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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Hautflügler. Jchneumoniden.
aufgenommen, weil die Spiegelzelle durch Fehlschlagen ihres inneren Nerven abhanden
gekommen ist. Wir werden später Beispiele kennen lernen, wo sie durch Schwinden des äußern
Nerven unvollständig wird, aber kein zweites der eben bezeichneten Art. Ueberdies sind die Klauen
gekämmt und der Hinterrücken glatt, während er bei Anomalon u. a. Runzeln zeigt. Unbedeutende
Farbenunterschiede zwischen braungran, schmuzig gelbroth, ob auf den Vorderflügeln Hornfleckchen
sichtbar werden oder nicht und ähnliche Dinge müssen beachtet werden, wenn man die Arten
erkennen will. Die zweite hier in Betracht kommende Gattung Paniscus hat das Flügelgeäder von
Anomalon, unterscheidet sich aber hauptsächlich durch gekämmte Fußklauen von ihm und von ver-
wandten Gattungen dadurch, daß die Luftlöcher des ersten Segments vor dessen Mitte stehen. Ja
ein Tryphonide (Mesoleptus testaceus) kann selbst von einem geübten Auge wegen seiner gleichen
Körperfarbe leicht mit hierhergezogen werden. Jch erwähne alle diese Thiere, nicht um einer Ver-
wechselung derselben mit einander vorzubeugen, denn dazu bedürfte es weitläufigerer Aus-
einandersetzungen, sondern wegen eines schon von Degeer u. a. beobachteten, höchst interessanten
Momentes aus ihrer Entwickelungsgeschichte. Jch meine die schon oben einmal flüchtig erwähnten,
gestielten Eier, welche bei Ophioniden und Tryphoniden wahrgenommen worden sind. Dieselben
hängen manchmal der weiblichen Wespe einzeln oder in gedrängten Trauben an der Hinterleibsspitze.
Was sollen sie hier? Jch kann mir diese Erscheinung nur dadurch erklären, daß das Weibchen
den Drang zum Ablegen der Eier hatte und den Gegenstand nicht fand, dem es dieselben anver-
trauen konnte. Dergleichen gestielte Eier fand ich schon öfter zu einem bis drei an verschiedenen
Stellen, vorzugsweise aber in der Nähe des Kopfes an einer und der andern nackten Schmetter-
lingsraupe. Dieselben sehen glänzend schwarz aus, den Samen mancher Pflanzen, etwa des bekannten
Fuchsschwanzes, nicht unähnlich und sind durch ein Häkchen in die Raupenhaut befestigt. Nach
den von mir gemachten Erfahrungen müssen bei der weitern Entwickelung der Eier zwei wesentlich
verschiedene Fälle vorkommen. Vor einigen Jahren fand ich die schöne Raupe der Hybocampa
Milhauseri,
eines bei den Sammlern der Seltenheit wegen in hohem Ansehen stehenden Spinners.
Leider war sie angestochen; denn an der linken Seite der vordern Segmente saßen zwei Eier von dem
beschriebenen Aussehen. Jn der Hoffnung, noch zur rechten Zeit als Arzt aufzutreten, zerdrückte
ich dieselben mit einer Pinzette, merkte aber leider dabei, daß ich es nur noch mit leeren Schalen zu
thun hatte, der Jnhalt also schon in den Raupenkörper eingedrungen sein mußte. Dessen unge-
achtet ward die Raupe sorgfältig gepflegt und ihr ein Stück Eichenrinde in ihr Gefängniß gegeben,
um ihr daran die Verpuppung zu ermöglichen. Dieselbe erfolgte auch in vollkommen normaler
Weise. Sie nagte ein flaches, elliptisches Lager aus, spann eine mit den Abnagseln untermischte
flache Hülse darüber, und der Cocon war so kunstgerecht angelegt, wie im Freien, so verborgen,
daß ihn nur ein geübter Blick von den übrigen Unebenheiten eines Eichenstammes unterscheiden
konnte. Alles dies geschah im Spätsommer. Jm Mai des nächsten Jahres mußte der Schmetter-
ling erscheinen, falls die Anlage zu ihm noch vorhanden war. Ehe aber die Zeit heran kam,
trieb mich die Neugierde. Der Cocon ward vorsichtig geöffnet und siehe da, statt der denselben
gänzlich füllenden Schmetterlingspuppe fand sich eine gestreckte, schwarze Tonnenpuppe, mir längst
schon als die einer Schlupfwespe bekannt. Einige Wochen später kam denn auch eine solche lehm-
gelbe Sichelwespe, der Paniscus testaceus, daraus hervorspaziert, welchen ich schon zweimal bei
früheren Gelegenheiten aus demselben Schmetterlingsgespinnste erzogen hatte. Was aus dem zweiten
Ei geworden sein mochte, kann ich nicht augeben, eine Schlupfwespe nur war das Ergebniß
der verunglückten Zucht, verunglückt in sofern, als ich eine Hybocampa Milhauseri zu erhalten
wünschte. Ein zweiter Fall, welchen ich hier erzählen will, um eine andere Schmarotzerweise zu
veranschaulichen, ist folgender. Jm Spätsommer trug ich eine Anzahl nackter Raupen einer eben
nicht seltenen Eule, der Naenia typica, ein. Sie waren noch ziemlich jung und wurden mit dem
auf allen Wegen wachsenden Vogelknöterich (Polygonum aviculare) gefüttert. Bald bemerkte ich,
daß einige der Raupen in ihrem Wachsthum zurückblieben, während die übrigen fröhlich gediehen.

Die Hautflügler. Jchneumoniden.
aufgenommen, weil die Spiegelzelle durch Fehlſchlagen ihres inneren Nerven abhanden
gekommen iſt. Wir werden ſpäter Beiſpiele kennen lernen, wo ſie durch Schwinden des äußern
Nerven unvollſtändig wird, aber kein zweites der eben bezeichneten Art. Ueberdies ſind die Klauen
gekämmt und der Hinterrücken glatt, während er bei Anomalon u. a. Runzeln zeigt. Unbedeutende
Farbenunterſchiede zwiſchen braungran, ſchmuzig gelbroth, ob auf den Vorderflügeln Hornfleckchen
ſichtbar werden oder nicht und ähnliche Dinge müſſen beachtet werden, wenn man die Arten
erkennen will. Die zweite hier in Betracht kommende Gattung Paniscus hat das Flügelgeäder von
Anomalon, unterſcheidet ſich aber hauptſächlich durch gekämmte Fußklauen von ihm und von ver-
wandten Gattungen dadurch, daß die Luftlöcher des erſten Segments vor deſſen Mitte ſtehen. Ja
ein Tryphonide (Mesoleptus testaceus) kann ſelbſt von einem geübten Auge wegen ſeiner gleichen
Körperfarbe leicht mit hierhergezogen werden. Jch erwähne alle dieſe Thiere, nicht um einer Ver-
wechſelung derſelben mit einander vorzubeugen, denn dazu bedürfte es weitläufigerer Aus-
einanderſetzungen, ſondern wegen eines ſchon von Degeer u. a. beobachteten, höchſt intereſſanten
Momentes aus ihrer Entwickelungsgeſchichte. Jch meine die ſchon oben einmal flüchtig erwähnten,
geſtielten Eier, welche bei Ophioniden und Tryphoniden wahrgenommen worden ſind. Dieſelben
hängen manchmal der weiblichen Wespe einzeln oder in gedrängten Trauben an der Hinterleibsſpitze.
Was ſollen ſie hier? Jch kann mir dieſe Erſcheinung nur dadurch erklären, daß das Weibchen
den Drang zum Ablegen der Eier hatte und den Gegenſtand nicht fand, dem es dieſelben anver-
trauen konnte. Dergleichen geſtielte Eier fand ich ſchon öfter zu einem bis drei an verſchiedenen
Stellen, vorzugsweiſe aber in der Nähe des Kopfes an einer und der andern nackten Schmetter-
lingsraupe. Dieſelben ſehen glänzend ſchwarz aus, den Samen mancher Pflanzen, etwa des bekannten
Fuchsſchwanzes, nicht unähnlich und ſind durch ein Häkchen in die Raupenhaut befeſtigt. Nach
den von mir gemachten Erfahrungen müſſen bei der weitern Entwickelung der Eier zwei weſentlich
verſchiedene Fälle vorkommen. Vor einigen Jahren fand ich die ſchöne Raupe der Hybocampa
Milhauseri,
eines bei den Sammlern der Seltenheit wegen in hohem Anſehen ſtehenden Spinners.
Leider war ſie angeſtochen; denn an der linken Seite der vordern Segmente ſaßen zwei Eier von dem
beſchriebenen Ausſehen. Jn der Hoffnung, noch zur rechten Zeit als Arzt aufzutreten, zerdrückte
ich dieſelben mit einer Pinzette, merkte aber leider dabei, daß ich es nur noch mit leeren Schalen zu
thun hatte, der Jnhalt alſo ſchon in den Raupenkörper eingedrungen ſein mußte. Deſſen unge-
achtet ward die Raupe ſorgfältig gepflegt und ihr ein Stück Eichenrinde in ihr Gefängniß gegeben,
um ihr daran die Verpuppung zu ermöglichen. Dieſelbe erfolgte auch in vollkommen normaler
Weiſe. Sie nagte ein flaches, elliptiſches Lager aus, ſpann eine mit den Abnagſeln untermiſchte
flache Hülſe darüber, und der Cocon war ſo kunſtgerecht angelegt, wie im Freien, ſo verborgen,
daß ihn nur ein geübter Blick von den übrigen Unebenheiten eines Eichenſtammes unterſcheiden
konnte. Alles dies geſchah im Spätſommer. Jm Mai des nächſten Jahres mußte der Schmetter-
ling erſcheinen, falls die Anlage zu ihm noch vorhanden war. Ehe aber die Zeit heran kam,
trieb mich die Neugierde. Der Cocon ward vorſichtig geöffnet und ſiehe da, ſtatt der denſelben
gänzlich füllenden Schmetterlingspuppe fand ſich eine geſtreckte, ſchwarze Tonnenpuppe, mir längſt
ſchon als die einer Schlupfwespe bekannt. Einige Wochen ſpäter kam denn auch eine ſolche lehm-
gelbe Sichelwespe, der Paniscus testaceus, daraus hervorſpaziert, welchen ich ſchon zweimal bei
früheren Gelegenheiten aus demſelben Schmetterlingsgeſpinnſte erzogen hatte. Was aus dem zweiten
Ei geworden ſein mochte, kann ich nicht augeben, eine Schlupfwespe nur war das Ergebniß
der verunglückten Zucht, verunglückt in ſofern, als ich eine Hybocampa Milhauseri zu erhalten
wünſchte. Ein zweiter Fall, welchen ich hier erzählen will, um eine andere Schmarotzerweiſe zu
veranſchaulichen, iſt folgender. Jm Spätſommer trug ich eine Anzahl nackter Raupen einer eben
nicht ſeltenen Eule, der Naenia typica, ein. Sie waren noch ziemlich jung und wurden mit dem
auf allen Wegen wachſenden Vogelknöterich (Polygonum aviculare) gefüttert. Bald bemerkte ich,
daß einige der Raupen in ihrem Wachsthum zurückblieben, während die übrigen fröhlich gediehen.

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[266/0288] Die Hautflügler. Jchneumoniden. aufgenommen, weil die Spiegelzelle durch Fehlſchlagen ihres inneren Nerven abhanden gekommen iſt. Wir werden ſpäter Beiſpiele kennen lernen, wo ſie durch Schwinden des äußern Nerven unvollſtändig wird, aber kein zweites der eben bezeichneten Art. Ueberdies ſind die Klauen gekämmt und der Hinterrücken glatt, während er bei Anomalon u. a. Runzeln zeigt. Unbedeutende Farbenunterſchiede zwiſchen braungran, ſchmuzig gelbroth, ob auf den Vorderflügeln Hornfleckchen ſichtbar werden oder nicht und ähnliche Dinge müſſen beachtet werden, wenn man die Arten erkennen will. Die zweite hier in Betracht kommende Gattung Paniscus hat das Flügelgeäder von Anomalon, unterſcheidet ſich aber hauptſächlich durch gekämmte Fußklauen von ihm und von ver- wandten Gattungen dadurch, daß die Luftlöcher des erſten Segments vor deſſen Mitte ſtehen. Ja ein Tryphonide (Mesoleptus testaceus) kann ſelbſt von einem geübten Auge wegen ſeiner gleichen Körperfarbe leicht mit hierhergezogen werden. Jch erwähne alle dieſe Thiere, nicht um einer Ver- wechſelung derſelben mit einander vorzubeugen, denn dazu bedürfte es weitläufigerer Aus- einanderſetzungen, ſondern wegen eines ſchon von Degeer u. a. beobachteten, höchſt intereſſanten Momentes aus ihrer Entwickelungsgeſchichte. Jch meine die ſchon oben einmal flüchtig erwähnten, geſtielten Eier, welche bei Ophioniden und Tryphoniden wahrgenommen worden ſind. Dieſelben hängen manchmal der weiblichen Wespe einzeln oder in gedrängten Trauben an der Hinterleibsſpitze. Was ſollen ſie hier? Jch kann mir dieſe Erſcheinung nur dadurch erklären, daß das Weibchen den Drang zum Ablegen der Eier hatte und den Gegenſtand nicht fand, dem es dieſelben anver- trauen konnte. Dergleichen geſtielte Eier fand ich ſchon öfter zu einem bis drei an verſchiedenen Stellen, vorzugsweiſe aber in der Nähe des Kopfes an einer und der andern nackten Schmetter- lingsraupe. Dieſelben ſehen glänzend ſchwarz aus, den Samen mancher Pflanzen, etwa des bekannten Fuchsſchwanzes, nicht unähnlich und ſind durch ein Häkchen in die Raupenhaut befeſtigt. Nach den von mir gemachten Erfahrungen müſſen bei der weitern Entwickelung der Eier zwei weſentlich verſchiedene Fälle vorkommen. Vor einigen Jahren fand ich die ſchöne Raupe der Hybocampa Milhauseri, eines bei den Sammlern der Seltenheit wegen in hohem Anſehen ſtehenden Spinners. Leider war ſie angeſtochen; denn an der linken Seite der vordern Segmente ſaßen zwei Eier von dem beſchriebenen Ausſehen. Jn der Hoffnung, noch zur rechten Zeit als Arzt aufzutreten, zerdrückte ich dieſelben mit einer Pinzette, merkte aber leider dabei, daß ich es nur noch mit leeren Schalen zu thun hatte, der Jnhalt alſo ſchon in den Raupenkörper eingedrungen ſein mußte. Deſſen unge- achtet ward die Raupe ſorgfältig gepflegt und ihr ein Stück Eichenrinde in ihr Gefängniß gegeben, um ihr daran die Verpuppung zu ermöglichen. Dieſelbe erfolgte auch in vollkommen normaler Weiſe. Sie nagte ein flaches, elliptiſches Lager aus, ſpann eine mit den Abnagſeln untermiſchte flache Hülſe darüber, und der Cocon war ſo kunſtgerecht angelegt, wie im Freien, ſo verborgen, daß ihn nur ein geübter Blick von den übrigen Unebenheiten eines Eichenſtammes unterſcheiden konnte. Alles dies geſchah im Spätſommer. Jm Mai des nächſten Jahres mußte der Schmetter- ling erſcheinen, falls die Anlage zu ihm noch vorhanden war. Ehe aber die Zeit heran kam, trieb mich die Neugierde. Der Cocon ward vorſichtig geöffnet und ſiehe da, ſtatt der denſelben gänzlich füllenden Schmetterlingspuppe fand ſich eine geſtreckte, ſchwarze Tonnenpuppe, mir längſt ſchon als die einer Schlupfwespe bekannt. Einige Wochen ſpäter kam denn auch eine ſolche lehm- gelbe Sichelwespe, der Paniscus testaceus, daraus hervorſpaziert, welchen ich ſchon zweimal bei früheren Gelegenheiten aus demſelben Schmetterlingsgeſpinnſte erzogen hatte. Was aus dem zweiten Ei geworden ſein mochte, kann ich nicht augeben, eine Schlupfwespe nur war das Ergebniß der verunglückten Zucht, verunglückt in ſofern, als ich eine Hybocampa Milhauseri zu erhalten wünſchte. Ein zweiter Fall, welchen ich hier erzählen will, um eine andere Schmarotzerweiſe zu veranſchaulichen, iſt folgender. Jm Spätſommer trug ich eine Anzahl nackter Raupen einer eben nicht ſeltenen Eule, der Naenia typica, ein. Sie waren noch ziemlich jung und wurden mit dem auf allen Wegen wachſenden Vogelknöterich (Polygonum aviculare) gefüttert. Bald bemerkte ich, daß einige der Raupen in ihrem Wachsthum zurückblieben, während die übrigen fröhlich gediehen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/288>, abgerufen am 23.11.2024.