groß ist der Unterschied der Faunen in den beiden durch sie getrennten Meeren. Die Korallen des Mittelmeeres erscheinen kaum anders, denn als vereinzelte Gäste; im rothen Meere treten sie in größter Artenfülle und so massenhaft auf, daß sie an den meisten felsigen Küstenpunkten den Boden bedecken. Die Natur des Grundes und der Küsten gestattet aber hier dennoch nicht oder nur annäherungsweise die Bildung der sogenannten Atolle und Korallenriffe, welche die Entdecker der Südsee in Erstaunen setzten.
Ein Atoll in seiner reinsten Ausbildung besteht aus einem mehr oder weniger regelmäßigen Kranze länglicher Jnseln, welche durch schmale und seichte Zwischenräume getrennt sind. Gegen den Anprall der Wogen sind sie durch eine gleich einer Mauer sie umgebende Untiefe geschützt, auf welcher die Brandung furchtbar zu toben pflegt. Schon die ältesten Beschreiber schildern, wie auch die Beherztesten sich nur mit Zagen diesen Bänken nahen, bis man sich durch einen der Zugänge bis zur spiegelglatten Lagune innerhalb des Jnselkreises hindurchgearbeitet hat. Die unter Wasser befindliche äußere Brandungsmauer läßt am leichtesten ihre Bestandtheile erkennen; sie besteht aus Korallenstöcken, welche in ihren manchfaltigen Formen für tausend andere Thier- arten, für die buntesten Fische, metallisch glänzende Borstenwürmer, für Seeigel und Seesterne ohne Zahl, für die sonderbarsten Krebse erwünschte Schlupfwinkel und Sammelplätze sind. Aber auch der Grund der aus dem Niff hervorgehenden Jnseln erweist sich bei näherer Untersuchung zusammengesetzt aus abgestorbenen, theils zerbröckelten und gerollten, theils noch in ihrer ursprünglichen Lage befindlichen Korallenstöcken. Und Johann Reinhold Forster, welcher mit seinem Sohne Georg in Begleitung Cook's die Südsee besuchte, stellte die Ansicht auf, die Atolls und Riffe würden durch die Korallenthiere aufgebaut, indem diese sich anfänglich am Grunde des Oceans ansiedelten und, immer übereinander wachsend, endlich am Wasserspiegel anlangten. Die vorherrschende Kreisform der Atolle wurde erklärt durch die Hypothese, daß die Korallen sich auf unterseeischen Kratern angesiedelt, und es wurde angenommen, daß die Korallenthiere sowohl in der Tiefe des Meeres, welche gerade im stillen Ozean eine fast unergründliche ist, als gegen die Oberfläche hin zu leben vermöchten. Da nun aber später genauere Beobachtungen der Lebens- weise der Korallenthiere lehrten, daß die verschiedenen Arten nur innerhalb ganz bestimmter Tiefenzonen vorkommen, und daß unterhalb einer Tiefe von 25 bis 30 Faden das thierische Leben überhaupt schon sehr abnimmt, so war die Forster'sche Erklärung der Korallenriffe nicht stichhaltig. Die vorherrschenden Korallenarten der Riffe gedeihen am besten in der Zone einiger Faden unter der Oberfläche; und wie dabei die Atolle und die übrigen Modifikationen der Riffe entstehen können, hat Darwin gezeigt. Seine Ansichten sind durch den Amerikaner Dana nur bestätigt worden. Die neuesten, von Semper wenigstens für gewisse Koralleninseln des stillen Oceans erhobenen Bedenken dürfen wohl hier übergangen werden.
Die Erscheinung, welche uns zur Erklärung der Korallenriffbildungen zu Hilfe kommt, ist die, daß gewisse Regionen der Erdoberfläche in einer langsamen aber stetigen Hebung oder Senkung begriffen sind. Am bekanntesten ist die Hebung des nördlichen, die Senkung des südlichsten Theiles von Skandinavien. Auch der Theil des Bodens des stillen Oceans, in welchem die Koralleninseln liegen, senkt sich, und daraus und aus der Anwesenheit kalbabsondernder Polypen ergibt sich Folgendes:
Wir denken uns eine bergartig aus dem Ocean emporragende Jnsel. Jn ihrer Küstenzone siedeln sich die Korallenthiere an, welche schon nach wenigen Jahren eine mehrere Klafter starke Mauer unmittelbar in und unter der Brandung gebildet haben. Sie ist nur da unterbrochen, wo die Flüsse der Jnsel sich ins Meer ergießen, mithin das Süßwasser dem Gedeihen der Thiere entgegen ist. Jn den einzelnen Polypenstöcken gedeihen die Jndividuen am besten, welche am meisten nach Außen wachsen; sie erhalten immer das frischeste Wasser und mit der größeren Bewegung desselben die meiste mikroskopische Nahrung. Sonach wird auch im Großen der äußere Rand des Polypenstockkranzes am frendigsten blühen, während Geröll und vom Lande herab-
Polypen. Monocyclia.
groß iſt der Unterſchied der Faunen in den beiden durch ſie getrennten Meeren. Die Korallen des Mittelmeeres erſcheinen kaum anders, denn als vereinzelte Gäſte; im rothen Meere treten ſie in größter Artenfülle und ſo maſſenhaft auf, daß ſie an den meiſten felſigen Küſtenpunkten den Boden bedecken. Die Natur des Grundes und der Küſten geſtattet aber hier dennoch nicht oder nur annäherungsweiſe die Bildung der ſogenannten Atolle und Korallenriffe, welche die Entdecker der Südſee in Erſtaunen ſetzten.
Ein Atoll in ſeiner reinſten Ausbildung beſteht aus einem mehr oder weniger regelmäßigen Kranze länglicher Jnſeln, welche durch ſchmale und ſeichte Zwiſchenräume getrennt ſind. Gegen den Anprall der Wogen ſind ſie durch eine gleich einer Mauer ſie umgebende Untiefe geſchützt, auf welcher die Brandung furchtbar zu toben pflegt. Schon die älteſten Beſchreiber ſchildern, wie auch die Beherzteſten ſich nur mit Zagen dieſen Bänken nahen, bis man ſich durch einen der Zugänge bis zur ſpiegelglatten Lagune innerhalb des Jnſelkreiſes hindurchgearbeitet hat. Die unter Waſſer befindliche äußere Brandungsmauer läßt am leichteſten ihre Beſtandtheile erkennen; ſie beſteht aus Korallenſtöcken, welche in ihren manchfaltigen Formen für tauſend andere Thier- arten, für die bunteſten Fiſche, metalliſch glänzende Borſtenwürmer, für Seeigel und Seeſterne ohne Zahl, für die ſonderbarſten Krebſe erwünſchte Schlupfwinkel und Sammelplätze ſind. Aber auch der Grund der aus dem Niff hervorgehenden Jnſeln erweist ſich bei näherer Unterſuchung zuſammengeſetzt aus abgeſtorbenen, theils zerbröckelten und gerollten, theils noch in ihrer urſprünglichen Lage befindlichen Korallenſtöcken. Und Johann Reinhold Forſter, welcher mit ſeinem Sohne Georg in Begleitung Cook’s die Südſee beſuchte, ſtellte die Anſicht auf, die Atolls und Riffe würden durch die Korallenthiere aufgebaut, indem dieſe ſich anfänglich am Grunde des Oceans anſiedelten und, immer übereinander wachſend, endlich am Waſſerſpiegel anlangten. Die vorherrſchende Kreisform der Atolle wurde erklärt durch die Hypotheſe, daß die Korallen ſich auf unterſeeiſchen Kratern angeſiedelt, und es wurde angenommen, daß die Korallenthiere ſowohl in der Tiefe des Meeres, welche gerade im ſtillen Ozean eine faſt unergründliche iſt, als gegen die Oberfläche hin zu leben vermöchten. Da nun aber ſpäter genauere Beobachtungen der Lebens- weiſe der Korallenthiere lehrten, daß die verſchiedenen Arten nur innerhalb ganz beſtimmter Tiefenzonen vorkommen, und daß unterhalb einer Tiefe von 25 bis 30 Faden das thieriſche Leben überhaupt ſchon ſehr abnimmt, ſo war die Forſter’ſche Erklärung der Korallenriffe nicht ſtichhaltig. Die vorherrſchenden Korallenarten der Riffe gedeihen am beſten in der Zone einiger Faden unter der Oberfläche; und wie dabei die Atolle und die übrigen Modifikationen der Riffe entſtehen können, hat Darwin gezeigt. Seine Anſichten ſind durch den Amerikaner Dana nur beſtätigt worden. Die neueſten, von Semper wenigſtens für gewiſſe Koralleninſeln des ſtillen Oceans erhobenen Bedenken dürfen wohl hier übergangen werden.
Die Erſcheinung, welche uns zur Erklärung der Korallenriffbildungen zu Hilfe kommt, iſt die, daß gewiſſe Regionen der Erdoberfläche in einer langſamen aber ſtetigen Hebung oder Senkung begriffen ſind. Am bekannteſten iſt die Hebung des nördlichen, die Senkung des ſüdlichſten Theiles von Skandinavien. Auch der Theil des Bodens des ſtillen Oceans, in welchem die Koralleninſeln liegen, ſenkt ſich, und daraus und aus der Anweſenheit kalbabſondernder Polypen ergibt ſich Folgendes:
Wir denken uns eine bergartig aus dem Ocean emporragende Jnſel. Jn ihrer Küſtenzone ſiedeln ſich die Korallenthiere an, welche ſchon nach wenigen Jahren eine mehrere Klafter ſtarke Mauer unmittelbar in und unter der Brandung gebildet haben. Sie iſt nur da unterbrochen, wo die Flüſſe der Jnſel ſich ins Meer ergießen, mithin das Süßwaſſer dem Gedeihen der Thiere entgegen iſt. Jn den einzelnen Polypenſtöcken gedeihen die Jndividuen am beſten, welche am meiſten nach Außen wachſen; ſie erhalten immer das friſcheſte Waſſer und mit der größeren Bewegung deſſelben die meiſte mikroſkopiſche Nahrung. Sonach wird auch im Großen der äußere Rand des Polypenſtockkranzes am frendigſten blühen, während Geröll und vom Lande herab-
<TEI><text><body><floatingText><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f1062"n="1006"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Polypen. Monocyclia.</hi></fw><lb/>
groß iſt der Unterſchied der Faunen in den beiden durch ſie getrennten Meeren. Die Korallen<lb/>
des Mittelmeeres erſcheinen kaum anders, denn als vereinzelte Gäſte; im rothen Meere treten ſie<lb/>
in größter Artenfülle und ſo maſſenhaft auf, daß ſie an den meiſten felſigen Küſtenpunkten den<lb/>
Boden bedecken. Die Natur des Grundes und der Küſten geſtattet aber hier dennoch nicht oder<lb/>
nur annäherungsweiſe die Bildung der ſogenannten <hirendition="#g">Atolle</hi> und <hirendition="#g">Korallenriffe,</hi> welche die<lb/>
Entdecker der Südſee in Erſtaunen ſetzten.</p><lb/><p>Ein Atoll in ſeiner reinſten Ausbildung beſteht aus einem mehr oder weniger regelmäßigen<lb/>
Kranze länglicher Jnſeln, welche durch ſchmale und ſeichte Zwiſchenräume getrennt ſind. Gegen<lb/>
den Anprall der Wogen ſind ſie durch eine gleich einer Mauer ſie umgebende Untiefe geſchützt,<lb/>
auf welcher die Brandung furchtbar zu toben pflegt. Schon die älteſten Beſchreiber ſchildern, wie<lb/>
auch die Beherzteſten ſich nur mit Zagen dieſen Bänken nahen, bis man ſich durch einen der<lb/>
Zugänge bis zur ſpiegelglatten Lagune innerhalb des Jnſelkreiſes hindurchgearbeitet hat. Die<lb/>
unter Waſſer befindliche äußere Brandungsmauer läßt am leichteſten ihre Beſtandtheile erkennen;<lb/>ſie beſteht aus Korallenſtöcken, welche in ihren manchfaltigen Formen für tauſend andere Thier-<lb/>
arten, für die bunteſten Fiſche, metalliſch glänzende Borſtenwürmer, für Seeigel und Seeſterne<lb/>
ohne Zahl, für die ſonderbarſten Krebſe erwünſchte Schlupfwinkel und Sammelplätze ſind. Aber<lb/>
auch der Grund der aus dem Niff hervorgehenden Jnſeln erweist ſich bei näherer Unterſuchung<lb/>
zuſammengeſetzt aus abgeſtorbenen, theils zerbröckelten und gerollten, theils noch in ihrer<lb/>
urſprünglichen Lage befindlichen Korallenſtöcken. Und <hirendition="#g">Johann Reinhold Forſter,</hi> welcher mit<lb/>ſeinem Sohne <hirendition="#g">Georg</hi> in Begleitung <hirendition="#g">Cook</hi>’s die Südſee beſuchte, ſtellte die Anſicht auf, die<lb/>
Atolls und Riffe würden durch die Korallenthiere aufgebaut, indem dieſe ſich anfänglich am Grunde<lb/>
des Oceans anſiedelten und, immer übereinander wachſend, endlich am Waſſerſpiegel anlangten.<lb/>
Die vorherrſchende Kreisform der Atolle wurde erklärt durch die Hypotheſe, daß die Korallen ſich<lb/>
auf unterſeeiſchen Kratern angeſiedelt, und es wurde angenommen, daß die Korallenthiere ſowohl<lb/>
in der Tiefe des Meeres, welche gerade im ſtillen Ozean eine faſt unergründliche iſt, als gegen<lb/>
die Oberfläche hin zu leben vermöchten. Da nun aber ſpäter genauere Beobachtungen der Lebens-<lb/>
weiſe der Korallenthiere lehrten, daß die verſchiedenen Arten nur innerhalb ganz beſtimmter<lb/>
Tiefenzonen vorkommen, und daß unterhalb einer Tiefe von 25 bis 30 Faden das thieriſche Leben<lb/>
überhaupt ſchon ſehr abnimmt, ſo war die <hirendition="#g">Forſter</hi>’ſche Erklärung der Korallenriffe nicht ſtichhaltig.<lb/>
Die vorherrſchenden Korallenarten der Riffe gedeihen am beſten in der Zone einiger Faden unter<lb/>
der Oberfläche; und wie dabei die Atolle und die übrigen Modifikationen der Riffe entſtehen<lb/>
können, hat <hirendition="#g">Darwin</hi> gezeigt. Seine Anſichten ſind durch den Amerikaner <hirendition="#g">Dana</hi> nur beſtätigt<lb/>
worden. Die neueſten, von <hirendition="#g">Semper</hi> wenigſtens für gewiſſe Koralleninſeln des ſtillen Oceans<lb/>
erhobenen Bedenken dürfen wohl hier übergangen werden.</p><lb/><p>Die Erſcheinung, welche uns zur Erklärung der Korallenriffbildungen zu Hilfe kommt, iſt<lb/>
die, daß gewiſſe Regionen der Erdoberfläche in einer langſamen aber ſtetigen Hebung oder Senkung<lb/>
begriffen ſind. Am bekannteſten iſt die Hebung des nördlichen, die Senkung des ſüdlichſten Theiles<lb/>
von Skandinavien. Auch der Theil des Bodens des ſtillen Oceans, in welchem die Koralleninſeln<lb/>
liegen, ſenkt ſich, und daraus und aus der Anweſenheit kalbabſondernder Polypen ergibt ſich<lb/>
Folgendes:</p><lb/><p>Wir denken uns eine bergartig aus dem Ocean emporragende Jnſel. Jn ihrer Küſtenzone<lb/>ſiedeln ſich die Korallenthiere an, welche ſchon nach wenigen Jahren eine mehrere Klafter ſtarke<lb/>
Mauer unmittelbar in und unter der Brandung gebildet haben. Sie iſt nur da unterbrochen,<lb/>
wo die Flüſſe der Jnſel ſich ins Meer ergießen, mithin das Süßwaſſer dem Gedeihen der Thiere<lb/>
entgegen iſt. Jn den einzelnen Polypenſtöcken gedeihen die Jndividuen am beſten, welche am<lb/>
meiſten nach Außen wachſen; ſie erhalten immer das friſcheſte Waſſer und mit der größeren<lb/>
Bewegung deſſelben die meiſte mikroſkopiſche Nahrung. Sonach wird auch im Großen der äußere<lb/>
Rand des Polypenſtockkranzes am frendigſten blühen, während Geröll und vom Lande herab-<lb/></p></div></div></body></floatingText></body></text></TEI>
[1006/1062]
Polypen. Monocyclia.
groß iſt der Unterſchied der Faunen in den beiden durch ſie getrennten Meeren. Die Korallen
des Mittelmeeres erſcheinen kaum anders, denn als vereinzelte Gäſte; im rothen Meere treten ſie
in größter Artenfülle und ſo maſſenhaft auf, daß ſie an den meiſten felſigen Küſtenpunkten den
Boden bedecken. Die Natur des Grundes und der Küſten geſtattet aber hier dennoch nicht oder
nur annäherungsweiſe die Bildung der ſogenannten Atolle und Korallenriffe, welche die
Entdecker der Südſee in Erſtaunen ſetzten.
Ein Atoll in ſeiner reinſten Ausbildung beſteht aus einem mehr oder weniger regelmäßigen
Kranze länglicher Jnſeln, welche durch ſchmale und ſeichte Zwiſchenräume getrennt ſind. Gegen
den Anprall der Wogen ſind ſie durch eine gleich einer Mauer ſie umgebende Untiefe geſchützt,
auf welcher die Brandung furchtbar zu toben pflegt. Schon die älteſten Beſchreiber ſchildern, wie
auch die Beherzteſten ſich nur mit Zagen dieſen Bänken nahen, bis man ſich durch einen der
Zugänge bis zur ſpiegelglatten Lagune innerhalb des Jnſelkreiſes hindurchgearbeitet hat. Die
unter Waſſer befindliche äußere Brandungsmauer läßt am leichteſten ihre Beſtandtheile erkennen;
ſie beſteht aus Korallenſtöcken, welche in ihren manchfaltigen Formen für tauſend andere Thier-
arten, für die bunteſten Fiſche, metalliſch glänzende Borſtenwürmer, für Seeigel und Seeſterne
ohne Zahl, für die ſonderbarſten Krebſe erwünſchte Schlupfwinkel und Sammelplätze ſind. Aber
auch der Grund der aus dem Niff hervorgehenden Jnſeln erweist ſich bei näherer Unterſuchung
zuſammengeſetzt aus abgeſtorbenen, theils zerbröckelten und gerollten, theils noch in ihrer
urſprünglichen Lage befindlichen Korallenſtöcken. Und Johann Reinhold Forſter, welcher mit
ſeinem Sohne Georg in Begleitung Cook’s die Südſee beſuchte, ſtellte die Anſicht auf, die
Atolls und Riffe würden durch die Korallenthiere aufgebaut, indem dieſe ſich anfänglich am Grunde
des Oceans anſiedelten und, immer übereinander wachſend, endlich am Waſſerſpiegel anlangten.
Die vorherrſchende Kreisform der Atolle wurde erklärt durch die Hypotheſe, daß die Korallen ſich
auf unterſeeiſchen Kratern angeſiedelt, und es wurde angenommen, daß die Korallenthiere ſowohl
in der Tiefe des Meeres, welche gerade im ſtillen Ozean eine faſt unergründliche iſt, als gegen
die Oberfläche hin zu leben vermöchten. Da nun aber ſpäter genauere Beobachtungen der Lebens-
weiſe der Korallenthiere lehrten, daß die verſchiedenen Arten nur innerhalb ganz beſtimmter
Tiefenzonen vorkommen, und daß unterhalb einer Tiefe von 25 bis 30 Faden das thieriſche Leben
überhaupt ſchon ſehr abnimmt, ſo war die Forſter’ſche Erklärung der Korallenriffe nicht ſtichhaltig.
Die vorherrſchenden Korallenarten der Riffe gedeihen am beſten in der Zone einiger Faden unter
der Oberfläche; und wie dabei die Atolle und die übrigen Modifikationen der Riffe entſtehen
können, hat Darwin gezeigt. Seine Anſichten ſind durch den Amerikaner Dana nur beſtätigt
worden. Die neueſten, von Semper wenigſtens für gewiſſe Koralleninſeln des ſtillen Oceans
erhobenen Bedenken dürfen wohl hier übergangen werden.
Die Erſcheinung, welche uns zur Erklärung der Korallenriffbildungen zu Hilfe kommt, iſt
die, daß gewiſſe Regionen der Erdoberfläche in einer langſamen aber ſtetigen Hebung oder Senkung
begriffen ſind. Am bekannteſten iſt die Hebung des nördlichen, die Senkung des ſüdlichſten Theiles
von Skandinavien. Auch der Theil des Bodens des ſtillen Oceans, in welchem die Koralleninſeln
liegen, ſenkt ſich, und daraus und aus der Anweſenheit kalbabſondernder Polypen ergibt ſich
Folgendes:
Wir denken uns eine bergartig aus dem Ocean emporragende Jnſel. Jn ihrer Küſtenzone
ſiedeln ſich die Korallenthiere an, welche ſchon nach wenigen Jahren eine mehrere Klafter ſtarke
Mauer unmittelbar in und unter der Brandung gebildet haben. Sie iſt nur da unterbrochen,
wo die Flüſſe der Jnſel ſich ins Meer ergießen, mithin das Süßwaſſer dem Gedeihen der Thiere
entgegen iſt. Jn den einzelnen Polypenſtöcken gedeihen die Jndividuen am beſten, welche am
meiſten nach Außen wachſen; ſie erhalten immer das friſcheſte Waſſer und mit der größeren
Bewegung deſſelben die meiſte mikroſkopiſche Nahrung. Sonach wird auch im Großen der äußere
Rand des Polypenſtockkranzes am frendigſten blühen, während Geröll und vom Lande herab-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 1006. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1062>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.