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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Mörtelbiene. Kugelbienen. Mauerbiene.
Ort, wo es die Zellen aneinander mauert, bietet ihm in keiner Weise ein Obdach. Jch entsinne
mich, nie mehr als etwa zehn Zellen beisammen gefunden zu haben, in der Regel weniger.
Dieselben werden auf ihrer welligen Oberfläche roh geglättet, so daß das Nest schließlich einem
Kothklumpen zum Verwechseln ähnlich sieht, welchen ein Bube an die Wand warf, und der nun
angetrocknet ist. Nur ein Weibchen erbaut die eben näher beschriebene Zellengruppe, welche
Anfangs Juli mit dem Verschwinden der Baumeisterin fertig ist. An einer andern Stelle in der
Nähe arbeitet meist eine zweite, dritte; denn man findet jene "Anwürfe" in Mehrzahl. Dabei
haben die Thiere keinen Sinn für Geselligkeit; im Gegentheil, feinden sie sich nach Reaumur's
Beobachtungen an. Während die eine arbeitet, erzählt er, kommt manchmal eine andere, welche die
Zelle als ihr Eigenthum beansprucht und sich nicht selten eine halbe Stunde lang gegen die zurück-
kehrende Eigenthümerin wehrt. Sie fliegen mit den Köpfen gegen einander und werfen sich zu
Boden, wo sie sich wie Fechter mit einander herumbalgen. Bisweilen fliegt die eine senkrecht
in die Höhe und läßt sich plötzlich auf die andere herunter fallen, welche sodann auszuweichen
sucht und rückwärts zu fliegen scheint. Endlich ermüdet eine und fliegt davon; ist es die Eigen-
thümerin, so kommt sie bald wieder zurück, und der Kampf beginnt von Neuem. Ob sie sich dabei
zu stechen suchen, wurde nicht beobachtet. Geht einmal eine Biene während der Arbeit zu Grunde,
so ergreift eine andere Besitz vom angefangenen Baue, auch geschieht dies, wenn ein altes Nest
leer geworden ist, weil sich die Eigenthümerin nicht mehr darum kümmert. Es kommt sodann
eine andere, schafft die Gespinnste und den Unrath heraus, trägt Futter ein und schließt die Zelle.
Dabei gibt es gewöhnlich Kämpfe. So weit Reaumur's Bericht. -- Die Made, deren Aus-
sehen keine weitere Eigenthümlichkeit bietet, ist bald erwachsen, spinnt ein Seidencocon um sich,
wird zur Puppe und diese zum vollständigen Jnsekt, jedoch zu verschiedenen Zeiten. Jm heißen
Sommer 1859 fand ich schon am 15. August entwickelte Bienen, am 10. April des vorange-
gangenen Jahres noch Maden. Fest steht aber, daß jene nicht früher an das Tageslicht gelangen
auf natürlichem Wege, als diese, nämlich Anfangs Juni. Die runden Löcher auf der normalen
Seite des abgebildeten Nestes sind die von ihnen gearbeiteten Ausgangsstellen, die andere Hälfte
wurde geöffnet dargestellt, um die einzelnen Zellen, ihre Lage, eine Larve und den Koth, welchen
sie zurückläßt, zur Anschauung zu bringen.

Die Mörtelbiene hat manchen Feind, nach v. Frauenfeld die Meloe erythrocnemis, einen
Käfer, und die Trauerfliege Argyromoeba subnotata, auch unter den Hymenopteren. Jch erzog aus
einem Puppencocon sechzehn Weibchen und zwei Männchen einer kleinen Zehrwespe, welche Herr
Förster Monodontomerus Chalicodomae genannt hat, eine reichlich 5 Mill. lange Pteromaline
von dunkelgrüner Erzfarbe mit rostrothem Fühlerschaft und ebenso gefärbten Beinen von den Schienen
an, um den Randast der ungeaderten Flügelchen etwas getrübt. Der Bohrer des Weibchens ist
von Hinterleibslänge. Er konnte meiner Ansicht nach nicht die Steinhülle bis zur Larve durch-
drungen haben, sondern die Eier mußten vor dem Schlusse der Zelle gelegt worden und erst viel
später als das der Biene ausgeschlüpft sein, damit die jungen Lärvchen in der mehr oder weniger
erwachsenen Larve ihre Nahrung vorfanden.

Von Bauchsammlern kennt man noch zahlreiche Arten, wie die Kugel- oder Wollbienen
(Anthidium), darum mit letzterem Namen belegt, weil sie ihr Nest mit wolligen Pflanzenstoffen
ausfüttern. Jhr Hinterleib ist fast kugelig, kahl und gelbfleckig, oder gelb gerändert, was bei
Bienen sonst selten vorkommt. Eine andere Gattung von Mauerbienen (Osmia) haben einen
parallelseitigen, oben stark gewölbten Hinterleib, viergliederige Lippen- und Kiefertaster. Die
Randzelle der Vorderflügel liegt mit ihrer Spitze der Randader nicht an, und der zweite rück-
laufende Nerv mündet merklich entfernt vom Ende der zweiten und zugleich letzten Unterrandzelle
in diese. Manche Arten legen ihr Nest in den verlassenen Gängen anderer Bienen an, so Osmia
tricornis
in denen der Anthophora hirsuta; andere fand man in leeren Schneckenhäusern bauend,

Taschenberg, wirbellose Thiere. (Brehm, Thierleben. VI.) 13

Mörtelbiene. Kugelbienen. Mauerbiene.
Ort, wo es die Zellen aneinander mauert, bietet ihm in keiner Weiſe ein Obdach. Jch entſinne
mich, nie mehr als etwa zehn Zellen beiſammen gefunden zu haben, in der Regel weniger.
Dieſelben werden auf ihrer welligen Oberfläche roh geglättet, ſo daß das Neſt ſchließlich einem
Kothklumpen zum Verwechſeln ähnlich ſieht, welchen ein Bube an die Wand warf, und der nun
angetrocknet iſt. Nur ein Weibchen erbaut die eben näher beſchriebene Zellengruppe, welche
Anfangs Juli mit dem Verſchwinden der Baumeiſterin fertig iſt. An einer andern Stelle in der
Nähe arbeitet meiſt eine zweite, dritte; denn man findet jene „Anwürfe“ in Mehrzahl. Dabei
haben die Thiere keinen Sinn für Geſelligkeit; im Gegentheil, feinden ſie ſich nach Réaumur’s
Beobachtungen an. Während die eine arbeitet, erzählt er, kommt manchmal eine andere, welche die
Zelle als ihr Eigenthum beanſprucht und ſich nicht ſelten eine halbe Stunde lang gegen die zurück-
kehrende Eigenthümerin wehrt. Sie fliegen mit den Köpfen gegen einander und werfen ſich zu
Boden, wo ſie ſich wie Fechter mit einander herumbalgen. Bisweilen fliegt die eine ſenkrecht
in die Höhe und läßt ſich plötzlich auf die andere herunter fallen, welche ſodann auszuweichen
ſucht und rückwärts zu fliegen ſcheint. Endlich ermüdet eine und fliegt davon; iſt es die Eigen-
thümerin, ſo kommt ſie bald wieder zurück, und der Kampf beginnt von Neuem. Ob ſie ſich dabei
zu ſtechen ſuchen, wurde nicht beobachtet. Geht einmal eine Biene während der Arbeit zu Grunde,
ſo ergreift eine andere Beſitz vom angefangenen Baue, auch geſchieht dies, wenn ein altes Neſt
leer geworden iſt, weil ſich die Eigenthümerin nicht mehr darum kümmert. Es kommt ſodann
eine andere, ſchafft die Geſpinnſte und den Unrath heraus, trägt Futter ein und ſchließt die Zelle.
Dabei gibt es gewöhnlich Kämpfe. So weit Réaumur’s Bericht. — Die Made, deren Aus-
ſehen keine weitere Eigenthümlichkeit bietet, iſt bald erwachſen, ſpinnt ein Seidencocon um ſich,
wird zur Puppe und dieſe zum vollſtändigen Jnſekt, jedoch zu verſchiedenen Zeiten. Jm heißen
Sommer 1859 fand ich ſchon am 15. Auguſt entwickelte Bienen, am 10. April des vorange-
gangenen Jahres noch Maden. Feſt ſteht aber, daß jene nicht früher an das Tageslicht gelangen
auf natürlichem Wege, als dieſe, nämlich Anfangs Juni. Die runden Löcher auf der normalen
Seite des abgebildeten Neſtes ſind die von ihnen gearbeiteten Ausgangsſtellen, die andere Hälfte
wurde geöffnet dargeſtellt, um die einzelnen Zellen, ihre Lage, eine Larve und den Koth, welchen
ſie zurückläßt, zur Anſchauung zu bringen.

Die Mörtelbiene hat manchen Feind, nach v. Frauenfeld die Meloë erythrocnemis, einen
Käfer, und die Trauerfliege Argyromoeba subnotata, auch unter den Hymenopteren. Jch erzog aus
einem Puppencocon ſechzehn Weibchen und zwei Männchen einer kleinen Zehrwespe, welche Herr
Förſter Monodontomerus Chalicodomae genannt hat, eine reichlich 5 Mill. lange Pteromaline
von dunkelgrüner Erzfarbe mit roſtrothem Fühlerſchaft und ebenſo gefärbten Beinen von den Schienen
an, um den Randaſt der ungeaderten Flügelchen etwas getrübt. Der Bohrer des Weibchens iſt
von Hinterleibslänge. Er konnte meiner Anſicht nach nicht die Steinhülle bis zur Larve durch-
drungen haben, ſondern die Eier mußten vor dem Schluſſe der Zelle gelegt worden und erſt viel
ſpäter als das der Biene ausgeſchlüpft ſein, damit die jungen Lärvchen in der mehr oder weniger
erwachſenen Larve ihre Nahrung vorfanden.

Von Bauchſammlern kennt man noch zahlreiche Arten, wie die Kugel- oder Wollbienen
(Anthidium), darum mit letzterem Namen belegt, weil ſie ihr Neſt mit wolligen Pflanzenſtoffen
ausfüttern. Jhr Hinterleib iſt faſt kugelig, kahl und gelbfleckig, oder gelb gerändert, was bei
Bienen ſonſt ſelten vorkommt. Eine andere Gattung von Mauerbienen (Osmia) haben einen
parallelſeitigen, oben ſtark gewölbten Hinterleib, viergliederige Lippen- und Kiefertaſter. Die
Randzelle der Vorderflügel liegt mit ihrer Spitze der Randader nicht an, und der zweite rück-
laufende Nerv mündet merklich entfernt vom Ende der zweiten und zugleich letzten Unterrandzelle
in dieſe. Manche Arten legen ihr Neſt in den verlaſſenen Gängen anderer Bienen an, ſo Osmia
tricornis
in denen der Anthophora hirsuta; andere fand man in leeren Schneckenhäuſern bauend,

Taſchenberg, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben. VI.) 13
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[193/0213] Mörtelbiene. Kugelbienen. Mauerbiene. Ort, wo es die Zellen aneinander mauert, bietet ihm in keiner Weiſe ein Obdach. Jch entſinne mich, nie mehr als etwa zehn Zellen beiſammen gefunden zu haben, in der Regel weniger. Dieſelben werden auf ihrer welligen Oberfläche roh geglättet, ſo daß das Neſt ſchließlich einem Kothklumpen zum Verwechſeln ähnlich ſieht, welchen ein Bube an die Wand warf, und der nun angetrocknet iſt. Nur ein Weibchen erbaut die eben näher beſchriebene Zellengruppe, welche Anfangs Juli mit dem Verſchwinden der Baumeiſterin fertig iſt. An einer andern Stelle in der Nähe arbeitet meiſt eine zweite, dritte; denn man findet jene „Anwürfe“ in Mehrzahl. Dabei haben die Thiere keinen Sinn für Geſelligkeit; im Gegentheil, feinden ſie ſich nach Réaumur’s Beobachtungen an. Während die eine arbeitet, erzählt er, kommt manchmal eine andere, welche die Zelle als ihr Eigenthum beanſprucht und ſich nicht ſelten eine halbe Stunde lang gegen die zurück- kehrende Eigenthümerin wehrt. Sie fliegen mit den Köpfen gegen einander und werfen ſich zu Boden, wo ſie ſich wie Fechter mit einander herumbalgen. Bisweilen fliegt die eine ſenkrecht in die Höhe und läßt ſich plötzlich auf die andere herunter fallen, welche ſodann auszuweichen ſucht und rückwärts zu fliegen ſcheint. Endlich ermüdet eine und fliegt davon; iſt es die Eigen- thümerin, ſo kommt ſie bald wieder zurück, und der Kampf beginnt von Neuem. Ob ſie ſich dabei zu ſtechen ſuchen, wurde nicht beobachtet. Geht einmal eine Biene während der Arbeit zu Grunde, ſo ergreift eine andere Beſitz vom angefangenen Baue, auch geſchieht dies, wenn ein altes Neſt leer geworden iſt, weil ſich die Eigenthümerin nicht mehr darum kümmert. Es kommt ſodann eine andere, ſchafft die Geſpinnſte und den Unrath heraus, trägt Futter ein und ſchließt die Zelle. Dabei gibt es gewöhnlich Kämpfe. So weit Réaumur’s Bericht. — Die Made, deren Aus- ſehen keine weitere Eigenthümlichkeit bietet, iſt bald erwachſen, ſpinnt ein Seidencocon um ſich, wird zur Puppe und dieſe zum vollſtändigen Jnſekt, jedoch zu verſchiedenen Zeiten. Jm heißen Sommer 1859 fand ich ſchon am 15. Auguſt entwickelte Bienen, am 10. April des vorange- gangenen Jahres noch Maden. Feſt ſteht aber, daß jene nicht früher an das Tageslicht gelangen auf natürlichem Wege, als dieſe, nämlich Anfangs Juni. Die runden Löcher auf der normalen Seite des abgebildeten Neſtes ſind die von ihnen gearbeiteten Ausgangsſtellen, die andere Hälfte wurde geöffnet dargeſtellt, um die einzelnen Zellen, ihre Lage, eine Larve und den Koth, welchen ſie zurückläßt, zur Anſchauung zu bringen. Die Mörtelbiene hat manchen Feind, nach v. Frauenfeld die Meloë erythrocnemis, einen Käfer, und die Trauerfliege Argyromoeba subnotata, auch unter den Hymenopteren. Jch erzog aus einem Puppencocon ſechzehn Weibchen und zwei Männchen einer kleinen Zehrwespe, welche Herr Förſter Monodontomerus Chalicodomae genannt hat, eine reichlich 5 Mill. lange Pteromaline von dunkelgrüner Erzfarbe mit roſtrothem Fühlerſchaft und ebenſo gefärbten Beinen von den Schienen an, um den Randaſt der ungeaderten Flügelchen etwas getrübt. Der Bohrer des Weibchens iſt von Hinterleibslänge. Er konnte meiner Anſicht nach nicht die Steinhülle bis zur Larve durch- drungen haben, ſondern die Eier mußten vor dem Schluſſe der Zelle gelegt worden und erſt viel ſpäter als das der Biene ausgeſchlüpft ſein, damit die jungen Lärvchen in der mehr oder weniger erwachſenen Larve ihre Nahrung vorfanden. Von Bauchſammlern kennt man noch zahlreiche Arten, wie die Kugel- oder Wollbienen (Anthidium), darum mit letzterem Namen belegt, weil ſie ihr Neſt mit wolligen Pflanzenſtoffen ausfüttern. Jhr Hinterleib iſt faſt kugelig, kahl und gelbfleckig, oder gelb gerändert, was bei Bienen ſonſt ſelten vorkommt. Eine andere Gattung von Mauerbienen (Osmia) haben einen parallelſeitigen, oben ſtark gewölbten Hinterleib, viergliederige Lippen- und Kiefertaſter. Die Randzelle der Vorderflügel liegt mit ihrer Spitze der Randader nicht an, und der zweite rück- laufende Nerv mündet merklich entfernt vom Ende der zweiten und zugleich letzten Unterrandzelle in dieſe. Manche Arten legen ihr Neſt in den verlaſſenen Gängen anderer Bienen an, ſo Osmia tricornis in denen der Anthophora hirsuta; andere fand man in leeren Schneckenhäuſern bauend, Taſchenberg, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben. VI.) 13

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/213>, abgerufen am 24.11.2024.