und die Erklärung der Entstehung der höheren Selbstständigkeit ankommt, die niedrigen als die Ausgangs-Formen und wirklichen Vorfahren zu betrachten sind. Sicher waren die Quallenpolypen ohne sich loslösende Knospen die leiblichen Vorgänger der Sippen, welche freie Scheibenquallen erzeugen, und aus Röhrenquallen, welche aus bloßen Organen zusammengesetzt erscheinen, gingen erst im Verlaufe ganzer Erdperioden solche hervor, wo einzelne jener Theile durch Vortheile in der Ernährung, Anpassung und andere Umstände sich zum Range unvollkommener Jndividuen aufschwingen konnten.
Die Polypen.
Wenn wir im Vorhergehenden wiederholt uns des Wortes "Polyp" und "polypenförmig" bedienten, so geschah es unter der gewiß gerechtfertigten Voraussetzung, daß der Leser eine mehr oder minder treffende Vorstellung von den eigentlichen Polypen sich schon früher erworben habe. Wir müssen jedoch jetzt thun, als ob diese Annahme falsch gewesen sei. Die Polypen sind der Mehrzahl nach festsitzende Coelenteraten von cylindrischer oder kelchartiger Form mit nach oben gerichteter Mundöffnung. Diese ist umgeben von einem oder mehren Kreisen von Fühlern und führt in einen kurzen Magensack. Letzterer communicirt durch eine untere Oeffnung mit einer Leibeshöhle, welche durch vertikale, von der Körperwand zum Magen reichende Scheide- wände in Fächer getheilt ist. Diese Fächer entsprechen mit der in ihnen enthaltenen, aus dem Nahrungssafte, willkürlich aufgenommenem Wasser und Nahrungstheilchen bestehenden Flüssig- keit dem Kanalsystem der Quallen. Auf dem freien, nach dem Jnneren der Leibeshöhle gekehrten Rande jener Scheidewände entwickeln sich die Geschlechtsorgane, und zwar sind die Jndividuen meist getrennten Geschlechtes. Alle Polypen scheinen wenigstens zu einer Periode im Jahre sich durch Eier zu vermehren, weit bekannter und in ihrer Wirkung imposanter ist aber die Fortpflanzung durch Knospenbildung. Diese können je nach den zahlreichen Sippen an den verschiedensten Stellen des Körpers hervorbrechen, und indem sie mit den Mutterthieren vereinigt bleiben, bald mehr an der Basis, bald näher dem Vorderrande sitzen, ferner mehr oder weniger unter einander verwachsen, endlich und vorzugsweise nach dem Grade der Verkalkung der einzelnen Jndividuen entsteht durch kleine Variationen derselben Grundvorgänge die tausendfache Manch- faltigkeit der Polypenstöcke.
Es giebt zwar durchaus weich bleibende Polypen, andere, in deren Hautbedeckungen und Scheidewänden sich bloß einzelne, sich nicht zu einem festen Gerüst vereinigende Kalkkörperchen abscheiden. Bei den meisten aber verkalkt bei jedem Jndividuum die Körperbedeckung in bestimmter Weise. Wir nehmen zur Erläuterung eines von den zahlreichen Beispielen. Der Endzweig der baumförmigen, im Mittelmeere vorkommenden Dendrophyllia ramea zeigt sieben Polypenindividuen, welche ihre Weichtheile in verschiedenem Grade entfaltet oder eingezogen haben. Mit Ausnahme der Kopfscheibe mit den zwei Fühlerkreisen ist die ganze dutenförmige Körperwand nebst ihrer Basis, der Fußscheibe, verkalkt. Der Grad dieser Verknöcherung ist am besten an einem senkrechten Durchschnitt (rechts) zu sehen, wo wir in b den harten Kelch haben, in welchen sich die Mundscheibe mit den Fühlern (a) zurückziehen kann. Außerdem aber erhebt sich von der Fußscheibe aus noch eine mittlere Säule (d). Die kalkigen Scheidewände oder Sternleisten sind in unserem Falle nicht stark entwickelt, in anderen Sippen stärker. Oft treten zwischen Säule und Kelchwand isolirte Stäbchen auf, oder äußere Rippen entsprechen den inneren Scheidewänden und so ist in der verschiedensten Ausbildung aller dieser Theile und in der mehr oder minder
Phyſophora. Allgemeines über die Polypen.
und die Erklärung der Entſtehung der höheren Selbſtſtändigkeit ankommt, die niedrigen als die Ausgangs-Formen und wirklichen Vorfahren zu betrachten ſind. Sicher waren die Quallenpolypen ohne ſich loslöſende Knospen die leiblichen Vorgänger der Sippen, welche freie Scheibenquallen erzeugen, und aus Röhrenquallen, welche aus bloßen Organen zuſammengeſetzt erſcheinen, gingen erſt im Verlaufe ganzer Erdperioden ſolche hervor, wo einzelne jener Theile durch Vortheile in der Ernährung, Anpaſſung und andere Umſtände ſich zum Range unvollkommener Jndividuen aufſchwingen konnten.
Die Polypen.
Wenn wir im Vorhergehenden wiederholt uns des Wortes „Polyp“ und „polypenförmig“ bedienten, ſo geſchah es unter der gewiß gerechtfertigten Vorausſetzung, daß der Leſer eine mehr oder minder treffende Vorſtellung von den eigentlichen Polypen ſich ſchon früher erworben habe. Wir müſſen jedoch jetzt thun, als ob dieſe Annahme falſch geweſen ſei. Die Polypen ſind der Mehrzahl nach feſtſitzende Coelenteraten von cylindriſcher oder kelchartiger Form mit nach oben gerichteter Mundöffnung. Dieſe iſt umgeben von einem oder mehren Kreiſen von Fühlern und führt in einen kurzen Magenſack. Letzterer communicirt durch eine untere Oeffnung mit einer Leibeshöhle, welche durch vertikale, von der Körperwand zum Magen reichende Scheide- wände in Fächer getheilt iſt. Dieſe Fächer entſprechen mit der in ihnen enthaltenen, aus dem Nahrungsſafte, willkürlich aufgenommenem Waſſer und Nahrungstheilchen beſtehenden Flüſſig- keit dem Kanalſyſtem der Quallen. Auf dem freien, nach dem Jnneren der Leibeshöhle gekehrten Rande jener Scheidewände entwickeln ſich die Geſchlechtsorgane, und zwar ſind die Jndividuen meiſt getrennten Geſchlechtes. Alle Polypen ſcheinen wenigſtens zu einer Periode im Jahre ſich durch Eier zu vermehren, weit bekannter und in ihrer Wirkung impoſanter iſt aber die Fortpflanzung durch Knospenbildung. Dieſe können je nach den zahlreichen Sippen an den verſchiedenſten Stellen des Körpers hervorbrechen, und indem ſie mit den Mutterthieren vereinigt bleiben, bald mehr an der Baſis, bald näher dem Vorderrande ſitzen, ferner mehr oder weniger unter einander verwachſen, endlich und vorzugsweiſe nach dem Grade der Verkalkung der einzelnen Jndividuen entſteht durch kleine Variationen derſelben Grundvorgänge die tauſendfache Manch- faltigkeit der Polypenſtöcke.
Es giebt zwar durchaus weich bleibende Polypen, andere, in deren Hautbedeckungen und Scheidewänden ſich bloß einzelne, ſich nicht zu einem feſten Gerüſt vereinigende Kalkkörperchen abſcheiden. Bei den meiſten aber verkalkt bei jedem Jndividuum die Körperbedeckung in beſtimmter Weiſe. Wir nehmen zur Erläuterung eines von den zahlreichen Beiſpielen. Der Endzweig der baumförmigen, im Mittelmeere vorkommenden Dendrophyllia ramea zeigt ſieben Polypenindividuen, welche ihre Weichtheile in verſchiedenem Grade entfaltet oder eingezogen haben. Mit Ausnahme der Kopfſcheibe mit den zwei Fühlerkreiſen iſt die ganze dutenförmige Körperwand nebſt ihrer Baſis, der Fußſcheibe, verkalkt. Der Grad dieſer Verknöcherung iſt am beſten an einem ſenkrechten Durchſchnitt (rechts) zu ſehen, wo wir in b den harten Kelch haben, in welchen ſich die Mundſcheibe mit den Fühlern (a) zurückziehen kann. Außerdem aber erhebt ſich von der Fußſcheibe aus noch eine mittlere Säule (d). Die kalkigen Scheidewände oder Sternleiſten ſind in unſerem Falle nicht ſtark entwickelt, in anderen Sippen ſtärker. Oft treten zwiſchen Säule und Kelchwand iſolirte Stäbchen auf, oder äußere Rippen entſprechen den inneren Scheidewänden und ſo iſt in der verſchiedenſten Ausbildung aller dieſer Theile und in der mehr oder minder
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Phyſophora. Allgemeines über die Polypen.
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Ausgangs-Formen und wirklichen Vorfahren zu betrachten ſind. Sicher waren die Quallenpolypen
ohne ſich loslöſende Knospen die leiblichen Vorgänger der Sippen, welche freie Scheibenquallen
erzeugen, und aus Röhrenquallen, welche aus bloßen Organen zuſammengeſetzt erſcheinen, gingen
erſt im Verlaufe ganzer Erdperioden ſolche hervor, wo einzelne jener Theile durch Vortheile in
der Ernährung, Anpaſſung und andere Umſtände ſich zum Range unvollkommener Jndividuen
aufſchwingen konnten.
Die Polypen.
Wenn wir im Vorhergehenden wiederholt uns des Wortes „Polyp“ und „polypenförmig“
bedienten, ſo geſchah es unter der gewiß gerechtfertigten Vorausſetzung, daß der Leſer eine mehr
oder minder treffende Vorſtellung von den eigentlichen Polypen ſich ſchon früher erworben habe.
Wir müſſen jedoch jetzt thun, als ob dieſe Annahme falſch geweſen ſei. Die Polypen ſind der
Mehrzahl nach feſtſitzende Coelenteraten von cylindriſcher oder kelchartiger Form mit nach oben
gerichteter Mundöffnung. Dieſe iſt umgeben von einem oder mehren Kreiſen von Fühlern
und führt in einen kurzen Magenſack. Letzterer communicirt durch eine untere Oeffnung mit
einer Leibeshöhle, welche durch vertikale, von der Körperwand zum Magen reichende Scheide-
wände in Fächer getheilt iſt. Dieſe Fächer entſprechen mit der in ihnen enthaltenen, aus dem
Nahrungsſafte, willkürlich aufgenommenem Waſſer und Nahrungstheilchen beſtehenden Flüſſig-
keit dem Kanalſyſtem der Quallen. Auf dem freien, nach dem Jnneren der Leibeshöhle
gekehrten Rande jener Scheidewände entwickeln ſich die Geſchlechtsorgane, und zwar ſind die
Jndividuen meiſt getrennten Geſchlechtes. Alle Polypen ſcheinen wenigſtens zu einer Periode im
Jahre ſich durch Eier zu vermehren, weit bekannter und in ihrer Wirkung impoſanter iſt aber
die Fortpflanzung durch Knospenbildung. Dieſe können je nach den zahlreichen Sippen an den
verſchiedenſten Stellen des Körpers hervorbrechen, und indem ſie mit den Mutterthieren vereinigt
bleiben, bald mehr an der Baſis, bald näher dem Vorderrande ſitzen, ferner mehr oder weniger
unter einander verwachſen, endlich und vorzugsweiſe nach dem Grade der Verkalkung der einzelnen
Jndividuen entſteht durch kleine Variationen derſelben Grundvorgänge die tauſendfache Manch-
faltigkeit der Polypenſtöcke.
Es giebt zwar durchaus weich bleibende Polypen, andere, in deren Hautbedeckungen und
Scheidewänden ſich bloß einzelne, ſich nicht zu einem feſten Gerüſt vereinigende Kalkkörperchen
abſcheiden. Bei den meiſten aber verkalkt bei jedem Jndividuum die Körperbedeckung in
beſtimmter Weiſe. Wir nehmen zur Erläuterung eines von den zahlreichen Beiſpielen. Der
Endzweig der baumförmigen, im Mittelmeere vorkommenden Dendrophyllia ramea zeigt ſieben
Polypenindividuen, welche ihre Weichtheile in verſchiedenem Grade entfaltet oder eingezogen haben.
Mit Ausnahme der Kopfſcheibe mit den zwei Fühlerkreiſen iſt die ganze dutenförmige Körperwand
nebſt ihrer Baſis, der Fußſcheibe, verkalkt. Der Grad dieſer Verknöcherung iſt am beſten an
einem ſenkrechten Durchſchnitt (rechts) zu ſehen, wo wir in b den harten Kelch haben, in welchen ſich
die Mundſcheibe mit den Fühlern (a) zurückziehen kann. Außerdem aber erhebt ſich von der
Fußſcheibe aus noch eine mittlere Säule (d). Die kalkigen Scheidewände oder Sternleiſten ſind
in unſerem Falle nicht ſtark entwickelt, in anderen Sippen ſtärker. Oft treten zwiſchen Säule
und Kelchwand iſolirte Stäbchen auf, oder äußere Rippen entſprechen den inneren Scheidewänden
und ſo iſt in der verſchiedenſten Ausbildung aller dieſer Theile und in der mehr oder minder
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 997. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1049>, abgerufen am 20.12.2024.
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