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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Hautflügler. Heterogynen.
Mittelleib von viereckigen Umrissen und rother Farbe, einen schwarzen, anliegend schwarz behaarten
und an einigen Segmenten bleich rostgelb bandirten Hinterleib. Diese Haarbinden treffen die drei
vordersten Glieder und verlaufen am ersten ohne Unterbrechung in der Mitte. Die kurzen,
schwarzen Beine erscheinen rauh, mehr durch borstige Behaarung, als durch Stacheln. Am Bauche
endlich findet sich zwischen den beiden ersten Ringen eine tiefe Querfurche. Nebenaugen, Flügel
und ein für sie eingerichteter Thorax, welcher die drei Ringe trotz der starken Behaarung sehr
wohl erkennen läßt, zeichnen das Männchen aus. Bei ihm sind Mittelrücken und Schildchen
braunroth gefärbt, die drei hellen Hinterleibsbinden mehr silberglänzend, die mittleren schmäler
und nicht unterbrochen, auch mischen sich unter die schwarzen Haare des Hinterleibes und der
Füße zahlreiche weiße. Durch Reibung des zweiten und dritten Hinterleibsringes an einander
vermögen beide Geschlechter einen schrillenden Ton hervorzubringen, möglichenfalls, um sich gegen-
seitig dadurch anzulocken, da ihre Lebensweisen auseinander gehen. Die Weibchen steht man im
Sommer auf sandigen Wegen und Hängen immer vereinzelt umherlaufen, geschäftig wie eine
Ameise, während die Männchen Blumen und von Blattläusen gewürztes Gesträuch besuchen.
Hummelnestern waren beide entsprossen; denn die Larve lebt hier als Schmarotzer und zehrt die
erwachsenen Hummellarven auf. Christ, welcher als erster Beobachter in dem einen Hummel-
[Abbildung] Weibchen, Männchen der Scolia haemorrholdalis. Männchen, Weibchen der europäischen Spinnenameise (Mutilla europaea).
cocon die rechtmäßige Bewohnerin, im benachbarten eine Mutillenlarve antraf, glaubte auf ein
intimes Familienleben schließen zu müssen, welches beide Thiere vereinige. Dem ist aber nicht so,
vielmehr muß die weibliche Bienenameise mittelst ihres langen Stachels die Hummellarve mit
einem Eie betranen, so lange diese noch frei in ihrem Futterbreie lebt und sich ernährt. Diese
wird durch den Keim des Todes in ihrem Jnnern so wenig in ihrer natürlichen Entwickelung
gestört, wie so manche Schmetterlingsraupe, in deren Leibe eine Schlupfwespe haust, denn sie
spinnt sich ihr Cocon. Hier, ganz im Geheimen, geschehen Dinge, welche dem Blicke des wiß-
begierigen Forschers entzogen sind. Seiner Zeit bricht keine Hummel, sondern eine Spinnenameise
daraus hervor. Herr Drewsen, welcher ein Hummelnest der Bombus Serimshiranus mit mehr
als hundert geschlossenen Cocons heimgetragen hatte, erzog daraus 76 Mutillen, darunter 44 Männ-
chen und nur zwei männliche Hummeln, außerdem erschienen noch mehrere andere Schmarotzer
in Fliegengestalt, Volucella plumata zwei Männchen und Volucella bombylans ein Weibchen,
deren Maden aus dem Cocon hervorkamen und sich außerhalb verpuppten, sowie endlich zwei
Arten Anthomyia. Wenn jedes Hummelnest so heimgesucht wäre von Fremdlingen, wie stände
es dann um das Hummelgeschlecht? Es müßte bald von der Erde verschwinden. Die erzogenen
Spinnenameisen paarten sich, worauf die Männchen sämmtlich starben, die Weibchen sich in die
Erde eingruben, um in zusammengekugelter Lage zu überwintern. Jch fand eins dergleichen am
5. Mai unter einem Steine im Winterlager. Jm nächsten Frühjahre besteht nun die Aufgabe
darin, Hummelnester ausfindig zu machen und die Eier daselbst unterzubringen. Daß indeß nicht

Die Hautflügler. Heterogynen.
Mittelleib von viereckigen Umriſſen und rother Farbe, einen ſchwarzen, anliegend ſchwarz behaarten
und an einigen Segmenten bleich roſtgelb bandirten Hinterleib. Dieſe Haarbinden treffen die drei
vorderſten Glieder und verlaufen am erſten ohne Unterbrechung in der Mitte. Die kurzen,
ſchwarzen Beine erſcheinen rauh, mehr durch borſtige Behaarung, als durch Stacheln. Am Bauche
endlich findet ſich zwiſchen den beiden erſten Ringen eine tiefe Querfurche. Nebenaugen, Flügel
und ein für ſie eingerichteter Thorax, welcher die drei Ringe trotz der ſtarken Behaarung ſehr
wohl erkennen läßt, zeichnen das Männchen aus. Bei ihm ſind Mittelrücken und Schildchen
braunroth gefärbt, die drei hellen Hinterleibsbinden mehr ſilberglänzend, die mittleren ſchmäler
und nicht unterbrochen, auch miſchen ſich unter die ſchwarzen Haare des Hinterleibes und der
Füße zahlreiche weiße. Durch Reibung des zweiten und dritten Hinterleibsringes an einander
vermögen beide Geſchlechter einen ſchrillenden Ton hervorzubringen, möglichenfalls, um ſich gegen-
ſeitig dadurch anzulocken, da ihre Lebensweiſen auseinander gehen. Die Weibchen ſteht man im
Sommer auf ſandigen Wegen und Hängen immer vereinzelt umherlaufen, geſchäftig wie eine
Ameiſe, während die Männchen Blumen und von Blattläuſen gewürztes Geſträuch beſuchen.
Hummelneſtern waren beide entſproſſen; denn die Larve lebt hier als Schmarotzer und zehrt die
erwachſenen Hummellarven auf. Chriſt, welcher als erſter Beobachter in dem einen Hummel-
[Abbildung] Weibchen, Männchen der Scolia haemorrholdalis. Männchen, Weibchen der europäiſchen Spinnenameiſe (Mutilla europaea).
cocon die rechtmäßige Bewohnerin, im benachbarten eine Mutillenlarve antraf, glaubte auf ein
intimes Familienleben ſchließen zu müſſen, welches beide Thiere vereinige. Dem iſt aber nicht ſo,
vielmehr muß die weibliche Bienenameiſe mittelſt ihres langen Stachels die Hummellarve mit
einem Eie betranen, ſo lange dieſe noch frei in ihrem Futterbreie lebt und ſich ernährt. Dieſe
wird durch den Keim des Todes in ihrem Jnnern ſo wenig in ihrer natürlichen Entwickelung
geſtört, wie ſo manche Schmetterlingsraupe, in deren Leibe eine Schlupfwespe hauſt, denn ſie
ſpinnt ſich ihr Cocon. Hier, ganz im Geheimen, geſchehen Dinge, welche dem Blicke des wiß-
begierigen Forſchers entzogen ſind. Seiner Zeit bricht keine Hummel, ſondern eine Spinnenameiſe
daraus hervor. Herr Drewſen, welcher ein Hummelneſt der Bombus Serimshiranus mit mehr
als hundert geſchloſſenen Cocons heimgetragen hatte, erzog daraus 76 Mutillen, darunter 44 Männ-
chen und nur zwei männliche Hummeln, außerdem erſchienen noch mehrere andere Schmarotzer
in Fliegengeſtalt, Volucella plumata zwei Männchen und Volucella bombylans ein Weibchen,
deren Maden aus dem Cocon hervorkamen und ſich außerhalb verpuppten, ſowie endlich zwei
Arten Anthomyia. Wenn jedes Hummelneſt ſo heimgeſucht wäre von Fremdlingen, wie ſtände
es dann um das Hummelgeſchlecht? Es müßte bald von der Erde verſchwinden. Die erzogenen
Spinnenameiſen paarten ſich, worauf die Männchen ſämmtlich ſtarben, die Weibchen ſich in die
Erde eingruben, um in zuſammengekugelter Lage zu überwintern. Jch fand eins dergleichen am
5. Mai unter einem Steine im Winterlager. Jm nächſten Frühjahre beſteht nun die Aufgabe
darin, Hummelneſter ausfindig zu machen und die Eier daſelbſt unterzubringen. Daß indeß nicht

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[224/0246] Die Hautflügler. Heterogynen. Mittelleib von viereckigen Umriſſen und rother Farbe, einen ſchwarzen, anliegend ſchwarz behaarten und an einigen Segmenten bleich roſtgelb bandirten Hinterleib. Dieſe Haarbinden treffen die drei vorderſten Glieder und verlaufen am erſten ohne Unterbrechung in der Mitte. Die kurzen, ſchwarzen Beine erſcheinen rauh, mehr durch borſtige Behaarung, als durch Stacheln. Am Bauche endlich findet ſich zwiſchen den beiden erſten Ringen eine tiefe Querfurche. Nebenaugen, Flügel und ein für ſie eingerichteter Thorax, welcher die drei Ringe trotz der ſtarken Behaarung ſehr wohl erkennen läßt, zeichnen das Männchen aus. Bei ihm ſind Mittelrücken und Schildchen braunroth gefärbt, die drei hellen Hinterleibsbinden mehr ſilberglänzend, die mittleren ſchmäler und nicht unterbrochen, auch miſchen ſich unter die ſchwarzen Haare des Hinterleibes und der Füße zahlreiche weiße. Durch Reibung des zweiten und dritten Hinterleibsringes an einander vermögen beide Geſchlechter einen ſchrillenden Ton hervorzubringen, möglichenfalls, um ſich gegen- ſeitig dadurch anzulocken, da ihre Lebensweiſen auseinander gehen. Die Weibchen ſteht man im Sommer auf ſandigen Wegen und Hängen immer vereinzelt umherlaufen, geſchäftig wie eine Ameiſe, während die Männchen Blumen und von Blattläuſen gewürztes Geſträuch beſuchen. Hummelneſtern waren beide entſproſſen; denn die Larve lebt hier als Schmarotzer und zehrt die erwachſenen Hummellarven auf. Chriſt, welcher als erſter Beobachter in dem einen Hummel- [Abbildung Weibchen, Männchen der Scolia haemorrholdalis. Männchen, Weibchen der europäiſchen Spinnenameiſe (Mutilla europaea).] cocon die rechtmäßige Bewohnerin, im benachbarten eine Mutillenlarve antraf, glaubte auf ein intimes Familienleben ſchließen zu müſſen, welches beide Thiere vereinige. Dem iſt aber nicht ſo, vielmehr muß die weibliche Bienenameiſe mittelſt ihres langen Stachels die Hummellarve mit einem Eie betranen, ſo lange dieſe noch frei in ihrem Futterbreie lebt und ſich ernährt. Dieſe wird durch den Keim des Todes in ihrem Jnnern ſo wenig in ihrer natürlichen Entwickelung geſtört, wie ſo manche Schmetterlingsraupe, in deren Leibe eine Schlupfwespe hauſt, denn ſie ſpinnt ſich ihr Cocon. Hier, ganz im Geheimen, geſchehen Dinge, welche dem Blicke des wiß- begierigen Forſchers entzogen ſind. Seiner Zeit bricht keine Hummel, ſondern eine Spinnenameiſe daraus hervor. Herr Drewſen, welcher ein Hummelneſt der Bombus Serimshiranus mit mehr als hundert geſchloſſenen Cocons heimgetragen hatte, erzog daraus 76 Mutillen, darunter 44 Männ- chen und nur zwei männliche Hummeln, außerdem erſchienen noch mehrere andere Schmarotzer in Fliegengeſtalt, Volucella plumata zwei Männchen und Volucella bombylans ein Weibchen, deren Maden aus dem Cocon hervorkamen und ſich außerhalb verpuppten, ſowie endlich zwei Arten Anthomyia. Wenn jedes Hummelneſt ſo heimgeſucht wäre von Fremdlingen, wie ſtände es dann um das Hummelgeſchlecht? Es müßte bald von der Erde verſchwinden. Die erzogenen Spinnenameiſen paarten ſich, worauf die Männchen ſämmtlich ſtarben, die Weibchen ſich in die Erde eingruben, um in zuſammengekugelter Lage zu überwintern. Jch fand eins dergleichen am 5. Mai unter einem Steine im Winterlager. Jm nächſten Frühjahre beſteht nun die Aufgabe darin, Hummelneſter ausfindig zu machen und die Eier daſelbſt unterzubringen. Daß indeß nicht

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/246>, abgerufen am 24.11.2024.