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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Lebensweise der Seerosen.

Weniger anziehend ist die daneben auf dem Gipfel des Aquarium-Felsens stehende Warzen-
Seerose,
Bunodes gemmacea, benamst von den Reihen weißlicher Warzen auf dem grauen
Körper. Einer schönen schlangenhaarigen Gorgone möchte man die grüne Seerose, Anthea
cereus
(7), vergleichen. Jhre zahlreichen Fühler, oft mehr als 100, ragen weit über den Körper
hervor und sind von grüner oder olivengrüner Farbe mit violetten oder rosa Spitzen. Haben sie
sich an den senkrechten Flächen angesetzt, so lassen sie gewöhnlich den Tentakelschopf schlaff herab-
hängen; auf horizontaler Unterlage aber breiten sie die Fühler nach allen Seiten aus und lassen
sie mit Schlangenbewegungen unter einander spielen und sich verflechten. Den Preis der
Schönheit muß man aber der Seenelke, Actinoloba dianthus (3), zugestehen. Jhre Kopfscheibe
ist wellenförmig gelappt und trägt unzählige zarte, in einem fortwährenden Wogen begriffene
Fühler. Sie gehören auch der Größe nach zu den ansehnlichsten Actinien der europäischen Küsten,
da sie faustgroß werden. Jn der Färbung variiren sie vom Braun durch Gelb zu einem reinen
Schneeweiß.

Diese und noch einige andere Arten von Actinien sind die am besten gedeihenden Bewohner
der so lehrreichen Aquarien, wohin sie sogar aus fernen Meeren versetzt werden können, indem
sie den Transport leichter als irgend andere Seethiere aushalten. Das Hamburger Aquarium
bekam sogar Seerosen von der peruanischen Küste; die kalte Passage um das Cap Horn hatte
man ihnen durch Erwärmung ihrer Gefäße erträglich gemacht.

Die äußere Schönheit und Farbenpracht, das stille Wesen, die blumenhafte Bescheidenheit
verbergen die äußerste Gefräßigkeit der Actinien. Sie würgen große Stücke Fleisch hinab, am
liebsten aber saugen sie Mießmuscheln und Austern aus. Von dem ihnen gereichten Fleisch pressen
sie nicht etwa nur den Saft aus, sondern sie verdauen es vollständig. Nur die Fettmassen,
welche man ihnen mit magerem Fleisch zusammen reichte, wurden, wie man im Aquarium beobachtete,
wieder ausgestoßen. "Gut gefütterte Actinien", sagt Möbius, "häuten sich oft, sicherlich deshalb,
weil sie bei reichlicher Nahrung schnell wachsen. Während der Häutung halten sie sich niedrig
zusammengezogen; dehnen sie sich, nachdem diese vollbracht ist, wieder aus, so umgibt die
abgestoßene Haut die Basis ihres Fußes als ein lockerer, schmutziger Gürtel."

Wie bei allen Polypen und Quallen ist auch bei den Actinien die Möglichkeit, daß sie lebende
Thiere mit solcher Leichtigkeit bewältigen, nur durch den Besitz der schon mehrfach erwähnten
mikroskopischen Nesselkapseln zu erklären. Sie sind kaum bei irgend welchen anderen Coelente-
raten in so erstaunlichen Mengen vorhanden, als gerade bei den Actinien, weshalb wir einige
nähere Mittheilungen für diese Stelle verspart haben. Ueber den wichtigen Dienst, den sie den
Coelenteraten im Allgemeinen leisten, sagt Möbius, dem wir die speziellsten Untersuchungen
verdanken: "Sobald ein vorbeigehendes Thier die Fangarme berührt, so fahren aus den Nessel-
kapfeln lange feine Fäden hervor, hängen sich an demselben fest und halten es zurück. Und ist
es nicht stärker, als der lauernde Räuber, der jene Fäden auswirft, so vermag es sich nicht
wieder loszuwinden. Denn immer mehr Nesselfäden bedecken das umstrickte Thier, während es
in den Mund hineingezogen wird; ja selbst im Jnnern der Leibeshöhle sind noch Vorräthe der
Kapfeln in der Haut langer Schnüre vorhanden. Je heftiger der Kampf, je mehr Nesselkapseln
entladet der Polyp, um seinen Gefangenen festzuhalten, gleichwie eine Spinne Hunderte von
feinen Fäden mit einem Mal aus ihren Spinnröhrchen strömen läßt, wenn sie ein kräftiges
Jnsect bewältigen und festschnüren will."

"Daß hierbei an eine Erschöpfung der vorräthigen Nesselkapseln nicht im mindesten zu
denken ist, mögen einige Zahlen beweisen. Die in der Nordsee gemeine rothe Seerose (Actinia
mesembryanthemum
) hat in einem Fangarme von mittlerer Größe mehr als 4 Millionen reifer
Nesselkapfeln und in allen ihren Fangarmen zusammen wenigstens 500 Millionen. Ein Fangarm
der prachtvollen sammetgrünen Seerose (Anthea cereus) enthält über 43 Millionen Nesselkapseln;
also besitzt ein Thier mit 150 Fangarmen den ungeheuren Vorrath von 6450 Millionen. Und

Lebensweiſe der Seeroſen.

Weniger anziehend iſt die daneben auf dem Gipfel des Aquarium-Felſens ſtehende Warzen-
Seeroſe,
Bunodes gemmacea, benamſt von den Reihen weißlicher Warzen auf dem grauen
Körper. Einer ſchönen ſchlangenhaarigen Gorgone möchte man die grüne Seeroſe, Anthea
cereus
(7), vergleichen. Jhre zahlreichen Fühler, oft mehr als 100, ragen weit über den Körper
hervor und ſind von grüner oder olivengrüner Farbe mit violetten oder roſa Spitzen. Haben ſie
ſich an den ſenkrechten Flächen angeſetzt, ſo laſſen ſie gewöhnlich den Tentakelſchopf ſchlaff herab-
hängen; auf horizontaler Unterlage aber breiten ſie die Fühler nach allen Seiten aus und laſſen
ſie mit Schlangenbewegungen unter einander ſpielen und ſich verflechten. Den Preis der
Schönheit muß man aber der Seenelke, Actinoloba dianthus (3), zugeſtehen. Jhre Kopfſcheibe
iſt wellenförmig gelappt und trägt unzählige zarte, in einem fortwährenden Wogen begriffene
Fühler. Sie gehören auch der Größe nach zu den anſehnlichſten Actinien der europäiſchen Küſten,
da ſie fauſtgroß werden. Jn der Färbung variiren ſie vom Braun durch Gelb zu einem reinen
Schneeweiß.

Dieſe und noch einige andere Arten von Actinien ſind die am beſten gedeihenden Bewohner
der ſo lehrreichen Aquarien, wohin ſie ſogar aus fernen Meeren verſetzt werden können, indem
ſie den Transport leichter als irgend andere Seethiere aushalten. Das Hamburger Aquarium
bekam ſogar Seeroſen von der peruaniſchen Küſte; die kalte Paſſage um das Cap Horn hatte
man ihnen durch Erwärmung ihrer Gefäße erträglich gemacht.

Die äußere Schönheit und Farbenpracht, das ſtille Weſen, die blumenhafte Beſcheidenheit
verbergen die äußerſte Gefräßigkeit der Actinien. Sie würgen große Stücke Fleiſch hinab, am
liebſten aber ſaugen ſie Mießmuſcheln und Auſtern aus. Von dem ihnen gereichten Fleiſch preſſen
ſie nicht etwa nur den Saft aus, ſondern ſie verdauen es vollſtändig. Nur die Fettmaſſen,
welche man ihnen mit magerem Fleiſch zuſammen reichte, wurden, wie man im Aquarium beobachtete,
wieder ausgeſtoßen. „Gut gefütterte Actinien“, ſagt Möbius, „häuten ſich oft, ſicherlich deshalb,
weil ſie bei reichlicher Nahrung ſchnell wachſen. Während der Häutung halten ſie ſich niedrig
zuſammengezogen; dehnen ſie ſich, nachdem dieſe vollbracht iſt, wieder aus, ſo umgibt die
abgeſtoßene Haut die Baſis ihres Fußes als ein lockerer, ſchmutziger Gürtel.“

Wie bei allen Polypen und Quallen iſt auch bei den Actinien die Möglichkeit, daß ſie lebende
Thiere mit ſolcher Leichtigkeit bewältigen, nur durch den Beſitz der ſchon mehrfach erwähnten
mikroſkopiſchen Neſſelkapſeln zu erklären. Sie ſind kaum bei irgend welchen anderen Coelente-
raten in ſo erſtaunlichen Mengen vorhanden, als gerade bei den Actinien, weshalb wir einige
nähere Mittheilungen für dieſe Stelle verſpart haben. Ueber den wichtigen Dienſt, den ſie den
Coelenteraten im Allgemeinen leiſten, ſagt Möbius, dem wir die ſpeziellſten Unterſuchungen
verdanken: „Sobald ein vorbeigehendes Thier die Fangarme berührt, ſo fahren aus den Neſſel-
kapfeln lange feine Fäden hervor, hängen ſich an demſelben feſt und halten es zurück. Und iſt
es nicht ſtärker, als der lauernde Räuber, der jene Fäden auswirft, ſo vermag es ſich nicht
wieder loszuwinden. Denn immer mehr Neſſelfäden bedecken das umſtrickte Thier, während es
in den Mund hineingezogen wird; ja ſelbſt im Jnnern der Leibeshöhle ſind noch Vorräthe der
Kapfeln in der Haut langer Schnüre vorhanden. Je heftiger der Kampf, je mehr Neſſelkapſeln
entladet der Polyp, um ſeinen Gefangenen feſtzuhalten, gleichwie eine Spinne Hunderte von
feinen Fäden mit einem Mal aus ihren Spinnröhrchen ſtrömen läßt, wenn ſie ein kräftiges
Jnſect bewältigen und feſtſchnüren will.“

„Daß hierbei an eine Erſchöpfung der vorräthigen Neſſelkapſeln nicht im mindeſten zu
denken iſt, mögen einige Zahlen beweiſen. Die in der Nordſee gemeine rothe Seeroſe (Actinia
mesembryanthemum
) hat in einem Fangarme von mittlerer Größe mehr als 4 Millionen reifer
Neſſelkapfeln und in allen ihren Fangarmen zuſammen wenigſtens 500 Millionen. Ein Fangarm
der prachtvollen ſammetgrünen Seeroſe (Anthea cereus) enthält über 43 Millionen Neſſelkapſeln;
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[1001/1055] Lebensweiſe der Seeroſen. Weniger anziehend iſt die daneben auf dem Gipfel des Aquarium-Felſens ſtehende Warzen- Seeroſe, Bunodes gemmacea, benamſt von den Reihen weißlicher Warzen auf dem grauen Körper. Einer ſchönen ſchlangenhaarigen Gorgone möchte man die grüne Seeroſe, Anthea cereus (7), vergleichen. Jhre zahlreichen Fühler, oft mehr als 100, ragen weit über den Körper hervor und ſind von grüner oder olivengrüner Farbe mit violetten oder roſa Spitzen. Haben ſie ſich an den ſenkrechten Flächen angeſetzt, ſo laſſen ſie gewöhnlich den Tentakelſchopf ſchlaff herab- hängen; auf horizontaler Unterlage aber breiten ſie die Fühler nach allen Seiten aus und laſſen ſie mit Schlangenbewegungen unter einander ſpielen und ſich verflechten. Den Preis der Schönheit muß man aber der Seenelke, Actinoloba dianthus (3), zugeſtehen. Jhre Kopfſcheibe iſt wellenförmig gelappt und trägt unzählige zarte, in einem fortwährenden Wogen begriffene Fühler. Sie gehören auch der Größe nach zu den anſehnlichſten Actinien der europäiſchen Küſten, da ſie fauſtgroß werden. Jn der Färbung variiren ſie vom Braun durch Gelb zu einem reinen Schneeweiß. Dieſe und noch einige andere Arten von Actinien ſind die am beſten gedeihenden Bewohner der ſo lehrreichen Aquarien, wohin ſie ſogar aus fernen Meeren verſetzt werden können, indem ſie den Transport leichter als irgend andere Seethiere aushalten. Das Hamburger Aquarium bekam ſogar Seeroſen von der peruaniſchen Küſte; die kalte Paſſage um das Cap Horn hatte man ihnen durch Erwärmung ihrer Gefäße erträglich gemacht. Die äußere Schönheit und Farbenpracht, das ſtille Weſen, die blumenhafte Beſcheidenheit verbergen die äußerſte Gefräßigkeit der Actinien. Sie würgen große Stücke Fleiſch hinab, am liebſten aber ſaugen ſie Mießmuſcheln und Auſtern aus. Von dem ihnen gereichten Fleiſch preſſen ſie nicht etwa nur den Saft aus, ſondern ſie verdauen es vollſtändig. Nur die Fettmaſſen, welche man ihnen mit magerem Fleiſch zuſammen reichte, wurden, wie man im Aquarium beobachtete, wieder ausgeſtoßen. „Gut gefütterte Actinien“, ſagt Möbius, „häuten ſich oft, ſicherlich deshalb, weil ſie bei reichlicher Nahrung ſchnell wachſen. Während der Häutung halten ſie ſich niedrig zuſammengezogen; dehnen ſie ſich, nachdem dieſe vollbracht iſt, wieder aus, ſo umgibt die abgeſtoßene Haut die Baſis ihres Fußes als ein lockerer, ſchmutziger Gürtel.“ Wie bei allen Polypen und Quallen iſt auch bei den Actinien die Möglichkeit, daß ſie lebende Thiere mit ſolcher Leichtigkeit bewältigen, nur durch den Beſitz der ſchon mehrfach erwähnten mikroſkopiſchen Neſſelkapſeln zu erklären. Sie ſind kaum bei irgend welchen anderen Coelente- raten in ſo erſtaunlichen Mengen vorhanden, als gerade bei den Actinien, weshalb wir einige nähere Mittheilungen für dieſe Stelle verſpart haben. Ueber den wichtigen Dienſt, den ſie den Coelenteraten im Allgemeinen leiſten, ſagt Möbius, dem wir die ſpeziellſten Unterſuchungen verdanken: „Sobald ein vorbeigehendes Thier die Fangarme berührt, ſo fahren aus den Neſſel- kapfeln lange feine Fäden hervor, hängen ſich an demſelben feſt und halten es zurück. Und iſt es nicht ſtärker, als der lauernde Räuber, der jene Fäden auswirft, ſo vermag es ſich nicht wieder loszuwinden. Denn immer mehr Neſſelfäden bedecken das umſtrickte Thier, während es in den Mund hineingezogen wird; ja ſelbſt im Jnnern der Leibeshöhle ſind noch Vorräthe der Kapfeln in der Haut langer Schnüre vorhanden. Je heftiger der Kampf, je mehr Neſſelkapſeln entladet der Polyp, um ſeinen Gefangenen feſtzuhalten, gleichwie eine Spinne Hunderte von feinen Fäden mit einem Mal aus ihren Spinnröhrchen ſtrömen läßt, wenn ſie ein kräftiges Jnſect bewältigen und feſtſchnüren will.“ „Daß hierbei an eine Erſchöpfung der vorräthigen Neſſelkapſeln nicht im mindeſten zu denken iſt, mögen einige Zahlen beweiſen. Die in der Nordſee gemeine rothe Seeroſe (Actinia mesembryanthemum) hat in einem Fangarme von mittlerer Größe mehr als 4 Millionen reifer Neſſelkapfeln und in allen ihren Fangarmen zuſammen wenigſtens 500 Millionen. Ein Fangarm der prachtvollen ſammetgrünen Seeroſe (Anthea cereus) enthält über 43 Millionen Neſſelkapſeln; alſo beſitzt ein Thier mit 150 Fangarmen den ungeheuren Vorrath von 6450 Millionen. Und

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 1001. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1055>, abgerufen am 23.11.2024.