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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Zweiflügler. Fliegen.
bedeutend stärker, als weiter hin, die ziemlich gerade vierte wird hinter der Querader plötzlich
unscheinbar und gabelt sich jenseits, die fünfte sendet aus ihrer Mitte einen obern Ast aus, welcher
durch die immer vorhandene hintere Querader mit der vierten verbunden ist, daher eine voll-
ständige hintere Vasalzelle bildet, welche länger als die vordere ist. Nach der Paarung legt das
Weibchen 120 bis 150 Eier an Lauberde oder andere verfaulte Pflanzenstoffe, besonders auch an
Kuh- und Schafmist; die Leichname kann man dann an solchen Stellen umherliegen sehen. Die
glatten, weißen Eier spitzen sich nach vorn schwach zu, würden sonst vollkommen walzig sein.
Nach drei oder vier Wochen kommen die Maden daraus hervor, die von der doppelten Länge
(1 Linie) des Eies sind. Allmälig dunkeln sie, bis sie braungran werden. Jn Zwischenräumen
von zwölf bis fünfzehn Tagen häuten sie sich dreimal und haben mit sieben oder acht Linien
ihre volle Größe erlangt. Es lassen sich daran zwölf Leibesringe unterscheiden, von denen sich
der fast kugelige Kopf scharf absetzt, und von denen jeder einen Borstenkranz trägt. Die Mund-
theile bestehen aus einer in sechs Zähnen und Wimperhaaren endenden Oberlippe, hornigen Kinn-
backen und Kinnladen mit dreigliedrigen Tastern und einer tasterlosen Unterlippe. Fühler und
Augen lassen sich nicht wahrnehmen. Die Luftlöcher längs der Körperseiten erhalten Zuwachs
durch ein dreimal größeres Paar anders gebildeter auf dem Rücken des letzten, in vier Stachel-
spitzen auslaufenden Gliedes. Diese Larven überwintern gesellschaftlich in lockerer Lauberde und
verwandeln sich erst im Februar oder Anfangs März in eine etwas buckelige, in zwei Spitzchen
auslaufende Puppe von vier bis fünf Linien Länge. Ungefähr vierzehn Tage später kommen
die Fliegen aus der Erde heraus, und auf Gartenbeeten fallen dann die Löcher leicht in die Augen,
wenn sie zahlreich vorhanden waren; zuerst pflegen die Weibchen, eine Woche später die Männchen
zu erscheinen. -- Es gibt eine Menge von Haarmückenarten, welche in ganz derselben Weise leben,
aber alle etwas kleiner sind. Die Gartenhaarmücke (Bibio hortulanus) geht in ihren beiden
Geschlechtern noch weiter auseinander, indem zu einem schwarzen Männchen ein ziegelrothes
Weibchen gehört.



Obschon in ihrer äußern Erscheinung vollkommene Fliegen, haben die Bremsen (Tabanidae)
die Verwandlungsweise und ihre Weibchen die Blutgier mit vielen Mücken gemein und können
Menschen und Thiere gar sehr peinigen. Der englische Reisende Bruce erzählt bei Gelegenheit
seiner afrikanischen Erlebnisse, daß in manchen Gegenden Abyssiniens die Einwohner mit ihren

[Abbildung] a Weibliche Rinderbremse
(Tabunns bovinus). b Seiten-
ansicht des Kopfes.
Herden zur Regenzeit auswandern müßten. Denn sobald die Tsalt-salya
in der äthiopischen, oder Zimb in der arabischen Sprache genannten
Bremsen erscheinen und ihr Gesumme hören lassen, läuft alles Vieh
von seinen Weideplätzen und rennt so lange wild umher, bis es
endlich vor Müdigkeit, Schrecken und Hunger todt niederfällt. Jn unseren
gemäßigteren Gegenden pflegen die über die ganze Erde in vier
bis fünfhundert Arten ausgebreiteten Thiere oft lästig genug, aber
nicht in dem Maße gefährlich zu werden. An der hier abgebildeten
Rinderbremse (Tabanus bovinus), einer der gemeinsten Arten, mag
das Wesen der ganzen Familie erläutert werden. Körpertracht und
Form der einzelnen Theile ersehen wir aus dem Bilde. An der Seiten-
ansicht des Kopfes (b) ragt die große, häutige Unterlippe als Rüsselscheide
weit hervor, kann in der Ruhelage mehr zurückgezogen werden und birgt in ihrem Jnnern
die Stechborsten, je nach der Art vier bis sechs; was wir noch darüber bemerken, sind die
zweigliedrigen Kiefertaster. Die vorgestreckten, an der Wurzel sehr genäherten Fühler bestehen
aus drei Gliedern; weil aber das dritte manchmal geringelt erscheint, könnte man auch von

Die Zweiflügler. Fliegen.
bedeutend ſtärker, als weiter hin, die ziemlich gerade vierte wird hinter der Querader plötzlich
unſcheinbar und gabelt ſich jenſeits, die fünfte ſendet aus ihrer Mitte einen obern Aſt aus, welcher
durch die immer vorhandene hintere Querader mit der vierten verbunden iſt, daher eine voll-
ſtändige hintere Vaſalzelle bildet, welche länger als die vordere iſt. Nach der Paarung legt das
Weibchen 120 bis 150 Eier an Lauberde oder andere verfaulte Pflanzenſtoffe, beſonders auch an
Kuh- und Schafmiſt; die Leichname kann man dann an ſolchen Stellen umherliegen ſehen. Die
glatten, weißen Eier ſpitzen ſich nach vorn ſchwach zu, würden ſonſt vollkommen walzig ſein.
Nach drei oder vier Wochen kommen die Maden daraus hervor, die von der doppelten Länge
(1 Linie) des Eies ſind. Allmälig dunkeln ſie, bis ſie braungran werden. Jn Zwiſchenräumen
von zwölf bis fünfzehn Tagen häuten ſie ſich dreimal und haben mit ſieben oder acht Linien
ihre volle Größe erlangt. Es laſſen ſich daran zwölf Leibesringe unterſcheiden, von denen ſich
der faſt kugelige Kopf ſcharf abſetzt, und von denen jeder einen Borſtenkranz trägt. Die Mund-
theile beſtehen aus einer in ſechs Zähnen und Wimperhaaren endenden Oberlippe, hornigen Kinn-
backen und Kinnladen mit dreigliedrigen Taſtern und einer taſterloſen Unterlippe. Fühler und
Augen laſſen ſich nicht wahrnehmen. Die Luftlöcher längs der Körperſeiten erhalten Zuwachs
durch ein dreimal größeres Paar anders gebildeter auf dem Rücken des letzten, in vier Stachel-
ſpitzen auslaufenden Gliedes. Dieſe Larven überwintern geſellſchaftlich in lockerer Lauberde und
verwandeln ſich erſt im Februar oder Anfangs März in eine etwas buckelige, in zwei Spitzchen
auslaufende Puppe von vier bis fünf Linien Länge. Ungefähr vierzehn Tage ſpäter kommen
die Fliegen aus der Erde heraus, und auf Gartenbeeten fallen dann die Löcher leicht in die Augen,
wenn ſie zahlreich vorhanden waren; zuerſt pflegen die Weibchen, eine Woche ſpäter die Männchen
zu erſcheinen. — Es gibt eine Menge von Haarmückenarten, welche in ganz derſelben Weiſe leben,
aber alle etwas kleiner ſind. Die Gartenhaarmücke (Bibio hortulanus) geht in ihren beiden
Geſchlechtern noch weiter auseinander, indem zu einem ſchwarzen Männchen ein ziegelrothes
Weibchen gehört.



Obſchon in ihrer äußern Erſcheinung vollkommene Fliegen, haben die Bremſen (Tabanidae)
die Verwandlungsweiſe und ihre Weibchen die Blutgier mit vielen Mücken gemein und können
Menſchen und Thiere gar ſehr peinigen. Der engliſche Reiſende Bruce erzählt bei Gelegenheit
ſeiner afrikaniſchen Erlebniſſe, daß in manchen Gegenden Abyſſiniens die Einwohner mit ihren

[Abbildung] a Weibliche Rinderbremſe
(Tabunns bovinus). b Seiten-
anſicht des Kopfes.
Herden zur Regenzeit auswandern müßten. Denn ſobald die Tsalt-salya
in der äthiopiſchen, oder Zimb in der arabiſchen Sprache genannten
Bremſen erſcheinen und ihr Geſumme hören laſſen, läuft alles Vieh
von ſeinen Weideplätzen und rennt ſo lange wild umher, bis es
endlich vor Müdigkeit, Schrecken und Hunger todt niederfällt. Jn unſeren
gemäßigteren Gegenden pflegen die über die ganze Erde in vier
bis fünfhundert Arten ausgebreiteten Thiere oft läſtig genug, aber
nicht in dem Maße gefährlich zu werden. An der hier abgebildeten
Rinderbremſe (Tabanus bovinus), einer der gemeinſten Arten, mag
das Weſen der ganzen Familie erläutert werden. Körpertracht und
Form der einzelnen Theile erſehen wir aus dem Bilde. An der Seiten-
anſicht des Kopfes (b) ragt die große, häutige Unterlippe als Rüſſelſcheide
weit hervor, kann in der Ruhelage mehr zurückgezogen werden und birgt in ihrem Jnnern
die Stechborſten, je nach der Art vier bis ſechs; was wir noch darüber bemerken, ſind die
zweigliedrigen Kiefertaſter. Die vorgeſtreckten, an der Wurzel ſehr genäherten Fühler beſtehen
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[390/0414] Die Zweiflügler. Fliegen. bedeutend ſtärker, als weiter hin, die ziemlich gerade vierte wird hinter der Querader plötzlich unſcheinbar und gabelt ſich jenſeits, die fünfte ſendet aus ihrer Mitte einen obern Aſt aus, welcher durch die immer vorhandene hintere Querader mit der vierten verbunden iſt, daher eine voll- ſtändige hintere Vaſalzelle bildet, welche länger als die vordere iſt. Nach der Paarung legt das Weibchen 120 bis 150 Eier an Lauberde oder andere verfaulte Pflanzenſtoffe, beſonders auch an Kuh- und Schafmiſt; die Leichname kann man dann an ſolchen Stellen umherliegen ſehen. Die glatten, weißen Eier ſpitzen ſich nach vorn ſchwach zu, würden ſonſt vollkommen walzig ſein. Nach drei oder vier Wochen kommen die Maden daraus hervor, die von der doppelten Länge (1 Linie) des Eies ſind. Allmälig dunkeln ſie, bis ſie braungran werden. Jn Zwiſchenräumen von zwölf bis fünfzehn Tagen häuten ſie ſich dreimal und haben mit ſieben oder acht Linien ihre volle Größe erlangt. Es laſſen ſich daran zwölf Leibesringe unterſcheiden, von denen ſich der faſt kugelige Kopf ſcharf abſetzt, und von denen jeder einen Borſtenkranz trägt. Die Mund- theile beſtehen aus einer in ſechs Zähnen und Wimperhaaren endenden Oberlippe, hornigen Kinn- backen und Kinnladen mit dreigliedrigen Taſtern und einer taſterloſen Unterlippe. Fühler und Augen laſſen ſich nicht wahrnehmen. Die Luftlöcher längs der Körperſeiten erhalten Zuwachs durch ein dreimal größeres Paar anders gebildeter auf dem Rücken des letzten, in vier Stachel- ſpitzen auslaufenden Gliedes. Dieſe Larven überwintern geſellſchaftlich in lockerer Lauberde und verwandeln ſich erſt im Februar oder Anfangs März in eine etwas buckelige, in zwei Spitzchen auslaufende Puppe von vier bis fünf Linien Länge. Ungefähr vierzehn Tage ſpäter kommen die Fliegen aus der Erde heraus, und auf Gartenbeeten fallen dann die Löcher leicht in die Augen, wenn ſie zahlreich vorhanden waren; zuerſt pflegen die Weibchen, eine Woche ſpäter die Männchen zu erſcheinen. — Es gibt eine Menge von Haarmückenarten, welche in ganz derſelben Weiſe leben, aber alle etwas kleiner ſind. Die Gartenhaarmücke (Bibio hortulanus) geht in ihren beiden Geſchlechtern noch weiter auseinander, indem zu einem ſchwarzen Männchen ein ziegelrothes Weibchen gehört. Obſchon in ihrer äußern Erſcheinung vollkommene Fliegen, haben die Bremſen (Tabanidae) die Verwandlungsweiſe und ihre Weibchen die Blutgier mit vielen Mücken gemein und können Menſchen und Thiere gar ſehr peinigen. Der engliſche Reiſende Bruce erzählt bei Gelegenheit ſeiner afrikaniſchen Erlebniſſe, daß in manchen Gegenden Abyſſiniens die Einwohner mit ihren [Abbildung a Weibliche Rinderbremſe (Tabunns bovinus). b Seiten- anſicht des Kopfes.] Herden zur Regenzeit auswandern müßten. Denn ſobald die Tsalt-salya in der äthiopiſchen, oder Zimb in der arabiſchen Sprache genannten Bremſen erſcheinen und ihr Geſumme hören laſſen, läuft alles Vieh von ſeinen Weideplätzen und rennt ſo lange wild umher, bis es endlich vor Müdigkeit, Schrecken und Hunger todt niederfällt. Jn unſeren gemäßigteren Gegenden pflegen die über die ganze Erde in vier bis fünfhundert Arten ausgebreiteten Thiere oft läſtig genug, aber nicht in dem Maße gefährlich zu werden. An der hier abgebildeten Rinderbremſe (Tabanus bovinus), einer der gemeinſten Arten, mag das Weſen der ganzen Familie erläutert werden. Körpertracht und Form der einzelnen Theile erſehen wir aus dem Bilde. An der Seiten- anſicht des Kopfes (b) ragt die große, häutige Unterlippe als Rüſſelſcheide weit hervor, kann in der Ruhelage mehr zurückgezogen werden und birgt in ihrem Jnnern die Stechborſten, je nach der Art vier bis ſechs; was wir noch darüber bemerken, ſind die zweigliedrigen Kiefertaſter. Die vorgeſtreckten, an der Wurzel ſehr genäherten Fühler beſtehen aus drei Gliedern; weil aber das dritte manchmal geringelt erſcheint, könnte man auch von

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/414>, abgerufen am 24.11.2024.