seinem Wege an eine Theilungsstelle des Fadens, so steht es oft eine Zeit lang still, bis es den einen oder den anderen Weg einschlägt. Bei brückenförmigen Verbindungen der Fäden fließen auch die Kügelchen von einem zum anderen über, und da begegnet es nicht selten, daß ein centrifugaler Strom von einem centripetalen erfaßt und zum Umkehren gezwungen wird. Auch im Jnnern eines breiteren Fadens beobach-
tet man zuweilen ein Stillstehen, ein Schwanken und schließliches Umkehren ein- zelner Körperchen."
"Die Fäden bestehen aus einer äußerst feinkörnigen Grundmasse. Ein Unterschied von Haut und Jnhalt existirt an denselben nicht. -- Die regelmäßig auf- und ab- steigende Bewegung der Kügelchen läßt sich nur erklären als hervorgebracht durch das Hin- und Zurückströmen der aus dem Jnnern der Schale stammenden, fließen- dem Wachs zu vergleichenden, homogenen kontraktilen Substanz, welche in der einen Hälfte jedes Fadens eine centrifugale, in der anderen eine centripetale Richtung ver- folgt und natürlich die größeren Kügel- chen, welche uns allein von der Gegen- wart einer solchen Bewegung in Kenntniß setzen, mit sich führt."
"Stoßen die Fäden auf ihrem Wege an irgend einen zur Nahrung brauch- bar erscheinenden Körper, eine Bacillarie (einzellige Kiesel-Alge), einen kürzeren Oscillatoriensaden, so legen sie sich an denselben an und breiten sich über ihm aus, indem sie mit benachbarten zusam- menfließen. So bilden sie eine mehr oder weniger vollständige Hülle um denselben. Jn dieser, wie in den Fäden, hört die Strömung der Kügelchen jetzt auf. Die Fäden krümmen und verkürzen sich, fließen bei diesen Bewegungen immer mehr zu einem dichten Netz oder zu breiteren Platten zusammen, bis die Beute führende Masse der Schalenöffnung nahe gekommen ist und schließlich in dieselbe zurückgezogen wird. Ganz ähnliche Erscheinungen beobachtet man auch, wenn die Fäden aus irgend einem anderen Grunde sich zurückziehen. Die regelmäßigen Körnchenströme stehen still, die Fäden krümmen sich, indem sie von dem Glase, an dem sie sich festgeheftet hatten, loslassen, fließen häufiger als vorher zusammen und gelangen endlich als unförmliche, zersetzter organischer Substanz ähnlich sehende Masse zur Schalenöffnung, in welche sie langsam auf- genommen werden."
Diese Beschreibung der veränderlichen, fließenden Fortsätze, welche, einem Wurzelgeflecht gleichend, der ganzen Klasse den Namen der Wurzelfüßer (Rhizopoda) verschafft haben, ist in allen Zügen wahr. Wir entnehmen also daraus, daß bei ihnen eine und dieselbe formlose Substanz für die Bewegung, Ernährung und Empfindung sorgt. Die von fremden Körpern berührten
Taschenberg und Schmidt, wirbellose Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 65
Eiförmige Gromie.
ſeinem Wege an eine Theilungsſtelle des Fadens, ſo ſteht es oft eine Zeit lang ſtill, bis es den einen oder den anderen Weg einſchlägt. Bei brückenförmigen Verbindungen der Fäden fließen auch die Kügelchen von einem zum anderen über, und da begegnet es nicht ſelten, daß ein centrifugaler Strom von einem centripetalen erfaßt und zum Umkehren gezwungen wird. Auch im Jnnern eines breiteren Fadens beobach-
tet man zuweilen ein Stillſtehen, ein Schwanken und ſchließliches Umkehren ein- zelner Körperchen.“
„Die Fäden beſtehen aus einer äußerſt feinkörnigen Grundmaſſe. Ein Unterſchied von Haut und Jnhalt exiſtirt an denſelben nicht. — Die regelmäßig auf- und ab- ſteigende Bewegung der Kügelchen läßt ſich nur erklären als hervorgebracht durch das Hin- und Zurückſtrömen der aus dem Jnnern der Schale ſtammenden, fließen- dem Wachs zu vergleichenden, homogenen kontraktilen Subſtanz, welche in der einen Hälfte jedes Fadens eine centrifugale, in der anderen eine centripetale Richtung ver- folgt und natürlich die größeren Kügel- chen, welche uns allein von der Gegen- wart einer ſolchen Bewegung in Kenntniß ſetzen, mit ſich führt.“
„Stoßen die Fäden auf ihrem Wege an irgend einen zur Nahrung brauch- bar erſcheinenden Körper, eine Bacillarie (einzellige Kieſel-Alge), einen kürzeren Oscillatorienſaden, ſo legen ſie ſich an denſelben an und breiten ſich über ihm aus, indem ſie mit benachbarten zuſam- menfließen. So bilden ſie eine mehr oder weniger vollſtändige Hülle um denſelben. Jn dieſer, wie in den Fäden, hört die Strömung der Kügelchen jetzt auf. Die Fäden krümmen und verkürzen ſich, fließen bei dieſen Bewegungen immer mehr zu einem dichten Netz oder zu breiteren Platten zuſammen, bis die Beute führende Maſſe der Schalenöffnung nahe gekommen iſt und ſchließlich in dieſelbe zurückgezogen wird. Ganz ähnliche Erſcheinungen beobachtet man auch, wenn die Fäden aus irgend einem anderen Grunde ſich zurückziehen. Die regelmäßigen Körnchenſtröme ſtehen ſtill, die Fäden krümmen ſich, indem ſie von dem Glaſe, an dem ſie ſich feſtgeheftet hatten, loslaſſen, fließen häufiger als vorher zuſammen und gelangen endlich als unförmliche, zerſetzter organiſcher Subſtanz ähnlich ſehende Maſſe zur Schalenöffnung, in welche ſie langſam auf- genommen werden.“
Dieſe Beſchreibung der veränderlichen, fließenden Fortſätze, welche, einem Wurzelgeflecht gleichend, der ganzen Klaſſe den Namen der Wurzelfüßer (Rhizopoda) verſchafft haben, iſt in allen Zügen wahr. Wir entnehmen alſo daraus, daß bei ihnen eine und dieſelbe formloſe Subſtanz für die Bewegung, Ernährung und Empfindung ſorgt. Die von fremden Körpern berührten
Taſchenberg und Schmidt, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 65
<TEI><text><body><floatingText><body><divn="1"><p><pbfacs="#f1083"n="1025"/><fwplace="top"type="header">Eiförmige Gromie.</fw><lb/>ſeinem Wege an eine Theilungsſtelle des Fadens, ſo ſteht es oft eine Zeit lang ſtill, bis es den<lb/>
einen oder den anderen Weg einſchlägt. Bei brückenförmigen Verbindungen der Fäden fließen<lb/>
auch die Kügelchen von einem zum anderen über, und da begegnet es nicht ſelten, daß ein<lb/>
centrifugaler Strom von einem centripetalen erfaßt und zum Umkehren gezwungen wird. Auch<lb/>
im Jnnern eines breiteren Fadens beobach-<lb/><figure><head><hirendition="#c"><hirendition="#g">Eiförmige Gromie</hi> (<hirendition="#aq">Gromia oviformis</hi>). Bergr. 300.</hi></head></figure><lb/>
tet man zuweilen ein Stillſtehen, ein<lb/>
Schwanken und ſchließliches Umkehren ein-<lb/>
zelner Körperchen.“</p><lb/><p>„Die Fäden beſtehen aus einer äußerſt<lb/>
feinkörnigen Grundmaſſe. Ein Unterſchied<lb/>
von Haut und Jnhalt exiſtirt an denſelben<lb/>
nicht. — Die regelmäßig auf- und ab-<lb/>ſteigende Bewegung der Kügelchen läßt ſich<lb/>
nur erklären als hervorgebracht durch das<lb/>
Hin- und Zurückſtrömen der aus dem<lb/>
Jnnern der Schale ſtammenden, fließen-<lb/>
dem Wachs zu vergleichenden, homogenen<lb/>
kontraktilen Subſtanz, welche in der einen<lb/>
Hälfte jedes Fadens eine centrifugale, in<lb/>
der anderen eine centripetale Richtung ver-<lb/>
folgt und natürlich die größeren Kügel-<lb/>
chen, welche uns allein von der Gegen-<lb/>
wart einer ſolchen Bewegung in Kenntniß<lb/>ſetzen, mit ſich führt.“</p><lb/><p>„Stoßen die Fäden auf ihrem Wege<lb/>
an irgend einen zur <hirendition="#g">Nahrung</hi> brauch-<lb/>
bar erſcheinenden Körper, eine Bacillarie<lb/>
(einzellige Kieſel-Alge), einen kürzeren<lb/>
Oscillatorienſaden, ſo legen ſie ſich an<lb/>
denſelben an und breiten ſich über ihm<lb/>
aus, indem ſie mit benachbarten zuſam-<lb/>
menfließen. So bilden ſie eine mehr oder<lb/>
weniger vollſtändige Hülle um denſelben.<lb/>
Jn dieſer, wie in den Fäden, hört die<lb/>
Strömung der Kügelchen jetzt auf. Die<lb/>
Fäden krümmen und verkürzen ſich,<lb/>
fließen bei dieſen Bewegungen immer mehr zu einem dichten Netz oder zu breiteren Platten<lb/>
zuſammen, bis die Beute führende Maſſe der Schalenöffnung nahe gekommen iſt und ſchließlich<lb/>
in dieſelbe zurückgezogen wird. Ganz ähnliche Erſcheinungen beobachtet man auch, wenn die<lb/>
Fäden aus irgend einem anderen Grunde ſich zurückziehen. Die regelmäßigen Körnchenſtröme<lb/>ſtehen ſtill, die Fäden krümmen ſich, indem ſie von dem Glaſe, an dem ſie ſich feſtgeheftet hatten,<lb/>
loslaſſen, fließen häufiger als vorher zuſammen und gelangen endlich als unförmliche, zerſetzter<lb/>
organiſcher Subſtanz ähnlich ſehende Maſſe zur Schalenöffnung, in welche ſie langſam auf-<lb/>
genommen werden.“</p><lb/><p>Dieſe Beſchreibung der veränderlichen, fließenden Fortſätze, welche, einem Wurzelgeflecht<lb/>
gleichend, der ganzen Klaſſe den Namen der <hirendition="#g">Wurzelfüßer</hi> (<hirendition="#aq">Rhizopoda</hi>) verſchafft haben, iſt in<lb/>
allen Zügen wahr. Wir entnehmen alſo daraus, daß bei ihnen eine und dieſelbe formloſe Subſtanz<lb/>
für die Bewegung, Ernährung und Empfindung ſorgt. Die von fremden Körpern berührten<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Taſchenberg</hi> und <hirendition="#g">Schmidt,</hi> wirbelloſe Thiere. (<hirendition="#g">Brehm,</hi> Thierleben <hirendition="#aq">VI.</hi>) 65</fw><lb/></p></div></body></floatingText></body></text></TEI>
[1025/1083]
Eiförmige Gromie.
ſeinem Wege an eine Theilungsſtelle des Fadens, ſo ſteht es oft eine Zeit lang ſtill, bis es den
einen oder den anderen Weg einſchlägt. Bei brückenförmigen Verbindungen der Fäden fließen
auch die Kügelchen von einem zum anderen über, und da begegnet es nicht ſelten, daß ein
centrifugaler Strom von einem centripetalen erfaßt und zum Umkehren gezwungen wird. Auch
im Jnnern eines breiteren Fadens beobach-
[Abbildung Eiförmige Gromie (Gromia oviformis). Bergr. 300.]
tet man zuweilen ein Stillſtehen, ein
Schwanken und ſchließliches Umkehren ein-
zelner Körperchen.“
„Die Fäden beſtehen aus einer äußerſt
feinkörnigen Grundmaſſe. Ein Unterſchied
von Haut und Jnhalt exiſtirt an denſelben
nicht. — Die regelmäßig auf- und ab-
ſteigende Bewegung der Kügelchen läßt ſich
nur erklären als hervorgebracht durch das
Hin- und Zurückſtrömen der aus dem
Jnnern der Schale ſtammenden, fließen-
dem Wachs zu vergleichenden, homogenen
kontraktilen Subſtanz, welche in der einen
Hälfte jedes Fadens eine centrifugale, in
der anderen eine centripetale Richtung ver-
folgt und natürlich die größeren Kügel-
chen, welche uns allein von der Gegen-
wart einer ſolchen Bewegung in Kenntniß
ſetzen, mit ſich führt.“
„Stoßen die Fäden auf ihrem Wege
an irgend einen zur Nahrung brauch-
bar erſcheinenden Körper, eine Bacillarie
(einzellige Kieſel-Alge), einen kürzeren
Oscillatorienſaden, ſo legen ſie ſich an
denſelben an und breiten ſich über ihm
aus, indem ſie mit benachbarten zuſam-
menfließen. So bilden ſie eine mehr oder
weniger vollſtändige Hülle um denſelben.
Jn dieſer, wie in den Fäden, hört die
Strömung der Kügelchen jetzt auf. Die
Fäden krümmen und verkürzen ſich,
fließen bei dieſen Bewegungen immer mehr zu einem dichten Netz oder zu breiteren Platten
zuſammen, bis die Beute führende Maſſe der Schalenöffnung nahe gekommen iſt und ſchließlich
in dieſelbe zurückgezogen wird. Ganz ähnliche Erſcheinungen beobachtet man auch, wenn die
Fäden aus irgend einem anderen Grunde ſich zurückziehen. Die regelmäßigen Körnchenſtröme
ſtehen ſtill, die Fäden krümmen ſich, indem ſie von dem Glaſe, an dem ſie ſich feſtgeheftet hatten,
loslaſſen, fließen häufiger als vorher zuſammen und gelangen endlich als unförmliche, zerſetzter
organiſcher Subſtanz ähnlich ſehende Maſſe zur Schalenöffnung, in welche ſie langſam auf-
genommen werden.“
Dieſe Beſchreibung der veränderlichen, fließenden Fortſätze, welche, einem Wurzelgeflecht
gleichend, der ganzen Klaſſe den Namen der Wurzelfüßer (Rhizopoda) verſchafft haben, iſt in
allen Zügen wahr. Wir entnehmen alſo daraus, daß bei ihnen eine und dieſelbe formloſe Subſtanz
für die Bewegung, Ernährung und Empfindung ſorgt. Die von fremden Körpern berührten
Taſchenberg und Schmidt, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 65
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 1025. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1083>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.