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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Allgemeines. Blaulopf.
scharfe Grenze dabei nicht gedacht werden dürfe. Jm Saumfelde, dasselbe etwa in der Mitte
durchziehend, bemerkt man die Wellenlinie (h). Der Raum zwischen ihr und der hinteren Quer-
linie heißt, wenn er seiner helleren Bestäubung wegen näher bezeichnet zu werden verdient, die
gewässerte Binde und die dunklen, von der Wellenlinie nach jener zwischen einigen Rippen
ausstrahlenden Spitzen die Pfeilflecke. Es braucht wohl nicht erst bemerkt zu werden, daß alle
diese Zeichnungen nicht immer in jedem Flügel vorkommen. Die kürzeren und breiteren Hinter-
flügel pflegeu zeichnungslos und düster gefärbt zu sein, meist am Saume allmälig dunkler als
an der Wurzel; haben sie eine lichtere, lebhafte Färbung (gelb, roth, blau), so fehlt in der Regel
auch die Zeichnung nicht, und sollte sie nur in einer schwarzen Saumbinde bestehen. Die Flügel
bedecken in der Ruhe dachartig den Hinterleib, manchmal liegen sie ihm aber auch wagrecht auf,
was besonders von denjenigen Eulen (Agrotis) gilt, welche sich unter Laube auf dem Erdboden
verstecken und bei Tage eine kurze Strecke aufzufliegen pflegen, wenn man sie in ihrer Ruhe stört.

Die Raupen dieser Familie bilden drei natürliche Gruppen. Die einen stehen durch ihre
auffallende Behaarung und sechzehn Füße den meisten Spinnerraupen zunächst und ruhen, für
Jedermann offenkundig, bei Tage an ihren Futterpflanzen. Die anderen haben gleichfalls sechzehn
Füße, aber keine merkliche Behaarung, halten sich am Tage meist versteckt und kommen nur des
Nachts zum Fraße hervorgekrochen, wo sie dann der eifrige Sammler beim Scheine der Laterne
bequemer aufzufinden versieht, als bei Tage. Jhre Anzahl überwiegt bei weitem die beiden anderen.
Eine dritte Gruppe endlich hat ein oder zwei Fußpaare weniger, ist nackt, sitzt bei Tage frei an
den Futterpflanzen und baut in ihrer ersten Eigenschaft den Eulen die Brücke zur nächsten
Familie, den Spannern. Sämmtliche Raupen spinnen bei der Verpuppung, jedoch unvollkommen,
die frei auf Pflanzen ruhenden an diesen oder an dürrem Laube auf der Erde, die der zweiten
Gruppe in der Regel unter der Erde, deren Krümchen sie mit verweben oder mit ihrem Speichel
nur lose zusammen leimen.

Wegen der großen Uebereinstimmung der Eulen sind die Sippen bei einer Eintheilung von
wenig Werth, selbst die Gattungen haben vielfach gewechselt, weshalb die Unsitte der Sammler,
einen Schmetterling nur mit einem Namen, dem der Art zu benennen, leicht erklärt, wenn auch
nicht gerechtfertigt werden kann. Die ca. 2500 bekannten Arten vertheilen sich über die ganze
Erde. Wenn davon nahezu tausend auf Europa kommen, so ist daraus der Schluß zu ziehen,
daß die Arten unseres Erdtheils am sorgfältigsten studirt wurden und in den insektenreichen
Ländern auf die verstecktlebenden, düsteren Eulen weniger Acht gegeben wurde, somit manche uns
noch unbekannte dort leben mögen, daß aber auch in den Tropen, welche weit vollkommener von
der Sonne beherrscht werden, als unsere Zonen, die nächtlichen Eulen gegen die bunten Tagfalter,
großen Spiuner und andere Schmetterlinge bedeutend zurücktreten und in an sich geringerer Arten-
zahl dort leben.

Wir beginnen mit einem Schmetterlinge, dem Blaukopfe oder Brillenvogel (Diloba
coerulocephala
), welchen die betreffenden Bücher sonst allgemein unter den Spinnern aufführten,
während ihn die Neueren den Eulen zuzählen. Die starkgekämmten Fühler des Männchens und
der dicke, wollig behaarte Körper des Weibcheus läßt seine nahe Verwandtschaft mit jenen, wenn
nur die Körpertracht entscheiden sollte, nicht verkennen. Die chokoladefarbenen, im Saumfelde
lichteren Vorderflügel werden von zwei stark gezackten, am Jnnenrande sich sehr nähernden,
schwarzen Querlinien durchzogen. Jndem die beiden grünlichgelben Makeln zusammenfließen und
sich die Zapfenmakel in runder Form an die Ringmakel anhängt, entsteht ein großer, lichter Klecks,
welcher sich mitunter in zwei nierenförmige Flecke auflöst. Die weißlichgrauen, am Jnnenwinkel
dunkel gefleckten Hinterflügel entsenden die siebente Rippe aus der Vorderecke der Mittelzelle. Als
Gattungscharaktere, welche die Art ganz allein repräsentirt, merke man noch, daß die Nebenaugen klein,
die Taster kurz und hängend, die Zunge schwach und weich und die Augen bewimpert sind. Das
Thier fliegt vom September an, gehört also zu den sogenannten "Herbsteulen" und sitzt bei Tage

Allgemeines. Blaulopf.
ſcharfe Grenze dabei nicht gedacht werden dürfe. Jm Saumfelde, daſſelbe etwa in der Mitte
durchziehend, bemerkt man die Wellenlinie (h). Der Raum zwiſchen ihr und der hinteren Quer-
linie heißt, wenn er ſeiner helleren Beſtäubung wegen näher bezeichnet zu werden verdient, die
gewäſſerte Binde und die dunklen, von der Wellenlinie nach jener zwiſchen einigen Rippen
ausſtrahlenden Spitzen die Pfeilflecke. Es braucht wohl nicht erſt bemerkt zu werden, daß alle
dieſe Zeichnungen nicht immer in jedem Flügel vorkommen. Die kürzeren und breiteren Hinter-
flügel pflegeu zeichnungslos und düſter gefärbt zu ſein, meiſt am Saume allmälig dunkler als
an der Wurzel; haben ſie eine lichtere, lebhafte Färbung (gelb, roth, blau), ſo fehlt in der Regel
auch die Zeichnung nicht, und ſollte ſie nur in einer ſchwarzen Saumbinde beſtehen. Die Flügel
bedecken in der Ruhe dachartig den Hinterleib, manchmal liegen ſie ihm aber auch wagrecht auf,
was beſonders von denjenigen Eulen (Agrotis) gilt, welche ſich unter Laube auf dem Erdboden
verſtecken und bei Tage eine kurze Strecke aufzufliegen pflegen, wenn man ſie in ihrer Ruhe ſtört.

Die Raupen dieſer Familie bilden drei natürliche Gruppen. Die einen ſtehen durch ihre
auffallende Behaarung und ſechzehn Füße den meiſten Spinnerraupen zunächſt und ruhen, für
Jedermann offenkundig, bei Tage an ihren Futterpflanzen. Die anderen haben gleichfalls ſechzehn
Füße, aber keine merkliche Behaarung, halten ſich am Tage meiſt verſteckt und kommen nur des
Nachts zum Fraße hervorgekrochen, wo ſie dann der eifrige Sammler beim Scheine der Laterne
bequemer aufzufinden verſieht, als bei Tage. Jhre Anzahl überwiegt bei weitem die beiden anderen.
Eine dritte Gruppe endlich hat ein oder zwei Fußpaare weniger, iſt nackt, ſitzt bei Tage frei an
den Futterpflanzen und baut in ihrer erſten Eigenſchaft den Eulen die Brücke zur nächſten
Familie, den Spannern. Sämmtliche Raupen ſpinnen bei der Verpuppung, jedoch unvollkommen,
die frei auf Pflanzen ruhenden an dieſen oder an dürrem Laube auf der Erde, die der zweiten
Gruppe in der Regel unter der Erde, deren Krümchen ſie mit verweben oder mit ihrem Speichel
nur loſe zuſammen leimen.

Wegen der großen Uebereinſtimmung der Eulen ſind die Sippen bei einer Eintheilung von
wenig Werth, ſelbſt die Gattungen haben vielfach gewechſelt, weshalb die Unſitte der Sammler,
einen Schmetterling nur mit einem Namen, dem der Art zu benennen, leicht erklärt, wenn auch
nicht gerechtfertigt werden kann. Die ca. 2500 bekannten Arten vertheilen ſich über die ganze
Erde. Wenn davon nahezu tauſend auf Europa kommen, ſo iſt daraus der Schluß zu ziehen,
daß die Arten unſeres Erdtheils am ſorgfältigſten ſtudirt wurden und in den inſektenreichen
Ländern auf die verſtecktlebenden, düſteren Eulen weniger Acht gegeben wurde, ſomit manche uns
noch unbekannte dort leben mögen, daß aber auch in den Tropen, welche weit vollkommener von
der Sonne beherrſcht werden, als unſere Zonen, die nächtlichen Eulen gegen die bunten Tagfalter,
großen Spiuner und andere Schmetterlinge bedeutend zurücktreten und in an ſich geringerer Arten-
zahl dort leben.

Wir beginnen mit einem Schmetterlinge, dem Blaukopfe oder Brillenvogel (Diloba
coerulocephala
), welchen die betreffenden Bücher ſonſt allgemein unter den Spinnern aufführten,
während ihn die Neueren den Eulen zuzählen. Die ſtarkgekämmten Fühler des Männchens und
der dicke, wollig behaarte Körper des Weibcheus läßt ſeine nahe Verwandtſchaft mit jenen, wenn
nur die Körpertracht entſcheiden ſollte, nicht verkennen. Die chokoladefarbenen, im Saumfelde
lichteren Vorderflügel werden von zwei ſtark gezackten, am Jnnenrande ſich ſehr nähernden,
ſchwarzen Querlinien durchzogen. Jndem die beiden grünlichgelben Makeln zuſammenfließen und
ſich die Zapfenmakel in runder Form an die Ringmakel anhängt, entſteht ein großer, lichter Klecks,
welcher ſich mitunter in zwei nierenförmige Flecke auflöſt. Die weißlichgrauen, am Jnnenwinkel
dunkel gefleckten Hinterflügel entſenden die ſiebente Rippe aus der Vorderecke der Mittelzelle. Als
Gattungscharaktere, welche die Art ganz allein repräſentirt, merke man noch, daß die Nebenaugen klein,
die Taſter kurz und hängend, die Zunge ſchwach und weich und die Augen bewimpert ſind. Das
Thier fliegt vom September an, gehört alſo zu den ſogenannten „Herbſteulen“ und ſitzt bei Tage

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[345/0369] Allgemeines. Blaulopf. ſcharfe Grenze dabei nicht gedacht werden dürfe. Jm Saumfelde, daſſelbe etwa in der Mitte durchziehend, bemerkt man die Wellenlinie (h). Der Raum zwiſchen ihr und der hinteren Quer- linie heißt, wenn er ſeiner helleren Beſtäubung wegen näher bezeichnet zu werden verdient, die gewäſſerte Binde und die dunklen, von der Wellenlinie nach jener zwiſchen einigen Rippen ausſtrahlenden Spitzen die Pfeilflecke. Es braucht wohl nicht erſt bemerkt zu werden, daß alle dieſe Zeichnungen nicht immer in jedem Flügel vorkommen. Die kürzeren und breiteren Hinter- flügel pflegeu zeichnungslos und düſter gefärbt zu ſein, meiſt am Saume allmälig dunkler als an der Wurzel; haben ſie eine lichtere, lebhafte Färbung (gelb, roth, blau), ſo fehlt in der Regel auch die Zeichnung nicht, und ſollte ſie nur in einer ſchwarzen Saumbinde beſtehen. Die Flügel bedecken in der Ruhe dachartig den Hinterleib, manchmal liegen ſie ihm aber auch wagrecht auf, was beſonders von denjenigen Eulen (Agrotis) gilt, welche ſich unter Laube auf dem Erdboden verſtecken und bei Tage eine kurze Strecke aufzufliegen pflegen, wenn man ſie in ihrer Ruhe ſtört. Die Raupen dieſer Familie bilden drei natürliche Gruppen. Die einen ſtehen durch ihre auffallende Behaarung und ſechzehn Füße den meiſten Spinnerraupen zunächſt und ruhen, für Jedermann offenkundig, bei Tage an ihren Futterpflanzen. Die anderen haben gleichfalls ſechzehn Füße, aber keine merkliche Behaarung, halten ſich am Tage meiſt verſteckt und kommen nur des Nachts zum Fraße hervorgekrochen, wo ſie dann der eifrige Sammler beim Scheine der Laterne bequemer aufzufinden verſieht, als bei Tage. Jhre Anzahl überwiegt bei weitem die beiden anderen. Eine dritte Gruppe endlich hat ein oder zwei Fußpaare weniger, iſt nackt, ſitzt bei Tage frei an den Futterpflanzen und baut in ihrer erſten Eigenſchaft den Eulen die Brücke zur nächſten Familie, den Spannern. Sämmtliche Raupen ſpinnen bei der Verpuppung, jedoch unvollkommen, die frei auf Pflanzen ruhenden an dieſen oder an dürrem Laube auf der Erde, die der zweiten Gruppe in der Regel unter der Erde, deren Krümchen ſie mit verweben oder mit ihrem Speichel nur loſe zuſammen leimen. Wegen der großen Uebereinſtimmung der Eulen ſind die Sippen bei einer Eintheilung von wenig Werth, ſelbſt die Gattungen haben vielfach gewechſelt, weshalb die Unſitte der Sammler, einen Schmetterling nur mit einem Namen, dem der Art zu benennen, leicht erklärt, wenn auch nicht gerechtfertigt werden kann. Die ca. 2500 bekannten Arten vertheilen ſich über die ganze Erde. Wenn davon nahezu tauſend auf Europa kommen, ſo iſt daraus der Schluß zu ziehen, daß die Arten unſeres Erdtheils am ſorgfältigſten ſtudirt wurden und in den inſektenreichen Ländern auf die verſtecktlebenden, düſteren Eulen weniger Acht gegeben wurde, ſomit manche uns noch unbekannte dort leben mögen, daß aber auch in den Tropen, welche weit vollkommener von der Sonne beherrſcht werden, als unſere Zonen, die nächtlichen Eulen gegen die bunten Tagfalter, großen Spiuner und andere Schmetterlinge bedeutend zurücktreten und in an ſich geringerer Arten- zahl dort leben. Wir beginnen mit einem Schmetterlinge, dem Blaukopfe oder Brillenvogel (Diloba coerulocephala), welchen die betreffenden Bücher ſonſt allgemein unter den Spinnern aufführten, während ihn die Neueren den Eulen zuzählen. Die ſtarkgekämmten Fühler des Männchens und der dicke, wollig behaarte Körper des Weibcheus läßt ſeine nahe Verwandtſchaft mit jenen, wenn nur die Körpertracht entſcheiden ſollte, nicht verkennen. Die chokoladefarbenen, im Saumfelde lichteren Vorderflügel werden von zwei ſtark gezackten, am Jnnenrande ſich ſehr nähernden, ſchwarzen Querlinien durchzogen. Jndem die beiden grünlichgelben Makeln zuſammenfließen und ſich die Zapfenmakel in runder Form an die Ringmakel anhängt, entſteht ein großer, lichter Klecks, welcher ſich mitunter in zwei nierenförmige Flecke auflöſt. Die weißlichgrauen, am Jnnenwinkel dunkel gefleckten Hinterflügel entſenden die ſiebente Rippe aus der Vorderecke der Mittelzelle. Als Gattungscharaktere, welche die Art ganz allein repräſentirt, merke man noch, daß die Nebenaugen klein, die Taſter kurz und hängend, die Zunge ſchwach und weich und die Augen bewimpert ſind. Das Thier fliegt vom September an, gehört alſo zu den ſogenannten „Herbſteulen“ und ſitzt bei Tage

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/369>, abgerufen am 23.11.2024.