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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Hautflügler. Blattwespen.
ebenso das Tönnchen, in welchem sie sich an einer Nadel verspinnt. Ende Juli nagt die Wespe
ein Deckelchen los und kommt an das Tageslicht. Sehr charakteristisch wird sie und ihre Gattung
durch die bei den verschiedenen Arten 17- bis 22gliederigen Fühler. Beim Weibchen sind diese gefägt,
beim Männchen außerordentlich zierlich kammzähnig; die Zähne nehmen nach der Spitze hin allmälig
an Länge ab, stehen in zwei Reihen und jeder hat, wie die Fahne einer Feder, wieder feine Fiedern.
Eine Rand- und drei Unterrandzellen, zwei Enddornen an den Vorderschienen kennzeichnen die
Gattung, und unsere Art unterscheidet man von den vielen ähnlichen im weiblichen Geschlecht durch
die in der Mitte der Fühler auftretende größte Stärke derselben, durch den dicht punktirten Kopf und
Mittelleib, die hier und da in kleinen Strecken ausgebliebenen Flügeladern und die zwei Endspornen
an den Schienen der Hinterbeine; Kopf und Rücken des Thorax und der Hinterleibsmitte sind vor-
herrschend schwarz, sowie ein Mittelfleck der Brust, das Uebrige ist schmuzig rostgelb. Das Männchen
erkennt man an seinem schwarzen Kleide, wovon nur die von den Knieen an schmuzig rostgelben
Beine eine Ausnahme machen, an dem dunkeln Flügelmale und derselben Körperpunktirung, wie
[Abbildung] a Die Kiefern-Kammhornwespe (Lophyrus pini) in ihren verschiedenen Ständen. b Die Kothsack-Kiefern-
blattwespe
(Lyda camposlris) mit ihrer Larve und deren Gespinnst.
sie eben am Weibchen auseinander gesetzt wurde. Gleich nach ihrem Erscheinen paaren sich die
Wespen, und das Weibchen kriecht sofort, mit den vorgestreckten Fühlern suchend, umher und
wählt, wenn der Juli noch nicht vorüber ist, vorjährige Nadeln, später, vom August ab schwär-
mende Weibchen gehen an diesjährige. Hat es die erwünschle Stelle aussindig gemacht, so setzt
es sich, gleichviel ob an der Spitze oder am Grunde beginnend, auf die scharfe Kante der Nadel,
schneidet mit seiner Säge das Fleisch bis auf die Mittelrippe durch und läßt ein Ei neben das
andere seiner Länge nach auf diese gleiten. Die Spaltöffnung wird mittelst eines gleichzeitig
aussließenden Schleimes, welcher sich mit den Sägespänen vermengt, zugelittet. Auf solche
Weise gelangen zwei bis zwanzig Eier in eine Nadel, deren Kante durch eben so viele, von der
Seite als Vierecke erscheinende, sich aneinanderreihende Kittknötchen wieder geschlossen wird.
Ein Weibchen vermag achtzig bis hundert und zwanzig Eier abzusetzen, und zwar geschieht dies
immer an benachbarten Nadeln. Mit kurzer Unterbrechung behufs der Ruhe wird die Arbeit
Tag und Nacht bis zu Ende fortgesetzt, und ein schneller Tod ist die Folge der gehabten
Anstrengung. Je nach der Witterung ist ein Zeitraum von vierzehn bis vierundzwauzig Tagen

Die Hautflügler. Blattwespen.
ebenſo das Tönnchen, in welchem ſie ſich an einer Nadel verſpinnt. Ende Juli nagt die Wespe
ein Deckelchen los und kommt an das Tageslicht. Sehr charakteriſtiſch wird ſie und ihre Gattung
durch die bei den verſchiedenen Arten 17- bis 22gliederigen Fühler. Beim Weibchen ſind dieſe gefägt,
beim Männchen außerordentlich zierlich kammzähnig; die Zähne nehmen nach der Spitze hin allmälig
an Länge ab, ſtehen in zwei Reihen und jeder hat, wie die Fahne einer Feder, wieder feine Fiedern.
Eine Rand- und drei Unterrandzellen, zwei Enddornen an den Vorderſchienen kennzeichnen die
Gattung, und unſere Art unterſcheidet man von den vielen ähnlichen im weiblichen Geſchlecht durch
die in der Mitte der Fühler auftretende größte Stärke derſelben, durch den dicht punktirten Kopf und
Mittelleib, die hier und da in kleinen Strecken ausgebliebenen Flügeladern und die zwei Endſpornen
an den Schienen der Hinterbeine; Kopf und Rücken des Thorax und der Hinterleibsmitte ſind vor-
herrſchend ſchwarz, ſowie ein Mittelfleck der Bruſt, das Uebrige iſt ſchmuzig roſtgelb. Das Männchen
erkennt man an ſeinem ſchwarzen Kleide, wovon nur die von den Knieen an ſchmuzig roſtgelben
Beine eine Ausnahme machen, an dem dunkeln Flügelmale und derſelben Körperpunktirung, wie
[Abbildung] a Die Kiefern-Kammhornwespe (Lophyrus pini) in ihren verſchiedenen Ständen. b Die Kothſack-Kiefern-
blattwespe
(Lyda camposlris) mit ihrer Larve und deren Geſpinnſt.
ſie eben am Weibchen auseinander geſetzt wurde. Gleich nach ihrem Erſcheinen paaren ſich die
Wespen, und das Weibchen kriecht ſofort, mit den vorgeſtreckten Fühlern ſuchend, umher und
wählt, wenn der Juli noch nicht vorüber iſt, vorjährige Nadeln, ſpäter, vom Auguſt ab ſchwär-
mende Weibchen gehen an diesjährige. Hat es die erwünſchle Stelle ausſindig gemacht, ſo ſetzt
es ſich, gleichviel ob an der Spitze oder am Grunde beginnend, auf die ſcharfe Kante der Nadel,
ſchneidet mit ſeiner Säge das Fleiſch bis auf die Mittelrippe durch und läßt ein Ei neben das
andere ſeiner Länge nach auf dieſe gleiten. Die Spaltöffnung wird mittelſt eines gleichzeitig
ausſließenden Schleimes, welcher ſich mit den Sägeſpänen vermengt, zugelittet. Auf ſolche
Weiſe gelangen zwei bis zwanzig Eier in eine Nadel, deren Kante durch eben ſo viele, von der
Seite als Vierecke erſcheinende, ſich aneinanderreihende Kittknötchen wieder geſchloſſen wird.
Ein Weibchen vermag achtzig bis hundert und zwanzig Eier abzuſetzen, und zwar geſchieht dies
immer an benachbarten Nadeln. Mit kurzer Unterbrechung behufs der Ruhe wird die Arbeit
Tag und Nacht bis zu Ende fortgeſetzt, und ein ſchneller Tod iſt die Folge der gehabten
Anſtrengung. Je nach der Witterung iſt ein Zeitraum von vierzehn bis vierundzwauzig Tagen

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[282/0304] Die Hautflügler. Blattwespen. ebenſo das Tönnchen, in welchem ſie ſich an einer Nadel verſpinnt. Ende Juli nagt die Wespe ein Deckelchen los und kommt an das Tageslicht. Sehr charakteriſtiſch wird ſie und ihre Gattung durch die bei den verſchiedenen Arten 17- bis 22gliederigen Fühler. Beim Weibchen ſind dieſe gefägt, beim Männchen außerordentlich zierlich kammzähnig; die Zähne nehmen nach der Spitze hin allmälig an Länge ab, ſtehen in zwei Reihen und jeder hat, wie die Fahne einer Feder, wieder feine Fiedern. Eine Rand- und drei Unterrandzellen, zwei Enddornen an den Vorderſchienen kennzeichnen die Gattung, und unſere Art unterſcheidet man von den vielen ähnlichen im weiblichen Geſchlecht durch die in der Mitte der Fühler auftretende größte Stärke derſelben, durch den dicht punktirten Kopf und Mittelleib, die hier und da in kleinen Strecken ausgebliebenen Flügeladern und die zwei Endſpornen an den Schienen der Hinterbeine; Kopf und Rücken des Thorax und der Hinterleibsmitte ſind vor- herrſchend ſchwarz, ſowie ein Mittelfleck der Bruſt, das Uebrige iſt ſchmuzig roſtgelb. Das Männchen erkennt man an ſeinem ſchwarzen Kleide, wovon nur die von den Knieen an ſchmuzig roſtgelben Beine eine Ausnahme machen, an dem dunkeln Flügelmale und derſelben Körperpunktirung, wie [Abbildung a Die Kiefern-Kammhornwespe (Lophyrus pini) in ihren verſchiedenen Ständen. b Die Kothſack-Kiefern- blattwespe (Lyda camposlris) mit ihrer Larve und deren Geſpinnſt.] ſie eben am Weibchen auseinander geſetzt wurde. Gleich nach ihrem Erſcheinen paaren ſich die Wespen, und das Weibchen kriecht ſofort, mit den vorgeſtreckten Fühlern ſuchend, umher und wählt, wenn der Juli noch nicht vorüber iſt, vorjährige Nadeln, ſpäter, vom Auguſt ab ſchwär- mende Weibchen gehen an diesjährige. Hat es die erwünſchle Stelle ausſindig gemacht, ſo ſetzt es ſich, gleichviel ob an der Spitze oder am Grunde beginnend, auf die ſcharfe Kante der Nadel, ſchneidet mit ſeiner Säge das Fleiſch bis auf die Mittelrippe durch und läßt ein Ei neben das andere ſeiner Länge nach auf dieſe gleiten. Die Spaltöffnung wird mittelſt eines gleichzeitig ausſließenden Schleimes, welcher ſich mit den Sägeſpänen vermengt, zugelittet. Auf ſolche Weiſe gelangen zwei bis zwanzig Eier in eine Nadel, deren Kante durch eben ſo viele, von der Seite als Vierecke erſcheinende, ſich aneinanderreihende Kittknötchen wieder geſchloſſen wird. Ein Weibchen vermag achtzig bis hundert und zwanzig Eier abzuſetzen, und zwar geſchieht dies immer an benachbarten Nadeln. Mit kurzer Unterbrechung behufs der Ruhe wird die Arbeit Tag und Nacht bis zu Ende fortgeſetzt, und ein ſchneller Tod iſt die Folge der gehabten Anſtrengung. Je nach der Witterung iſt ein Zeitraum von vierzehn bis vierundzwauzig Tagen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/304>, abgerufen am 23.11.2024.