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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Psammophila. Gemeine Sandwespe.
Gewohnheiten der kecken Gesellen, zumal wenn sie in Masse neben einander wohnen und geschäftig
ab und zufliegen. Nach Morgen gelegene, verfallene Abhänge eines sandigen Grabens und ähnliche,
aber immer offene Stellen wählen sie besonders aus, um ihre Nester anzulegen. Wie ein Hund, welcher
ein Loch in die Erde scharrt, so wirft die um die Nachkommenschaft besorgte Wespenmutter mit den
Vorderbeinen den Sand zwischen ihren übrigen Beinen und unter dem Körper in einer Hast hinter sich,
daß leichte Staubwölkchen um sie aufwirbeln, und summt dabei im hohen Tone ein lustiges Liedchen.
Hört man diesen eigenthümlichen Ton, so kann man sicher darauf rechnen, die Wespe bei dieser
Beschäftigung anzutreffen. Häuft sich der Sand beim weiteren Vorrücken in das Jnnere zu sehr
hinter dem Loche an, so stellt sie sich darauf und fegt unter Staubwirbeln den ganzen Haufen
aus einander. Kleine Steinchen, an denen es auf solchem Boden nicht zu fehlen pflegt, und der
feuchte Sand werden zwischen Kopf und Vorderfüße geklemmt und herausgetragen. Die Wespe
kommt rückwärts aus dem Loche hervor, nimmt fliegend einen kleinen Satz abseits von diesem
und läßt ihre Bürde fallen. Jn demselben Augenblicke ist sie auch schon wieder in der Erde ver-
[Abbildung] Gemeine Sandwesye (Ammophila sabulosa). Gekielte Siebwespe (Crabro striatus) (S. 237), Männchen.
schwunden und wiederholt dieselbe Schachtungsweise zwei, drei Mal nach einander. Dann bleibt
sie, wohl der Abwechselung wegen, auch einmal vor der Oeffnung sitzen, streicht mit den Vorder-
beinen über die Fühler hin, geht um ihren Bau herum, mit Kennerblick die Anlage zu mustern,
in ihrem Selbstbewußtsein stolz den Hinterleib emporhaltend. Husch! und sie ist wieder im Jnnern
verschwunden. Je tiefer sie vordringt, desto länger dauert es, ehe sie, mit neuem Abraum beladen,
sich rückwärts wieder herausdrängt, doch geschieht dies stets nach verhältnißmäßig kurzer Zeit.
Jetzt kommt sie heraus und fliegt fort in das Weite, sicher will sie sich nun stärken nach der
anstrengenden Arbeit und ein wenig Honig lecken; denn kräftigere Fleischkost nimmt sie ja niemals
zu sich. Nicht minder interessant wie der Nestbau ist das Herbeischaffen der Schmetterlingsraupen
für die künftige Brut; denn nur solche, aber nach den verschiedenen Beobachtungen von verschiedenen
Arten, wenn sie nur groß und nicht behaart sind, werden von der Sandwespe aufgesucht. Die
Stelle, an welcher ich meist Gelegenheit fand, eine große Menge von Nestern zu beobachten, war
nicht eben günstig für den Transport, denn die Nester befanden sich an einem Grabenhange längs eines
Waldsaumes, und ein Brachacker jenseits des Grabens lieferte die Raupen gewisser Ackereulen.
Jst eine aufgefunden, so werden mit ihr, der Wehrlosen, wenig Umstände gemacht, ein paar Stiche

Pſammophila. Gemeine Sandwespe.
Gewohnheiten der kecken Geſellen, zumal wenn ſie in Maſſe neben einander wohnen und geſchäftig
ab und zufliegen. Nach Morgen gelegene, verfallene Abhänge eines ſandigen Grabens und ähnliche,
aber immer offene Stellen wählen ſie beſonders aus, um ihre Neſter anzulegen. Wie ein Hund, welcher
ein Loch in die Erde ſcharrt, ſo wirft die um die Nachkommenſchaft beſorgte Wespenmutter mit den
Vorderbeinen den Sand zwiſchen ihren übrigen Beinen und unter dem Körper in einer Haſt hinter ſich,
daß leichte Staubwölkchen um ſie aufwirbeln, und ſummt dabei im hohen Tone ein luſtiges Liedchen.
Hört man dieſen eigenthümlichen Ton, ſo kann man ſicher darauf rechnen, die Wespe bei dieſer
Beſchäftigung anzutreffen. Häuft ſich der Sand beim weiteren Vorrücken in das Jnnere zu ſehr
hinter dem Loche an, ſo ſtellt ſie ſich darauf und fegt unter Staubwirbeln den ganzen Haufen
aus einander. Kleine Steinchen, an denen es auf ſolchem Boden nicht zu fehlen pflegt, und der
feuchte Sand werden zwiſchen Kopf und Vorderfüße geklemmt und herausgetragen. Die Wespe
kommt rückwärts aus dem Loche hervor, nimmt fliegend einen kleinen Satz abſeits von dieſem
und läßt ihre Bürde fallen. Jn demſelben Augenblicke iſt ſie auch ſchon wieder in der Erde ver-
[Abbildung] Gemeine Sandwesye (Ammophila sabulosa). Gekielte Siebwespe (Crabro striatus) (S. 237), Männchen.
ſchwunden und wiederholt dieſelbe Schachtungsweiſe zwei, drei Mal nach einander. Dann bleibt
ſie, wohl der Abwechſelung wegen, auch einmal vor der Oeffnung ſitzen, ſtreicht mit den Vorder-
beinen über die Fühler hin, geht um ihren Bau herum, mit Kennerblick die Anlage zu muſtern,
in ihrem Selbſtbewußtſein ſtolz den Hinterleib emporhaltend. Huſch! und ſie iſt wieder im Jnnern
verſchwunden. Je tiefer ſie vordringt, deſto länger dauert es, ehe ſie, mit neuem Abraum beladen,
ſich rückwärts wieder herausdrängt, doch geſchieht dies ſtets nach verhältnißmäßig kurzer Zeit.
Jetzt kommt ſie heraus und fliegt fort in das Weite, ſicher will ſie ſich nun ſtärken nach der
anſtrengenden Arbeit und ein wenig Honig lecken; denn kräftigere Fleiſchkoſt nimmt ſie ja niemals
zu ſich. Nicht minder intereſſant wie der Neſtbau iſt das Herbeiſchaffen der Schmetterlingsraupen
für die künftige Brut; denn nur ſolche, aber nach den verſchiedenen Beobachtungen von verſchiedenen
Arten, wenn ſie nur groß und nicht behaart ſind, werden von der Sandwespe aufgeſucht. Die
Stelle, an welcher ich meiſt Gelegenheit fand, eine große Menge von Neſtern zu beobachten, war
nicht eben günſtig für den Transport, denn die Neſter befanden ſich an einem Grabenhange längs eines
Waldſaumes, und ein Brachacker jenſeits des Grabens lieferte die Raupen gewiſſer Ackereulen.
Jſt eine aufgefunden, ſo werden mit ihr, der Wehrloſen, wenig Umſtände gemacht, ein paar Stiche

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[231/0253] Pſammophila. Gemeine Sandwespe. Gewohnheiten der kecken Geſellen, zumal wenn ſie in Maſſe neben einander wohnen und geſchäftig ab und zufliegen. Nach Morgen gelegene, verfallene Abhänge eines ſandigen Grabens und ähnliche, aber immer offene Stellen wählen ſie beſonders aus, um ihre Neſter anzulegen. Wie ein Hund, welcher ein Loch in die Erde ſcharrt, ſo wirft die um die Nachkommenſchaft beſorgte Wespenmutter mit den Vorderbeinen den Sand zwiſchen ihren übrigen Beinen und unter dem Körper in einer Haſt hinter ſich, daß leichte Staubwölkchen um ſie aufwirbeln, und ſummt dabei im hohen Tone ein luſtiges Liedchen. Hört man dieſen eigenthümlichen Ton, ſo kann man ſicher darauf rechnen, die Wespe bei dieſer Beſchäftigung anzutreffen. Häuft ſich der Sand beim weiteren Vorrücken in das Jnnere zu ſehr hinter dem Loche an, ſo ſtellt ſie ſich darauf und fegt unter Staubwirbeln den ganzen Haufen aus einander. Kleine Steinchen, an denen es auf ſolchem Boden nicht zu fehlen pflegt, und der feuchte Sand werden zwiſchen Kopf und Vorderfüße geklemmt und herausgetragen. Die Wespe kommt rückwärts aus dem Loche hervor, nimmt fliegend einen kleinen Satz abſeits von dieſem und läßt ihre Bürde fallen. Jn demſelben Augenblicke iſt ſie auch ſchon wieder in der Erde ver- [Abbildung Gemeine Sandwesye (Ammophila sabulosa). Gekielte Siebwespe (Crabro striatus) (S. 237), Männchen.] ſchwunden und wiederholt dieſelbe Schachtungsweiſe zwei, drei Mal nach einander. Dann bleibt ſie, wohl der Abwechſelung wegen, auch einmal vor der Oeffnung ſitzen, ſtreicht mit den Vorder- beinen über die Fühler hin, geht um ihren Bau herum, mit Kennerblick die Anlage zu muſtern, in ihrem Selbſtbewußtſein ſtolz den Hinterleib emporhaltend. Huſch! und ſie iſt wieder im Jnnern verſchwunden. Je tiefer ſie vordringt, deſto länger dauert es, ehe ſie, mit neuem Abraum beladen, ſich rückwärts wieder herausdrängt, doch geſchieht dies ſtets nach verhältnißmäßig kurzer Zeit. Jetzt kommt ſie heraus und fliegt fort in das Weite, ſicher will ſie ſich nun ſtärken nach der anſtrengenden Arbeit und ein wenig Honig lecken; denn kräftigere Fleiſchkoſt nimmt ſie ja niemals zu ſich. Nicht minder intereſſant wie der Neſtbau iſt das Herbeiſchaffen der Schmetterlingsraupen für die künftige Brut; denn nur ſolche, aber nach den verſchiedenen Beobachtungen von verſchiedenen Arten, wenn ſie nur groß und nicht behaart ſind, werden von der Sandwespe aufgeſucht. Die Stelle, an welcher ich meiſt Gelegenheit fand, eine große Menge von Neſtern zu beobachten, war nicht eben günſtig für den Transport, denn die Neſter befanden ſich an einem Grabenhange längs eines Waldſaumes, und ein Brachacker jenſeits des Grabens lieferte die Raupen gewiſſer Ackereulen. Jſt eine aufgefunden, ſo werden mit ihr, der Wehrloſen, wenig Umſtände gemacht, ein paar Stiche

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/253>, abgerufen am 23.11.2024.