Nichts weniger als natürlich schließt sich die elfte Familie, die der Evaniaden (Evaniadae) ab. Man hat in ihr nämlich, ohne Rücksicht zu nehmen auf die sonstige Körperbildung und den aller- dings einfachen Bau der Flügel, alle die Schlupfwespen vereinigt, bei denen sich der Hinterleib nicht in der gewöhnlichen Weise an der untern Partie des Hinterrückens anheftet, sondern in der Mitte oder noch höher, und dazu noch einige andere gebracht, welche sonst kein Unterkommen im System finden konnten.
Die Gattung Evania, welche als die artenreichste den Namen hergab, findet sich in allen Welttheilen und scheint bei den Schaben (Blatta) zu schmarotzen, was wenigstens von einigen Arten erwiesen ist. Die zu den kleineren Wespen zählenden Thiere haben ein eigenthümlich ver- kommenes Ansehen, indem der sichelförmige, comprimirte Hinterleib, welcher oben an den beinahe rechteckigen, kräftigen Thorax sich ansetzt, gegen diesen durch seine Kleinheit fast verschwindet, zumal wenn die langen, dünnen Hinterschenkel ihn seitlich decken. Der breite Kopf trägt in der Mitte zwischen den Augen die dicken, geraden Fühler von Körperlänge. Die Vorderflügel haben eine große Rand- und Unterrand- und eine Mittelzelle, es gibt aber auch Arten, bei denen sie fast nervenlos sind und nur zwei Adern von der Wurzel bis zum kleinen Flügelmale aufzuweisen haben. Diese trennte man unter dem besondern Namen Brachygaster von Evania und mußte u. a. den 11/2 bis 2 Linien langen B. minutus (Hyptia minuta) daselbst unterbringen, welcher die am weitesten nach Norden verbreitete Art zu sein scheint.
An alten Lehmwänden, für den Jmmensammler beutereiche Orte, fliegt in der Sommerzeit zwischen einer Menge anderer Bewohner jener Stätten ein schlankes Thierchen in so auffälliger Weise, daß es dem einigermaßen aufmerksamen Beobachter unmöglich entgehen kann. Wie eine drohend geschwungene Keule den Hinterleib emporhaltend, die gleichfalls keulenförmigen Hinter-
[Abbildung]
Der Pfeilträger (Foenus jaculator).
schienen weit spreizend, wiegt es sich in sanften Bogenschwingungen hart an der Mauer und wird kaum müde; denn nur selten sieht man es storchbeinig mit aufrechten Flügeln einige Schritte hin- wandeln. Es ist der bei mauerbewohnenden Hautflüglern schma- rotzende Foenus assectator, ein durchaus von der Seite breit ge- drücktes, schwarzes, am Hinterleib roth geflecktes und auch an den Kniekehlen der Hinterschienen rothes Wesen, dessen Bohrer etwa den vierten Theil der Hinterleibs- länge erreicht. Eine zweite, seltnere, aber auch etwas stattlichere Art, den Foenus jaculator (den Pfeilträger), vergegenwärtigt die Abbildung. Vom vorigen unterscheiden ihn die an der Wurzel weißen Schienen und Tarsen, was wenigstens von den hintersten gilt, der in der Mitte rothe Hinterleib und der bei weitem längere Bohrer. Man kennt noch eine capenser, eine neu- holländische und mehrere brasilianische Arten, in Summe etwa zwanzig, welche zum Theil unsere heimischen an Größe übertreffen.
Der Stephanus coronator aus Java und Ostindien ist ein ähnliches, aber bedeutend größeres Thier. Sein kugelförmiger Kopf mit den dünnen, borstigen Fühlern sitzt lose auf dem cylin- drischen, zu einem Halse verdünnten Thorax auf und hat an der Stirn mehrere zahnartige Stacheln. Hier sind nicht die hintersten Schienen verdickt, sondern die Schenkel und deren lange Hüften.
Von durchaus verschiedener Bauart erscheint der südamerikantsche Pelceinus polycerator, welcher auch hierher gerechnet wird, obschon der über den Hüften am kegelig nach hinten verengten Hinterrücken normal eingefügte Hinterleib keine Veranlassung dazu bietet. Wohin sollte man aber ein so sonderbares Thier stellen? Passender vielleicht zu den Proctotrupiern, wo er mit einer nahe stehenden Uebergangsgattung Monomachus auch untergebracht worden ist. Statt aller Eigen- heiten in der Körpertracht von Pelecinus sei nur hingewiesen auf die keulenförmigen, nach der Wurzel hin plötzlich verdünnten Hinterschienen, auf ihre viel schwächer kenlenförmigen, dünnen und
Die Hautflügler. Evaniaden.
Nichts weniger als natürlich ſchließt ſich die elfte Familie, die der Evaniaden (Evaniadae) ab. Man hat in ihr nämlich, ohne Rückſicht zu nehmen auf die ſonſtige Körperbildung und den aller- dings einfachen Bau der Flügel, alle die Schlupfwespen vereinigt, bei denen ſich der Hinterleib nicht in der gewöhnlichen Weiſe an der untern Partie des Hinterrückens anheftet, ſondern in der Mitte oder noch höher, und dazu noch einige andere gebracht, welche ſonſt kein Unterkommen im Syſtem finden konnten.
Die Gattung Evania, welche als die artenreichſte den Namen hergab, findet ſich in allen Welttheilen und ſcheint bei den Schaben (Blatta) zu ſchmarotzen, was wenigſtens von einigen Arten erwieſen iſt. Die zu den kleineren Wespen zählenden Thiere haben ein eigenthümlich ver- kommenes Anſehen, indem der ſichelförmige, comprimirte Hinterleib, welcher oben an den beinahe rechteckigen, kräftigen Thorax ſich anſetzt, gegen dieſen durch ſeine Kleinheit faſt verſchwindet, zumal wenn die langen, dünnen Hinterſchenkel ihn ſeitlich decken. Der breite Kopf trägt in der Mitte zwiſchen den Augen die dicken, geraden Fühler von Körperlänge. Die Vorderflügel haben eine große Rand- und Unterrand- und eine Mittelzelle, es gibt aber auch Arten, bei denen ſie faſt nervenlos ſind und nur zwei Adern von der Wurzel bis zum kleinen Flügelmale aufzuweiſen haben. Dieſe trennte man unter dem beſondern Namen Brachygaster von Evania und mußte u. a. den 1½ bis 2 Linien langen B. minutus (Hyptia minuta) daſelbſt unterbringen, welcher die am weiteſten nach Norden verbreitete Art zu ſein ſcheint.
An alten Lehmwänden, für den Jmmenſammler beutereiche Orte, fliegt in der Sommerzeit zwiſchen einer Menge anderer Bewohner jener Stätten ein ſchlankes Thierchen in ſo auffälliger Weiſe, daß es dem einigermaßen aufmerkſamen Beobachter unmöglich entgehen kann. Wie eine drohend geſchwungene Keule den Hinterleib emporhaltend, die gleichfalls keulenförmigen Hinter-
[Abbildung]
Der Pfeilträger (Foenus jaculator).
ſchienen weit ſpreizend, wiegt es ſich in ſanften Bogenſchwingungen hart an der Mauer und wird kaum müde; denn nur ſelten ſieht man es ſtorchbeinig mit aufrechten Flügeln einige Schritte hin- wandeln. Es iſt der bei mauerbewohnenden Hautflüglern ſchma- rotzende Foenus assectator, ein durchaus von der Seite breit ge- drücktes, ſchwarzes, am Hinterleib roth geflecktes und auch an den Kniekehlen der Hinterſchienen rothes Weſen, deſſen Bohrer etwa den vierten Theil der Hinterleibs- länge erreicht. Eine zweite, ſeltnere, aber auch etwas ſtattlichere Art, den Foenus jaculator (den Pfeilträger), vergegenwärtigt die Abbildung. Vom vorigen unterſcheiden ihn die an der Wurzel weißen Schienen und Tarſen, was wenigſtens von den hinterſten gilt, der in der Mitte rothe Hinterleib und der bei weitem längere Bohrer. Man kennt noch eine capenſer, eine neu- holländiſche und mehrere braſilianiſche Arten, in Summe etwa zwanzig, welche zum Theil unſere heimiſchen an Größe übertreffen.
Der Stephanus coronator aus Java und Oſtindien iſt ein ähnliches, aber bedeutend größeres Thier. Sein kugelförmiger Kopf mit den dünnen, borſtigen Fühlern ſitzt loſe auf dem cylin- driſchen, zu einem Halſe verdünnten Thorax auf und hat an der Stirn mehrere zahnartige Stacheln. Hier ſind nicht die hinterſten Schienen verdickt, ſondern die Schenkel und deren lange Hüften.
Von durchaus verſchiedener Bauart erſcheint der ſüdamerikantſche Pelceinus polycerator, welcher auch hierher gerechnet wird, obſchon der über den Hüften am kegelig nach hinten verengten Hinterrücken normal eingefügte Hinterleib keine Veranlaſſung dazu bietet. Wohin ſollte man aber ein ſo ſonderbares Thier ſtellen? Paſſender vielleicht zu den Proctotrupiern, wo er mit einer nahe ſtehenden Uebergangsgattung Monomachus auch untergebracht worden iſt. Statt aller Eigen- heiten in der Körpertracht von Pelecinus ſei nur hingewieſen auf die keulenförmigen, nach der Wurzel hin plötzlich verdünnten Hinterſchienen, auf ihre viel ſchwächer kenlenförmigen, dünnen und
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[254/0276]
Die Hautflügler. Evaniaden.
Nichts weniger als natürlich ſchließt ſich die elfte Familie, die der Evaniaden (Evaniadae) ab.
Man hat in ihr nämlich, ohne Rückſicht zu nehmen auf die ſonſtige Körperbildung und den aller-
dings einfachen Bau der Flügel, alle die Schlupfwespen vereinigt, bei denen ſich der Hinterleib
nicht in der gewöhnlichen Weiſe an der untern Partie des Hinterrückens anheftet, ſondern in der
Mitte oder noch höher, und dazu noch einige andere gebracht, welche ſonſt kein Unterkommen im
Syſtem finden konnten.
Die Gattung Evania, welche als die artenreichſte den Namen hergab, findet ſich in allen
Welttheilen und ſcheint bei den Schaben (Blatta) zu ſchmarotzen, was wenigſtens von einigen
Arten erwieſen iſt. Die zu den kleineren Wespen zählenden Thiere haben ein eigenthümlich ver-
kommenes Anſehen, indem der ſichelförmige, comprimirte Hinterleib, welcher oben an den beinahe
rechteckigen, kräftigen Thorax ſich anſetzt, gegen dieſen durch ſeine Kleinheit faſt verſchwindet, zumal
wenn die langen, dünnen Hinterſchenkel ihn ſeitlich decken. Der breite Kopf trägt in der Mitte
zwiſchen den Augen die dicken, geraden Fühler von Körperlänge. Die Vorderflügel haben eine
große Rand- und Unterrand- und eine Mittelzelle, es gibt aber auch Arten, bei denen ſie faſt
nervenlos ſind und nur zwei Adern von der Wurzel bis zum kleinen Flügelmale aufzuweiſen
haben. Dieſe trennte man unter dem beſondern Namen Brachygaster von Evania und mußte u. a.
den 1½ bis 2 Linien langen B. minutus (Hyptia minuta) daſelbſt unterbringen, welcher die am
weiteſten nach Norden verbreitete Art zu ſein ſcheint.
An alten Lehmwänden, für den Jmmenſammler beutereiche Orte, fliegt in der Sommerzeit
zwiſchen einer Menge anderer Bewohner jener Stätten ein ſchlankes Thierchen in ſo auffälliger
Weiſe, daß es dem einigermaßen aufmerkſamen Beobachter unmöglich entgehen kann. Wie eine
drohend geſchwungene Keule den Hinterleib emporhaltend, die gleichfalls keulenförmigen Hinter-
[Abbildung Der Pfeilträger (Foenus
jaculator).]
ſchienen weit ſpreizend, wiegt es ſich in ſanften Bogenſchwingungen
hart an der Mauer und wird kaum müde; denn nur ſelten ſieht
man es ſtorchbeinig mit aufrechten Flügeln einige Schritte hin-
wandeln. Es iſt der bei mauerbewohnenden Hautflüglern ſchma-
rotzende Foenus assectator, ein durchaus von der Seite breit ge-
drücktes, ſchwarzes, am Hinterleib roth geflecktes und auch an den
Kniekehlen der Hinterſchienen rothes Weſen, deſſen Bohrer etwa den vierten Theil der Hinterleibs-
länge erreicht. Eine zweite, ſeltnere, aber auch etwas ſtattlichere Art, den Foenus jaculator
(den Pfeilträger), vergegenwärtigt die Abbildung. Vom vorigen unterſcheiden ihn die an der
Wurzel weißen Schienen und Tarſen, was wenigſtens von den hinterſten gilt, der in der Mitte
rothe Hinterleib und der bei weitem längere Bohrer. Man kennt noch eine capenſer, eine neu-
holländiſche und mehrere braſilianiſche Arten, in Summe etwa zwanzig, welche zum Theil
unſere heimiſchen an Größe übertreffen.
Der Stephanus coronator aus Java und Oſtindien iſt ein ähnliches, aber bedeutend größeres
Thier. Sein kugelförmiger Kopf mit den dünnen, borſtigen Fühlern ſitzt loſe auf dem cylin-
driſchen, zu einem Halſe verdünnten Thorax auf und hat an der Stirn mehrere zahnartige Stacheln.
Hier ſind nicht die hinterſten Schienen verdickt, ſondern die Schenkel und deren lange Hüften.
Von durchaus verſchiedener Bauart erſcheint der ſüdamerikantſche Pelceinus polycerator,
welcher auch hierher gerechnet wird, obſchon der über den Hüften am kegelig nach hinten verengten
Hinterrücken normal eingefügte Hinterleib keine Veranlaſſung dazu bietet. Wohin ſollte man
aber ein ſo ſonderbares Thier ſtellen? Paſſender vielleicht zu den Proctotrupiern, wo er mit einer
nahe ſtehenden Uebergangsgattung Monomachus auch untergebracht worden iſt. Statt aller Eigen-
heiten in der Körpertracht von Pelecinus ſei nur hingewieſen auf die keulenförmigen, nach der
Wurzel hin plötzlich verdünnten Hinterſchienen, auf ihre viel ſchwächer kenlenförmigen, dünnen und
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/276>, abgerufen am 23.11.2024.
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