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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Schmetterlinge. Tagfalter. Ritter.
welche wir auch anderwärts sinden, sondern werden außerdem noch von einer gemeinsamen,
gegliederten Chitinschale umschlossen, weshalb man die Puppe eine bedeckte genannt hat.
Sie athmet durch die ihr an jeder Seite bleibenden neun Luftlöcher, deren hintere sich mit der
Zeit schließen, und läßt auf dem Rücken meist neue Ringel unterscheiden, mithin drei weniger
als die Raupe hatte, indem die vordersten zum künftigen Thorax verwachsen sind. An der Bauch-
seite sind die Flügel, Fühler, Augen und der Rüssel, mehr oder weniger deutlich auch die Beine
zu unterscheiden. Jn Ausehung der Form und Farbe, welche letztere sich nach dem Alter ver-
ändert, der Bekleidung und Bildung der Afterspitze (Kremaster), sowie der Art der Auheftung
kommen wieder eine Menge Unterschiede vor, welche theilweise auf die Sippe schließen lassen,
welcher der künftige Schmetterling angehört. So hängen sich zum Beispiel die eckigen, nicht selten
goldig oder silbern erglänzenden Puppen der meisten Tagfalter, welche vorzugsweise Chrysaliden
heißen, mit der Schwanzspitze an irgend einen Gegenstand auf, umgürten wohl auch mit einem
zweiten Faden ihren Leib und hängen dann horizontal oder aufrecht. Die Puppen der meisten
Spinner stecken in einem besonderen Cocon, welchen sie zwischen Blätter oder an Zweige befestigen;
andere ruhen mit oder ohne solchen in der Erde. Wenn zuletzt die Zeit der Entwickelung
gekommen ist, so löst sich im Nacken die Naht, welche hinter den Fühlerscheiden hinläuft,
und mit ihr die Gesichtsseite der Puppe bis zu den Flügelscheiden, der Thoraxrücken spaltet
sich von oben her der Länge nach, und der Schmetterling kommt heraus, früh am Morgen,
wenn er den Tag und die Sonne liebt, gegen Abend, wenn er zur Nachtzeit seine Thätigkeit
entfaltet. Hat er erst Fuß gesaßt, so sitzt er vollkommen still und ruht aus von den gehabten
Anstrengungen. Die zu erwartenden Flügel stehen auf dem Rücken wie ein Paar gekrümmte,
zarte Läppchen, mit den Außenseiten gegen einander gekehrt. Man kann sehen, wie sie wachsen.
Jn Zeit einer halben Stunde längstens haben sie ihre volle Größe erreicht, die Zeichnung ist aber
schon beim Auskriechen deutlich vorhanden. Sie verharren noch kurze Zeit in dieser Lage, dann
bringt sie der Schmetterling in die seiner Art eigenthümliche und beweist damit, daß er nun voll-
ständig entwickelt sei. Aber auch jetzt noch sind die Flügel zart und weich und erhärten erst an
der austrocknenden Luft. Nach wenigen Stunden können sie ihre Funktion übernehmen, bei den
kleinen Faltern früher, als bei den großen. Haben sie nach einer Stunde auch bei dem größten
Schmetterlinge ihre naturgemäße Ausdehnung noch nicht erlangt, so bekommen sie dieselbe nie und
bleiben krüppelhaft.

Speyer schätzt die Anzahl sämmtlicher Schmetterlinge auf 200,000, welche in gewissen Arten
beinahe überall auf der Erde vertreten sind. Wegen ihrer Zartheit konnten sich fossile Ueberreste
schwieriger erhalten, als von anderen Jusekten, diese kommen daher auch seltener vor; indessen
haben wir aus dem Tertiärgebirge mehrere wohl erhaltene Schwärmer und als Einschluß in
Bernstein kleinere und zartere Formen.

Lange Zeit begnügte man sich mit der Liune'schen Eintheilung in Tag-, Dämmerungs-
und Nachtfalter, von welchen nur die beiden ersten natürlich begrenzte Familien bilden, die
letzteren dagegen aus den verschiedenartigsten Elementen zusammengesetzt sind. Das Bestreben,
auch die mit den Jahren bekannt gewordenen zahlreicheren Arten ferner Länder einzuordnen und
die genaueren Untersuchungen längst bekannter Jnländer zu verwerthen, ergab allmälig eine Reihe
von mehr oder weniger natürlichen Familien, deren wesentliche wir kennen lernen wollen.

An der Spitze stehen die Tagfalter, Tagschmetterlinge (Diurna, Rhopalocera), Linne's
Gattung Papilio. Ein dünner, schmächtiger Körper mit schwächlicher Bekleidung, große und breite
Flügel, welche in der Ruhe aufrecht getragen werden, so daß sich die Oberseiten berühren, und schlanke
Fühler, welche an der Spitze selbst oder unmittelbar vor ihr die größte Dicke erlangen, bilden
in ihrer Vereinigung die untrüglichen Merkmale, an welchen man die zahlreichen Glieder dieser
ersten Familie erkennt. Nur bei den Spinnern wiederholen sich die Größenverhältnisse von Flügel

Die Schmetterlinge. Tagfalter. Ritter.
welche wir auch anderwärts ſinden, ſondern werden außerdem noch von einer gemeinſamen,
gegliederten Chitinſchale umſchloſſen, weshalb man die Puppe eine bedeckte genannt hat.
Sie athmet durch die ihr an jeder Seite bleibenden neun Luftlöcher, deren hintere ſich mit der
Zeit ſchließen, und läßt auf dem Rücken meiſt neue Ringel unterſcheiden, mithin drei weniger
als die Raupe hatte, indem die vorderſten zum künftigen Thorax verwachſen ſind. An der Bauch-
ſeite ſind die Flügel, Fühler, Augen und der Rüſſel, mehr oder weniger deutlich auch die Beine
zu unterſcheiden. Jn Auſehung der Form und Farbe, welche letztere ſich nach dem Alter ver-
ändert, der Bekleidung und Bildung der Afterſpitze (Kremaſter), ſowie der Art der Auheftung
kommen wieder eine Menge Unterſchiede vor, welche theilweiſe auf die Sippe ſchließen laſſen,
welcher der künftige Schmetterling angehört. So hängen ſich zum Beiſpiel die eckigen, nicht ſelten
goldig oder ſilbern erglänzenden Puppen der meiſten Tagfalter, welche vorzugsweiſe Chryſaliden
heißen, mit der Schwanzſpitze an irgend einen Gegenſtand auf, umgürten wohl auch mit einem
zweiten Faden ihren Leib und hängen dann horizontal oder aufrecht. Die Puppen der meiſten
Spinner ſtecken in einem beſonderen Cocon, welchen ſie zwiſchen Blätter oder an Zweige befeſtigen;
andere ruhen mit oder ohne ſolchen in der Erde. Wenn zuletzt die Zeit der Entwickelung
gekommen iſt, ſo löſt ſich im Nacken die Naht, welche hinter den Fühlerſcheiden hinläuft,
und mit ihr die Geſichtsſeite der Puppe bis zu den Flügelſcheiden, der Thoraxrücken ſpaltet
ſich von oben her der Länge nach, und der Schmetterling kommt heraus, früh am Morgen,
wenn er den Tag und die Sonne liebt, gegen Abend, wenn er zur Nachtzeit ſeine Thätigkeit
entfaltet. Hat er erſt Fuß geſaßt, ſo ſitzt er vollkommen ſtill und ruht aus von den gehabten
Anſtrengungen. Die zu erwartenden Flügel ſtehen auf dem Rücken wie ein Paar gekrümmte,
zarte Läppchen, mit den Außenſeiten gegen einander gekehrt. Man kann ſehen, wie ſie wachſen.
Jn Zeit einer halben Stunde längſtens haben ſie ihre volle Größe erreicht, die Zeichnung iſt aber
ſchon beim Auskriechen deutlich vorhanden. Sie verharren noch kurze Zeit in dieſer Lage, dann
bringt ſie der Schmetterling in die ſeiner Art eigenthümliche und beweiſt damit, daß er nun voll-
ſtändig entwickelt ſei. Aber auch jetzt noch ſind die Flügel zart und weich und erhärten erſt an
der austrocknenden Luft. Nach wenigen Stunden können ſie ihre Funktion übernehmen, bei den
kleinen Faltern früher, als bei den großen. Haben ſie nach einer Stunde auch bei dem größten
Schmetterlinge ihre naturgemäße Ausdehnung noch nicht erlangt, ſo bekommen ſie dieſelbe nie und
bleiben krüppelhaft.

Speyer ſchätzt die Anzahl ſämmtlicher Schmetterlinge auf 200,000, welche in gewiſſen Arten
beinahe überall auf der Erde vertreten ſind. Wegen ihrer Zartheit konnten ſich foſſile Ueberreſte
ſchwieriger erhalten, als von anderen Juſekten, dieſe kommen daher auch ſeltener vor; indeſſen
haben wir aus dem Tertiärgebirge mehrere wohl erhaltene Schwärmer und als Einſchluß in
Bernſtein kleinere und zartere Formen.

Lange Zeit begnügte man ſich mit der Liuné’ſchen Eintheilung in Tag-, Dämmerungs-
und Nachtfalter, von welchen nur die beiden erſten natürlich begrenzte Familien bilden, die
letzteren dagegen aus den verſchiedenartigſten Elementen zuſammengeſetzt ſind. Das Beſtreben,
auch die mit den Jahren bekannt gewordenen zahlreicheren Arten ferner Länder einzuordnen und
die genaueren Unterſuchungen längſt bekannter Jnländer zu verwerthen, ergab allmälig eine Reihe
von mehr oder weniger natürlichen Familien, deren weſentliche wir kennen lernen wollen.

An der Spitze ſtehen die Tagfalter, Tagſchmetterlinge (Diurna, Rhopalocera), Linné’s
Gattung Papilio. Ein dünner, ſchmächtiger Körper mit ſchwächlicher Bekleidung, große und breite
Flügel, welche in der Ruhe aufrecht getragen werden, ſo daß ſich die Oberſeiten berühren, und ſchlanke
Fühler, welche an der Spitze ſelbſt oder unmittelbar vor ihr die größte Dicke erlangen, bilden
in ihrer Vereinigung die untrüglichen Merkmale, an welchen man die zahlreichen Glieder dieſer
erſten Familie erkennt. Nur bei den Spinnern wiederholen ſich die Größenverhältniſſe von Flügel

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[294/0316] Die Schmetterlinge. Tagfalter. Ritter. welche wir auch anderwärts ſinden, ſondern werden außerdem noch von einer gemeinſamen, gegliederten Chitinſchale umſchloſſen, weshalb man die Puppe eine bedeckte genannt hat. Sie athmet durch die ihr an jeder Seite bleibenden neun Luftlöcher, deren hintere ſich mit der Zeit ſchließen, und läßt auf dem Rücken meiſt neue Ringel unterſcheiden, mithin drei weniger als die Raupe hatte, indem die vorderſten zum künftigen Thorax verwachſen ſind. An der Bauch- ſeite ſind die Flügel, Fühler, Augen und der Rüſſel, mehr oder weniger deutlich auch die Beine zu unterſcheiden. Jn Auſehung der Form und Farbe, welche letztere ſich nach dem Alter ver- ändert, der Bekleidung und Bildung der Afterſpitze (Kremaſter), ſowie der Art der Auheftung kommen wieder eine Menge Unterſchiede vor, welche theilweiſe auf die Sippe ſchließen laſſen, welcher der künftige Schmetterling angehört. So hängen ſich zum Beiſpiel die eckigen, nicht ſelten goldig oder ſilbern erglänzenden Puppen der meiſten Tagfalter, welche vorzugsweiſe Chryſaliden heißen, mit der Schwanzſpitze an irgend einen Gegenſtand auf, umgürten wohl auch mit einem zweiten Faden ihren Leib und hängen dann horizontal oder aufrecht. Die Puppen der meiſten Spinner ſtecken in einem beſonderen Cocon, welchen ſie zwiſchen Blätter oder an Zweige befeſtigen; andere ruhen mit oder ohne ſolchen in der Erde. Wenn zuletzt die Zeit der Entwickelung gekommen iſt, ſo löſt ſich im Nacken die Naht, welche hinter den Fühlerſcheiden hinläuft, und mit ihr die Geſichtsſeite der Puppe bis zu den Flügelſcheiden, der Thoraxrücken ſpaltet ſich von oben her der Länge nach, und der Schmetterling kommt heraus, früh am Morgen, wenn er den Tag und die Sonne liebt, gegen Abend, wenn er zur Nachtzeit ſeine Thätigkeit entfaltet. Hat er erſt Fuß geſaßt, ſo ſitzt er vollkommen ſtill und ruht aus von den gehabten Anſtrengungen. Die zu erwartenden Flügel ſtehen auf dem Rücken wie ein Paar gekrümmte, zarte Läppchen, mit den Außenſeiten gegen einander gekehrt. Man kann ſehen, wie ſie wachſen. Jn Zeit einer halben Stunde längſtens haben ſie ihre volle Größe erreicht, die Zeichnung iſt aber ſchon beim Auskriechen deutlich vorhanden. Sie verharren noch kurze Zeit in dieſer Lage, dann bringt ſie der Schmetterling in die ſeiner Art eigenthümliche und beweiſt damit, daß er nun voll- ſtändig entwickelt ſei. Aber auch jetzt noch ſind die Flügel zart und weich und erhärten erſt an der austrocknenden Luft. Nach wenigen Stunden können ſie ihre Funktion übernehmen, bei den kleinen Faltern früher, als bei den großen. Haben ſie nach einer Stunde auch bei dem größten Schmetterlinge ihre naturgemäße Ausdehnung noch nicht erlangt, ſo bekommen ſie dieſelbe nie und bleiben krüppelhaft. Speyer ſchätzt die Anzahl ſämmtlicher Schmetterlinge auf 200,000, welche in gewiſſen Arten beinahe überall auf der Erde vertreten ſind. Wegen ihrer Zartheit konnten ſich foſſile Ueberreſte ſchwieriger erhalten, als von anderen Juſekten, dieſe kommen daher auch ſeltener vor; indeſſen haben wir aus dem Tertiärgebirge mehrere wohl erhaltene Schwärmer und als Einſchluß in Bernſtein kleinere und zartere Formen. Lange Zeit begnügte man ſich mit der Liuné’ſchen Eintheilung in Tag-, Dämmerungs- und Nachtfalter, von welchen nur die beiden erſten natürlich begrenzte Familien bilden, die letzteren dagegen aus den verſchiedenartigſten Elementen zuſammengeſetzt ſind. Das Beſtreben, auch die mit den Jahren bekannt gewordenen zahlreicheren Arten ferner Länder einzuordnen und die genaueren Unterſuchungen längſt bekannter Jnländer zu verwerthen, ergab allmälig eine Reihe von mehr oder weniger natürlichen Familien, deren weſentliche wir kennen lernen wollen. An der Spitze ſtehen die Tagfalter, Tagſchmetterlinge (Diurna, Rhopalocera), Linné’s Gattung Papilio. Ein dünner, ſchmächtiger Körper mit ſchwächlicher Bekleidung, große und breite Flügel, welche in der Ruhe aufrecht getragen werden, ſo daß ſich die Oberſeiten berühren, und ſchlanke Fühler, welche an der Spitze ſelbſt oder unmittelbar vor ihr die größte Dicke erlangen, bilden in ihrer Vereinigung die untrüglichen Merkmale, an welchen man die zahlreichen Glieder dieſer erſten Familie erkennt. Nur bei den Spinnern wiederholen ſich die Größenverhältniſſe von Flügel

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/316>, abgerufen am 23.11.2024.