zwei Zellenhaufen, aus deren oberen (o) Eier hervorkommen, während im unteren (t) Samen- körperchen sich erzeugen. Die Moosthierchen sind mithin Hermaphroditen; die Befruchtung der Eier geschieht durch die in ihrer nächsten Nähe sich bildenden und mit den Eiern frei in der Leibesflüssigkeit schwimmenden Samenkörper.
Dieß sind die einförmigen wesentlichen Grundzüge des Baues einer Thiergruppe, von der man zwar gegen 1700 fossile und noch lebende Arten kennt, die aber trotz der Anhäufung der Jndividuen zu Stöcken im Ganzen sehr wenig in die Augen fällt. Einige Sippen überziehen im Süßwasser Wurzeln und die Stengel der Seerosen bis zu Armesdicke, sind aber dabei so unansehnlich und mißfarbig, und die Zierlichkeit der Einzelindividuen entzieht sich dabei so dem Auge, daß auch durch diese Massen die Aufmerksamkeit nicht erregt wird. Von äußerster Manch- faltigkeit und bewundernswürdiger Zierlichkeit sind die Stöcke der seebewohnenden Bryozoen, auch von außerordentlicher Häufigkeit. Sie erheben sich von den verschiedensten Unterlagen als zierliche Bäumchen oder gablich sich verzweigende Gebilde, oder kriechen in dieser Verzweigung auf der Unterlage hin. Andere wieder verflechten sich zu feinen Netzen und Krausen, oder gleichen zusammenhängenden Nasen und Moosen, bilden Blätter, an denen entweder nur auf einer oder auf beiden Seiten die Kiemenbüsche zum Vorschein kommen.
Die Erhaltung im fossilen Zustande verdanken sie der Erhärtung und Verknöcherung des größten Theiles der Leibeswand, welche dadurch zu einer "Zelle" wird, in welche sich der immer weich bleibende Vordertheil des Thieres zurückziehen kann. Die so wechselnde Form der Stöcke hängt von der speciellen Art der Knospenbildung ab. Nachdem nämlich das aus dem Ei gekommene Wesen sich fixirt hat, wird der Stock durch Knospenbildung aufgebaut. Jndem bei jeder Sippe und Art die Knospen an bestimmter Stelle hervorbrechen und eine bestimmte Lagerung zu den Mutterindividuen annehmen, resultiren in Folge kleiner Abweichungen doch die ver- schiedensten Kolonieformen. Da jedes Jndividuum des Stockes zu bestimmter Zeit auch Eier und Samen hervorbringt, so ist für die Vermehrung in ergiebigster Weise gesorgt. Man kann am Meeresstrande binnen wenigen Tagen eine reiche Ernte an Bryozoen machen. Man braucht nur Haufen von Tangen sich nach Hause bringen zu lassen, um fast an jedem blattartigen Theile dieser niederen Pflanzen gewisse Sippen anzutreffen; und wo der Meeresboden nicht gar zu steril und ungünstig ist, sind die Steine und die noch vollen und die leeren Schneckengehäuse und Muschelschalen mit Bryozoenstöcken besetzt, welche man allerdings oft erst bei sorgsamer Durch- musterung mit der Loupe entdeckt.
Daß unsere Thierchen in dem großen Konzert der organischen Welt keine große Rolle spielen, ist aus dem Obigen klar. Jhre Anzahl ist aber wieder so erheblich, das Detail ihrer Organe, die Art und Weise ihrer Knospenbildung und Fortpflanzung so manchfaltig, daß die Beschäftigung mit ihnen ein Naturforscherleben auf Jahre auszufüllen im Stande ist, wie die umfangreiche Literatur über dieselben beweist. Die Hauptmomente für die systematische Eintheilung sind der Beschaffenheit des Mundes und der Fühlerkrone entnommen, wie wir wenigstens durch einige Beispiele zu belegen versuchen werden.
Die Mehrzahl der Moosthierchen des süßen Wassers gehören der Ordnung der sogenannten Phylactolaemata an, deren Mund mit einem zungenförmigen Deckel versehen ist. Jhre Kiemen sind hufeisenförmig, am Grunde von einer kelchförmigen Haut umwachsen. Die Zellen sind ent- weder ganz weich, oder hornig und kommen daher im fossilen Zustande nicht vor. Eine sehr merkwürdig sich verhaltende Sippe ist Cristatella. Sie bildet scheibenförmige Kolonien, welche nicht festwachsen, sondern, dem Lichte nachgehend, langsam kriechend sich fortbewegen. Dabei wird die Frage angeregt, wie ein so vielköpfiges Geschöpf es zu Stande bringe, alle Einzelwillen nach einer Richtung zu vereinigen. Denn wenn auch der äußere Anreiz, wie z. B. der des Lichtes, alle Einzelthiere in der Regel in derselben Richtung treffen wird, so erscheint er doch kaum aus- reichend, um in eine solche Kolonie einen gewissen einheitlichen Willen und danach eine einheitliche
Moosthiere.
zwei Zellenhaufen, aus deren oberen (o) Eier hervorkommen, während im unteren (t) Samen- körperchen ſich erzeugen. Die Moosthierchen ſind mithin Hermaphroditen; die Befruchtung der Eier geſchieht durch die in ihrer nächſten Nähe ſich bildenden und mit den Eiern frei in der Leibesflüſſigkeit ſchwimmenden Samenkörper.
Dieß ſind die einförmigen weſentlichen Grundzüge des Baues einer Thiergruppe, von der man zwar gegen 1700 foſſile und noch lebende Arten kennt, die aber trotz der Anhäufung der Jndividuen zu Stöcken im Ganzen ſehr wenig in die Augen fällt. Einige Sippen überziehen im Süßwaſſer Wurzeln und die Stengel der Seeroſen bis zu Armesdicke, ſind aber dabei ſo unanſehnlich und mißfarbig, und die Zierlichkeit der Einzelindividuen entzieht ſich dabei ſo dem Auge, daß auch durch dieſe Maſſen die Aufmerkſamkeit nicht erregt wird. Von äußerſter Manch- faltigkeit und bewundernswürdiger Zierlichkeit ſind die Stöcke der ſeebewohnenden Bryozoen, auch von außerordentlicher Häufigkeit. Sie erheben ſich von den verſchiedenſten Unterlagen als zierliche Bäumchen oder gablich ſich verzweigende Gebilde, oder kriechen in dieſer Verzweigung auf der Unterlage hin. Andere wieder verflechten ſich zu feinen Netzen und Krauſen, oder gleichen zuſammenhängenden Naſen und Mooſen, bilden Blätter, an denen entweder nur auf einer oder auf beiden Seiten die Kiemenbüſche zum Vorſchein kommen.
Die Erhaltung im foſſilen Zuſtande verdanken ſie der Erhärtung und Verknöcherung des größten Theiles der Leibeswand, welche dadurch zu einer „Zelle“ wird, in welche ſich der immer weich bleibende Vordertheil des Thieres zurückziehen kann. Die ſo wechſelnde Form der Stöcke hängt von der ſpeciellen Art der Knospenbildung ab. Nachdem nämlich das aus dem Ei gekommene Weſen ſich fixirt hat, wird der Stock durch Knospenbildung aufgebaut. Jndem bei jeder Sippe und Art die Knospen an beſtimmter Stelle hervorbrechen und eine beſtimmte Lagerung zu den Mutterindividuen annehmen, reſultiren in Folge kleiner Abweichungen doch die ver- ſchiedenſten Kolonieformen. Da jedes Jndividuum des Stockes zu beſtimmter Zeit auch Eier und Samen hervorbringt, ſo iſt für die Vermehrung in ergiebigſter Weiſe geſorgt. Man kann am Meeresſtrande binnen wenigen Tagen eine reiche Ernte an Bryozoen machen. Man braucht nur Haufen von Tangen ſich nach Hauſe bringen zu laſſen, um faſt an jedem blattartigen Theile dieſer niederen Pflanzen gewiſſe Sippen anzutreffen; und wo der Meeresboden nicht gar zu ſteril und ungünſtig iſt, ſind die Steine und die noch vollen und die leeren Schneckengehäuſe und Muſchelſchalen mit Bryozoenſtöcken beſetzt, welche man allerdings oft erſt bei ſorgſamer Durch- muſterung mit der Loupe entdeckt.
Daß unſere Thierchen in dem großen Konzert der organiſchen Welt keine große Rolle ſpielen, iſt aus dem Obigen klar. Jhre Anzahl iſt aber wieder ſo erheblich, das Detail ihrer Organe, die Art und Weiſe ihrer Knospenbildung und Fortpflanzung ſo manchfaltig, daß die Beſchäftigung mit ihnen ein Naturforſcherleben auf Jahre auszufüllen im Stande iſt, wie die umfangreiche Literatur über dieſelben beweiſt. Die Hauptmomente für die ſyſtematiſche Eintheilung ſind der Beſchaffenheit des Mundes und der Fühlerkrone entnommen, wie wir wenigſtens durch einige Beiſpiele zu belegen verſuchen werden.
Die Mehrzahl der Moosthierchen des ſüßen Waſſers gehören der Ordnung der ſogenannten Phylactolaemata an, deren Mund mit einem zungenförmigen Deckel verſehen iſt. Jhre Kiemen ſind hufeiſenförmig, am Grunde von einer kelchförmigen Haut umwachſen. Die Zellen ſind ent- weder ganz weich, oder hornig und kommen daher im foſſilen Zuſtande nicht vor. Eine ſehr merkwürdig ſich verhaltende Sippe iſt Cristatella. Sie bildet ſcheibenförmige Kolonien, welche nicht feſtwachſen, ſondern, dem Lichte nachgehend, langſam kriechend ſich fortbewegen. Dabei wird die Frage angeregt, wie ein ſo vielköpfiges Geſchöpf es zu Stande bringe, alle Einzelwillen nach einer Richtung zu vereinigen. Denn wenn auch der äußere Anreiz, wie z. B. der des Lichtes, alle Einzelthiere in der Regel in derſelben Richtung treffen wird, ſo erſcheint er doch kaum aus- reichend, um in eine ſolche Kolonie einen gewiſſen einheitlichen Willen und danach eine einheitliche
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Moosthiere.
zwei Zellenhaufen, aus deren oberen (o) Eier hervorkommen, während im unteren (t) Samen-
körperchen ſich erzeugen. Die Moosthierchen ſind mithin Hermaphroditen; die Befruchtung der
Eier geſchieht durch die in ihrer nächſten Nähe ſich bildenden und mit den Eiern frei in der
Leibesflüſſigkeit ſchwimmenden Samenkörper.
Dieß ſind die einförmigen weſentlichen Grundzüge des Baues einer Thiergruppe, von der
man zwar gegen 1700 foſſile und noch lebende Arten kennt, die aber trotz der Anhäufung der
Jndividuen zu Stöcken im Ganzen ſehr wenig in die Augen fällt. Einige Sippen überziehen
im Süßwaſſer Wurzeln und die Stengel der Seeroſen bis zu Armesdicke, ſind aber dabei ſo
unanſehnlich und mißfarbig, und die Zierlichkeit der Einzelindividuen entzieht ſich dabei ſo dem
Auge, daß auch durch dieſe Maſſen die Aufmerkſamkeit nicht erregt wird. Von äußerſter Manch-
faltigkeit und bewundernswürdiger Zierlichkeit ſind die Stöcke der ſeebewohnenden Bryozoen, auch
von außerordentlicher Häufigkeit. Sie erheben ſich von den verſchiedenſten Unterlagen als zierliche
Bäumchen oder gablich ſich verzweigende Gebilde, oder kriechen in dieſer Verzweigung auf der
Unterlage hin. Andere wieder verflechten ſich zu feinen Netzen und Krauſen, oder gleichen
zuſammenhängenden Naſen und Mooſen, bilden Blätter, an denen entweder nur auf einer oder
auf beiden Seiten die Kiemenbüſche zum Vorſchein kommen.
Die Erhaltung im foſſilen Zuſtande verdanken ſie der Erhärtung und Verknöcherung des
größten Theiles der Leibeswand, welche dadurch zu einer „Zelle“ wird, in welche ſich der immer
weich bleibende Vordertheil des Thieres zurückziehen kann. Die ſo wechſelnde Form der Stöcke
hängt von der ſpeciellen Art der Knospenbildung ab. Nachdem nämlich das aus dem Ei
gekommene Weſen ſich fixirt hat, wird der Stock durch Knospenbildung aufgebaut. Jndem bei
jeder Sippe und Art die Knospen an beſtimmter Stelle hervorbrechen und eine beſtimmte Lagerung
zu den Mutterindividuen annehmen, reſultiren in Folge kleiner Abweichungen doch die ver-
ſchiedenſten Kolonieformen. Da jedes Jndividuum des Stockes zu beſtimmter Zeit auch Eier
und Samen hervorbringt, ſo iſt für die Vermehrung in ergiebigſter Weiſe geſorgt. Man kann
am Meeresſtrande binnen wenigen Tagen eine reiche Ernte an Bryozoen machen. Man braucht
nur Haufen von Tangen ſich nach Hauſe bringen zu laſſen, um faſt an jedem blattartigen Theile
dieſer niederen Pflanzen gewiſſe Sippen anzutreffen; und wo der Meeresboden nicht gar zu ſteril
und ungünſtig iſt, ſind die Steine und die noch vollen und die leeren Schneckengehäuſe und
Muſchelſchalen mit Bryozoenſtöcken beſetzt, welche man allerdings oft erſt bei ſorgſamer Durch-
muſterung mit der Loupe entdeckt.
Daß unſere Thierchen in dem großen Konzert der organiſchen Welt keine große Rolle ſpielen,
iſt aus dem Obigen klar. Jhre Anzahl iſt aber wieder ſo erheblich, das Detail ihrer Organe,
die Art und Weiſe ihrer Knospenbildung und Fortpflanzung ſo manchfaltig, daß die Beſchäftigung
mit ihnen ein Naturforſcherleben auf Jahre auszufüllen im Stande iſt, wie die umfangreiche
Literatur über dieſelben beweiſt. Die Hauptmomente für die ſyſtematiſche Eintheilung ſind der
Beſchaffenheit des Mundes und der Fühlerkrone entnommen, wie wir wenigſtens durch einige
Beiſpiele zu belegen verſuchen werden.
Die Mehrzahl der Moosthierchen des ſüßen Waſſers gehören der Ordnung der ſogenannten
Phylactolaemata an, deren Mund mit einem zungenförmigen Deckel verſehen iſt. Jhre Kiemen
ſind hufeiſenförmig, am Grunde von einer kelchförmigen Haut umwachſen. Die Zellen ſind ent-
weder ganz weich, oder hornig und kommen daher im foſſilen Zuſtande nicht vor. Eine ſehr
merkwürdig ſich verhaltende Sippe iſt Cristatella. Sie bildet ſcheibenförmige Kolonien, welche
nicht feſtwachſen, ſondern, dem Lichte nachgehend, langſam kriechend ſich fortbewegen. Dabei wird
die Frage angeregt, wie ein ſo vielköpfiges Geſchöpf es zu Stande bringe, alle Einzelwillen nach
einer Richtung zu vereinigen. Denn wenn auch der äußere Anreiz, wie z. B. der des Lichtes,
alle Einzelthiere in der Regel in derſelben Richtung treffen wird, ſo erſcheint er doch kaum aus-
reichend, um in eine ſolche Kolonie einen gewiſſen einheitlichen Willen und danach eine einheitliche
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 972. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1020>, abgerufen am 23.11.2024.
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