Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.Blattschneider, Rhynchiten. Haselnußrüßler, Balaninen. wird nun gleichfalls durch Zerbeißen der Nebenrippen vollständig gelöst und über die erste Hälftegerollt, bis die kleine Cigarre von der Mittelrippe des bedeutend gekürzten Blattes herabhängt. Bald erhält darin das Wickelkind Leben und arbeitet Gänge nach allen Richtungen, welche das völlige Absterben und Vertrocknen der Blattmasse noch beschleunigen. Bricht sie vom Winde los und fällt zur Erde, desto besser für die reife Larve; sie wartet aber schwerlich diese Zufälligkeit ab, sondern frißt sich, wenn ihre Zeit gekommen, durch, fällt zur Erde, sich aber nie zu Schaden, und verpuppt sich in deren Schooße. -- Der hübsche R. cupreus ist eben so groß, erzfarben, auf dem Rücken etwas lichter, grau schwach behaart, hat einen schlanken Rüssel, kräftige Punktstreifen auf den Flügeldecken und deren Zwischenräume abermals punktirt; er nährt sich als Larve von jungen Pflaumen, Kirschen, Vogelbeeren, Elsbeeren (Pirus torminalis). Haben die Pflaumen die Größe einer Mandel erreicht, so schneidet das Weibchen in Zeit einer Stunde den Stiel halb durch, sucht an der Frucht eine passende Stelle zum Unterbringen eines Eies, bohrt ein flaches Loch, erweitert es etwas unter möglichster Schonung der Oberhaut, legt das Ei hinein, schiebt es mit dem Rüssel zurecht und drückt die Oberhaut auf die Wunde, hierauf begibt es sich zurück an die halb durchfressene Stelle des Stieles, beißt die andere Hälfte durch, oder so weit, daß der leiseste Wind oder die eigene Schwere die Pflaume bald zum Falle bringt. Die ganze Arbeit nimmt gegen drei Stunden Zeit in Anspruch. Nach durchschnittlich 14 Tagen belebt sich das Ei, die Larve zehrt am unreifen Fleische und ist in fünf bis sechs Wochen erwachsen. Die Verpuppung erfolgt in der Erde. Die einzelnen im Herbste zum Vorschein kommenden Käfer gehören zu den verfrüheten, welche überwintern müssen, die Mehrzahl kriecht erst im nächsten Frühlinge aus der Erde hervor. Wie der langhalsige Apoderus den wahren Schwan unter den Rüsselkäfern darstellt, so [Abbildung]
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Der Hafelnuß Rüßler (Balauinus nucum) beim Eierlegen, von der Rückenansicht, Kopf von der Seite (beide stark vergrößert). Wurmloch, aus dem er entschlüpfte, um in der Erde seine Verwandlung zu bestehen; denn wiejedermann weiß, findet sich in einer "wurmstichigen" Nuß kein Thier mehr, sondern in dem zur Hälfte oder gänzlich ausgefressenen Kerne und den Kothkrümchen nur die Spur seiner frühern Anwesenheit und zerstörenden Thätigkeit. Das befruchtete Weibchen zwickt bis ins Herz der halberwachsenen Haselnuß, um die Mitte des Juli oder auch früher, legt ein Ei in das Blattſchneider, Rhynchiten. Haſelnußrüßler, Balaninen. wird nun gleichfalls durch Zerbeißen der Nebenrippen vollſtändig gelöſt und über die erſte Hälftegerollt, bis die kleine Cigarre von der Mittelrippe des bedeutend gekürzten Blattes herabhängt. Bald erhält darin das Wickelkind Leben und arbeitet Gänge nach allen Richtungen, welche das völlige Abſterben und Vertrocknen der Blattmaſſe noch beſchleunigen. Bricht ſie vom Winde los und fällt zur Erde, deſto beſſer für die reife Larve; ſie wartet aber ſchwerlich dieſe Zufälligkeit ab, ſondern frißt ſich, wenn ihre Zeit gekommen, durch, fällt zur Erde, ſich aber nie zu Schaden, und verpuppt ſich in deren Schooße. — Der hübſche R. cupreus iſt eben ſo groß, erzfarben, auf dem Rücken etwas lichter, grau ſchwach behaart, hat einen ſchlanken Rüſſel, kräftige Punktſtreifen auf den Flügeldecken und deren Zwiſchenräume abermals punktirt; er nährt ſich als Larve von jungen Pflaumen, Kirſchen, Vogelbeeren, Elsbeeren (Pirus torminalis). Haben die Pflaumen die Größe einer Mandel erreicht, ſo ſchneidet das Weibchen in Zeit einer Stunde den Stiel halb durch, ſucht an der Frucht eine paſſende Stelle zum Unterbringen eines Eies, bohrt ein flaches Loch, erweitert es etwas unter möglichſter Schonung der Oberhaut, legt das Ei hinein, ſchiebt es mit dem Rüſſel zurecht und drückt die Oberhaut auf die Wunde, hierauf begibt es ſich zurück an die halb durchfreſſene Stelle des Stieles, beißt die andere Hälfte durch, oder ſo weit, daß der leiſeſte Wind oder die eigene Schwere die Pflaume bald zum Falle bringt. Die ganze Arbeit nimmt gegen drei Stunden Zeit in Anſpruch. Nach durchſchnittlich 14 Tagen belebt ſich das Ei, die Larve zehrt am unreifen Fleiſche und iſt in fünf bis ſechs Wochen erwachſen. Die Verpuppung erfolgt in der Erde. Die einzelnen im Herbſte zum Vorſchein kommenden Käfer gehören zu den verfrüheten, welche überwintern müſſen, die Mehrzahl kriecht erſt im nächſten Frühlinge aus der Erde hervor. Wie der langhalſige Apoderus den wahren Schwan unter den Rüſſelkäfern darſtellt, ſo [Abbildung]
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Der Hafelnuß Rüßler (Balauinus nucum) beim Eierlegen, von der Rückenanſicht, Kopf von der Seite (beide ſtark vergrößert). Wurmloch, aus dem er entſchlüpfte, um in der Erde ſeine Verwandlung zu beſtehen; denn wiejedermann weiß, findet ſich in einer „wurmſtichigen“ Nuß kein Thier mehr, ſondern in dem zur Hälfte oder gänzlich ausgefreſſenen Kerne und den Kothkrümchen nur die Spur ſeiner frühern Anweſenheit und zerſtörenden Thätigkeit. Das befruchtete Weibchen zwickt bis ins Herz der halberwachſenen Haſelnuß, um die Mitte des Juli oder auch früher, legt ein Ei in das <TEI> <text> <body> <floatingText> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0139" n="121"/><fw place="top" type="header">Blattſchneider, Rhynchiten. Haſelnußrüßler, Balaninen.</fw><lb/> wird nun gleichfalls durch Zerbeißen der Nebenrippen vollſtändig gelöſt und über die erſte Hälfte<lb/> gerollt, bis die kleine Cigarre von der Mittelrippe des bedeutend gekürzten Blattes herabhängt.<lb/> Bald erhält darin das Wickelkind Leben und arbeitet Gänge nach allen Richtungen, welche das völlige<lb/> Abſterben und Vertrocknen der Blattmaſſe noch beſchleunigen. Bricht ſie vom Winde los und<lb/> fällt zur Erde, deſto beſſer für die reife Larve; ſie wartet aber ſchwerlich dieſe Zufälligkeit ab,<lb/> ſondern frißt ſich, wenn ihre Zeit gekommen, durch, fällt zur Erde, ſich aber nie zu Schaden,<lb/> und verpuppt ſich in deren Schooße. — Der hübſche <hi rendition="#aq">R. cupreus</hi> iſt eben ſo groß, erzfarben, auf<lb/> dem Rücken etwas lichter, grau ſchwach behaart, hat einen ſchlanken Rüſſel, kräftige Punktſtreifen<lb/> auf den Flügeldecken und deren Zwiſchenräume abermals punktirt; er nährt ſich als Larve von<lb/> jungen Pflaumen, Kirſchen, Vogelbeeren, Elsbeeren (<hi rendition="#aq">Pirus torminalis</hi>). Haben die Pflaumen<lb/> die Größe einer Mandel erreicht, ſo ſchneidet das Weibchen in Zeit einer Stunde den Stiel halb<lb/> durch, ſucht an der Frucht eine paſſende Stelle zum Unterbringen eines Eies, bohrt ein flaches<lb/> Loch, erweitert es etwas unter möglichſter Schonung der Oberhaut, legt das Ei hinein, ſchiebt<lb/> es mit dem Rüſſel zurecht und drückt die Oberhaut auf die Wunde, hierauf begibt es ſich zurück<lb/> an die halb durchfreſſene Stelle des Stieles, beißt die andere Hälfte durch, oder ſo weit, daß der<lb/> leiſeſte Wind oder die eigene Schwere die Pflaume bald zum Falle bringt. Die ganze Arbeit<lb/> nimmt gegen drei Stunden Zeit in Anſpruch. Nach durchſchnittlich 14 Tagen belebt ſich das Ei, die<lb/> Larve zehrt am unreifen Fleiſche und iſt in fünf bis ſechs Wochen erwachſen. Die Verpuppung<lb/> erfolgt in der Erde. Die einzelnen im Herbſte zum Vorſchein kommenden Käfer gehören zu den<lb/> verfrüheten, welche überwintern müſſen, die Mehrzahl kriecht erſt im nächſten Frühlinge aus der<lb/> Erde hervor.</p><lb/> <p>Wie der langhalſige <hi rendition="#g">Apoderus</hi> den wahren Schwan unter den Rüſſelkäfern darſtellt, ſo<lb/> erinnern ein paar im tropiſchen Südamerika lebende, den Gattungen <hi rendition="#aq">Erodiscus</hi> und <hi rendition="#aq">Toxeutes</hi> zuge-<lb/> theilte Arten lebhaft an die Schnepfen; denn es ſind von<lb/> den Seiten breitgedrückte ſchlanke Thierchen mit ſehr<lb/> langem, an der Spitze ſchwach nach unten gebogenem,<lb/> fadenförmigem Rüſſel. Von unſeren heimiſchen kommen<lb/> ihnen in letzterer Hinſicht nahe der <hi rendition="#g">Haſelnußrüßler</hi><lb/> (<hi rendition="#aq">Balaninus nucum</hi>) und ſeine Brüder. Der Wurm in<lb/> den Haſelnüſſen iſt ja allgemein bekannt, noch mehr das<lb/><figure/> <figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der Hafelnuß Rüßler</hi> (<hi rendition="#aq">Balauinus nucum</hi>) beim Eierlegen, von der Rückenanſicht, Kopf von der Seite (beide ſtark vergrößert).</hi></head></figure><lb/> Wurmloch, aus dem er entſchlüpfte, um in der Erde ſeine Verwandlung zu beſtehen; denn wie<lb/> jedermann weiß, findet ſich in einer „wurmſtichigen“ Nuß kein Thier mehr, ſondern in dem zur<lb/> Hälfte oder gänzlich ausgefreſſenen Kerne und den Kothkrümchen nur die Spur ſeiner frühern<lb/> Anweſenheit und zerſtörenden Thätigkeit. Das befruchtete Weibchen zwickt bis ins Herz<lb/> der halberwachſenen Haſelnuß, um die Mitte des Juli oder auch früher, legt ein Ei in das<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </body> </text> </TEI> [121/0139]
Blattſchneider, Rhynchiten. Haſelnußrüßler, Balaninen.
wird nun gleichfalls durch Zerbeißen der Nebenrippen vollſtändig gelöſt und über die erſte Hälfte
gerollt, bis die kleine Cigarre von der Mittelrippe des bedeutend gekürzten Blattes herabhängt.
Bald erhält darin das Wickelkind Leben und arbeitet Gänge nach allen Richtungen, welche das völlige
Abſterben und Vertrocknen der Blattmaſſe noch beſchleunigen. Bricht ſie vom Winde los und
fällt zur Erde, deſto beſſer für die reife Larve; ſie wartet aber ſchwerlich dieſe Zufälligkeit ab,
ſondern frißt ſich, wenn ihre Zeit gekommen, durch, fällt zur Erde, ſich aber nie zu Schaden,
und verpuppt ſich in deren Schooße. — Der hübſche R. cupreus iſt eben ſo groß, erzfarben, auf
dem Rücken etwas lichter, grau ſchwach behaart, hat einen ſchlanken Rüſſel, kräftige Punktſtreifen
auf den Flügeldecken und deren Zwiſchenräume abermals punktirt; er nährt ſich als Larve von
jungen Pflaumen, Kirſchen, Vogelbeeren, Elsbeeren (Pirus torminalis). Haben die Pflaumen
die Größe einer Mandel erreicht, ſo ſchneidet das Weibchen in Zeit einer Stunde den Stiel halb
durch, ſucht an der Frucht eine paſſende Stelle zum Unterbringen eines Eies, bohrt ein flaches
Loch, erweitert es etwas unter möglichſter Schonung der Oberhaut, legt das Ei hinein, ſchiebt
es mit dem Rüſſel zurecht und drückt die Oberhaut auf die Wunde, hierauf begibt es ſich zurück
an die halb durchfreſſene Stelle des Stieles, beißt die andere Hälfte durch, oder ſo weit, daß der
leiſeſte Wind oder die eigene Schwere die Pflaume bald zum Falle bringt. Die ganze Arbeit
nimmt gegen drei Stunden Zeit in Anſpruch. Nach durchſchnittlich 14 Tagen belebt ſich das Ei, die
Larve zehrt am unreifen Fleiſche und iſt in fünf bis ſechs Wochen erwachſen. Die Verpuppung
erfolgt in der Erde. Die einzelnen im Herbſte zum Vorſchein kommenden Käfer gehören zu den
verfrüheten, welche überwintern müſſen, die Mehrzahl kriecht erſt im nächſten Frühlinge aus der
Erde hervor.
Wie der langhalſige Apoderus den wahren Schwan unter den Rüſſelkäfern darſtellt, ſo
erinnern ein paar im tropiſchen Südamerika lebende, den Gattungen Erodiscus und Toxeutes zuge-
theilte Arten lebhaft an die Schnepfen; denn es ſind von
den Seiten breitgedrückte ſchlanke Thierchen mit ſehr
langem, an der Spitze ſchwach nach unten gebogenem,
fadenförmigem Rüſſel. Von unſeren heimiſchen kommen
ihnen in letzterer Hinſicht nahe der Haſelnußrüßler
(Balaninus nucum) und ſeine Brüder. Der Wurm in
den Haſelnüſſen iſt ja allgemein bekannt, noch mehr das
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[Abbildung Der Hafelnuß Rüßler (Balauinus nucum) beim Eierlegen, von der Rückenanſicht, Kopf von der Seite (beide ſtark vergrößert).]
Wurmloch, aus dem er entſchlüpfte, um in der Erde ſeine Verwandlung zu beſtehen; denn wie
jedermann weiß, findet ſich in einer „wurmſtichigen“ Nuß kein Thier mehr, ſondern in dem zur
Hälfte oder gänzlich ausgefreſſenen Kerne und den Kothkrümchen nur die Spur ſeiner frühern
Anweſenheit und zerſtörenden Thätigkeit. Das befruchtete Weibchen zwickt bis ins Herz
der halberwachſenen Haſelnuß, um die Mitte des Juli oder auch früher, legt ein Ei in das
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