sehr beschränkt und unnöthig erschien, Münchhausens von Linne als unsterblich gepriesene Entdeckung aber, daß diese Samen Jnfusorien oder Luftpolypen wären, als unrichtig zuerst streng bewiesen war." Um über die Jnfusionsthiere zu einer ähnlichen Gewißheit, wie über die Schimmel- und Pilzbildungen zu gelangen, stellte er lange Reihen von Versuchen an. Das Resultat faßt er so zusammen: "Niemand gewiß von allen bisherigen Beobachtern hat je durch Aufgüsse ein einziges Jnfusorium gemacht oder geschaffen, weil Allen, welche dergleichen erforscht zu haben meinten, die Organisation dieser Körperchen völlig entgangen war, sie mithin nie mit derjenigen Genauigkeit beobachteten, welche nöthig erscheint, um einen so wichtigen Schluß zu ziehen. Weil ferner bei einer, mit Benutzung der besten jetzigen Hülfsmittel vorgenommenen und durch über 700 Arten durchgeführten Untersuchung mir selbst nie ein einziger Fall vorgekommen ist, welcher zu überzeugen vermocht hätte, daß bei Jnfusionen, künstlichen oder natürlichen, eine Entstehung von Organismen aus den infundirten Substanzen fände, vielmehr in allen, am speciellsten beobachteten Fällen eine Vermehrung durch Eier, Theilung oder Knospen in die Augen fiel". Ehrenberg zeigte, daß die am schnellsten und häufigsten in den Aufgüssen erscheinenden Thiere fast immer denselben höchst gemeinen Arten angehören, die über die ganze Erde als Kos- mopoliten sich verbreitet finden. Die meisten, schönsten und größten Jnfusorien können in fauligem Wasser überhaupt gar nicht bestehen und kommen daher nie in den Jnfusionen zum Vorschein.
Wenn nun aber auch heute Niemand mehr daran denkt, die Wesen, die wir nach Aus- scheidung vieles Fremdartigen mit einem geschichtlich gerechtfertigten, aber doch sehr unpassenden Namen "Jnfusionsthierchen" nennen, aus Aufgüssen "freiwillig" entstehen zu lassen, so ist doch die Grundfrage über die Möglichkeit der Entstehung organischer Körper auf elternlosem Wege durch den direkten unanzweifelbaren Beweis bis zum heutigen Tage noch nicht entschieden. Es würde uns aber von dem gegenwärtigen Thema über die wahren Jnfusionsthiere viel zu weit abführen, wollten wir auch nur die höchst interessanten vor einigen Jahren von dem Parifer Chemiker Pasteur angestellten Jnfusionsversuche, sowie die Zweifel gegen ihre allgemeine Giltigkeit, wie sie z. B. der Botaniker Nägeli ausgedrückt, im Fluge besprechen.
Die Jnfusionsthiere sind See- und Süßwasserbewohner, welche in ihrer Erscheinung und Lebensweise so sehr an die mikroskopischen Strudelwürmer (siehe Seite 729) erinnern, daß ich schon vor Jahren mich veranlaßt sah, sie überhaupt jenen niedrigen Würmern anzureihen. Wer der Abstammungstheorie huldigt, wird nicht umhin können, die Strudelwürmer von infusorien- artigen Thieren abzuleiten. Man ist durch vielfach übertriebene Ausdrucksweise gewöhnt, den Jnfusorien eine solche Kleinheit anzudichten, als ob nur das stark bewaffnete Auge von der Existenz der Einzelnen sich überzeugen könne. Nun sind allerdings nicht wenige erst bei 100 bis 300maliger Vergrößerung deutlich im Umriß wahrzunehmen, viele andre aber findet der Kenner mit bloßem Auge in dem gegen das Licht gehaltenen Gläschen heraus. Eine bestimmte typische Form kommt ihnen gemeinsam nicht zu, und ohne nähere Berücksichtigung gewisser, den ächten Jnfusorien nie mangelnder Organe ist eine Verwechslung mit Larvenformen anderer niederer Thiere leicht. Jndeß hat man sich zuerst daran zu halten, daß die große Mehrzahl der Sippen äußerlich mit Flimmerorganen versehen ist, die entweder auf eine Körperseite oder sogar nur auf eine Spiralreihe beschränkt sind, oder den Körper, in enge Reihen gestellt, mehr gleichmäßig bedecken. Bei den meisten hilft dann weiter zur Constatirung der Jnfusoriennatur die Auffindung des Mundes als eines ansehnlichen spiraligen Spaltes oder Trichters.
Wir machen uns zuvörderst mit ein Paar Sippen verschiedener Ordnung bekannt, an denen wir das Gemeinsame und das Eigenthümliche hervorheben; diese Beispiele genügen zu einer ersten Einsicht in den Bau und die Lebensverhältnisse der Gesammtheit, die wir in der Neuzeit in größter Vollständigkeit in einem ausgezeichneten Werke des Prager Professor Stein behandelt finden.
Jnfuforien.
ſehr beſchränkt und unnöthig erſchien, Münchhauſens von Linné als unſterblich geprieſene Entdeckung aber, daß dieſe Samen Jnfuſorien oder Luftpolypen wären, als unrichtig zuerſt ſtreng bewieſen war.“ Um über die Jnfuſionsthiere zu einer ähnlichen Gewißheit, wie über die Schimmel- und Pilzbildungen zu gelangen, ſtellte er lange Reihen von Verſuchen an. Das Reſultat faßt er ſo zuſammen: „Niemand gewiß von allen bisherigen Beobachtern hat je durch Aufgüſſe ein einziges Jnfuſorium gemacht oder geſchaffen, weil Allen, welche dergleichen erforſcht zu haben meinten, die Organiſation dieſer Körperchen völlig entgangen war, ſie mithin nie mit derjenigen Genauigkeit beobachteten, welche nöthig erſcheint, um einen ſo wichtigen Schluß zu ziehen. Weil ferner bei einer, mit Benutzung der beſten jetzigen Hülfsmittel vorgenommenen und durch über 700 Arten durchgeführten Unterſuchung mir ſelbſt nie ein einziger Fall vorgekommen iſt, welcher zu überzeugen vermocht hätte, daß bei Jnfuſionen, künſtlichen oder natürlichen, eine Entſtehung von Organismen aus den infundirten Subſtanzen fände, vielmehr in allen, am ſpeciellſten beobachteten Fällen eine Vermehrung durch Eier, Theilung oder Knospen in die Augen fiel“. Ehrenberg zeigte, daß die am ſchnellſten und häufigſten in den Aufgüſſen erſcheinenden Thiere faſt immer denſelben höchſt gemeinen Arten angehören, die über die ganze Erde als Kos- mopoliten ſich verbreitet finden. Die meiſten, ſchönſten und größten Jnfuſorien können in fauligem Waſſer überhaupt gar nicht beſtehen und kommen daher nie in den Jnfuſionen zum Vorſchein.
Wenn nun aber auch heute Niemand mehr daran denkt, die Weſen, die wir nach Aus- ſcheidung vieles Fremdartigen mit einem geſchichtlich gerechtfertigten, aber doch ſehr unpaſſenden Namen „Jnfuſionsthierchen“ nennen, aus Aufgüſſen „freiwillig“ entſtehen zu laſſen, ſo iſt doch die Grundfrage über die Möglichkeit der Entſtehung organiſcher Körper auf elternloſem Wege durch den direkten unanzweifelbaren Beweis bis zum heutigen Tage noch nicht entſchieden. Es würde uns aber von dem gegenwärtigen Thema über die wahren Jnfuſionsthiere viel zu weit abführen, wollten wir auch nur die höchſt intereſſanten vor einigen Jahren von dem Parifer Chemiker Paſteur angeſtellten Jnfuſionsverſuche, ſowie die Zweifel gegen ihre allgemeine Giltigkeit, wie ſie z. B. der Botaniker Nägeli ausgedrückt, im Fluge beſprechen.
Die Jnfuſionsthiere ſind See- und Süßwaſſerbewohner, welche in ihrer Erſcheinung und Lebensweiſe ſo ſehr an die mikroſkopiſchen Strudelwürmer (ſiehe Seite 729) erinnern, daß ich ſchon vor Jahren mich veranlaßt ſah, ſie überhaupt jenen niedrigen Würmern anzureihen. Wer der Abſtammungstheorie huldigt, wird nicht umhin können, die Strudelwürmer von infuſorien- artigen Thieren abzuleiten. Man iſt durch vielfach übertriebene Ausdrucksweiſe gewöhnt, den Jnfuſorien eine ſolche Kleinheit anzudichten, als ob nur das ſtark bewaffnete Auge von der Exiſtenz der Einzelnen ſich überzeugen könne. Nun ſind allerdings nicht wenige erſt bei 100 bis 300maliger Vergrößerung deutlich im Umriß wahrzunehmen, viele andre aber findet der Kenner mit bloßem Auge in dem gegen das Licht gehaltenen Gläschen heraus. Eine beſtimmte typiſche Form kommt ihnen gemeinſam nicht zu, und ohne nähere Berückſichtigung gewiſſer, den ächten Jnfuſorien nie mangelnder Organe iſt eine Verwechslung mit Larvenformen anderer niederer Thiere leicht. Jndeß hat man ſich zuerſt daran zu halten, daß die große Mehrzahl der Sippen äußerlich mit Flimmerorganen verſehen iſt, die entweder auf eine Körperſeite oder ſogar nur auf eine Spiralreihe beſchränkt ſind, oder den Körper, in enge Reihen geſtellt, mehr gleichmäßig bedecken. Bei den meiſten hilft dann weiter zur Conſtatirung der Jnfuſoriennatur die Auffindung des Mundes als eines anſehnlichen ſpiraligen Spaltes oder Trichters.
Wir machen uns zuvörderſt mit ein Paar Sippen verſchiedener Ordnung bekannt, an denen wir das Gemeinſame und das Eigenthümliche hervorheben; dieſe Beiſpiele genügen zu einer erſten Einſicht in den Bau und die Lebensverhältniſſe der Geſammtheit, die wir in der Neuzeit in größter Vollſtändigkeit in einem ausgezeichneten Werke des Prager Profeſſor Stein behandelt finden.
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Jnfuforien.
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bewieſen war.“ Um über die Jnfuſionsthiere zu einer ähnlichen Gewißheit, wie über die
Schimmel- und Pilzbildungen zu gelangen, ſtellte er lange Reihen von Verſuchen an. Das
Reſultat faßt er ſo zuſammen: „Niemand gewiß von allen bisherigen Beobachtern hat je durch
Aufgüſſe ein einziges Jnfuſorium gemacht oder geſchaffen, weil Allen, welche dergleichen erforſcht
zu haben meinten, die Organiſation dieſer Körperchen völlig entgangen war, ſie mithin nie mit
derjenigen Genauigkeit beobachteten, welche nöthig erſcheint, um einen ſo wichtigen Schluß zu
ziehen. Weil ferner bei einer, mit Benutzung der beſten jetzigen Hülfsmittel vorgenommenen und
durch über 700 Arten durchgeführten Unterſuchung mir ſelbſt nie ein einziger Fall vorgekommen
iſt, welcher zu überzeugen vermocht hätte, daß bei Jnfuſionen, künſtlichen oder natürlichen, eine
Entſtehung von Organismen aus den infundirten Subſtanzen fände, vielmehr in allen, am
ſpeciellſten beobachteten Fällen eine Vermehrung durch Eier, Theilung oder Knospen in die Augen
fiel“. Ehrenberg zeigte, daß die am ſchnellſten und häufigſten in den Aufgüſſen erſcheinenden
Thiere faſt immer denſelben höchſt gemeinen Arten angehören, die über die ganze Erde als Kos-
mopoliten ſich verbreitet finden. Die meiſten, ſchönſten und größten Jnfuſorien können in fauligem
Waſſer überhaupt gar nicht beſtehen und kommen daher nie in den Jnfuſionen zum Vorſchein.
Wenn nun aber auch heute Niemand mehr daran denkt, die Weſen, die wir nach Aus-
ſcheidung vieles Fremdartigen mit einem geſchichtlich gerechtfertigten, aber doch ſehr unpaſſenden
Namen „Jnfuſionsthierchen“ nennen, aus Aufgüſſen „freiwillig“ entſtehen zu laſſen, ſo iſt doch
die Grundfrage über die Möglichkeit der Entſtehung organiſcher Körper auf elternloſem Wege
durch den direkten unanzweifelbaren Beweis bis zum heutigen Tage noch nicht entſchieden. Es
würde uns aber von dem gegenwärtigen Thema über die wahren Jnfuſionsthiere viel zu weit
abführen, wollten wir auch nur die höchſt intereſſanten vor einigen Jahren von dem Parifer
Chemiker Paſteur angeſtellten Jnfuſionsverſuche, ſowie die Zweifel gegen ihre allgemeine
Giltigkeit, wie ſie z. B. der Botaniker Nägeli ausgedrückt, im Fluge beſprechen.
Die Jnfuſionsthiere ſind See- und Süßwaſſerbewohner, welche in ihrer Erſcheinung und
Lebensweiſe ſo ſehr an die mikroſkopiſchen Strudelwürmer (ſiehe Seite 729) erinnern, daß ich
ſchon vor Jahren mich veranlaßt ſah, ſie überhaupt jenen niedrigen Würmern anzureihen. Wer
der Abſtammungstheorie huldigt, wird nicht umhin können, die Strudelwürmer von infuſorien-
artigen Thieren abzuleiten. Man iſt durch vielfach übertriebene Ausdrucksweiſe gewöhnt, den
Jnfuſorien eine ſolche Kleinheit anzudichten, als ob nur das ſtark bewaffnete Auge von der
Exiſtenz der Einzelnen ſich überzeugen könne. Nun ſind allerdings nicht wenige erſt bei 100 bis
300maliger Vergrößerung deutlich im Umriß wahrzunehmen, viele andre aber findet der Kenner
mit bloßem Auge in dem gegen das Licht gehaltenen Gläschen heraus. Eine beſtimmte typiſche
Form kommt ihnen gemeinſam nicht zu, und ohne nähere Berückſichtigung gewiſſer, den ächten
Jnfuſorien nie mangelnder Organe iſt eine Verwechslung mit Larvenformen anderer niederer
Thiere leicht. Jndeß hat man ſich zuerſt daran zu halten, daß die große Mehrzahl der Sippen
äußerlich mit Flimmerorganen verſehen iſt, die entweder auf eine Körperſeite oder ſogar nur
auf eine Spiralreihe beſchränkt ſind, oder den Körper, in enge Reihen geſtellt, mehr gleichmäßig
bedecken. Bei den meiſten hilft dann weiter zur Conſtatirung der Jnfuſoriennatur die Auffindung
des Mundes als eines anſehnlichen ſpiraligen Spaltes oder Trichters.
Wir machen uns zuvörderſt mit ein Paar Sippen verſchiedener Ordnung bekannt, an denen
wir das Gemeinſame und das Eigenthümliche hervorheben; dieſe Beiſpiele genügen zu einer erſten
Einſicht in den Bau und die Lebensverhältniſſe der Geſammtheit, die wir in der Neuzeit in
größter Vollſtändigkeit in einem ausgezeichneten Werke des Prager Profeſſor Stein behandelt finden.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 1012. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1068>, abgerufen am 27.11.2024.
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