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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Polypen. Polycyclia. Actinien. Monocyclia.
unter den reifen, zum Fange bereit liegenden, ist überall ein junger Nachwuchs vorhanden, der
die verbrauchten Kapseln schnell wieder ersetzen kann." Bei der Entladung tritt aus der Nessel-
kapsel der bisher darin enthaltene hohle und sich aus- und umstülpende Faden hervor, bei
manchen Sorten auch, wie bei der Hydra, Haken. Nie dienen jedoch, wie man wohl fälschlich
annahm, dieselben zum Verwunden oder Anbohren der Beute, welche lediglich durch die auf der
äußeren Seite des ausgestülpten Schlauches befindliche Flüssigkeit gefährdet wird. Möbius
berührte eine große Anthea cereus mit der Zunge und empfand augenblicklich das heftigste Brennen,
das erst nach 24 Stunden ganz nachgelassen hatte. Eine andere hübsche Beobachtung zeigt, daß
eine Actinie im Stande ist, eine Schnecke durch leise Berührungen zurückzuschrecken. Er sagt:
"Einer Actinia mesembryanthemum hatte ich Fleisch gegeben. Während sie es mit den Tentakeln
langsam in den Mund hineindrückte, kroch eine Nassa reticulata (aus der Familie der Bucciniden,
Seite 829) heran, die es gewittert hatte, und tastete danach. Aber in dem Augenblicke, wo ihre
Athemröhre mit den Tentakeln der Actinie zusammenstieß, schrak sie heftig zusammen, zog die
Nöhre zusammen und wandte sich ab. Allein das Fleisch lockte sie wiederum an; sie kehrte um,
ließ sich aber auf dieselbe Weise zurückjagen. Als dieses Angreifen und Abwehren noch einigemal
wiederholt worden war, legte ich der Schnecke ein anderes Stückchen Fleisch hin, um sie zu
beruhigen. Jch kenne keine anderen Dinge in der Actinie, als die plötzlich ausgestülpten Nessel-
schläuche, durch welche das Benehmen der Schnecke erklärt werden könnte."

Da die Actinien mit den wenigsten Umständen in der Gefangenschaft gehalten werden können,
hat man ihre Vermehrung am genauesten beobachtet. Sie gehören zu den nicht zahlreichen
Sippen, welche keine Stöcke bilden und deren Fortpflanzung auf die Entwicklung aus den Eiern
beschränkt bleibt. Der eifrige Beobachter lebender Thiere, Dalyell, erhielt eine Actinie 6 Jahre
lang und zog von ihr 276 Junge. Zwei dieser selbstgezogenen Thiere blieben 5 Jahre am Leben,
zeugten mit 10 bis 12 Monaten Eier und lieferten mit 12 bis 14 Monaten Brut. Er sah auch,
daß die bewimperten infusorienförmigen Larven nach 8 Tagen zur Ruhe gelangten und ihre
Wimpern verloren, worauf nach einigen Tagen, während sie sich festsetzten, die ersten Tentakeln
zum Vorschein kamen. Häufig machen die jungen Actinien in der Leibeshöhle der Mutter ihre
ganze Verwandlung durch.



Von minderem Umfange ist die zweite große Abtheilung der Polypen, diejenige der
Einkreisigen (Monocyclia), bei denen die Tentakeln und Kammern sich mit dem Alter nicht
vermehren und selbe nur in einem Kreise vorhanden sind. Bei weitem die meisten Sippen
gehören der Ordnung der Achtstrahler (Octactinia) an, bei denen acht siederige Fühler die
Mundöffnung umstehen.

Einen zierlichen zusammengesetzten Stock, der auch durch seine rothe oder röthlich violette
Farbe anspricht und in den Sammlungen gemein ist, bildet die Orgelkoralle (Tubipora).
Sie gewährt ein ausgezeichnetes Beispiel von alleiniger Verkalkung der Körperwandungen,
während die Scheidewände daran gar keinen Theil nehmen. Die Stöcke der Einzelthiere erscheinen
sonach als schlanke Röhren, welche wie Orgelpfeifen neben einander stehen. Wenn die Thiere eine
gewisse Länge erreicht haben, schließen sie ihr Hinterende durch eine Querwand ab, die auch nach
außen sich verbreitet und mit denen der in gleicher Höhe wachsenden Jndividuen sich verbindet.
Die zusammengehörigen Mitglieder der verschiedenen Generationen sind auf diese Weise in fast
regelmäßige Stockwerke vertheilt. Jn b erblicken wir drei mit einander verbundene, noch mit den
Weichtheilen des Vorderendes versehene Jndividuen, in c ein etwas vergrößertes Vorderende
und in d eine aufgeschnittene Röhre mit der Querwand. Das nördlichste Vorkommen der Orgel-
koralle ist im rothen Meere (Tubipora purpurea), andere Arten leben in den indischen und
australischen Meeren.

Polypen. Polycyclia. Actinien. Monocyclia.
unter den reifen, zum Fange bereit liegenden, iſt überall ein junger Nachwuchs vorhanden, der
die verbrauchten Kapſeln ſchnell wieder erſetzen kann.“ Bei der Entladung tritt aus der Neſſel-
kapſel der bisher darin enthaltene hohle und ſich aus- und umſtülpende Faden hervor, bei
manchen Sorten auch, wie bei der Hydra, Haken. Nie dienen jedoch, wie man wohl fälſchlich
annahm, dieſelben zum Verwunden oder Anbohren der Beute, welche lediglich durch die auf der
äußeren Seite des ausgeſtülpten Schlauches befindliche Flüſſigkeit gefährdet wird. Möbius
berührte eine große Anthea cereus mit der Zunge und empfand augenblicklich das heftigſte Brennen,
das erſt nach 24 Stunden ganz nachgelaſſen hatte. Eine andere hübſche Beobachtung zeigt, daß
eine Actinie im Stande iſt, eine Schnecke durch leiſe Berührungen zurückzuſchrecken. Er ſagt:
„Einer Actinia mesembryanthemum hatte ich Fleiſch gegeben. Während ſie es mit den Tentakeln
langſam in den Mund hineindrückte, kroch eine Nassa reticulata (aus der Familie der Bucciniden,
Seite 829) heran, die es gewittert hatte, und taſtete danach. Aber in dem Augenblicke, wo ihre
Athemröhre mit den Tentakeln der Actinie zuſammenſtieß, ſchrak ſie heftig zuſammen, zog die
Nöhre zuſammen und wandte ſich ab. Allein das Fleiſch lockte ſie wiederum an; ſie kehrte um,
ließ ſich aber auf dieſelbe Weiſe zurückjagen. Als dieſes Angreifen und Abwehren noch einigemal
wiederholt worden war, legte ich der Schnecke ein anderes Stückchen Fleiſch hin, um ſie zu
beruhigen. Jch kenne keine anderen Dinge in der Actinie, als die plötzlich ausgeſtülpten Neſſel-
ſchläuche, durch welche das Benehmen der Schnecke erklärt werden könnte.“

Da die Actinien mit den wenigſten Umſtänden in der Gefangenſchaft gehalten werden können,
hat man ihre Vermehrung am genaueſten beobachtet. Sie gehören zu den nicht zahlreichen
Sippen, welche keine Stöcke bilden und deren Fortpflanzung auf die Entwicklung aus den Eiern
beſchränkt bleibt. Der eifrige Beobachter lebender Thiere, Dalyell, erhielt eine Actinie 6 Jahre
lang und zog von ihr 276 Junge. Zwei dieſer ſelbſtgezogenen Thiere blieben 5 Jahre am Leben,
zeugten mit 10 bis 12 Monaten Eier und lieferten mit 12 bis 14 Monaten Brut. Er ſah auch,
daß die bewimperten infuſorienförmigen Larven nach 8 Tagen zur Ruhe gelangten und ihre
Wimpern verloren, worauf nach einigen Tagen, während ſie ſich feſtſetzten, die erſten Tentakeln
zum Vorſchein kamen. Häufig machen die jungen Actinien in der Leibeshöhle der Mutter ihre
ganze Verwandlung durch.



Von minderem Umfange iſt die zweite große Abtheilung der Polypen, diejenige der
Einkreiſigen (Monocyclia), bei denen die Tentakeln und Kammern ſich mit dem Alter nicht
vermehren und ſelbe nur in einem Kreiſe vorhanden ſind. Bei weitem die meiſten Sippen
gehören der Ordnung der Achtſtrahler (Octactinia) an, bei denen acht ſiederige Fühler die
Mundöffnung umſtehen.

Einen zierlichen zuſammengeſetzten Stock, der auch durch ſeine rothe oder röthlich violette
Farbe anſpricht und in den Sammlungen gemein iſt, bildet die Orgelkoralle (Tubipora).
Sie gewährt ein ausgezeichnetes Beiſpiel von alleiniger Verkalkung der Körperwandungen,
während die Scheidewände daran gar keinen Theil nehmen. Die Stöcke der Einzelthiere erſcheinen
ſonach als ſchlanke Röhren, welche wie Orgelpfeifen neben einander ſtehen. Wenn die Thiere eine
gewiſſe Länge erreicht haben, ſchließen ſie ihr Hinterende durch eine Querwand ab, die auch nach
außen ſich verbreitet und mit denen der in gleicher Höhe wachſenden Jndividuen ſich verbindet.
Die zuſammengehörigen Mitglieder der verſchiedenen Generationen ſind auf dieſe Weiſe in faſt
regelmäßige Stockwerke vertheilt. Jn b erblicken wir drei mit einander verbundene, noch mit den
Weichtheilen des Vorderendes verſehene Jndividuen, in c ein etwas vergrößertes Vorderende
und in d eine aufgeſchnittene Röhre mit der Querwand. Das nördlichſte Vorkommen der Orgel-
koralle iſt im rothen Meere (Tubipora purpurea), andere Arten leben in den indiſchen und
auſtraliſchen Meeren.

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[1002/1056] Polypen. Polycyclia. Actinien. Monocyclia. unter den reifen, zum Fange bereit liegenden, iſt überall ein junger Nachwuchs vorhanden, der die verbrauchten Kapſeln ſchnell wieder erſetzen kann.“ Bei der Entladung tritt aus der Neſſel- kapſel der bisher darin enthaltene hohle und ſich aus- und umſtülpende Faden hervor, bei manchen Sorten auch, wie bei der Hydra, Haken. Nie dienen jedoch, wie man wohl fälſchlich annahm, dieſelben zum Verwunden oder Anbohren der Beute, welche lediglich durch die auf der äußeren Seite des ausgeſtülpten Schlauches befindliche Flüſſigkeit gefährdet wird. Möbius berührte eine große Anthea cereus mit der Zunge und empfand augenblicklich das heftigſte Brennen, das erſt nach 24 Stunden ganz nachgelaſſen hatte. Eine andere hübſche Beobachtung zeigt, daß eine Actinie im Stande iſt, eine Schnecke durch leiſe Berührungen zurückzuſchrecken. Er ſagt: „Einer Actinia mesembryanthemum hatte ich Fleiſch gegeben. Während ſie es mit den Tentakeln langſam in den Mund hineindrückte, kroch eine Nassa reticulata (aus der Familie der Bucciniden, Seite 829) heran, die es gewittert hatte, und taſtete danach. Aber in dem Augenblicke, wo ihre Athemröhre mit den Tentakeln der Actinie zuſammenſtieß, ſchrak ſie heftig zuſammen, zog die Nöhre zuſammen und wandte ſich ab. Allein das Fleiſch lockte ſie wiederum an; ſie kehrte um, ließ ſich aber auf dieſelbe Weiſe zurückjagen. Als dieſes Angreifen und Abwehren noch einigemal wiederholt worden war, legte ich der Schnecke ein anderes Stückchen Fleiſch hin, um ſie zu beruhigen. Jch kenne keine anderen Dinge in der Actinie, als die plötzlich ausgeſtülpten Neſſel- ſchläuche, durch welche das Benehmen der Schnecke erklärt werden könnte.“ Da die Actinien mit den wenigſten Umſtänden in der Gefangenſchaft gehalten werden können, hat man ihre Vermehrung am genaueſten beobachtet. Sie gehören zu den nicht zahlreichen Sippen, welche keine Stöcke bilden und deren Fortpflanzung auf die Entwicklung aus den Eiern beſchränkt bleibt. Der eifrige Beobachter lebender Thiere, Dalyell, erhielt eine Actinie 6 Jahre lang und zog von ihr 276 Junge. Zwei dieſer ſelbſtgezogenen Thiere blieben 5 Jahre am Leben, zeugten mit 10 bis 12 Monaten Eier und lieferten mit 12 bis 14 Monaten Brut. Er ſah auch, daß die bewimperten infuſorienförmigen Larven nach 8 Tagen zur Ruhe gelangten und ihre Wimpern verloren, worauf nach einigen Tagen, während ſie ſich feſtſetzten, die erſten Tentakeln zum Vorſchein kamen. Häufig machen die jungen Actinien in der Leibeshöhle der Mutter ihre ganze Verwandlung durch. Von minderem Umfange iſt die zweite große Abtheilung der Polypen, diejenige der Einkreiſigen (Monocyclia), bei denen die Tentakeln und Kammern ſich mit dem Alter nicht vermehren und ſelbe nur in einem Kreiſe vorhanden ſind. Bei weitem die meiſten Sippen gehören der Ordnung der Achtſtrahler (Octactinia) an, bei denen acht ſiederige Fühler die Mundöffnung umſtehen. Einen zierlichen zuſammengeſetzten Stock, der auch durch ſeine rothe oder röthlich violette Farbe anſpricht und in den Sammlungen gemein iſt, bildet die Orgelkoralle (Tubipora). Sie gewährt ein ausgezeichnetes Beiſpiel von alleiniger Verkalkung der Körperwandungen, während die Scheidewände daran gar keinen Theil nehmen. Die Stöcke der Einzelthiere erſcheinen ſonach als ſchlanke Röhren, welche wie Orgelpfeifen neben einander ſtehen. Wenn die Thiere eine gewiſſe Länge erreicht haben, ſchließen ſie ihr Hinterende durch eine Querwand ab, die auch nach außen ſich verbreitet und mit denen der in gleicher Höhe wachſenden Jndividuen ſich verbindet. Die zuſammengehörigen Mitglieder der verſchiedenen Generationen ſind auf dieſe Weiſe in faſt regelmäßige Stockwerke vertheilt. Jn b erblicken wir drei mit einander verbundene, noch mit den Weichtheilen des Vorderendes verſehene Jndividuen, in c ein etwas vergrößertes Vorderende und in d eine aufgeſchnittene Röhre mit der Querwand. Das nördlichſte Vorkommen der Orgel- koralle iſt im rothen Meere (Tubipora purpurea), andere Arten leben in den indiſchen und auſtraliſchen Meeren.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 1002. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1056>, abgerufen am 23.11.2024.