Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.Gemeine Holzwespe. fast wie Bienenzellen auf und nebeneinander liegen, so zwar, daß ihre Querachse mit der Längs-achse des Zweiges zusammenfällt und ihre beiden Enden freistehen. Dies Ganze wird von einer gemeinschaftlichen Bedeckung umschlossen, welche im Junern seidenartig, auswendig geleimt ist. Beiläufig sei noch eines andern Ausnahmsfalles gedacht, welcher die Perga Lewisii, eine neuhol- ländische Art, näher angeht. Jm April legt das Weibchen seine blaßgelben Eier zweireihig in die Blattmittelrippe einer Eucalyptus-Art. Nach wenigen Tagen erscheinen die dunkelgrünen Lärvchen und fressen gesellig, wie es scheint, des Nachts. Die Mutter sitzt schützend über den Eiern und der jungen Brut, während für gewöhnlich die Mütter nicht mehr sind, wenn letztere zum Leben erwacht. -- Man kennt bis jetzt mindestens tausend verschiedene Glieder der Familie. Am dritten Oktober (1857) bemerkte ich an einem Kiefernstamm einige Fuß über der Erde [Abbildung]
Die gemeine Holzwespe (Sirox Juvancus), Eier legendes Weibchen und Larve. [Abbildung]
a b Larven vom Rücken und von der Seite, c Puppe der gemeinen Holzwespe. graben und zu sehen, ob die sorgsame Mutter ein Ei abgesetzt und nicht mehr Kraft genuggehabt habe, ihren Bohrer wieder herauszuziehen. Dieselbe Erfahrung ist auch von anderen Seiten gemacht und beim Nachsuchen kein Ei entdeckt worden. Es liegt daher die Ver- muthung nahe, daß jene im Drange ihrer Pflichterfüllung die schon vorher aufgewandten Kräfte überschätzt habe und mitten in ihrem Berufe gestorben sei. Jn Folge späterer Er- fahrungen konnte mich die Zeit, in der sich die Wespe zeigte, nicht mehr in Verwunderung setzen, denn einige Jahre nachher hatte ich noch am 7. November ein zwar sehr kleines, aber doch lebensfähiges Weibchen an einem gefällten Baumstamme umherspazieren sehen, und im nächsten Jahre erschienen von der Mitte Septembers an die Thiere so massenhaft in der Gegend von Halle, wie sonst nie. Am 20. des genannten Monats saßen am Stamme einer etwa fünfundzwanzigjährigen Kiefer nicht weniger als sechs Weibchen, von denen vier ihren Bohrer zur Hälfte der Länge in das Holz versenkt hatten. Sie unbeschädigt herauszubekommen war nur durch Anfassen des letzteren mit Anwendung ziemlicher Kraft möglich, wollte man die Wespe selbst ergreifen und an ihr ziehen, so würde man sie mitten entzwei reißen, und der Hinterleib mit dem Bohrer würde im Holze sitzen bleiben, wie ich mich mehrfach überzeugte. Diese und die folgende Art erscheinen in manchen Jahren besonders zahlreich, jedoch ergibt sich aus den Aufzeichnungen durchaus keine Regelmäßigkeit oder periodische Wiederkehr dieser Häufigkeit. Was von der Ent- Gemeine Holzwespe. faſt wie Bienenzellen auf und nebeneinander liegen, ſo zwar, daß ihre Querachſe mit der Längs-achſe des Zweiges zuſammenfällt und ihre beiden Enden freiſtehen. Dies Ganze wird von einer gemeinſchaftlichen Bedeckung umſchloſſen, welche im Junern ſeidenartig, auswendig geleimt iſt. Beiläufig ſei noch eines andern Ausnahmsfalles gedacht, welcher die Perga Lewisii, eine neuhol- ländiſche Art, näher angeht. Jm April legt das Weibchen ſeine blaßgelben Eier zweireihig in die Blattmittelrippe einer Eucalyptus-Art. Nach wenigen Tagen erſcheinen die dunkelgrünen Lärvchen und freſſen geſellig, wie es ſcheint, des Nachts. Die Mutter ſitzt ſchützend über den Eiern und der jungen Brut, während für gewöhnlich die Mütter nicht mehr ſind, wenn letztere zum Leben erwacht. — Man kennt bis jetzt mindeſtens tauſend verſchiedene Glieder der Familie. Am dritten Oktober (1857) bemerkte ich an einem Kiefernſtamm einige Fuß über der Erde [Abbildung]
Die gemeine Holzwespe (Sirox Juvancus), Eier legendes Weibchen und Larve. [Abbildung]
a b Larven vom Rücken und von der Seite, c Puppe der gemeinen Holzwespe. graben und zu ſehen, ob die ſorgſame Mutter ein Ei abgeſetzt und nicht mehr Kraft genuggehabt habe, ihren Bohrer wieder herauszuziehen. Dieſelbe Erfahrung iſt auch von anderen Seiten gemacht und beim Nachſuchen kein Ei entdeckt worden. Es liegt daher die Ver- muthung nahe, daß jene im Drange ihrer Pflichterfüllung die ſchon vorher aufgewandten Kräfte überſchätzt habe und mitten in ihrem Berufe geſtorben ſei. Jn Folge ſpäterer Er- fahrungen konnte mich die Zeit, in der ſich die Wespe zeigte, nicht mehr in Verwunderung ſetzen, denn einige Jahre nachher hatte ich noch am 7. November ein zwar ſehr kleines, aber doch lebensfähiges Weibchen an einem gefällten Baumſtamme umherſpazieren ſehen, und im nächſten Jahre erſchienen von der Mitte Septembers an die Thiere ſo maſſenhaft in der Gegend von Halle, wie ſonſt nie. Am 20. des genannten Monats ſaßen am Stamme einer etwa fünfundzwanzigjährigen Kiefer nicht weniger als ſechs Weibchen, von denen vier ihren Bohrer zur Hälfte der Länge in das Holz verſenkt hatten. Sie unbeſchädigt herauszubekommen war nur durch Anfaſſen des letzteren mit Anwendung ziemlicher Kraft möglich, wollte man die Wespe ſelbſt ergreifen und an ihr ziehen, ſo würde man ſie mitten entzwei reißen, und der Hinterleib mit dem Bohrer würde im Holze ſitzen bleiben, wie ich mich mehrfach überzeugte. Dieſe und die folgende Art erſcheinen in manchen Jahren beſonders zahlreich, jedoch ergibt ſich aus den Aufzeichnungen durchaus keine Regelmäßigkeit oder periodiſche Wiederkehr dieſer Häufigkeit. 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Gemeine Holzwespe.
faſt wie Bienenzellen auf und nebeneinander liegen, ſo zwar, daß ihre Querachſe mit der Längs-
achſe des Zweiges zuſammenfällt und ihre beiden Enden freiſtehen. Dies Ganze wird von einer
gemeinſchaftlichen Bedeckung umſchloſſen, welche im Junern ſeidenartig, auswendig geleimt iſt.
Beiläufig ſei noch eines andern Ausnahmsfalles gedacht, welcher die Perga Lewisii, eine neuhol-
ländiſche Art, näher angeht. Jm April legt das Weibchen ſeine blaßgelben Eier zweireihig in die
Blattmittelrippe einer Eucalyptus-Art. Nach wenigen Tagen erſcheinen die dunkelgrünen Lärvchen
und freſſen geſellig, wie es ſcheint, des Nachts. Die Mutter ſitzt ſchützend über den Eiern
und der jungen Brut, während für gewöhnlich die Mütter nicht mehr ſind, wenn letztere zum
Leben erwacht. — Man kennt bis jetzt mindeſtens tauſend verſchiedene Glieder der Familie.
Am dritten Oktober (1857) bemerkte ich an einem Kiefernſtamm einige Fuß über der Erde
eine große, ſtahlblau erglänzende Holzwespe und zwar die gemeine Art (Sirex juvencus),
welche ihren ſchnurgeraden, von der Mitte des Hinterleibes ausgehenden, ſchwarzen Bohrer genau
in der Weiſe in das von
Rinde entblößte Holz ein-
geſenkt hatte, wie es
unſere Abbildung zeigt.
Da in den betreffenden
Büchern der Juni, Juli,
höchſtens noch Auguſt als
die Schwärmzeit dieſer
Thiere angegeben wird, ſo
überraſchte mich die Er-
ſcheinung. Jch näherte
mich behutſam, merkte
aber bald, daß ich einen
wohl erhaltenen — Leich-
nam vor mir hatte. Es
fehlten mir die nöthigen
Werkzeuge, um in dem
geſunden Holze nachzu-
[Abbildung Die gemeine Holzwespe (Sirox Juvancus), Eier legendes Weibchen und Larve.]
[Abbildung a b Larven vom Rücken und von der Seite, c Puppe der gemeinen Holzwespe.]
graben und zu ſehen, ob die ſorgſame Mutter ein Ei abgeſetzt und nicht mehr Kraft genug
gehabt habe, ihren Bohrer wieder herauszuziehen. Dieſelbe Erfahrung iſt auch von anderen
Seiten gemacht und beim Nachſuchen kein Ei entdeckt worden. Es liegt daher die Ver-
muthung nahe, daß jene im Drange ihrer Pflichterfüllung die ſchon vorher aufgewandten
Kräfte überſchätzt habe und mitten in ihrem Berufe geſtorben ſei. Jn Folge ſpäterer Er-
fahrungen konnte mich die Zeit, in der ſich die Wespe zeigte, nicht mehr in Verwunderung
ſetzen, denn einige Jahre nachher hatte ich noch am 7. November ein zwar ſehr kleines,
aber doch lebensfähiges Weibchen an einem gefällten Baumſtamme umherſpazieren ſehen, und
im nächſten Jahre erſchienen von der Mitte Septembers an die Thiere ſo maſſenhaft in der
Gegend von Halle, wie ſonſt nie. Am 20. des genannten Monats ſaßen am Stamme einer
etwa fünfundzwanzigjährigen Kiefer nicht weniger als ſechs Weibchen, von denen vier ihren Bohrer
zur Hälfte der Länge in das Holz verſenkt hatten. Sie unbeſchädigt herauszubekommen war nur
durch Anfaſſen des letzteren mit Anwendung ziemlicher Kraft möglich, wollte man die Wespe ſelbſt
ergreifen und an ihr ziehen, ſo würde man ſie mitten entzwei reißen, und der Hinterleib mit dem Bohrer
würde im Holze ſitzen bleiben, wie ich mich mehrfach überzeugte. Dieſe und die folgende Art
erſcheinen in manchen Jahren beſonders zahlreich, jedoch ergibt ſich aus den Aufzeichnungen
durchaus keine Regelmäßigkeit oder periodiſche Wiederkehr dieſer Häufigkeit. Was von der Ent-
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