Linie längs des Rückens und oben dunkle, nach vorn offene Winkelzeichnungen. Sie frißt allerlei niedere Pflanzen und kommt vereinzelt fast überall in Deutschland vor.
Eine Sippe von Eulen führt den Namen Kapuzeneulen (Cucullia) und zwar deshalb, weil der Halskragen wie eine Kapuze nach vorn spitz bis über den Kopf reicht; überdies zeichnen sie sich noch aus durch einen schlanken, den Afterwinkel der Flügel um das Doppelte überragenden Hinterleib, welcher beim Weibchen spitz, beim Männchen zweitheilig endigt, und durch den Mangel der gewöhnlichen Eulenzeichnungen auf den fast lanzettförmigen Vorderflügeln. Die einen kleiden sich einfarbig weißgrau und lassen sich nur dann mit Sicherheit erkennen, wenn man sie aus den Raupen erzog, so ähnlich sehen einander viele Arten, andere wieder haben braune Längs- striemen über die Vorderflügel, wodurch sie ein holzartiges Ansehen bekommen. Eine unserer schönsten Eulen und überhaupt ein überaus sauberer und zierlicher Schmetterling ist der sogenannte Silbermönch (C. argentea oder artemisiae). Die wie angehaucht lichtgrünen Vorderflügel sind mit acht perlmutterglänzenden Flecken, vier größeren und vier kleineren, auf das Zierlichste gezeichnet und mit silbernen Fransen eingefaßt, die kleinen, weißen Hinterflügel dunkeln schwach nach dem Saume hin. Jm sandreichen, norddeutschen Flachlande, wo der Feldbeifuß (Artemisia vulgaris) strichweise ganze Strecken bedeckt, breitet sich diese niedliche Eule aus, ohne irgendwo häufig zu werden, und sitzt im Juni an der genannten Pflanze. Obschon ich mehr als hundert Raupen im Herbst zusammengetragen habe, welche immer nur vereinzelt an der Futterpflanze gefunden werden, so erzog ich doch wenig Schmetterlinge daraus, weil die so frei auf dem Felde lebenden, nicht versteckten Raupen den Augriffen der Schlupfwespen, besonders der allerwärts umherlungernden, schmuzig gelben Sichelwespen ausgesetzt sind. Wenn ich die am Grunde des Zwingers, daselbst meist angesponnenen, erdigen Cocons öffnete, fand ich statt der grünen Puppe, welche, wie bei allen Cucullien, am Bauche eine etwas knopfartig vortretende Rüsselscheide hat, die schwarzen, fast cylin- drischen Cocons jener Wespen. Die grüne, auf dem Rücken braun und pfirsichblüthroth gemischte Raupe schnürt sich nach Cucullienart in den Einschnitten etwas ein und hat vorn auf jedem Ringe je zwei gelblichweiße Flecke, einen in der Seite, schräg darunter einen zweiten, welche beide nach hinten in einen Schrägstrich auslaufen, und eine unterbrochene weiße Rückenlinie. Die Puppe überwintert. Unsere Art gehört zu den kleinsten ihres Geschlechts; denn sie spannt nur 15 Linien.
Jnteressant durch die Lebensweise ihrer Raupen wird die Sippe der Rohreulen (Nonagria), zeichnungslose, graugelb, wie trocknes Schilfrohr aussehende Schmetterlinge, welche sich durch nackte, unbewimperte Augen, einen vorstehenden Stirnschopf, unter welchem sich eine wagrecht vortretende, viereckige Hornplatte versteckt, durch einen gewölbten, glattwolligen Thorax und einen gestreckten Hinterleib auszeichnen, für den Sammler aber noch die üble Eigenschaft an sich haben, daß sie leicht ölig werden. Sie fliegen bei Nacht vom August bis zum Oktober nur in der Nähe ihrer Geburtsstätten und breiten sich weit aus, einige Arten jedoch nur im nördlichen Deutschland. Jhre Raupen leben bohrend im Rohrstengel von Schilf und schilfartigen Gräsern, welche dadurch an den Spitzen der Blätter vergilben. Abgeschlossen vom Lichte haben sie bleiche Farben und ein wurmartiges Ansehen. Sie verpuppen sich auch in ihrer engen Klause, nachdem sie vorher ein Flugloch für den Schmetterling genagt haben, welches durch die Oberhaut des Stengels ver- schlossen bleibt oder durch Bohrspäne verstopft wird. Je nach der Art liegt die Puppe gestürzt unmittelbar über diesem Loche, oder aufrecht gleich darunter. Zu den verbreitetsten und größten Arten gehört die anderthalb Zoll spannende gemeine Rohrkolbeneule (N. typhae). Die schilffarbenen bis rothgrauen, neben den weißlichen Rippen mehr oder weniger dunkel bestäubten Vorderflügel haben eine stumpfe Spitze und einen ziemlich geraden, schwach gewellten Saum, an welchem zwei Reihen schwarzer Pünktchen stehen. Statt der vordern Querlinie bemerkt man sehr einzelne, an Stelle der hinteren zahlreichere schwarze Punkte, Pfeilfleckchen vertreten die Wellenlinie.
Die Schmetterlinge. Eulen.
Linie längs des Rückens und oben dunkle, nach vorn offene Winkelzeichnungen. Sie frißt allerlei niedere Pflanzen und kommt vereinzelt faſt überall in Deutſchland vor.
Eine Sippe von Eulen führt den Namen Kapuzeneulen (Cucullia) und zwar deshalb, weil der Halskragen wie eine Kapuze nach vorn ſpitz bis über den Kopf reicht; überdies zeichnen ſie ſich noch aus durch einen ſchlanken, den Afterwinkel der Flügel um das Doppelte überragenden Hinterleib, welcher beim Weibchen ſpitz, beim Männchen zweitheilig endigt, und durch den Mangel der gewöhnlichen Eulenzeichnungen auf den faſt lanzettförmigen Vorderflügeln. Die einen kleiden ſich einfarbig weißgrau und laſſen ſich nur dann mit Sicherheit erkennen, wenn man ſie aus den Raupen erzog, ſo ähnlich ſehen einander viele Arten, andere wieder haben braune Längs- ſtriemen über die Vorderflügel, wodurch ſie ein holzartiges Anſehen bekommen. Eine unſerer ſchönſten Eulen und überhaupt ein überaus ſauberer und zierlicher Schmetterling iſt der ſogenannte Silbermönch (C. argentea oder artemisiae). Die wie angehaucht lichtgrünen Vorderflügel ſind mit acht perlmutterglänzenden Flecken, vier größeren und vier kleineren, auf das Zierlichſte gezeichnet und mit ſilbernen Franſen eingefaßt, die kleinen, weißen Hinterflügel dunkeln ſchwach nach dem Saume hin. Jm ſandreichen, norddeutſchen Flachlande, wo der Feldbeifuß (Artemisia vulgaris) ſtrichweiſe ganze Strecken bedeckt, breitet ſich dieſe niedliche Eule aus, ohne irgendwo häufig zu werden, und ſitzt im Juni an der genannten Pflanze. Obſchon ich mehr als hundert Raupen im Herbſt zuſammengetragen habe, welche immer nur vereinzelt an der Futterpflanze gefunden werden, ſo erzog ich doch wenig Schmetterlinge daraus, weil die ſo frei auf dem Felde lebenden, nicht verſteckten Raupen den Augriffen der Schlupfwespen, beſonders der allerwärts umherlungernden, ſchmuzig gelben Sichelwespen ausgeſetzt ſind. Wenn ich die am Grunde des Zwingers, daſelbſt meiſt angeſponnenen, erdigen Cocons öffnete, fand ich ſtatt der grünen Puppe, welche, wie bei allen Cucullien, am Bauche eine etwas knopfartig vortretende Rüſſelſcheide hat, die ſchwarzen, faſt cylin- driſchen Cocons jener Wespen. Die grüne, auf dem Rücken braun und pfirſichblüthroth gemiſchte Raupe ſchnürt ſich nach Cucullienart in den Einſchnitten etwas ein und hat vorn auf jedem Ringe je zwei gelblichweiße Flecke, einen in der Seite, ſchräg darunter einen zweiten, welche beide nach hinten in einen Schrägſtrich auslaufen, und eine unterbrochene weiße Rückenlinie. Die Puppe überwintert. Unſere Art gehört zu den kleinſten ihres Geſchlechts; denn ſie ſpannt nur 15 Linien.
Jntereſſant durch die Lebensweiſe ihrer Raupen wird die Sippe der Rohreulen (Nonagria), zeichnungsloſe, graugelb, wie trocknes Schilfrohr ausſehende Schmetterlinge, welche ſich durch nackte, unbewimperte Augen, einen vorſtehenden Stirnſchopf, unter welchem ſich eine wagrecht vortretende, viereckige Hornplatte verſteckt, durch einen gewölbten, glattwolligen Thorax und einen geſtreckten Hinterleib auszeichnen, für den Sammler aber noch die üble Eigenſchaft an ſich haben, daß ſie leicht ölig werden. Sie fliegen bei Nacht vom Auguſt bis zum Oktober nur in der Nähe ihrer Geburtsſtätten und breiten ſich weit aus, einige Arten jedoch nur im nördlichen Deutſchland. Jhre Raupen leben bohrend im Rohrſtengel von Schilf und ſchilfartigen Gräſern, welche dadurch an den Spitzen der Blätter vergilben. Abgeſchloſſen vom Lichte haben ſie bleiche Farben und ein wurmartiges Anſehen. Sie verpuppen ſich auch in ihrer engen Klauſe, nachdem ſie vorher ein Flugloch für den Schmetterling genagt haben, welches durch die Oberhaut des Stengels ver- ſchloſſen bleibt oder durch Bohrſpäne verſtopft wird. Je nach der Art liegt die Puppe geſtürzt unmittelbar über dieſem Loche, oder aufrecht gleich darunter. Zu den verbreitetſten und größten Arten gehört die anderthalb Zoll ſpannende gemeine Rohrkolbeneule (N. typhae). Die ſchilffarbenen bis rothgrauen, neben den weißlichen Rippen mehr oder weniger dunkel beſtäubten Vorderflügel haben eine ſtumpfe Spitze und einen ziemlich geraden, ſchwach gewellten Saum, an welchem zwei Reihen ſchwarzer Pünktchen ſtehen. Statt der vordern Querlinie bemerkt man ſehr einzelne, an Stelle der hinteren zahlreichere ſchwarze Punkte, Pfeilfleckchen vertreten die Wellenlinie.
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Die Schmetterlinge. Eulen.
Linie längs des Rückens und oben dunkle, nach vorn offene Winkelzeichnungen. Sie frißt allerlei
niedere Pflanzen und kommt vereinzelt faſt überall in Deutſchland vor.
Eine Sippe von Eulen führt den Namen Kapuzeneulen (Cucullia) und zwar deshalb, weil
der Halskragen wie eine Kapuze nach vorn ſpitz bis über den Kopf reicht; überdies zeichnen ſie
ſich noch aus durch einen ſchlanken, den Afterwinkel der Flügel um das Doppelte überragenden
Hinterleib, welcher beim Weibchen ſpitz, beim Männchen zweitheilig endigt, und durch den Mangel
der gewöhnlichen Eulenzeichnungen auf den faſt lanzettförmigen Vorderflügeln. Die einen kleiden
ſich einfarbig weißgrau und laſſen ſich nur dann mit Sicherheit erkennen, wenn man ſie aus
den Raupen erzog, ſo ähnlich ſehen einander viele Arten, andere wieder haben braune Längs-
ſtriemen über die Vorderflügel, wodurch ſie ein holzartiges Anſehen bekommen. Eine unſerer
ſchönſten Eulen und überhaupt ein überaus ſauberer und zierlicher Schmetterling iſt der ſogenannte
Silbermönch (C. argentea oder artemisiae). Die wie angehaucht lichtgrünen Vorderflügel ſind
mit acht perlmutterglänzenden Flecken, vier größeren und vier kleineren, auf das Zierlichſte gezeichnet
und mit ſilbernen Franſen eingefaßt, die kleinen, weißen Hinterflügel dunkeln ſchwach nach dem
Saume hin. Jm ſandreichen, norddeutſchen Flachlande, wo der Feldbeifuß (Artemisia vulgaris)
ſtrichweiſe ganze Strecken bedeckt, breitet ſich dieſe niedliche Eule aus, ohne irgendwo häufig zu
werden, und ſitzt im Juni an der genannten Pflanze. Obſchon ich mehr als hundert Raupen im
Herbſt zuſammengetragen habe, welche immer nur vereinzelt an der Futterpflanze gefunden werden,
ſo erzog ich doch wenig Schmetterlinge daraus, weil die ſo frei auf dem Felde lebenden, nicht
verſteckten Raupen den Augriffen der Schlupfwespen, beſonders der allerwärts umherlungernden,
ſchmuzig gelben Sichelwespen ausgeſetzt ſind. Wenn ich die am Grunde des Zwingers, daſelbſt
meiſt angeſponnenen, erdigen Cocons öffnete, fand ich ſtatt der grünen Puppe, welche, wie bei allen
Cucullien, am Bauche eine etwas knopfartig vortretende Rüſſelſcheide hat, die ſchwarzen, faſt cylin-
driſchen Cocons jener Wespen. Die grüne, auf dem Rücken braun und pfirſichblüthroth gemiſchte
Raupe ſchnürt ſich nach Cucullienart in den Einſchnitten etwas ein und hat vorn auf jedem Ringe
je zwei gelblichweiße Flecke, einen in der Seite, ſchräg darunter einen zweiten, welche beide nach
hinten in einen Schrägſtrich auslaufen, und eine unterbrochene weiße Rückenlinie. Die Puppe
überwintert. Unſere Art gehört zu den kleinſten ihres Geſchlechts; denn ſie ſpannt nur 15 Linien.
Jntereſſant durch die Lebensweiſe ihrer Raupen wird die Sippe der Rohreulen (Nonagria),
zeichnungsloſe, graugelb, wie trocknes Schilfrohr ausſehende Schmetterlinge, welche ſich durch nackte,
unbewimperte Augen, einen vorſtehenden Stirnſchopf, unter welchem ſich eine wagrecht vortretende,
viereckige Hornplatte verſteckt, durch einen gewölbten, glattwolligen Thorax und einen geſtreckten
Hinterleib auszeichnen, für den Sammler aber noch die üble Eigenſchaft an ſich haben, daß ſie
leicht ölig werden. Sie fliegen bei Nacht vom Auguſt bis zum Oktober nur in der Nähe ihrer
Geburtsſtätten und breiten ſich weit aus, einige Arten jedoch nur im nördlichen Deutſchland.
Jhre Raupen leben bohrend im Rohrſtengel von Schilf und ſchilfartigen Gräſern, welche dadurch
an den Spitzen der Blätter vergilben. Abgeſchloſſen vom Lichte haben ſie bleiche Farben und ein
wurmartiges Anſehen. Sie verpuppen ſich auch in ihrer engen Klauſe, nachdem ſie vorher ein
Flugloch für den Schmetterling genagt haben, welches durch die Oberhaut des Stengels ver-
ſchloſſen bleibt oder durch Bohrſpäne verſtopft wird. Je nach der Art liegt die Puppe geſtürzt
unmittelbar über dieſem Loche, oder aufrecht gleich darunter. Zu den verbreitetſten und größten
Arten gehört die anderthalb Zoll ſpannende gemeine Rohrkolbeneule (N. typhae). Die
ſchilffarbenen bis rothgrauen, neben den weißlichen Rippen mehr oder weniger dunkel beſtäubten
Vorderflügel haben eine ſtumpfe Spitze und einen ziemlich geraden, ſchwach gewellten Saum, an
welchem zwei Reihen ſchwarzer Pünktchen ſtehen. Statt der vordern Querlinie bemerkt man ſehr
einzelne, an Stelle der hinteren zahlreichere ſchwarze Punkte, Pfeilfleckchen vertreten die Wellenlinie.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/374>, abgerufen am 24.11.2024.
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