Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.Die Panzerechsen. Krokodile. oder nicht gleich schwimmen können, sodaß zuletzt nicht mehr als fünf oder sechs übrig bleiben. DieRabengeier sind auf die Krokodileier ungemein erpicht und halten sich daher im Sommer wie Schild- wachen auf den Bäumen verborgen, beobachten ganz geduldig das Weibchen im Legen und stürzen sich erst, wenn es weg ist, auf das Nest, scharren dasselbe mit Schnabel und Krallen auf und zanken sich um die Eier. Jch brauche wohl kaum zu erwähnen, daß Ulloa wieder einmal fabelt oder wenigstens Wahres und Falsches unter einander mengt. Das Wahre oder Wahrscheinliche wird durch Humboldt bestätigt. "Die Krokodile", sagt er, "legen ihre Eier in abgesonderte Löcher, und das Weibchen erscheint gegen Ende der Brutzeit wieder, ruft den Jungen, welche darauf antworten, und hilft ihnen meist aus dem Boden." Ob der große Forscher aus eigener Anschauung spricht oder nur Gehörtes wieder gibt, weiß ich nicht, da ich eine auf die Angelegenheit bezügliche Stelle von ihm, auf welche er hinweist, nicht habe finden können. Die jungen Krokodile bevorzugen kleinere Lachen und Wassergräben den breiten und tiefen Flüssen und sind zuweilen in rohrumstandenen Gräben in solcher Menge zu finden, daß man auch von ihnen sagen kann, sie wimmeln hier wie Würmer durcheinander. Aus den übrigen Angaben Humboldt's geht hervor, daß die Spitzkrokodile ebenfalls Winter- "Wir sehen somit, daß in den Llanos Trockenheit und Hitze auf Thiere und Gewächse gleich dem Die Panzerechſen. Krokodile. oder nicht gleich ſchwimmen können, ſodaß zuletzt nicht mehr als fünf oder ſechs übrig bleiben. DieRabengeier ſind auf die Krokodileier ungemein erpicht und halten ſich daher im Sommer wie Schild- wachen auf den Bäumen verborgen, beobachten ganz geduldig das Weibchen im Legen und ſtürzen ſich erſt, wenn es weg iſt, auf das Neſt, ſcharren daſſelbe mit Schnabel und Krallen auf und zanken ſich um die Eier. Jch brauche wohl kaum zu erwähnen, daß Ulloa wieder einmal fabelt oder wenigſtens Wahres und Falſches unter einander mengt. Das Wahre oder Wahrſcheinliche wird durch Humboldt beſtätigt. „Die Krokodile“, ſagt er, „legen ihre Eier in abgeſonderte Löcher, und das Weibchen erſcheint gegen Ende der Brutzeit wieder, ruft den Jungen, welche darauf antworten, und hilft ihnen meiſt aus dem Boden.“ Ob der große Forſcher aus eigener Anſchauung ſpricht oder nur Gehörtes wieder gibt, weiß ich nicht, da ich eine auf die Angelegenheit bezügliche Stelle von ihm, auf welche er hinweiſt, nicht habe finden können. Die jungen Krokodile bevorzugen kleinere Lachen und Waſſergräben den breiten und tiefen Flüſſen und ſind zuweilen in rohrumſtandenen Gräben in ſolcher Menge zu finden, daß man auch von ihnen ſagen kann, ſie wimmeln hier wie Würmer durcheinander. Aus den übrigen Angaben Humboldt’s geht hervor, daß die Spitzkrokodile ebenfalls Winter- „Wir ſehen ſomit, daß in den Llanos Trockenheit und Hitze auf Thiere und Gewächſe gleich dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0098" n="82"/><fw place="top" type="header">Die Panzerechſen. Krokodile.</fw><lb/> oder nicht gleich ſchwimmen können, ſodaß zuletzt nicht mehr als fünf oder ſechs übrig bleiben. 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Hier, unter dem Wendekreiſe, wachen ſie auf, wenn<lb/> es wieder feuchter wird, in dem gemäßigten Georgien und Florida hingegen werden ſie erweckt durch<lb/> die wieder zunehmende Wärme, welche ſie aus ihrer Erſtarrung oder einem Zuſtande von Nerven-<lb/> und Muskelſchwäche erlöſt, in dem der Athmungsprozeß unterbrochen oder doch ſehr ſtark beſchränkt<lb/> wird. Die Zeit der großen Trockenheit, uneigentlich der Sommer des heißen Gürtels genannt, ent-<lb/> ſpricht dem Winter des gemäßigten, und es iſt phyſiologiſch ſehr merkwürdig, daß in Nordamerika die<lb/> Alligatoren zur ſelben Zeit der Kälte wegen im Winterſchlafe liegen, während welcher die Krokodile<lb/> in den Llanos ihren Sommerſchlummer halten. Erſchiene es als wahrſcheinlich, daß dieſe derſelben<lb/> Familie angehörigen Thiere einmal in dem nördlichen Lande zuſammengelebt hätten, ſo könnte man<lb/> glauben, ſie fühlen auch, näher nach dem Gleicher geſetzt, noch immer, nachdem ſie ſechs bis ſieben<lb/> Monate ihre Muskeln gebraucht, das Bedürfniß auszuruhen und bleiben auch unter einem neuen<lb/> Himmelsſtriche ihrem Lebensgange treu, welcher auf das Jnnigſte mit ihrem Körperbau zuſammen-<lb/> zuhängen ſcheint.... Man zeigte uns eine Hütte, oder vielmehr eine Art Schuppen, in welcher<lb/> unſer Wirth einen höchſt merkwürdigen Auftritt erlebt hatte. Er ſchläft mit einem Freunde auf<lb/> einer mit Leder überzogenen Bank; da wird er frühmorgens durch heftige Stöße, einen heftigen<lb/> Lärm und Erdſchollen, welche in die Hütte geſchleudert werden, aufgeſchreckt. Nicht lange, ſo kommt<lb/> ein junges, zwei bis drei Fuß langes Krokodil unter der Schlafſtätte hervor, fährt auf einen Hund<lb/> los, welcher auf der Thürſchwelle liegt, verfehlt ihn im ungeſtümen Laufe, eilt dem Ufer zu und ent-<lb/> kommt in den Fluß. Man unterſucht den Boden unter der Lagerſtätte und wird über den Hergang<lb/> des ſeltſamen Abenteuers bald klar. Jn dem vertrockneten, jetzt weit hinab aufgewühlten Schlamme<lb/> hatte das Krokodil im Sommerſchlafe gelegen und war durch den Lärmen von Menſchen und Pferden,<lb/> vielleicht auch durch den Geruch des Hundes erweckt worden. Die Hütte lag an einem Teiche und<lb/> ſtand einen Theil des Jahres unter Waſſer; das Krokodil war alſo ohne Zweifel während der Zeit<lb/> der Ueberſchwemmung der Savanne durch daſſelbe Loch hereingekommen, durch welches es Don<lb/> Miguel herauskommen ſah.</p><lb/> <p>„Wir ſehen ſomit, daß in den Llanos Trockenheit und Hitze auf Thiere und Gewächſe gleich dem<lb/> Froſte wirken. Die Kriechthiere, beſonders Krokodile und Boas, verlaſſen die Lachen, in denen ſie<lb/> beim Austritt der Flüſſe Waſſer gefunden haben, nicht leicht wieder. Jemehr nun dieſe Gewäſſer<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0098]
Die Panzerechſen. Krokodile.
oder nicht gleich ſchwimmen können, ſodaß zuletzt nicht mehr als fünf oder ſechs übrig bleiben. Die
Rabengeier ſind auf die Krokodileier ungemein erpicht und halten ſich daher im Sommer wie Schild-
wachen auf den Bäumen verborgen, beobachten ganz geduldig das Weibchen im Legen und ſtürzen
ſich erſt, wenn es weg iſt, auf das Neſt, ſcharren daſſelbe mit Schnabel und Krallen auf und zanken
ſich um die Eier. Jch brauche wohl kaum zu erwähnen, daß Ulloa wieder einmal fabelt oder
wenigſtens Wahres und Falſches unter einander mengt. Das Wahre oder Wahrſcheinliche wird
durch Humboldt beſtätigt. „Die Krokodile“, ſagt er, „legen ihre Eier in abgeſonderte Löcher,
und das Weibchen erſcheint gegen Ende der Brutzeit wieder, ruft den Jungen, welche darauf antworten,
und hilft ihnen meiſt aus dem Boden.“ Ob der große Forſcher aus eigener Anſchauung ſpricht
oder nur Gehörtes wieder gibt, weiß ich nicht, da ich eine auf die Angelegenheit bezügliche Stelle von
ihm, auf welche er hinweiſt, nicht habe finden können. Die jungen Krokodile bevorzugen kleinere
Lachen und Waſſergräben den breiten und tiefen Flüſſen und ſind zuweilen in rohrumſtandenen
Gräben in ſolcher Menge zu finden, daß man auch von ihnen ſagen kann, ſie wimmeln hier wie
Würmer durcheinander.
Aus den übrigen Angaben Humboldt’s geht hervor, daß die Spitzkrokodile ebenfalls Winter-
ſchlaf halten. „Unterhalb des Einfluſſes des Rio Arauka“, ſo heißt es in der Reiſebeſchreibung,
„zeigten ſich mehr Krokodile als bisher, beſonders einem großen See gegenüber, welcher mit
dem Orinoko in Verbindung ſteht. Die Jndianer ſagten uns, dieſe Krokodile kommen aus dem
trockenen Lande, wo ſie in dem Schlamme der Savanne begraben gelegen. Sobald ſie nach den
erſten Regengüſſen aus ihrer Erſtarrung erwachen, ſammeln ſie ſich in Rudeln und ziehen dem
Strome zu, auf dem ſie ſich wieder zerſtreuen. Hier, unter dem Wendekreiſe, wachen ſie auf, wenn
es wieder feuchter wird, in dem gemäßigten Georgien und Florida hingegen werden ſie erweckt durch
die wieder zunehmende Wärme, welche ſie aus ihrer Erſtarrung oder einem Zuſtande von Nerven-
und Muskelſchwäche erlöſt, in dem der Athmungsprozeß unterbrochen oder doch ſehr ſtark beſchränkt
wird. Die Zeit der großen Trockenheit, uneigentlich der Sommer des heißen Gürtels genannt, ent-
ſpricht dem Winter des gemäßigten, und es iſt phyſiologiſch ſehr merkwürdig, daß in Nordamerika die
Alligatoren zur ſelben Zeit der Kälte wegen im Winterſchlafe liegen, während welcher die Krokodile
in den Llanos ihren Sommerſchlummer halten. Erſchiene es als wahrſcheinlich, daß dieſe derſelben
Familie angehörigen Thiere einmal in dem nördlichen Lande zuſammengelebt hätten, ſo könnte man
glauben, ſie fühlen auch, näher nach dem Gleicher geſetzt, noch immer, nachdem ſie ſechs bis ſieben
Monate ihre Muskeln gebraucht, das Bedürfniß auszuruhen und bleiben auch unter einem neuen
Himmelsſtriche ihrem Lebensgange treu, welcher auf das Jnnigſte mit ihrem Körperbau zuſammen-
zuhängen ſcheint.... Man zeigte uns eine Hütte, oder vielmehr eine Art Schuppen, in welcher
unſer Wirth einen höchſt merkwürdigen Auftritt erlebt hatte. Er ſchläft mit einem Freunde auf
einer mit Leder überzogenen Bank; da wird er frühmorgens durch heftige Stöße, einen heftigen
Lärm und Erdſchollen, welche in die Hütte geſchleudert werden, aufgeſchreckt. Nicht lange, ſo kommt
ein junges, zwei bis drei Fuß langes Krokodil unter der Schlafſtätte hervor, fährt auf einen Hund
los, welcher auf der Thürſchwelle liegt, verfehlt ihn im ungeſtümen Laufe, eilt dem Ufer zu und ent-
kommt in den Fluß. Man unterſucht den Boden unter der Lagerſtätte und wird über den Hergang
des ſeltſamen Abenteuers bald klar. Jn dem vertrockneten, jetzt weit hinab aufgewühlten Schlamme
hatte das Krokodil im Sommerſchlafe gelegen und war durch den Lärmen von Menſchen und Pferden,
vielleicht auch durch den Geruch des Hundes erweckt worden. Die Hütte lag an einem Teiche und
ſtand einen Theil des Jahres unter Waſſer; das Krokodil war alſo ohne Zweifel während der Zeit
der Ueberſchwemmung der Savanne durch daſſelbe Loch hereingekommen, durch welches es Don
Miguel herauskommen ſah.
„Wir ſehen ſomit, daß in den Llanos Trockenheit und Hitze auf Thiere und Gewächſe gleich dem
Froſte wirken. Die Kriechthiere, beſonders Krokodile und Boas, verlaſſen die Lachen, in denen ſie
beim Austritt der Flüſſe Waſſer gefunden haben, nicht leicht wieder. Jemehr nun dieſe Gewäſſer
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