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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Wurzelfüßer. Moneren.
sich verzweigen und verbinden, durch den ganzen Zellenraum sich erstrecken, um endlich mit
den immer feiner werdenden Zweigelchen an der Körperwandung sich anzuheften. Jn dieses
Netz, welches in Form und Verhalten von dem Protoplasmanetz einer Pflanzenzelle nicht zu
unterscheiden, wird die Nahrung aufgenommen, sie muß mit der sie umfließenden Masse wandern
und wird von jener verdaut.

Es gibt mehrere Formen oder Arten der Noctilucen in den Meeren der gemäßigten und
heißen Zonen. Sie erscheinen meist in ungeheuren Mengen, so daß sie mitunter auf weite
Strecken eine bei Tage röthlich aussehende Oberflächen-Schichte bilden. Bei Nacht leuchten sie
phosphorisch und zwar unter denselben Erscheinungen, wie andere Leuchtthiere. Erregung des
Wassers und Reibung ihrer Körper steigert die Leuchtkraft.



Schon jene ächten Wurzelfüßer, von denen oben die Rede gewesen, ja auch die Schwämme,
werden von einer Anzahl bedeutender Naturforscher unserer Tage nicht mehr für ächte Thiere
gehalten. Die Reizbarkeit der Sarkode genügt ihnen nicht, um diesen Wesen eine wenn auch

[Abbildung] Protomyxa aurantiaca. Vergr. 140.
noch so winzige Seele zuzuschreiben, durch deren Thätigkeit die Rhizopoden sich über die
mechanische Reizbarkeit der Mimosen erhöben. Wäre es uns gestattet, die Lebens- und
Entwicklungsgeschichte der Organismengruppe der Schleimpilze (Myxomycetes) vorzuführen,
deren wenigstens vorwiegend pflanzliche Natur bisher wenig angefochten wurde, so würden wir
dabei Protoplasma-Zuständen begegnen, in denen sich alle jene Erscheinungen der veränderlichen
Fortsätze der Wurzelfüßer wiederholen.

Zu solchen Wesen von verblassenden Charakteren und zweifelhaftem Charakter führt sowohl
das folgerichtige Nachdenken über die Thatsachen, aus welchen sich die die heutige Zoologie und
Botanik beherrschende Abstammungslehre erhoben hat, als auch die von Meinungen völlig

Wurzelfüßer. Moneren.
ſich verzweigen und verbinden, durch den ganzen Zellenraum ſich erſtrecken, um endlich mit
den immer feiner werdenden Zweigelchen an der Körperwandung ſich anzuheften. Jn dieſes
Netz, welches in Form und Verhalten von dem Protoplasmanetz einer Pflanzenzelle nicht zu
unterſcheiden, wird die Nahrung aufgenommen, ſie muß mit der ſie umfließenden Maſſe wandern
und wird von jener verdaut.

Es gibt mehrere Formen oder Arten der Noctilucen in den Meeren der gemäßigten und
heißen Zonen. Sie erſcheinen meiſt in ungeheuren Mengen, ſo daß ſie mitunter auf weite
Strecken eine bei Tage röthlich ausſehende Oberflächen-Schichte bilden. Bei Nacht leuchten ſie
phosphoriſch und zwar unter denſelben Erſcheinungen, wie andere Leuchtthiere. Erregung des
Waſſers und Reibung ihrer Körper ſteigert die Leuchtkraft.



Schon jene ächten Wurzelfüßer, von denen oben die Rede geweſen, ja auch die Schwämme,
werden von einer Anzahl bedeutender Naturforſcher unſerer Tage nicht mehr für ächte Thiere
gehalten. Die Reizbarkeit der Sarkode genügt ihnen nicht, um dieſen Weſen eine wenn auch

[Abbildung] Protomyxa aurantiaca. Vergr. 140.
noch ſo winzige Seele zuzuſchreiben, durch deren Thätigkeit die Rhizopoden ſich über die
mechaniſche Reizbarkeit der Mimoſen erhöben. Wäre es uns geſtattet, die Lebens- und
Entwicklungsgeſchichte der Organismengruppe der Schleimpilze (Myxomycetes) vorzuführen,
deren wenigſtens vorwiegend pflanzliche Natur bisher wenig angefochten wurde, ſo würden wir
dabei Protoplasma-Zuſtänden begegnen, in denen ſich alle jene Erſcheinungen der veränderlichen
Fortſätze der Wurzelfüßer wiederholen.

Zu ſolchen Weſen von verblaſſenden Charakteren und zweifelhaftem Charakter führt ſowohl
das folgerichtige Nachdenken über die Thatſachen, aus welchen ſich die die heutige Zoologie und
Botanik beherrſchende Abſtammungslehre erhoben hat, als auch die von Meinungen völlig

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[1030/1088] Wurzelfüßer. Moneren. ſich verzweigen und verbinden, durch den ganzen Zellenraum ſich erſtrecken, um endlich mit den immer feiner werdenden Zweigelchen an der Körperwandung ſich anzuheften. Jn dieſes Netz, welches in Form und Verhalten von dem Protoplasmanetz einer Pflanzenzelle nicht zu unterſcheiden, wird die Nahrung aufgenommen, ſie muß mit der ſie umfließenden Maſſe wandern und wird von jener verdaut. Es gibt mehrere Formen oder Arten der Noctilucen in den Meeren der gemäßigten und heißen Zonen. Sie erſcheinen meiſt in ungeheuren Mengen, ſo daß ſie mitunter auf weite Strecken eine bei Tage röthlich ausſehende Oberflächen-Schichte bilden. Bei Nacht leuchten ſie phosphoriſch und zwar unter denſelben Erſcheinungen, wie andere Leuchtthiere. Erregung des Waſſers und Reibung ihrer Körper ſteigert die Leuchtkraft. Schon jene ächten Wurzelfüßer, von denen oben die Rede geweſen, ja auch die Schwämme, werden von einer Anzahl bedeutender Naturforſcher unſerer Tage nicht mehr für ächte Thiere gehalten. Die Reizbarkeit der Sarkode genügt ihnen nicht, um dieſen Weſen eine wenn auch [Abbildung Protomyxa aurantiaca. Vergr. 140.] noch ſo winzige Seele zuzuſchreiben, durch deren Thätigkeit die Rhizopoden ſich über die mechaniſche Reizbarkeit der Mimoſen erhöben. Wäre es uns geſtattet, die Lebens- und Entwicklungsgeſchichte der Organismengruppe der Schleimpilze (Myxomycetes) vorzuführen, deren wenigſtens vorwiegend pflanzliche Natur bisher wenig angefochten wurde, ſo würden wir dabei Protoplasma-Zuſtänden begegnen, in denen ſich alle jene Erſcheinungen der veränderlichen Fortſätze der Wurzelfüßer wiederholen. Zu ſolchen Weſen von verblaſſenden Charakteren und zweifelhaftem Charakter führt ſowohl das folgerichtige Nachdenken über die Thatſachen, aus welchen ſich die die heutige Zoologie und Botanik beherrſchende Abſtammungslehre erhoben hat, als auch die von Meinungen völlig

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 1030. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1088>, abgerufen am 23.11.2024.