Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.Eichen-Prozessionsspinner. Großer Gabelschwanz. brechender Dunkelheit verlassen die Raupen ihr Nest, an welchem man unten ein Loch als Aus- undZugang bemerken kann, um ihre Straße aufwärts zu ziehen, und dies wiederholt sich allabendlich mit Ausschluß der auf eine jedesmalige Häutung fallenden zwei Krankheitstage. Manchmal sieht man sie auch bei Tage auf dem Boden hinziehen, vielleicht irgendwie genöthigt, ihren Baum und ihr Nest zu verlassen. Der Zug gewährt dann einen höchst überraschenden Anblick, wie ein dunkles Band, eine Schlange windet sich derselbe dahin und kommt nur langsam von der Stelle. Die Raupe (a) hat einen breit blauschwarzen Rücken mit rothgelben Wärzchen, welche die Haarsterne tragen, und weißliche Seiten. Erwachsen 11/2 bis 2 Zoll lang, begeben sich alle auf den Grund des Nestes und bereiten Reihen von Gespinnsten (b), welche mit einem ihrer Enden unter rechtem Winkel auf der Stammoberfläche stehen und fest mit einander verbunden sind. Sie erinnern in ihrer Vereinigung an die gedeckelten Zellen der Bienen. Jn jeder Zelle ruht eine dunkelrothbraune Puppe (b), deren Bauchringel scharfe Ränder haben. Jm Juli und August, sobald es des Abends zu dämmern beginnt (zwischen acht und neun Uhr), kommen die Schmetterlinge daraus hervor, deren Männchen durch baldiges Davonfliegen ihr wildes Temperament zu erkennen geben. Jch habe die Thiere oft genug erzogen, merkwürdigerweise im Freien aber kein einziges zu Gesicht bekommen. Das schlichte, bräunlichgraue Gewand läßt auf dem Vorderflügel einige dunklere Querlinien, besser beim dunkleren und schärfer gezeichneten Männchen (c), als beim Weibchen erkennen; den gelblichweißen Hinterflügel kennzeichnet eine verwischte Querbinde, sieben Rippen spannen ihn, und eine Haftborste vereint ihn im Fluge mit dem vordern, welcher von zwölf Rippen durchzogen wird. Bei beiden Geschlechtern tragen die Fühler bis zur Spitze zwei Reihen Kamm- zähne, die Hinterschienen nur Endsporen; von einer Rollzunge ist nichts zu bemerken. Die Art verbreitet sich im südlichen und nordwestlichen Deutschland, in der Ebene mehr, als im Gebirge und erreicht nach Speyer bei Havelberg ihre Polargrenze. Eine andere sehr ähnliche Art (Cn. pinivora) treibt ihr Wesen ebenso, aber nur an Kiesern und kommt im nordöstlichen deutschen Flachlande, in Südschweden und um Petersburg vor. Auf den Nadelhölzern des südlichen Europa, besonders der Pinien, lebt eine dritte Art, der Pinien-Processionsspinner (Cn. pityocampa). Es schließen sich hier einige Falter an, welche im entwickelten Zustande weniger Jnteresse haben, als die Raupen, aus denen sie hervorgehen, darunter sind einige, welche man Peitschraupen oder Gabelschwänze genannt hat. Sie haben nur vierzehn Beine, statt der Nachschieber sitzen am letzten Segmente zwei Gabelspitzchen nach oben, aus welchen die gereizte Raupe je ein langes Fädchen hervorschnellen kann, so daß der ganze Anhang wie zwei Peitschen aussieht. Jn der Ruhe nehmen diese Thiere eine sehr sonderbare Stellung auf dem Blatte des betreffenden Strauches oder Baumes an, welchen sie bewohnen. Sie ruhen auf den Bauchfüßen und haben den vorderen und hinteren Theil des Körpers in die Höhe gerichtet, jenen mehr als diesen, den Kopf tief ein- gezogen und mit Ausschluß der Gesichtsseite verborgen in den dadurch angeschwollenen ersten Körperringen. Eine dieser tückisch aussehenden Raupen ist lichtgrün und hat ein violettes Sattel- fleck über den Rücken, welches auf dem siebenten Ringe bis zum Luftloche seitlich herabreicht und ringsum sauber weiß eingefaßt ist. Sie findet sich besonders im Juli und August auf Weiden oder den verschiedenen Pappelarten und gehört dem großen Gabelschwanze (Harpyia vinula) an. Zur Verpuppung benagt sie den Stamm ihrer Futterpflanze und spinnt über das vertiefte Lager eine gewölbte Decke, welche die Farbe der Umgebung hat und den Winter über die rothbraune stumpfe Puppe eng umschließt. Jm Mai kommt der bei Tage sehr träge, an Stämmen, Pfählen und Planken sitzende Falter daraus hervor, welcher weiß aussieht, gelbe Rippen hat und schwarze, zum Theil verwischte Flecke und Zackenzeichnungen auf den Flügeln. Er legt diese dachartig über den Leib und seine dickwollig behaarten Vorderbeine lang vorgestreckt, dicht neben einander. Das Fratzenhafteste aller einheimischen Raupen stellt aber die des Buchenspinners (Stauropus fagi) dar, welcher gleichzeitig mit dem vorigen fliegt, dieselbe Körpertracht hat, aber sich graubräunlich trägt. Die Raupe sitzt in der Ruhe auch so, wie die vorige, sieht aber ganz anders aus. Ein Eichen-Prozeſſionsſpinner. Großer Gabelſchwanz. brechender Dunkelheit verlaſſen die Raupen ihr Neſt, an welchem man unten ein Loch als Aus- undZugang bemerken kann, um ihre Straße aufwärts zu ziehen, und dies wiederholt ſich allabendlich mit Ausſchluß der auf eine jedesmalige Häutung fallenden zwei Krankheitstage. Manchmal ſieht man ſie auch bei Tage auf dem Boden hinziehen, vielleicht irgendwie genöthigt, ihren Baum und ihr Neſt zu verlaſſen. Der Zug gewährt dann einen höchſt überraſchenden Anblick, wie ein dunkles Band, eine Schlange windet ſich derſelbe dahin und kommt nur langſam von der Stelle. Die Raupe (a) hat einen breit blauſchwarzen Rücken mit rothgelben Wärzchen, welche die Haarſterne tragen, und weißliche Seiten. Erwachſen 1½ bis 2 Zoll lang, begeben ſich alle auf den Grund des Neſtes und bereiten Reihen von Geſpinnſten (b), welche mit einem ihrer Enden unter rechtem Winkel auf der Stammoberfläche ſtehen und feſt mit einander verbunden ſind. Sie erinnern in ihrer Vereinigung an die gedeckelten Zellen der Bienen. Jn jeder Zelle ruht eine dunkelrothbraune Puppe (b), deren Bauchringel ſcharfe Ränder haben. Jm Juli und Auguſt, ſobald es des Abends zu dämmern beginnt (zwiſchen acht und neun Uhr), kommen die Schmetterlinge daraus hervor, deren Männchen durch baldiges Davonfliegen ihr wildes Temperament zu erkennen geben. Jch habe die Thiere oft genug erzogen, merkwürdigerweiſe im Freien aber kein einziges zu Geſicht bekommen. Das ſchlichte, bräunlichgraue Gewand läßt auf dem Vorderflügel einige dunklere Querlinien, beſſer beim dunkleren und ſchärfer gezeichneten Männchen (c), als beim Weibchen erkennen; den gelblichweißen Hinterflügel kennzeichnet eine verwiſchte Querbinde, ſieben Rippen ſpannen ihn, und eine Haftborſte vereint ihn im Fluge mit dem vordern, welcher von zwölf Rippen durchzogen wird. Bei beiden Geſchlechtern tragen die Fühler bis zur Spitze zwei Reihen Kamm- zähne, die Hinterſchienen nur Endſporen; von einer Rollzunge iſt nichts zu bemerken. Die Art verbreitet ſich im ſüdlichen und nordweſtlichen Deutſchland, in der Ebene mehr, als im Gebirge und erreicht nach Speyer bei Havelberg ihre Polargrenze. Eine andere ſehr ähnliche Art (Cn. pinivora) treibt ihr Weſen ebenſo, aber nur an Kieſern und kommt im nordöſtlichen deutſchen Flachlande, in Südſchweden und um Petersburg vor. Auf den Nadelhölzern des ſüdlichen Europa, beſonders der Pinien, lebt eine dritte Art, der Pinien-Proceſſionsſpinner (Cn. pityocampa). Es ſchließen ſich hier einige Falter an, welche im entwickelten Zuſtande weniger Jntereſſe haben, als die Raupen, aus denen ſie hervorgehen, darunter ſind einige, welche man Peitſchraupen oder Gabelſchwänze genannt hat. Sie haben nur vierzehn Beine, ſtatt der Nachſchieber ſitzen am letzten Segmente zwei Gabelſpitzchen nach oben, aus welchen die gereizte Raupe je ein langes Fädchen hervorſchnellen kann, ſo daß der ganze Anhang wie zwei Peitſchen ausſieht. Jn der Ruhe nehmen dieſe Thiere eine ſehr ſonderbare Stellung auf dem Blatte des betreffenden Strauches oder Baumes an, welchen ſie bewohnen. Sie ruhen auf den Bauchfüßen und haben den vorderen und hinteren Theil des Körpers in die Höhe gerichtet, jenen mehr als dieſen, den Kopf tief ein- gezogen und mit Ausſchluß der Geſichtsſeite verborgen in den dadurch angeſchwollenen erſten Körperringen. Eine dieſer tückiſch ausſehenden Raupen iſt lichtgrün und hat ein violettes Sattel- fleck über den Rücken, welches auf dem ſiebenten Ringe bis zum Luftloche ſeitlich herabreicht und ringsum ſauber weiß eingefaßt iſt. Sie findet ſich beſonders im Juli und Auguſt auf Weiden oder den verſchiedenen Pappelarten und gehört dem großen Gabelſchwanze (Harpyia vinula) an. Zur Verpuppung benagt ſie den Stamm ihrer Futterpflanze und ſpinnt über das vertiefte Lager eine gewölbte Decke, welche die Farbe der Umgebung hat und den Winter über die rothbraune ſtumpfe Puppe eng umſchließt. Jm Mai kommt der bei Tage ſehr träge, an Stämmen, Pfählen und Planken ſitzende Falter daraus hervor, welcher weiß ausſieht, gelbe Rippen hat und ſchwarze, zum Theil verwiſchte Flecke und Zackenzeichnungen auf den Flügeln. Er legt dieſe dachartig über den Leib und ſeine dickwollig behaarten Vorderbeine lang vorgeſtreckt, dicht neben einander. Das Fratzenhafteſte aller einheimiſchen Raupen ſtellt aber die des Buchenſpinners (Stauropus fagi) dar, welcher gleichzeitig mit dem vorigen fliegt, dieſelbe Körpertracht hat, aber ſich graubräunlich trägt. Die Raupe ſitzt in der Ruhe auch ſo, wie die vorige, ſieht aber ganz anders aus. Ein <TEI> <text> <body> <floatingText> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0367" n="343"/><fw place="top" type="header">Eichen-Prozeſſionsſpinner. Großer Gabelſchwanz.</fw><lb/> brechender Dunkelheit verlaſſen die Raupen ihr Neſt, an welchem man unten ein Loch als Aus- und<lb/> Zugang bemerken kann, um ihre Straße aufwärts zu ziehen, und dies wiederholt ſich allabendlich mit<lb/> Ausſchluß der auf eine jedesmalige Häutung fallenden zwei Krankheitstage. Manchmal ſieht man ſie<lb/> auch bei Tage auf dem Boden hinziehen, vielleicht irgendwie genöthigt, ihren Baum und ihr Neſt zu<lb/> verlaſſen. 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Eichen-Prozeſſionsſpinner. Großer Gabelſchwanz.
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Zugang bemerken kann, um ihre Straße aufwärts zu ziehen, und dies wiederholt ſich allabendlich mit
Ausſchluß der auf eine jedesmalige Häutung fallenden zwei Krankheitstage. Manchmal ſieht man ſie
auch bei Tage auf dem Boden hinziehen, vielleicht irgendwie genöthigt, ihren Baum und ihr Neſt zu
verlaſſen. Der Zug gewährt dann einen höchſt überraſchenden Anblick, wie ein dunkles Band,
eine Schlange windet ſich derſelbe dahin und kommt nur langſam von der Stelle. Die Raupe (a)
hat einen breit blauſchwarzen Rücken mit rothgelben Wärzchen, welche die Haarſterne tragen, und
weißliche Seiten. Erwachſen 1½ bis 2 Zoll lang, begeben ſich alle auf den Grund des Neſtes
und bereiten Reihen von Geſpinnſten (b), welche mit einem ihrer Enden unter rechtem Winkel auf
der Stammoberfläche ſtehen und feſt mit einander verbunden ſind. Sie erinnern in ihrer
Vereinigung an die gedeckelten Zellen der Bienen. Jn jeder Zelle ruht eine dunkelrothbraune
Puppe (b), deren Bauchringel ſcharfe Ränder haben. Jm Juli und Auguſt, ſobald es des
Abends zu dämmern beginnt (zwiſchen acht und neun Uhr), kommen die Schmetterlinge daraus
hervor, deren Männchen durch baldiges Davonfliegen ihr wildes Temperament zu erkennen geben.
Jch habe die Thiere oft genug erzogen, merkwürdigerweiſe im Freien aber kein einziges zu Geſicht
bekommen. Das ſchlichte, bräunlichgraue Gewand läßt auf dem Vorderflügel einige dunklere
Querlinien, beſſer beim dunkleren und ſchärfer gezeichneten Männchen (c), als beim Weibchen
erkennen; den gelblichweißen Hinterflügel kennzeichnet eine verwiſchte Querbinde, ſieben Rippen
ſpannen ihn, und eine Haftborſte vereint ihn im Fluge mit dem vordern, welcher von zwölf Rippen
durchzogen wird. Bei beiden Geſchlechtern tragen die Fühler bis zur Spitze zwei Reihen Kamm-
zähne, die Hinterſchienen nur Endſporen; von einer Rollzunge iſt nichts zu bemerken. Die Art
verbreitet ſich im ſüdlichen und nordweſtlichen Deutſchland, in der Ebene mehr, als im Gebirge
und erreicht nach Speyer bei Havelberg ihre Polargrenze. Eine andere ſehr ähnliche Art
(Cn. pinivora) treibt ihr Weſen ebenſo, aber nur an Kieſern und kommt im nordöſtlichen deutſchen
Flachlande, in Südſchweden und um Petersburg vor. Auf den Nadelhölzern des ſüdlichen Europa,
beſonders der Pinien, lebt eine dritte Art, der Pinien-Proceſſionsſpinner (Cn. pityocampa).
Es ſchließen ſich hier einige Falter an, welche im entwickelten Zuſtande weniger Jntereſſe haben,
als die Raupen, aus denen ſie hervorgehen, darunter ſind einige, welche man Peitſchraupen
oder Gabelſchwänze genannt hat. Sie haben nur vierzehn Beine, ſtatt der Nachſchieber ſitzen am
letzten Segmente zwei Gabelſpitzchen nach oben, aus welchen die gereizte Raupe je ein langes
Fädchen hervorſchnellen kann, ſo daß der ganze Anhang wie zwei Peitſchen ausſieht. Jn der
Ruhe nehmen dieſe Thiere eine ſehr ſonderbare Stellung auf dem Blatte des betreffenden Strauches
oder Baumes an, welchen ſie bewohnen. Sie ruhen auf den Bauchfüßen und haben den vorderen
und hinteren Theil des Körpers in die Höhe gerichtet, jenen mehr als dieſen, den Kopf tief ein-
gezogen und mit Ausſchluß der Geſichtsſeite verborgen in den dadurch angeſchwollenen erſten
Körperringen. Eine dieſer tückiſch ausſehenden Raupen iſt lichtgrün und hat ein violettes Sattel-
fleck über den Rücken, welches auf dem ſiebenten Ringe bis zum Luftloche ſeitlich herabreicht und
ringsum ſauber weiß eingefaßt iſt. Sie findet ſich beſonders im Juli und Auguſt auf Weiden
oder den verſchiedenen Pappelarten und gehört dem großen Gabelſchwanze (Harpyia vinula)
an. Zur Verpuppung benagt ſie den Stamm ihrer Futterpflanze und ſpinnt über das vertiefte Lager
eine gewölbte Decke, welche die Farbe der Umgebung hat und den Winter über die rothbraune
ſtumpfe Puppe eng umſchließt. Jm Mai kommt der bei Tage ſehr träge, an Stämmen, Pfählen
und Planken ſitzende Falter daraus hervor, welcher weiß ausſieht, gelbe Rippen hat und ſchwarze,
zum Theil verwiſchte Flecke und Zackenzeichnungen auf den Flügeln. Er legt dieſe dachartig über
den Leib und ſeine dickwollig behaarten Vorderbeine lang vorgeſtreckt, dicht neben einander. Das
Fratzenhafteſte aller einheimiſchen Raupen ſtellt aber die des Buchenſpinners (Stauropus fagi)
dar, welcher gleichzeitig mit dem vorigen fliegt, dieſelbe Körpertracht hat, aber ſich graubräunlich
trägt. Die Raupe ſitzt in der Ruhe auch ſo, wie die vorige, ſieht aber ganz anders aus. Ein
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