hi rendition="#g">einen</hi> ſchwarzen Haken im<lb/> Munde zu haben, weil beide, wie bei manchen <hi rendition="#g">Anthomyien,</hi> vollkommen gleich ſind und dicht<lb/> neben einander liegen; die der Schmeißfliege haben zwar zwei <hi rendition="#g">gleiche,</hi> aber durch eine Art von<lb/> dazwiſchen liegendem, kurzem Pfeil getrennte Haken. Der flüſſige Unrath, welchen die Maden von<lb/> ſich geben, ſcheint die Fäulniß ihrer Nahrung, beſonders des Fleiſches zu beſchleunigen. Bald ſind<lb/> die von ihnen bewohnten Gegenſtände durchwühlt; denn, obgleich ohne Augen, fliehen ſie das<lb/> Licht und arbeiten ſich daher ſchnell in jene hinein. Ein Beobachter ließ eine Schmeißfliege ihre<lb/> Eier an einen Fiſch legen. Am zweiten Tage nach dem Ausſchlüpfen waren die Maden ſchon<lb/> noch einmal ſo groß, aber immer noch klein genug, daß ihrer 25 bis 30 zuſammen kaum einen<lb/> Gran wogen, am dritten Tage wog jede für ſich ſchon ſieben Grau, war alſo binnen 24 Stunden<lb/> gegen 200 Mal ſchwerer geworden. Jn England trug ſich vor Zeiten eine grauenhafte Geſchichte<lb/> zu, welche von verſchiedenen glaubhaften Seiten beſtätigt wird, und anderwärts haben ähnliche<lb/> Erfahrungen den Beweis für das ſchnelle Wachsthum ſolchen Ungeziefers und ſeiner Gefährlichkeit<lb/> geliefert. Ein Almoſenempfänger, welcher in Folge ſeines unruhigen Weſens nicht Luſt hatte, im<lb/> Arbeitshauſe ſeiner Pfarrei zu bleiben, ſondern es vorzog, in den benachbarten Dörfern bettelnd<lb/> umherzuſtrolchen, erhielt milde Gaben, meiſt aus Brod und Fleiſch beſtehend. Wenn er ſeinen<lb/> Hunger geſtillt hatte, pflegte er das Uebrigbleibende, beſonders das Fleiſch zwiſchen Haut und<lb/> Hemd zu ſtecken und auf der Bruſt zu tragen. Nachdem er einſt einen beträchtlichen Vorrath<lb/> davon geſammelt hatte, ſiel er in eine Unpäßlichkeit und legte ſich auf einem Feldwege nieder, wo<lb/> von der Sonnenhitze jener Jahreszeit — es war Mitte Juni — das Fleiſch bald in Fäulniß<lb/> überging und voll Fliegenlarven wurde. Dieſe fuhren nicht nur fort, die unbelebten Fleiſchſtücke zu<lb/> verzehren, ſondern auch der lebende Körper blieb nicht verſchont. Als der Unglückliche zufällig<lb/> von einigen Vorübergehenden gefunden wurde, war er ſo von den Maden angefreſſen, daß ſein<lb/> Tod unvermeidlich ſchien. Nachdem man, ſo gut es gehen wollte, dieſes ekelhafte Geziefer entfernt<lb/> hatte, führten ihn die barmherzigen Samariter in ihre Heimat und holten ſogleich einen Wundarzt<lb/> herbei, welcher erklärte, der Körper befände ſich in ſolchem Zuſtande, daß er den Verband nur<lb/> einige Stunden überleben würde. Wirklich ſtarb der Unglückliche, angefreſſen von Fliegenmaden.<lb/> Da die Zeit nicht angegeben iſt, wie lange er dagelegen hatte, und nicht anzunehmen, daß es<lb/> mehrere Tage geweſen, ſo dürfte hier keine der beiden <hi rendition="#aq">Musca-</hi>Arten in Betracht kommen, ſondern<lb/> eine lebendig gebärende <hi rendition="#aq">Sarcophaga.</hi> Jn Paragnay ſind Fälle vorgekommen, wo Leute von heftigem<lb/> Kopfweh nach Naſenbluten während des Schlafes befallen wurden und nicht eher Erleichterung<lb/> fanden, bis ſie einige Fliegenmaden herausgenießt hatten. Fieberkranke auf Jamaika müſſen mit<lb/> größter Sorgfalt beobachtet werden, damit ihnen nicht eine große blaue Fliege ihre Eier in die<lb/> Naſe oder an das Zahnfleiſch lege, von wo aus einzelne Maden ſchon bis zum Gehirn gelangt<lb/> ſind und dem Unglücklichen einen entſetzlichen Tod gebracht haben. Laſſen wir dahingeſtellt ſein,<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </body> </text> </TEI> [410/0436]
Die Zweiflügler. Fliegen.
die Brut ſich entwickelt. Die Stubenfliege legt deren in Klümpchen von 60 bis 70 Stück in Zeit
einer Viertelſtunde. Von Geſtalt ſind ſie faſt walzenförmig, nur vorn, wo die Made heraus-
kommt, etwas ſpitzer, ihre zarte Haut glänzt wie Perlmutter. Die der Schmeißfliege haben die
etwas gekrümmte Form einer Gurke und an der eingebogenen Seite eine Längsleiſte, in welcher
ſich die Schale öffnet; auch ſie werden zu 20 bis 100 auf ein Häuflein gelegt, bis 200 von jedem
Weibchen, vorzugsweiſe an Fleiſch, die der Stubenfliege beſonders an Miſt, jedoch ſind beide
Mütter nicht gerade wähleriſch; die Stubenfliege verſchmäht das Fleiſch nicht, legt ihre Eier auch an
verdorbenes Brod oder Getreide, Melonenſchnitte, todte Thiere, in nicht reingehaltene Spucknäpfe,
ja an den Schnupſtabak in den Doſen, wenn man ſie ihr offen ſtehen läßt; die Schmeißfliege
geht an alten Käſe, — die ſpringenden Maden deſſelben gehören aber nicht ihr, ſondern zu
Piophila casei — an Aas, irre geleitet durch ihren ſehr ſcharfen Geruchsſinn an die ſonderbaren
Blüthen der Aaspflanzen (Stapelia) u. dergl. Jn höchſtens 24 Stunden kriechen die Maden
aus, ſie ſind weiß, kegelförmig von Geſtalt, hinten geſtutzt, beide aber an ihren Enden von
verſchiedenem Anſehen. Die Maden der Stubenfliege ſcheinen nur einen ſchwarzen Haken im
Munde zu haben, weil beide, wie bei manchen Anthomyien, vollkommen gleich ſind und dicht
neben einander liegen; die der Schmeißfliege haben zwar zwei gleiche, aber durch eine Art von
dazwiſchen liegendem, kurzem Pfeil getrennte Haken. Der flüſſige Unrath, welchen die Maden von
ſich geben, ſcheint die Fäulniß ihrer Nahrung, beſonders des Fleiſches zu beſchleunigen. Bald ſind
die von ihnen bewohnten Gegenſtände durchwühlt; denn, obgleich ohne Augen, fliehen ſie das
Licht und arbeiten ſich daher ſchnell in jene hinein. Ein Beobachter ließ eine Schmeißfliege ihre
Eier an einen Fiſch legen. Am zweiten Tage nach dem Ausſchlüpfen waren die Maden ſchon
noch einmal ſo groß, aber immer noch klein genug, daß ihrer 25 bis 30 zuſammen kaum einen
Gran wogen, am dritten Tage wog jede für ſich ſchon ſieben Grau, war alſo binnen 24 Stunden
gegen 200 Mal ſchwerer geworden. Jn England trug ſich vor Zeiten eine grauenhafte Geſchichte
zu, welche von verſchiedenen glaubhaften Seiten beſtätigt wird, und anderwärts haben ähnliche
Erfahrungen den Beweis für das ſchnelle Wachsthum ſolchen Ungeziefers und ſeiner Gefährlichkeit
geliefert. Ein Almoſenempfänger, welcher in Folge ſeines unruhigen Weſens nicht Luſt hatte, im
Arbeitshauſe ſeiner Pfarrei zu bleiben, ſondern es vorzog, in den benachbarten Dörfern bettelnd
umherzuſtrolchen, erhielt milde Gaben, meiſt aus Brod und Fleiſch beſtehend. Wenn er ſeinen
Hunger geſtillt hatte, pflegte er das Uebrigbleibende, beſonders das Fleiſch zwiſchen Haut und
Hemd zu ſtecken und auf der Bruſt zu tragen. Nachdem er einſt einen beträchtlichen Vorrath
davon geſammelt hatte, ſiel er in eine Unpäßlichkeit und legte ſich auf einem Feldwege nieder, wo
von der Sonnenhitze jener Jahreszeit — es war Mitte Juni — das Fleiſch bald in Fäulniß
überging und voll Fliegenlarven wurde. Dieſe fuhren nicht nur fort, die unbelebten Fleiſchſtücke zu
verzehren, ſondern auch der lebende Körper blieb nicht verſchont. Als der Unglückliche zufällig
von einigen Vorübergehenden gefunden wurde, war er ſo von den Maden angefreſſen, daß ſein
Tod unvermeidlich ſchien. Nachdem man, ſo gut es gehen wollte, dieſes ekelhafte Geziefer entfernt
hatte, führten ihn die barmherzigen Samariter in ihre Heimat und holten ſogleich einen Wundarzt
herbei, welcher erklärte, der Körper befände ſich in ſolchem Zuſtande, daß er den Verband nur
einige Stunden überleben würde. Wirklich ſtarb der Unglückliche, angefreſſen von Fliegenmaden.
Da die Zeit nicht angegeben iſt, wie lange er dagelegen hatte, und nicht anzunehmen, daß es
mehrere Tage geweſen, ſo dürfte hier keine der beiden Musca-Arten in Betracht kommen, ſondern
eine lebendig gebärende Sarcophaga. Jn Paragnay ſind Fälle vorgekommen, wo Leute von heftigem
Kopfweh nach Naſenbluten während des Schlafes befallen wurden und nicht eher Erleichterung
fanden, bis ſie einige Fliegenmaden herausgenießt hatten. Fieberkranke auf Jamaika müſſen mit
größter Sorgfalt beobachtet werden, damit ihnen nicht eine große blaue Fliege ihre Eier in die
Naſe oder an das Zahnfleiſch lege, von wo aus einzelne Maden ſchon bis zum Gehirn gelangt
ſind und dem Unglücklichen einen entſetzlichen Tod gebracht haben. Laſſen wir dahingeſtellt ſein,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |