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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Lyciden. Dictyopterus. Johanniswürmchen.

Die paar deutschen Arten traf ich vorzugsweise, wie im schlafenden Zustande, an Gras-
halmen hängend im Walde an, nur eine einmal (Dictyopterus minutus) in einer faulen Buche.
Der Dictyopterus (Lygistopterus) sanguineus ist tief schwarz mit Ausnahme der linealen,
schwach gerieften, filzig behaarten Flügeldecken und der Seitenränder des quer rechteckigen, in
der Mitte tief gefurchten Halsschildes, welche beide scharlachroth aussehen. Der Kopf, welcher
größtentheils vom Halsschilde bedeckt wird, verlängert sich nach vorn schnauzenartig, der sehr kurze
innere Lappen des Unterkiefers ist häutig, der äußere, zugespitzte, erreicht das dritte Glied der
schief abgestutzten Taster. Als abgerundete, behaarte Spitze steht die Zunge am Ende der läng-
lichen, hornigen Unterlippe zwischen der Wurzel der gestutzt endenden Taster. Die elfgliederigen
Fühler sind flach gedrückt, die Tarsen herzförmig, in einfache Klauen auslaufend. Länge 31/4 bis
4 Linien. -- Die typische Form Lyeus heimatet besonders in Afrika, kommt aber auch in wenigen
Arten in Ostindien und Mittelamerika vor, nicht in unserem Erdtheile.

Wer hätte sie nicht schon gesehen, jene Feuerfünkchen, welche in Gegenden, denen Buschwerk
und Gras nicht fehlen, bisweilen zu Tausenden die sommerliche Abendluft durchtanzen oder, in
diesen wie festgebannt, Blätter und Stengel mit grünlichem Lichtschein erhellen? Daß von einem
lebenden Wesen das nicht brennende Feuer ausgeht, weiß jedes Kind und kennt es auch unter
dem Namen Leuchtkäfer, Johanniswürmchen

[Abbildung] Männchen und Weibchen des Johanniswürmchen
(Lampyris spiendidula). Larve von L. noctiluca.
(Lampyris). Die umherfliegenden können nur
Männchen sein; denn den Weibchen fehlen die
Flügel, sie sind es, die im hohen Grase, im
Gebüsch träge einherkriechen und durch ihren hellen
Lichtschein jene herbeilocken. Wir haben in Deutsch-
land zwei Arten, von denen die eine hier, die andere
dort die gemeinere ist: die Lampyris splendidula
kennzeichnet ihr graubraunes Männchen durch zwei
glasartige Fensterflecke vorn am Halsschilde und
durch die Flügeldecken, welche wenig mehr als doppelt
so lang, wie zusammen breit sind. Das weißgelbe Weibchen erkennt man an den beiden
Schüppchen an Stelle der Flügeldecken. Die andere Art, L. noctiluca, wird ein gut Theil größer
(das Weibchen sieben bis acht, das Männchen fünf Linien); dieses, lichtpechbraun, hat ein grau-
gelbes Halsschild mit dunkler Scheibe, zwei undeutlichen Fensterfleckchen, und dreimal so lange
Flügeldecken als ihre gemeinschaftliche Breite beträgt; beim Weibchen findet sich keine Spur von
solchen, und seine Larvenähnlichkeit wird noch vollkommener, als bei der vorigen. Der Kopf ver-
steckt sich bei beiden unter dem halbkreisförmigen Halsschilde, trägt kurze, fadenförmige Fühler,
deren Glieder vom vierten an gleich lang sind, und große kugelige Augen, welche zusammenstoßen.
Das vierte Glied der Tarsen ist nicht zweilappig. Die schwärzlichen, lederartig bedeckten Larven
breiten ihre Segmente schildförmig aus. Der horizontale, sehr kleine Kopf läßt sich vollständig in
den Prothorar zurückziehen, trägt jederseits ein großes Punktauge, dreigliederige Fühler, keine Ober-
lippe, sichelförmige, einfache Kinnbacken, Kinnladen mit dreigliederigem Taster und tasterartigem,
zweigliederigen Lappen. Die Unterlippe besteht aus einem schmalen, länglichen, fleischigen Kinne,
einem hornigen, dicken, cylindrischen Tasterstamme, welcher mit den zwei daraufsitzenden Gliedern
desselben zusammen wie ein dreigliederiger Taster erscheint. Die cylindrischen Hüften liegen dem
Körper an und sind nach hinten und innen gerichtet. Der After tritt mäßig vor und dient als
Nachschieber.

Die hier abgebildete Larve gehört der L. noctiluca an, welche sich durch den Endpinsel ihres
Leibes auszeichnet; zwei concentrische Kreise weißer, knorpeliger, durch eine gallertartige Haut
verbundener Strahlen, die sich einzeln aus- und einziehen können, und im erstern Falle eine

Lyciden. Dictyopterus. Johanniswürmchen.

Die paar deutſchen Arten traf ich vorzugsweiſe, wie im ſchlafenden Zuſtande, an Gras-
halmen hängend im Walde an, nur eine einmal (Dictyopterus minutus) in einer faulen Buche.
Der Dictyopterus (Lygistopterus) sanguineus iſt tief ſchwarz mit Ausnahme der linealen,
ſchwach gerieften, filzig behaarten Flügeldecken und der Seitenränder des quer rechteckigen, in
der Mitte tief gefurchten Halsſchildes, welche beide ſcharlachroth ausſehen. Der Kopf, welcher
größtentheils vom Halsſchilde bedeckt wird, verlängert ſich nach vorn ſchnauzenartig, der ſehr kurze
innere Lappen des Unterkiefers iſt häutig, der äußere, zugeſpitzte, erreicht das dritte Glied der
ſchief abgeſtutzten Taſter. Als abgerundete, behaarte Spitze ſteht die Zunge am Ende der läng-
lichen, hornigen Unterlippe zwiſchen der Wurzel der geſtutzt endenden Taſter. Die elfgliederigen
Fühler ſind flach gedrückt, die Tarſen herzförmig, in einfache Klauen auslaufend. Länge 3¼ bis
4 Linien. — Die typiſche Form Lyeus heimatet beſonders in Afrika, kommt aber auch in wenigen
Arten in Oſtindien und Mittelamerika vor, nicht in unſerem Erdtheile.

Wer hätte ſie nicht ſchon geſehen, jene Feuerfünkchen, welche in Gegenden, denen Buſchwerk
und Gras nicht fehlen, bisweilen zu Tauſenden die ſommerliche Abendluft durchtanzen oder, in
dieſen wie feſtgebannt, Blätter und Stengel mit grünlichem Lichtſchein erhellen? Daß von einem
lebenden Weſen das nicht brennende Feuer ausgeht, weiß jedes Kind und kennt es auch unter
dem Namen Leuchtkäfer, Johanniswürmchen

[Abbildung] Männchen und Weibchen des Johanniswürmchen
(Lampyris spiendidula). Larve von L. noctiluca.
(Lampyris). Die umherfliegenden können nur
Männchen ſein; denn den Weibchen fehlen die
Flügel, ſie ſind es, die im hohen Graſe, im
Gebüſch träge einherkriechen und durch ihren hellen
Lichtſchein jene herbeilocken. Wir haben in Deutſch-
land zwei Arten, von denen die eine hier, die andere
dort die gemeinere iſt: die Lampyris splendidula
kennzeichnet ihr graubraunes Männchen durch zwei
glasartige Fenſterflecke vorn am Halsſchilde und
durch die Flügeldecken, welche wenig mehr als doppelt
ſo lang, wie zuſammen breit ſind. Das weißgelbe Weibchen erkennt man an den beiden
Schüppchen an Stelle der Flügeldecken. Die andere Art, L. noctiluca, wird ein gut Theil größer
(das Weibchen ſieben bis acht, das Männchen fünf Linien); dieſes, lichtpechbraun, hat ein grau-
gelbes Halsſchild mit dunkler Scheibe, zwei undeutlichen Fenſterfleckchen, und dreimal ſo lange
Flügeldecken als ihre gemeinſchaftliche Breite beträgt; beim Weibchen findet ſich keine Spur von
ſolchen, und ſeine Larvenähnlichkeit wird noch vollkommener, als bei der vorigen. Der Kopf ver-
ſteckt ſich bei beiden unter dem halbkreisförmigen Halsſchilde, trägt kurze, fadenförmige Fühler,
deren Glieder vom vierten an gleich lang ſind, und große kugelige Augen, welche zuſammenſtoßen.
Das vierte Glied der Tarſen iſt nicht zweilappig. Die ſchwärzlichen, lederartig bedeckten Larven
breiten ihre Segmente ſchildförmig aus. Der horizontale, ſehr kleine Kopf läßt ſich vollſtändig in
den Prothorar zurückziehen, trägt jederſeits ein großes Punktauge, dreigliederige Fühler, keine Ober-
lippe, ſichelförmige, einfache Kinnbacken, Kinnladen mit dreigliederigem Taſter und taſterartigem,
zweigliederigen Lappen. Die Unterlippe beſteht aus einem ſchmalen, länglichen, fleiſchigen Kinne,
einem hornigen, dicken, cylindriſchen Taſterſtamme, welcher mit den zwei daraufſitzenden Gliedern
deſſelben zuſammen wie ein dreigliederiger Taſter erſcheint. Die cylindriſchen Hüften liegen dem
Körper an und ſind nach hinten und innen gerichtet. Der After tritt mäßig vor und dient als
Nachſchieber.

Die hier abgebildete Larve gehört der L. noctiluca an, welche ſich durch den Endpinſel ihres
Leibes auszeichnet; zwei concentriſche Kreiſe weißer, knorpeliger, durch eine gallertartige Haut
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[91/0109] Lyciden. Dictyopterus. Johanniswürmchen. Die paar deutſchen Arten traf ich vorzugsweiſe, wie im ſchlafenden Zuſtande, an Gras- halmen hängend im Walde an, nur eine einmal (Dictyopterus minutus) in einer faulen Buche. Der Dictyopterus (Lygistopterus) sanguineus iſt tief ſchwarz mit Ausnahme der linealen, ſchwach gerieften, filzig behaarten Flügeldecken und der Seitenränder des quer rechteckigen, in der Mitte tief gefurchten Halsſchildes, welche beide ſcharlachroth ausſehen. Der Kopf, welcher größtentheils vom Halsſchilde bedeckt wird, verlängert ſich nach vorn ſchnauzenartig, der ſehr kurze innere Lappen des Unterkiefers iſt häutig, der äußere, zugeſpitzte, erreicht das dritte Glied der ſchief abgeſtutzten Taſter. Als abgerundete, behaarte Spitze ſteht die Zunge am Ende der läng- lichen, hornigen Unterlippe zwiſchen der Wurzel der geſtutzt endenden Taſter. Die elfgliederigen Fühler ſind flach gedrückt, die Tarſen herzförmig, in einfache Klauen auslaufend. Länge 3¼ bis 4 Linien. — Die typiſche Form Lyeus heimatet beſonders in Afrika, kommt aber auch in wenigen Arten in Oſtindien und Mittelamerika vor, nicht in unſerem Erdtheile. Wer hätte ſie nicht ſchon geſehen, jene Feuerfünkchen, welche in Gegenden, denen Buſchwerk und Gras nicht fehlen, bisweilen zu Tauſenden die ſommerliche Abendluft durchtanzen oder, in dieſen wie feſtgebannt, Blätter und Stengel mit grünlichem Lichtſchein erhellen? Daß von einem lebenden Weſen das nicht brennende Feuer ausgeht, weiß jedes Kind und kennt es auch unter dem Namen Leuchtkäfer, Johanniswürmchen [Abbildung Männchen und Weibchen des Johanniswürmchen (Lampyris spiendidula). Larve von L. noctiluca.] (Lampyris). Die umherfliegenden können nur Männchen ſein; denn den Weibchen fehlen die Flügel, ſie ſind es, die im hohen Graſe, im Gebüſch träge einherkriechen und durch ihren hellen Lichtſchein jene herbeilocken. Wir haben in Deutſch- land zwei Arten, von denen die eine hier, die andere dort die gemeinere iſt: die Lampyris splendidula kennzeichnet ihr graubraunes Männchen durch zwei glasartige Fenſterflecke vorn am Halsſchilde und durch die Flügeldecken, welche wenig mehr als doppelt ſo lang, wie zuſammen breit ſind. Das weißgelbe Weibchen erkennt man an den beiden Schüppchen an Stelle der Flügeldecken. Die andere Art, L. noctiluca, wird ein gut Theil größer (das Weibchen ſieben bis acht, das Männchen fünf Linien); dieſes, lichtpechbraun, hat ein grau- gelbes Halsſchild mit dunkler Scheibe, zwei undeutlichen Fenſterfleckchen, und dreimal ſo lange Flügeldecken als ihre gemeinſchaftliche Breite beträgt; beim Weibchen findet ſich keine Spur von ſolchen, und ſeine Larvenähnlichkeit wird noch vollkommener, als bei der vorigen. Der Kopf ver- ſteckt ſich bei beiden unter dem halbkreisförmigen Halsſchilde, trägt kurze, fadenförmige Fühler, deren Glieder vom vierten an gleich lang ſind, und große kugelige Augen, welche zuſammenſtoßen. Das vierte Glied der Tarſen iſt nicht zweilappig. Die ſchwärzlichen, lederartig bedeckten Larven breiten ihre Segmente ſchildförmig aus. Der horizontale, ſehr kleine Kopf läßt ſich vollſtändig in den Prothorar zurückziehen, trägt jederſeits ein großes Punktauge, dreigliederige Fühler, keine Ober- lippe, ſichelförmige, einfache Kinnbacken, Kinnladen mit dreigliederigem Taſter und taſterartigem, zweigliederigen Lappen. Die Unterlippe beſteht aus einem ſchmalen, länglichen, fleiſchigen Kinne, einem hornigen, dicken, cylindriſchen Taſterſtamme, welcher mit den zwei daraufſitzenden Gliedern deſſelben zuſammen wie ein dreigliederiger Taſter erſcheint. Die cylindriſchen Hüften liegen dem Körper an und ſind nach hinten und innen gerichtet. Der After tritt mäßig vor und dient als Nachſchieber. Die hier abgebildete Larve gehört der L. noctiluca an, welche ſich durch den Endpinſel ihres Leibes auszeichnet; zwei concentriſche Kreiſe weißer, knorpeliger, durch eine gallertartige Haut verbundener Strahlen, die ſich einzeln aus- und einziehen können, und im erſtern Falle eine

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/109>, abgerufen am 23.11.2024.