Wenn ich meine schöne, in ihrer Art einzige Sammlung von Schwämmen (Spongiae, Spongien) durchsehe, überkommen mich oft jene Zweifel an der thierischen Natur dieser, unter den verschiedenartigsten Formen als zierliche Becher, ungeschlachte Klumpen, Stauden, Bäumchen, Ruthen u. a. auftretenden Organismen, die noch kürzlich von bedeutenden Naturforschern geltend gemacht worden sind. Jch muß mir erst alle jene Momente und Ergebnisse der feineren Unter- suchung vergegenwärtigen, um ihnen doch den angewiesenen Platz zu lassen und sie nicht geradezu in das Pflanzenreich zu rangiren. Mit Wesen von so zweifelhafter Natur, die der Eine für Pflanzen, der Andere für Mitteldinge zwischen Pflanzen und Thieren, andere, und vor der Hand die Mehrzahl der Naturforscher für Thiere gehalten wissen wollen, bin ich natürlich dem Leser gegenüber in arger Verlegenheit. Auch muß ich, um Anknüpfungspunkte für die Anschauung dieser stillen Geschöpfe zu gewinnen, fast ausschließlich wieder auf das Meer verweisen, da sie im süßen Wasser nur durch eine einzige höchst formlose und unscheinbare Sippe vertreten sind. Dieselbe ist noch dazu oft in weiten Bezirken, wie z. B. in Steiermark, soweit ich dessen Gewässer durchsucht habe, gar nicht zu finden.
Jm Meere aber gibt es der Spongien eine bunte Manchfaltigkeit, bunt nicht nur an Formen, sondern auch an Farben, an geeigneten Stellen, so namentlich für gewisse Sippen im Brakwasser in erstaunlichen Mengen. Große Strecken des Canale grande in Venedig, wo ich vor einigen Jahren meinen Schwammstudien oblag, sind so mit einer Decke von einigen Arten überzogen, daß man sie fuderweise sammeln könnte. Nirgend aber habe ich eine solche Fülle köstlich blau und röthlich gefärbter Spongienarten gesehen, als bei Argostoli, der Hauptstadt von Cephalonien, in der seichten, von vielen Süßwasserquellen gespeisten Meeresbucht.
Die Naturforscher sind lange an ihnen vorübergegangen, weil ihnen nicht recht beizukommen war; sie boten weder der beschreibenden und klassificirenden Richtung gute Anhaltepunkte, noch ließ sich die feinere mikroskopisch-anatomische Beobachtung auf sie in größerem Umfange ein, eben weil die vorläufige systematische Grundlage fehlte. Das ist nun wohl etwas anders geworden, seitdem Lieberkühn die feineren Structurverhältnisse unseres Süßwasserschwammes und einiger seebewohnender Spongien enthüllt und ein englischer privatisirender Naturforscher, Bowerbank, seine specielle Aufmerksamkeit der unglaublichen Formenmenge der kieseligen und kalkigen Hart- theile der Schwämme gewidmet hat, und seitdem durch letzteren die Schwämme der britischen Küsten, durch mich aber die des adriatischen und Mittelmeeres genauer beschrieben und zu einem Gemeingut der Wissenschaft gemacht worden sind. Erst in jüngster Zeit habe ich meinen Fach- genossen einen Versuch zu einem natürlichen Systeme dieser Organismen vorgelegt, so weit er sich aus der allseitigsten Betrachtung der Vorkommnisse des adriatisch-mittelmeerischen Bezirkes ergab. Man wolle aber hieraus entnehmen, daß wir uns hier vor einem noch so sehr unfertigen Theile der großen zoologischen Wissenschaft befinden, und daß die Mittheilungen darüber auch mit Rücksicht darauf, daß die Lebensäußerungen fast ausschließlich innerlich verlaufen, auf das geringste Maß zu beschränken sind. Für die großen, gegenwärtig die Naturforscher in Athem haltenden Fragen der Wissenschaft über Abstammung, Verwandtschaft und geographische Verbreitung der Organismen versprechen die Spongien sehr wichtig zu werden. Daß aber die Praxis nicht leer ausgeht, dafür bürgt die Bedeutung des Badeschwammes, auf dessen künstliche Vermehrung und Züchtung ich seit einigen Jahren meine Aufmerksamkeit gerichtet habe.
Die Schwämme.
Die Schwämme.
Wenn ich meine ſchöne, in ihrer Art einzige Sammlung von Schwämmen (Spongiae, Spongien) durchſehe, überkommen mich oft jene Zweifel an der thieriſchen Natur dieſer, unter den verſchiedenartigſten Formen als zierliche Becher, ungeſchlachte Klumpen, Stauden, Bäumchen, Ruthen u. a. auftretenden Organismen, die noch kürzlich von bedeutenden Naturforſchern geltend gemacht worden ſind. Jch muß mir erſt alle jene Momente und Ergebniſſe der feineren Unter- ſuchung vergegenwärtigen, um ihnen doch den angewieſenen Platz zu laſſen und ſie nicht geradezu in das Pflanzenreich zu rangiren. Mit Weſen von ſo zweifelhafter Natur, die der Eine für Pflanzen, der Andere für Mitteldinge zwiſchen Pflanzen und Thieren, andere, und vor der Hand die Mehrzahl der Naturforſcher für Thiere gehalten wiſſen wollen, bin ich natürlich dem Leſer gegenüber in arger Verlegenheit. Auch muß ich, um Anknüpfungspunkte für die Anſchauung dieſer ſtillen Geſchöpfe zu gewinnen, faſt ausſchließlich wieder auf das Meer verweiſen, da ſie im ſüßen Waſſer nur durch eine einzige höchſt formloſe und unſcheinbare Sippe vertreten ſind. Dieſelbe iſt noch dazu oft in weiten Bezirken, wie z. B. in Steiermark, ſoweit ich deſſen Gewäſſer durchſucht habe, gar nicht zu finden.
Jm Meere aber gibt es der Spongien eine bunte Manchfaltigkeit, bunt nicht nur an Formen, ſondern auch an Farben, an geeigneten Stellen, ſo namentlich für gewiſſe Sippen im Brakwaſſer in erſtaunlichen Mengen. Große Strecken des Canale grande in Venedig, wo ich vor einigen Jahren meinen Schwammſtudien oblag, ſind ſo mit einer Decke von einigen Arten überzogen, daß man ſie fuderweiſe ſammeln könnte. Nirgend aber habe ich eine ſolche Fülle köſtlich blau und röthlich gefärbter Spongienarten geſehen, als bei Argoſtoli, der Hauptſtadt von Cephalonien, in der ſeichten, von vielen Süßwaſſerquellen geſpeiſten Meeresbucht.
Die Naturforſcher ſind lange an ihnen vorübergegangen, weil ihnen nicht recht beizukommen war; ſie boten weder der beſchreibenden und klaſſificirenden Richtung gute Anhaltepunkte, noch ließ ſich die feinere mikroſkopiſch-anatomiſche Beobachtung auf ſie in größerem Umfange ein, eben weil die vorläufige ſyſtematiſche Grundlage fehlte. Das iſt nun wohl etwas anders geworden, ſeitdem Lieberkühn die feineren Structurverhältniſſe unſeres Süßwaſſerſchwammes und einiger ſeebewohnender Spongien enthüllt und ein engliſcher privatiſirender Naturforſcher, Bowerbank, ſeine ſpecielle Aufmerkſamkeit der unglaublichen Formenmenge der kieſeligen und kalkigen Hart- theile der Schwämme gewidmet hat, und ſeitdem durch letzteren die Schwämme der britiſchen Küſten, durch mich aber die des adriatiſchen und Mittelmeeres genauer beſchrieben und zu einem Gemeingut der Wiſſenſchaft gemacht worden ſind. Erſt in jüngſter Zeit habe ich meinen Fach- genoſſen einen Verſuch zu einem natürlichen Syſteme dieſer Organismen vorgelegt, ſo weit er ſich aus der allſeitigſten Betrachtung der Vorkommniſſe des adriatiſch-mittelmeeriſchen Bezirkes ergab. Man wolle aber hieraus entnehmen, daß wir uns hier vor einem noch ſo ſehr unfertigen Theile der großen zoologiſchen Wiſſenſchaft befinden, und daß die Mittheilungen darüber auch mit Rückſicht darauf, daß die Lebensäußerungen faſt ausſchließlich innerlich verlaufen, auf das geringſte Maß zu beſchränken ſind. Für die großen, gegenwärtig die Naturforſcher in Athem haltenden Fragen der Wiſſenſchaft über Abſtammung, Verwandtſchaft und geographiſche Verbreitung der Organismen verſprechen die Spongien ſehr wichtig zu werden. Daß aber die Praxis nicht leer ausgeht, dafür bürgt die Bedeutung des Badeſchwammes, auf deſſen künſtliche Vermehrung und Züchtung ich ſeit einigen Jahren meine Aufmerkſamkeit gerichtet habe.
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Die Schwämme.
Die Schwämme.
Wenn ich meine ſchöne, in ihrer Art einzige Sammlung von Schwämmen (Spongiae,
Spongien) durchſehe, überkommen mich oft jene Zweifel an der thieriſchen Natur dieſer, unter
den verſchiedenartigſten Formen als zierliche Becher, ungeſchlachte Klumpen, Stauden, Bäumchen,
Ruthen u. a. auftretenden Organismen, die noch kürzlich von bedeutenden Naturforſchern geltend
gemacht worden ſind. Jch muß mir erſt alle jene Momente und Ergebniſſe der feineren Unter-
ſuchung vergegenwärtigen, um ihnen doch den angewieſenen Platz zu laſſen und ſie nicht geradezu
in das Pflanzenreich zu rangiren. Mit Weſen von ſo zweifelhafter Natur, die der Eine für
Pflanzen, der Andere für Mitteldinge zwiſchen Pflanzen und Thieren, andere, und vor der Hand
die Mehrzahl der Naturforſcher für Thiere gehalten wiſſen wollen, bin ich natürlich dem Leſer
gegenüber in arger Verlegenheit. Auch muß ich, um Anknüpfungspunkte für die Anſchauung
dieſer ſtillen Geſchöpfe zu gewinnen, faſt ausſchließlich wieder auf das Meer verweiſen, da ſie
im ſüßen Waſſer nur durch eine einzige höchſt formloſe und unſcheinbare Sippe vertreten ſind.
Dieſelbe iſt noch dazu oft in weiten Bezirken, wie z. B. in Steiermark, ſoweit ich deſſen Gewäſſer
durchſucht habe, gar nicht zu finden.
Jm Meere aber gibt es der Spongien eine bunte Manchfaltigkeit, bunt nicht nur an Formen,
ſondern auch an Farben, an geeigneten Stellen, ſo namentlich für gewiſſe Sippen im Brakwaſſer
in erſtaunlichen Mengen. Große Strecken des Canale grande in Venedig, wo ich vor einigen
Jahren meinen Schwammſtudien oblag, ſind ſo mit einer Decke von einigen Arten überzogen,
daß man ſie fuderweiſe ſammeln könnte. Nirgend aber habe ich eine ſolche Fülle köſtlich blau
und röthlich gefärbter Spongienarten geſehen, als bei Argoſtoli, der Hauptſtadt von Cephalonien,
in der ſeichten, von vielen Süßwaſſerquellen geſpeiſten Meeresbucht.
Die Naturforſcher ſind lange an ihnen vorübergegangen, weil ihnen nicht recht beizukommen
war; ſie boten weder der beſchreibenden und klaſſificirenden Richtung gute Anhaltepunkte, noch
ließ ſich die feinere mikroſkopiſch-anatomiſche Beobachtung auf ſie in größerem Umfange ein, eben
weil die vorläufige ſyſtematiſche Grundlage fehlte. Das iſt nun wohl etwas anders geworden,
ſeitdem Lieberkühn die feineren Structurverhältniſſe unſeres Süßwaſſerſchwammes und einiger
ſeebewohnender Spongien enthüllt und ein engliſcher privatiſirender Naturforſcher, Bowerbank,
ſeine ſpecielle Aufmerkſamkeit der unglaublichen Formenmenge der kieſeligen und kalkigen Hart-
theile der Schwämme gewidmet hat, und ſeitdem durch letzteren die Schwämme der britiſchen
Küſten, durch mich aber die des adriatiſchen und Mittelmeeres genauer beſchrieben und zu einem
Gemeingut der Wiſſenſchaft gemacht worden ſind. Erſt in jüngſter Zeit habe ich meinen Fach-
genoſſen einen Verſuch zu einem natürlichen Syſteme dieſer Organismen vorgelegt, ſo weit er
ſich aus der allſeitigſten Betrachtung der Vorkommniſſe des adriatiſch-mittelmeeriſchen Bezirkes
ergab. Man wolle aber hieraus entnehmen, daß wir uns hier vor einem noch ſo ſehr unfertigen
Theile der großen zoologiſchen Wiſſenſchaft befinden, und daß die Mittheilungen darüber auch
mit Rückſicht darauf, daß die Lebensäußerungen faſt ausſchließlich innerlich verlaufen, auf das
geringſte Maß zu beſchränken ſind. Für die großen, gegenwärtig die Naturforſcher in Athem
haltenden Fragen der Wiſſenſchaft über Abſtammung, Verwandtſchaft und geographiſche Verbreitung
der Organismen verſprechen die Spongien ſehr wichtig zu werden. Daß aber die Praxis nicht
leer ausgeht, dafür bürgt die Bedeutung des Badeſchwammes, auf deſſen künſtliche Vermehrung
und Züchtung ich ſeit einigen Jahren meine Aufmerkſamkeit gerichtet habe.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 1017. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1073>, abgerufen am 19.11.2024.
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