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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Schmetterlinge. Tagfalter. Eckfalter.
und kurzen Dornen über den ganzen Körper ausgestattet. Sie kommen jetzt aus ihrer Höhe herab, ver-
einzeln sich und hängen sich mit der Leibesspitze an einen Zweig, den Stamm oder andere Gegenstände
in der Nachbarschaft auf, wobei sie sich nach der Bauchseite einkrümmen, die fünf vorderen Ringe
mehr und mehr nach oben erhebend, so daß ihr Ende, der Kopf, aufrecht steht. Er scheint dünner
zu werden und etwas vorzutreten, während der Körper dahinter unmerklich anschwillt. Durch
Hin- und Herwinden spaltet sich endlich die Haut im Rücken, und der vorderste Puppentheil tritt
heraus. Weiteres Aufblähen und Nachschieben läßt die Raupenhaut bis zum hintersten Fußpaare
bersten und nachgeben; damit sie aber nicht herunter falle, was leicht geschehen könnte, faßt sie
mit zwei Ringen ihres Hinterleibes, welche sie etwas übereinander schiebt, also wie eine Zange
benutzt, die eben weichende Raupenhaut, hebt sich, faßt mit dem nächsten Ringe zu und läßt mit
jenen los. Jn dieser Weise klettert sie gewissermaßen an der sie noch eben umschließenden Raupen-
haut in die Höhe, bis die Schwanzspitze zu dem Gespinnste gelangt, welches zu allererst als Henkel
für die Nachschieber gewebt worden war. Hier wird die Spitze hineingeschoben und bleibt mit
den unsichtbaren Häkchen dicht neben der Raupenhaut hängen. Noch gibt sich die Puppe aber
nicht zufrieden, denn sie will diese nicht neben sich dulden, biegt deshalb ihre Leibesspitze Sförmig,
daß jene berührt wird, und wirbelt sich wie ein Kreisel bald links, bald rechts, bis sie den Balg
abgestoßen hat. Jn dieser Weise arbeitet sich jede gestürzte Puppe aus ihrer Raupenhaut heraus,
um sich aufzuhängen. Nun ruhen sie aus, die Puppen, von den eben überstandenen Wehen und von
den Mühen und Sorgen ihrer Raupenzeit, während welcher sie in sich anhäuften, was ihnen nun in
ihrer Unthätigkeit zur Nahrung dient. Alles ist aber anders geworden. Die Füße sind nicht mehr
die Füße, welche sie waren, denn was soll der künftige Segler der Lüfte mit den vielen schwer-
fälligen Beinen der Raupe? Der Kopf ist nicht mehr der Kopf von ehemals, denn er hat die
gewaltigen Kinnbacken abgeworfen, da der künftige Liebhaber der Blumen ihnen nur mit seiner
langen Rollzunge die Süßigkeiten raubt und ihre Schönheit in dem Maße achtet, als die Raupe
alles ihr Annehmbare verzehrte. Der Haupttheil der innern Raupe, der entwickelte Verdauungs-
apparat, die Eingeweide sind hier fast auf ein Nichts zusammengeschrumpft, dafür aber die geschlecht-
lichen Werkzeuge aufgetreten, und namentlich nimmt der Eierstock beim Weibchen fast die ganze
Bauchhöhle für sich in Anspruch. Dies Alles ist schon da und war in der Raupe als Anlage
vorhanden, hat man doch in einzelnen acht Tage vor ihrer Verwandlung die Eikeime gefunden.
Oeffnet man eine jugendliche Puppe, so erblickt man in ihrem Leichentuche nichts, als einen formles
scheinenden Schleim, aus welchem sich erst in längerer oder kürzerer Frist die Glieder des künftigen
Schmetterlings fest absondern. Die Entwickelung ist eine gleichmäßig fortschreitende und zeigt
sich hier in der Puppe auch äußerlich in all den angedeuteten Theilen des künftigen Falters
wesentlich weiter gefördert. Wenige Wochen genügen, damit die Alles belebende Wärme Festigkeit
in das Flüssige bringe und das ganze Werk herrlich hinausführe. -- Einige orangebraunen Eck-
falter schließen sich den genannten an und umsäumen zum Theil ihre Flügel auf schwarzem Grunde
mit blauen Mondflecken. Die große Blaukante oder der große Fuchs (V. polychloros) hat
zwei größere schwarze Flecke am Vorderrande der Vorderflügel und fünf kleinere gerundete auf der
Fläche derselben, einen größeren am Vorderrande der Hinterflügel außer der schwarzen Binde vor
dem Saume aller Flügel. Seine gelbbedornte, schwarzbraune Raupe, über deren Rücken drei
gelbe Streifen ziehen, lebt gesellig auf Kirsch-, Birnen- und einigen anderen Bäumen und frißt
die Spitzen der Zweige kahl. Sie kommt nur einmal im Jahre vor und verdankt überwinterten
Weibchen ihren Ursprung. An solchen Bäumen, welche Wege einfassen, findet man sie am meisten,
und gern tummelt sich der stattliche Falter an Waldrändern, jetzt unten auf dem Boden, dann
wieder oben auf den Blättern seine Flügel der Sonne ausbreitend. -- Die kleine Blaukante
oder der kleine Fuchs (V. urticae) ist etwas lichter braun, mehr gelbroth, an der Wurzel der
Flügel schwarz, besonders an den hintersten; auf den vorderen stehen drei kleinere Flecken auf der
Scheibe, drei größere und viereckige am Vorderrande von gleicher Farbe, und zwischen dem

Die Schmetterlinge. Tagfalter. Eckfalter.
und kurzen Dornen über den ganzen Körper ausgeſtattet. Sie kommen jetzt aus ihrer Höhe herab, ver-
einzeln ſich und hängen ſich mit der Leibesſpitze an einen Zweig, den Stamm oder andere Gegenſtände
in der Nachbarſchaft auf, wobei ſie ſich nach der Bauchſeite einkrümmen, die fünf vorderen Ringe
mehr und mehr nach oben erhebend, ſo daß ihr Ende, der Kopf, aufrecht ſteht. Er ſcheint dünner
zu werden und etwas vorzutreten, während der Körper dahinter unmerklich anſchwillt. Durch
Hin- und Herwinden ſpaltet ſich endlich die Haut im Rücken, und der vorderſte Puppentheil tritt
heraus. Weiteres Aufblähen und Nachſchieben läßt die Raupenhaut bis zum hinterſten Fußpaare
berſten und nachgeben; damit ſie aber nicht herunter falle, was leicht geſchehen könnte, faßt ſie
mit zwei Ringen ihres Hinterleibes, welche ſie etwas übereinander ſchiebt, alſo wie eine Zange
benutzt, die eben weichende Raupenhaut, hebt ſich, faßt mit dem nächſten Ringe zu und läßt mit
jenen los. Jn dieſer Weiſe klettert ſie gewiſſermaßen an der ſie noch eben umſchließenden Raupen-
haut in die Höhe, bis die Schwanzſpitze zu dem Geſpinnſte gelangt, welches zu allererſt als Henkel
für die Nachſchieber gewebt worden war. Hier wird die Spitze hineingeſchoben und bleibt mit
den unſichtbaren Häkchen dicht neben der Raupenhaut hängen. Noch gibt ſich die Puppe aber
nicht zufrieden, denn ſie will dieſe nicht neben ſich dulden, biegt deshalb ihre Leibesſpitze Sförmig,
daß jene berührt wird, und wirbelt ſich wie ein Kreiſel bald links, bald rechts, bis ſie den Balg
abgeſtoßen hat. Jn dieſer Weiſe arbeitet ſich jede geſtürzte Puppe aus ihrer Raupenhaut heraus,
um ſich aufzuhängen. Nun ruhen ſie aus, die Puppen, von den eben überſtandenen Wehen und von
den Mühen und Sorgen ihrer Raupenzeit, während welcher ſie in ſich anhäuften, was ihnen nun in
ihrer Unthätigkeit zur Nahrung dient. Alles iſt aber anders geworden. Die Füße ſind nicht mehr
die Füße, welche ſie waren, denn was ſoll der künftige Segler der Lüfte mit den vielen ſchwer-
fälligen Beinen der Raupe? Der Kopf iſt nicht mehr der Kopf von ehemals, denn er hat die
gewaltigen Kinnbacken abgeworfen, da der künftige Liebhaber der Blumen ihnen nur mit ſeiner
langen Rollzunge die Süßigkeiten raubt und ihre Schönheit in dem Maße achtet, als die Raupe
alles ihr Annehmbare verzehrte. Der Haupttheil der innern Raupe, der entwickelte Verdauungs-
apparat, die Eingeweide ſind hier faſt auf ein Nichts zuſammengeſchrumpft, dafür aber die geſchlecht-
lichen Werkzeuge aufgetreten, und namentlich nimmt der Eierſtock beim Weibchen faſt die ganze
Bauchhöhle für ſich in Anſpruch. Dies Alles iſt ſchon da und war in der Raupe als Anlage
vorhanden, hat man doch in einzelnen acht Tage vor ihrer Verwandlung die Eikeime gefunden.
Oeffnet man eine jugendliche Puppe, ſo erblickt man in ihrem Leichentuche nichts, als einen formles
ſcheinenden Schleim, aus welchem ſich erſt in längerer oder kürzerer Friſt die Glieder des künftigen
Schmetterlings feſt abſondern. Die Entwickelung iſt eine gleichmäßig fortſchreitende und zeigt
ſich hier in der Puppe auch äußerlich in all den angedeuteten Theilen des künftigen Falters
weſentlich weiter gefördert. Wenige Wochen genügen, damit die Alles belebende Wärme Feſtigkeit
in das Flüſſige bringe und das ganze Werk herrlich hinausführe. — Einige orangebraunen Eck-
falter ſchließen ſich den genannten an und umſäumen zum Theil ihre Flügel auf ſchwarzem Grunde
mit blauen Mondflecken. Die große Blaukante oder der große Fuchs (V. polychloros) hat
zwei größere ſchwarze Flecke am Vorderrande der Vorderflügel und fünf kleinere gerundete auf der
Fläche derſelben, einen größeren am Vorderrande der Hinterflügel außer der ſchwarzen Binde vor
dem Saume aller Flügel. Seine gelbbedornte, ſchwarzbraune Raupe, über deren Rücken drei
gelbe Streifen ziehen, lebt geſellig auf Kirſch-, Birnen- und einigen anderen Bäumen und frißt
die Spitzen der Zweige kahl. Sie kommt nur einmal im Jahre vor und verdankt überwinterten
Weibchen ihren Urſprung. An ſolchen Bäumen, welche Wege einfaſſen, findet man ſie am meiſten,
und gern tummelt ſich der ſtattliche Falter an Waldrändern, jetzt unten auf dem Boden, dann
wieder oben auf den Blättern ſeine Flügel der Sonne ausbreitend. — Die kleine Blaukante
oder der kleine Fuchs (V. urticae) iſt etwas lichter braun, mehr gelbroth, an der Wurzel der
Flügel ſchwarz, beſonders an den hinterſten; auf den vorderen ſtehen drei kleinere Flecken auf der
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[306/0330] Die Schmetterlinge. Tagfalter. Eckfalter. und kurzen Dornen über den ganzen Körper ausgeſtattet. Sie kommen jetzt aus ihrer Höhe herab, ver- einzeln ſich und hängen ſich mit der Leibesſpitze an einen Zweig, den Stamm oder andere Gegenſtände in der Nachbarſchaft auf, wobei ſie ſich nach der Bauchſeite einkrümmen, die fünf vorderen Ringe mehr und mehr nach oben erhebend, ſo daß ihr Ende, der Kopf, aufrecht ſteht. Er ſcheint dünner zu werden und etwas vorzutreten, während der Körper dahinter unmerklich anſchwillt. Durch Hin- und Herwinden ſpaltet ſich endlich die Haut im Rücken, und der vorderſte Puppentheil tritt heraus. Weiteres Aufblähen und Nachſchieben läßt die Raupenhaut bis zum hinterſten Fußpaare berſten und nachgeben; damit ſie aber nicht herunter falle, was leicht geſchehen könnte, faßt ſie mit zwei Ringen ihres Hinterleibes, welche ſie etwas übereinander ſchiebt, alſo wie eine Zange benutzt, die eben weichende Raupenhaut, hebt ſich, faßt mit dem nächſten Ringe zu und läßt mit jenen los. Jn dieſer Weiſe klettert ſie gewiſſermaßen an der ſie noch eben umſchließenden Raupen- haut in die Höhe, bis die Schwanzſpitze zu dem Geſpinnſte gelangt, welches zu allererſt als Henkel für die Nachſchieber gewebt worden war. Hier wird die Spitze hineingeſchoben und bleibt mit den unſichtbaren Häkchen dicht neben der Raupenhaut hängen. Noch gibt ſich die Puppe aber nicht zufrieden, denn ſie will dieſe nicht neben ſich dulden, biegt deshalb ihre Leibesſpitze Sförmig, daß jene berührt wird, und wirbelt ſich wie ein Kreiſel bald links, bald rechts, bis ſie den Balg abgeſtoßen hat. Jn dieſer Weiſe arbeitet ſich jede geſtürzte Puppe aus ihrer Raupenhaut heraus, um ſich aufzuhängen. Nun ruhen ſie aus, die Puppen, von den eben überſtandenen Wehen und von den Mühen und Sorgen ihrer Raupenzeit, während welcher ſie in ſich anhäuften, was ihnen nun in ihrer Unthätigkeit zur Nahrung dient. Alles iſt aber anders geworden. Die Füße ſind nicht mehr die Füße, welche ſie waren, denn was ſoll der künftige Segler der Lüfte mit den vielen ſchwer- fälligen Beinen der Raupe? Der Kopf iſt nicht mehr der Kopf von ehemals, denn er hat die gewaltigen Kinnbacken abgeworfen, da der künftige Liebhaber der Blumen ihnen nur mit ſeiner langen Rollzunge die Süßigkeiten raubt und ihre Schönheit in dem Maße achtet, als die Raupe alles ihr Annehmbare verzehrte. Der Haupttheil der innern Raupe, der entwickelte Verdauungs- apparat, die Eingeweide ſind hier faſt auf ein Nichts zuſammengeſchrumpft, dafür aber die geſchlecht- lichen Werkzeuge aufgetreten, und namentlich nimmt der Eierſtock beim Weibchen faſt die ganze Bauchhöhle für ſich in Anſpruch. Dies Alles iſt ſchon da und war in der Raupe als Anlage vorhanden, hat man doch in einzelnen acht Tage vor ihrer Verwandlung die Eikeime gefunden. Oeffnet man eine jugendliche Puppe, ſo erblickt man in ihrem Leichentuche nichts, als einen formles ſcheinenden Schleim, aus welchem ſich erſt in längerer oder kürzerer Friſt die Glieder des künftigen Schmetterlings feſt abſondern. Die Entwickelung iſt eine gleichmäßig fortſchreitende und zeigt ſich hier in der Puppe auch äußerlich in all den angedeuteten Theilen des künftigen Falters weſentlich weiter gefördert. Wenige Wochen genügen, damit die Alles belebende Wärme Feſtigkeit in das Flüſſige bringe und das ganze Werk herrlich hinausführe. — Einige orangebraunen Eck- falter ſchließen ſich den genannten an und umſäumen zum Theil ihre Flügel auf ſchwarzem Grunde mit blauen Mondflecken. Die große Blaukante oder der große Fuchs (V. polychloros) hat zwei größere ſchwarze Flecke am Vorderrande der Vorderflügel und fünf kleinere gerundete auf der Fläche derſelben, einen größeren am Vorderrande der Hinterflügel außer der ſchwarzen Binde vor dem Saume aller Flügel. Seine gelbbedornte, ſchwarzbraune Raupe, über deren Rücken drei gelbe Streifen ziehen, lebt geſellig auf Kirſch-, Birnen- und einigen anderen Bäumen und frißt die Spitzen der Zweige kahl. Sie kommt nur einmal im Jahre vor und verdankt überwinterten Weibchen ihren Urſprung. An ſolchen Bäumen, welche Wege einfaſſen, findet man ſie am meiſten, und gern tummelt ſich der ſtattliche Falter an Waldrändern, jetzt unten auf dem Boden, dann wieder oben auf den Blättern ſeine Flügel der Sonne ausbreitend. — Die kleine Blaukante oder der kleine Fuchs (V. urticae) iſt etwas lichter braun, mehr gelbroth, an der Wurzel der Flügel ſchwarz, beſonders an den hinterſten; auf den vorderen ſtehen drei kleinere Flecken auf der Scheibe, drei größere und viereckige am Vorderrande von gleicher Farbe, und zwiſchen dem

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/330>, abgerufen am 23.11.2024.