Die kleinen schwarzen, meist schmalen und glatten Rüsselkäfer, welche sich wesentlich nur durch das bedeckte Pygidium von den Calandriden unterscheiden und in der Sippe der Cossoniden auch zahlreiche, aber unansehnliche Vertreter in Europa und Deutschland haben, leiten über zur neunundzwanzigsten Familie, zu den für den Forstmann übel berüchtigten Borkenkäfern (Bostri- chidae oder Scolytidae). Jn ihrer äußern Erscheinung stimmen sie durch Kleinheit des walzigen Körpers, durch einen dicken Kopf mit vortretenden Kinnbacken, im Uebrigen versteckten Mundtheilen, durch gebrochene Fühler mit dickem Endknopfe, durch langgestreckte Augen mit einander überein und unterscheiden sich von den verwandten durch die Kürze des Kopfes, der Taster, Fühler und Beine, an denen breitgedrückte, in einen Haken endende Schienen viergliederige Tarsen tragen. Von den fünf Bauchringen verwachsen die beiden ersten öfter unter sich. Die beiden Geschlechter derselben Art lassen sich äußerlich nicht schwer von einander unterscheiden. Die Larven haben die größte Aehnlichkeit mit denen der Rüsselkäfer, nur erscheinen sie minder gedrungen und vollkommener walzig. Jhr geselliges Beisammensein, wie das der Käfer, und die Art, wie sie in der Rinde der Bäume selbst oder unmittelbar unter ihr im Baste Gänge anlegen, weisen auf ihre natürliche Zusammengehörigkeit in systematischer Beziehung hin. Von einem etwas breiteren Aufange des Ganges, einem Vorzimmer aus, wo bei vielen Arten auch die Paarung stattfindet, arbeiten die Weibchen weiter und legen zu beiden Seiten in eine kleine Aushöhlung, welche sie in regelmäßigen Abständen folgen lassen, ihre Eier einzeln ab. Die diesen entschlüpfenden Lärvchen fressen nun ihrerseits rechts und links von dem Hauptgange, "Muttergange", Nebengänge, die sich allmälig verbreitern mit dem Wachsthum der Larve, je mehr sie sich von ihrem Anfange entfernen. Am Ende wird derselbe etwas erweitert, damit sie als Puppe ein bequemes Lager habe. Auf diese Weise entstehen artige, dendritische Gebilde, deren Grundform von der bestimmten Art, welcher der Käfer angehört, abhängt, je nach dem gegebenen Raume und nach dem Begegnen mit einem zweiten Gangsystem aber gewisse Abänderungen erleiden muß. Wenn man bedenkt, daß diese kleinen Wühler fruchtbar sind und schnell wachsen, so daß bei gewissen unter ihnen zwei Genera- tionen im Jahre zur Regel gehören, so darf man sich nicht wundern, wenn Klagen über ihre bedeutenden Verheerungen an den Waldbäumen, über "Wurmtrockniß" laut werden. Es sind die Nadelhölzer, welche die bei weitem überwiegende Mehrzahl der in Europa lebenden angreift. Daß selbst die echten Borkenkäfer nicht alle so leben, beweist der Bostrichus bispinus, welchen man bohrend in den rankenden Zweigen der gemeinen Waldrebe (Clematis vitalba) findet, der B. dacty- liperda, welcher bis zu hundert an Zahl in dem Kerne der Dattel, diese durch seinen Koth unschmackhaft machend, und in der Betelnuß (Areca Katechu) lebt.
Der große Kiefernmarkkäfer (Kiefernzweig-Bastkäfer, Waldgärtner etc. Blastophagus, oder Hylesinus piniperda) mag sammt dem kleinen die Gattung vergegenwärtigen. Der senkrechte von oben sichtbare Kopf mit fein gekörnelten Augen und einem eiförmigen, geringelten Fühler- knopfe, welcher durch sechs Glieder mit dem Schafte in Verbindung steht, ein Prothorar, dessen Rücken mit den Weichen verschmolzen, und ein zweilappiges drittes Tarsenglied charakterisiren diese Gattung, wie gleichzeitig die pechschwarze Körperfarbe, die nur an Fühlern und Füßen in Rost- roth übergeht, die größte Art, welche in unausgefärbten Exemplaren (Hylesinus testaceus des Fabricius) auch rostgelb oder braun vorkommt. Unser Käfer kommt bei günstiger Witterung schon im März zum Vorscheine, die Paarung pflegt aber erst im April zu erfolgen, und zwar halb und halb im Flugloche, an welchem das Männchen immer sichtbar bleibt. Die Brutstätten werden am liebsten in frisch gefällten Stämmen, oder in Wurzelstöcken angelegt, die Gänge gehen durch ein etwas gekrümmtes Bohrloch bis zur Unterseite der Rinde und an dieser senkrecht entlang. Die seitlichen Larvengänge stehen sehr dicht gedrängt hinter einander und werden bis drei Zoll lang. Zur Verpuppung nagt sich die ausgewachsene Larve in der Borke ein Lager. Jm Jahre 1836, welches die erste Entwickelung der Larven begünstigte, später aber durch rauhe Tage verzögerte, beobachtete Ratzeburg am 22. April den ersten Anflug der Käfer, am 27. waren die Gänge schon
Die Käfer. Tetrameren. Borkenkäfer.
Die kleinen ſchwarzen, meiſt ſchmalen und glatten Rüſſelkäfer, welche ſich weſentlich nur durch das bedeckte Pygidium von den Calandriden unterſcheiden und in der Sippe der Coſſoniden auch zahlreiche, aber unanſehnliche Vertreter in Europa und Deutſchland haben, leiten über zur neunundzwanzigſten Familie, zu den für den Forſtmann übel berüchtigten Borkenkäfern (Bostri- chidae oder Scolytidae). Jn ihrer äußern Erſcheinung ſtimmen ſie durch Kleinheit des walzigen Körpers, durch einen dicken Kopf mit vortretenden Kinnbacken, im Uebrigen verſteckten Mundtheilen, durch gebrochene Fühler mit dickem Endknopfe, durch langgeſtreckte Augen mit einander überein und unterſcheiden ſich von den verwandten durch die Kürze des Kopfes, der Taſter, Fühler und Beine, an denen breitgedrückte, in einen Haken endende Schienen viergliederige Tarſen tragen. Von den fünf Bauchringen verwachſen die beiden erſten öfter unter ſich. Die beiden Geſchlechter derſelben Art laſſen ſich äußerlich nicht ſchwer von einander unterſcheiden. Die Larven haben die größte Aehnlichkeit mit denen der Rüſſelkäfer, nur erſcheinen ſie minder gedrungen und vollkommener walzig. Jhr geſelliges Beiſammenſein, wie das der Käfer, und die Art, wie ſie in der Rinde der Bäume ſelbſt oder unmittelbar unter ihr im Baſte Gänge anlegen, weiſen auf ihre natürliche Zuſammengehörigkeit in ſyſtematiſcher Beziehung hin. Von einem etwas breiteren Aufange des Ganges, einem Vorzimmer aus, wo bei vielen Arten auch die Paarung ſtattfindet, arbeiten die Weibchen weiter und legen zu beiden Seiten in eine kleine Aushöhlung, welche ſie in regelmäßigen Abſtänden folgen laſſen, ihre Eier einzeln ab. Die dieſen entſchlüpfenden Lärvchen freſſen nun ihrerſeits rechts und links von dem Hauptgange, „Muttergange“, Nebengänge, die ſich allmälig verbreitern mit dem Wachsthum der Larve, je mehr ſie ſich von ihrem Anfange entfernen. Am Ende wird derſelbe etwas erweitert, damit ſie als Puppe ein bequemes Lager habe. Auf dieſe Weiſe entſtehen artige, dendritiſche Gebilde, deren Grundform von der beſtimmten Art, welcher der Käfer angehört, abhängt, je nach dem gegebenen Raume und nach dem Begegnen mit einem zweiten Gangſyſtem aber gewiſſe Abänderungen erleiden muß. Wenn man bedenkt, daß dieſe kleinen Wühler fruchtbar ſind und ſchnell wachſen, ſo daß bei gewiſſen unter ihnen zwei Genera- tionen im Jahre zur Regel gehören, ſo darf man ſich nicht wundern, wenn Klagen über ihre bedeutenden Verheerungen an den Waldbäumen, über „Wurmtrockniß“ laut werden. Es ſind die Nadelhölzer, welche die bei weitem überwiegende Mehrzahl der in Europa lebenden angreift. Daß ſelbſt die echten Borkenkäfer nicht alle ſo leben, beweiſt der Bostrichus bispinus, welchen man bohrend in den rankenden Zweigen der gemeinen Waldrebe (Clematis vitalba) findet, der B. dacty- liperda, welcher bis zu hundert an Zahl in dem Kerne der Dattel, dieſe durch ſeinen Koth unſchmackhaft machend, und in der Betelnuß (Areca Katechu) lebt.
Der große Kiefernmarkkäfer (Kiefernzweig-Baſtkäfer, Waldgärtner ꝛc. Blastophagus, oder Hylesinus piniperda) mag ſammt dem kleinen die Gattung vergegenwärtigen. Der ſenkrechte von oben ſichtbare Kopf mit fein gekörnelten Augen und einem eiförmigen, geringelten Fühler- knopfe, welcher durch ſechs Glieder mit dem Schafte in Verbindung ſteht, ein Prothorar, deſſen Rücken mit den Weichen verſchmolzen, und ein zweilappiges drittes Tarſenglied charakteriſiren dieſe Gattung, wie gleichzeitig die pechſchwarze Körperfarbe, die nur an Fühlern und Füßen in Roſt- roth übergeht, die größte Art, welche in unausgefärbten Exemplaren (Hylesinus testaceus des Fabricius) auch roſtgelb oder braun vorkommt. Unſer Käfer kommt bei günſtiger Witterung ſchon im März zum Vorſcheine, die Paarung pflegt aber erſt im April zu erfolgen, und zwar halb und halb im Flugloche, an welchem das Männchen immer ſichtbar bleibt. Die Brutſtätten werden am liebſten in friſch gefällten Stämmen, oder in Wurzelſtöcken angelegt, die Gänge gehen durch ein etwas gekrümmtes Bohrloch bis zur Unterſeite der Rinde und an dieſer ſenkrecht entlang. Die ſeitlichen Larvengänge ſtehen ſehr dicht gedrängt hinter einander und werden bis drei Zoll lang. Zur Verpuppung nagt ſich die ausgewachſene Larve in der Borke ein Lager. Jm Jahre 1836, welches die erſte Entwickelung der Larven begünſtigte, ſpäter aber durch rauhe Tage verzögerte, beobachtete Ratzeburg am 22. April den erſten Anflug der Käfer, am 27. waren die Gänge ſchon
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Die Käfer. Tetrameren. Borkenkäfer.
Die kleinen ſchwarzen, meiſt ſchmalen und glatten Rüſſelkäfer, welche ſich weſentlich nur durch
das bedeckte Pygidium von den Calandriden unterſcheiden und in der Sippe der Coſſoniden
auch zahlreiche, aber unanſehnliche Vertreter in Europa und Deutſchland haben, leiten über zur
neunundzwanzigſten Familie, zu den für den Forſtmann übel berüchtigten Borkenkäfern (Bostri-
chidae oder Scolytidae). Jn ihrer äußern Erſcheinung ſtimmen ſie durch Kleinheit des walzigen
Körpers, durch einen dicken Kopf mit vortretenden Kinnbacken, im Uebrigen verſteckten Mundtheilen,
durch gebrochene Fühler mit dickem Endknopfe, durch langgeſtreckte Augen mit einander überein
und unterſcheiden ſich von den verwandten durch die Kürze des Kopfes, der Taſter, Fühler
und Beine, an denen breitgedrückte, in einen Haken endende Schienen viergliederige Tarſen
tragen. Von den fünf Bauchringen verwachſen die beiden erſten öfter unter ſich. Die beiden
Geſchlechter derſelben Art laſſen ſich äußerlich nicht ſchwer von einander unterſcheiden. Die Larven
haben die größte Aehnlichkeit mit denen der Rüſſelkäfer, nur erſcheinen ſie minder gedrungen und
vollkommener walzig. Jhr geſelliges Beiſammenſein, wie das der Käfer, und die Art, wie ſie in
der Rinde der Bäume ſelbſt oder unmittelbar unter ihr im Baſte Gänge anlegen, weiſen auf
ihre natürliche Zuſammengehörigkeit in ſyſtematiſcher Beziehung hin. Von einem etwas breiteren
Aufange des Ganges, einem Vorzimmer aus, wo bei vielen Arten auch die Paarung ſtattfindet,
arbeiten die Weibchen weiter und legen zu beiden Seiten in eine kleine Aushöhlung, welche ſie in
regelmäßigen Abſtänden folgen laſſen, ihre Eier einzeln ab. Die dieſen entſchlüpfenden Lärvchen freſſen
nun ihrerſeits rechts und links von dem Hauptgange, „Muttergange“, Nebengänge, die ſich allmälig
verbreitern mit dem Wachsthum der Larve, je mehr ſie ſich von ihrem Anfange entfernen. Am
Ende wird derſelbe etwas erweitert, damit ſie als Puppe ein bequemes Lager habe. Auf dieſe
Weiſe entſtehen artige, dendritiſche Gebilde, deren Grundform von der beſtimmten Art, welcher
der Käfer angehört, abhängt, je nach dem gegebenen Raume und nach dem Begegnen mit einem
zweiten Gangſyſtem aber gewiſſe Abänderungen erleiden muß. Wenn man bedenkt, daß dieſe
kleinen Wühler fruchtbar ſind und ſchnell wachſen, ſo daß bei gewiſſen unter ihnen zwei Genera-
tionen im Jahre zur Regel gehören, ſo darf man ſich nicht wundern, wenn Klagen über ihre
bedeutenden Verheerungen an den Waldbäumen, über „Wurmtrockniß“ laut werden. Es ſind die
Nadelhölzer, welche die bei weitem überwiegende Mehrzahl der in Europa lebenden angreift. Daß
ſelbſt die echten Borkenkäfer nicht alle ſo leben, beweiſt der Bostrichus bispinus, welchen man
bohrend in den rankenden Zweigen der gemeinen Waldrebe (Clematis vitalba) findet, der B. dacty-
liperda, welcher bis zu hundert an Zahl in dem Kerne der Dattel, dieſe durch ſeinen Koth
unſchmackhaft machend, und in der Betelnuß (Areca Katechu) lebt.
Der große Kiefernmarkkäfer (Kiefernzweig-Baſtkäfer, Waldgärtner ꝛc. Blastophagus,
oder Hylesinus piniperda) mag ſammt dem kleinen die Gattung vergegenwärtigen. Der ſenkrechte
von oben ſichtbare Kopf mit fein gekörnelten Augen und einem eiförmigen, geringelten Fühler-
knopfe, welcher durch ſechs Glieder mit dem Schafte in Verbindung ſteht, ein Prothorar, deſſen
Rücken mit den Weichen verſchmolzen, und ein zweilappiges drittes Tarſenglied charakteriſiren dieſe
Gattung, wie gleichzeitig die pechſchwarze Körperfarbe, die nur an Fühlern und Füßen in Roſt-
roth übergeht, die größte Art, welche in unausgefärbten Exemplaren (Hylesinus testaceus des
Fabricius) auch roſtgelb oder braun vorkommt. Unſer Käfer kommt bei günſtiger Witterung
ſchon im März zum Vorſcheine, die Paarung pflegt aber erſt im April zu erfolgen, und zwar
halb und halb im Flugloche, an welchem das Männchen immer ſichtbar bleibt. Die Brutſtätten
werden am liebſten in friſch gefällten Stämmen, oder in Wurzelſtöcken angelegt, die Gänge gehen
durch ein etwas gekrümmtes Bohrloch bis zur Unterſeite der Rinde und an dieſer ſenkrecht entlang.
Die ſeitlichen Larvengänge ſtehen ſehr dicht gedrängt hinter einander und werden bis drei Zoll
lang. Zur Verpuppung nagt ſich die ausgewachſene Larve in der Borke ein Lager. Jm Jahre 1836,
welches die erſte Entwickelung der Larven begünſtigte, ſpäter aber durch rauhe Tage verzögerte,
beobachtete Ratzeburg am 22. April den erſten Anflug der Käfer, am 27. waren die Gänge ſchon
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/146>, abgerufen am 23.11.2024.
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