Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Panzerechsen. Krokodile.
Hauptes mit Ricinusöl salben und deshalb mindestens dem Europäer jede Annäherung auf weniger
als dreißig Schritte verleiden. Diese Moschusdrüsen geben dem Fleische des Krokodils einen so
durchdringenden Geruch, daß es uns unmöglich ist, das Fleisch älterer Thiere zu genießen. Jch habe
mehrmals Krokodilfleisch versucht, jedoch nur von dem junger Thiere einige Bissen hinabwürgen
können. Die Eingeborenen freilich denken anders; ihnen erscheinen Fleisch und Fett der Panzerechsen
als besondere Leckerbissen. Durch die alten Schriftsteller wissen wir, daß die Einwohner von
Appollonopolis ebenfalls gern Krokodilfleisch aßen, die gefangenen Thiere vor dem Schlachten aber
zuerst aufhingen, sie solange prügelten, bis sie jämmerlich schrieen und hierauf erst zerlegten. Solche
Umstände machen die heutigen Nubier und Sudahnesen nicht mehr: sie kochen das Krokodilfleisch
einfach im Wasser und setzen diesem höchstens etwas Salz und Pfeffer zu.

Ein Krokodil, welches ich vom Schiffe aus kurz vor unserer Ankunft im Städtchen Wolled-
Medineh tödtete und mit mir nahm, fand ich bei meiner Rückkunft von einem Jagdausfluge bereits
zerlegt und von den vielen Eiern, welche es im Leibe hatte, nur noch ihrer sechsundzwanzig übrig;
denn die Matrosen hatten es nicht über sich vermocht, dem Anblicke dieses köstlichsten Leckerbissens zu
widerstehen, sondern bereits eine, wie sie sagten, vortreffliche Mahlzeit gehalten. Am folgenden Tage
wurde mit zwei Viertheilen des Beutevorraths der Markt von Wolled-Medineh bezogen und das Fleisch
dort in überraschend kurzer Zeit theils verkauft, theils in Merisa (ein bierähnliches Getränk) umge-
tauscht. Abends gab es ein Fest in der Nähe der Barke. Gegen Zusicherung eines Gerichtes
Krokodilfleisches hatten sich ebenso viele Töchter des Landes, als unser Schiff Matrosen zählte, willig
finden lassen, an einer Festlichkeit theilzunehmen, welche erst durch die Reize der holden Mägdlein
und Frauen Bedeutung und Schmuck erlangen sollte. Ueber drei großen Feuern brodelte in mächtigen,
kugelrunden Töpfen das seltene Wildpret, und um das Feuer, um die Töpfe bewegten sich die braunen
Gestalten in gewohntem Tanze. Lieblich erklang die Tarabuka oder Trommel der Eingebornen;
lieblich dufteten die Schönen, denen die höflichen Anbeter vermittels einer geopferten Drüse köstliche
Salbe bereitet; Liebesworte wurden gespendet und zurückgegeben, und der gute Mond und ich gingen
still ihres Weges, um die Festfreude nicht zu stören. Bis spät in die Nacht hinein erklang die
Trommel, bis gegen den Morgen hin währte der Tanz; man speiste vergnügt ein Gericht Krokodil
und trank köstliche Merisa dazu, bot auch mir an von beiden und wunderte sich nicht wenig, daß ich
das erstere so entschieden verschmähte.

Jm Alterthume wurde auch aus dem erlegten Krokodile mancherlei Arzenei gewonnen. Sein
Blut galt als ein vortreffliches Mittel gegen Schlangengift, vertrieb auch Flecken auf den Augen;
die aus der Haut gewonnene Asche sollte Wunden heilen, das Fett außerdem gegen Fieber, Zahnweh,
Schnakenstiche schützen, ein Zahn, als Amulet am Arme getragen, noch besondere Kräfte verleihen.
Auch hiervon hört man heutigentages Nichts mehr. Gewissen Theilen des Krokodils schreibt man
aber allgemein noch eine Stärkung derjenigen Kräfte zu, welche alle in Vielweiberei lebenden
Männer für die wünschenswerthesten ansehen und deren Erhaltung sie mit den verschiedenartigsten
Mitteln zu erreichen streben.

Meine Ansicht über die Verehrung, welche die Krokodile im Egyptenlande genossen, habe ich
bereits ausgesprochen. Nicht alle wurden mit so großen Ehren bestattet wie diejenigen, deren
Mumien man in den Gräbern von Theben findet, und an denen man, laut Geoffroy, sogar noch
die Löcher bemerkt, in denen sie Ringe trugen; denn alle, welche wir in der Höhle von Maabde bei
Monfalut untersuchten, waren einfach in Pech durchtränkte Leinentücher gehüllt. Jene Höhle liegt
am rechten Nilufer auf der ersten Hochebene, welche man betritt, nachdem man die Uferberge erstiegen.
Ein kleiner, von einem mächtigen Felsblock überdachter Schacht von zehn bis zwölf Fuß Tiefe, um
dessen Eingang Knochen, Muskeln und Leinwandfetzen von Krokodilen und Mumien zerstreut sind,
bildet den Eingang und geht bald in einen längeren Stollen über, welchen der wißbegierige Forscher
auf Händen und Füßen durchkriechen muß. Der Gang führt in eine weite und geräumige Höhle, in
welcher Tausende und andere Tausende von Fledermäusen ihre Herberge aufgeschlagen haben

Die Panzerechſen. Krokodile.
Hauptes mit Ricinusöl ſalben und deshalb mindeſtens dem Europäer jede Annäherung auf weniger
als dreißig Schritte verleiden. Dieſe Moſchusdrüſen geben dem Fleiſche des Krokodils einen ſo
durchdringenden Geruch, daß es uns unmöglich iſt, das Fleiſch älterer Thiere zu genießen. Jch habe
mehrmals Krokodilfleiſch verſucht, jedoch nur von dem junger Thiere einige Biſſen hinabwürgen
können. Die Eingeborenen freilich denken anders; ihnen erſcheinen Fleiſch und Fett der Panzerechſen
als beſondere Leckerbiſſen. Durch die alten Schriftſteller wiſſen wir, daß die Einwohner von
Appollonopolis ebenfalls gern Krokodilfleiſch aßen, die gefangenen Thiere vor dem Schlachten aber
zuerſt aufhingen, ſie ſolange prügelten, bis ſie jämmerlich ſchrieen und hierauf erſt zerlegten. Solche
Umſtände machen die heutigen Nubier und Sudahneſen nicht mehr: ſie kochen das Krokodilfleiſch
einfach im Waſſer und ſetzen dieſem höchſtens etwas Salz und Pfeffer zu.

Ein Krokodil, welches ich vom Schiffe aus kurz vor unſerer Ankunft im Städtchen Wolled-
Medineh tödtete und mit mir nahm, fand ich bei meiner Rückkunft von einem Jagdausfluge bereits
zerlegt und von den vielen Eiern, welche es im Leibe hatte, nur noch ihrer ſechsundzwanzig übrig;
denn die Matroſen hatten es nicht über ſich vermocht, dem Anblicke dieſes köſtlichſten Leckerbiſſens zu
widerſtehen, ſondern bereits eine, wie ſie ſagten, vortreffliche Mahlzeit gehalten. Am folgenden Tage
wurde mit zwei Viertheilen des Beutevorraths der Markt von Wolled-Medineh bezogen und das Fleiſch
dort in überraſchend kurzer Zeit theils verkauft, theils in Meriſa (ein bierähnliches Getränk) umge-
tauſcht. Abends gab es ein Feſt in der Nähe der Barke. Gegen Zuſicherung eines Gerichtes
Krokodilfleiſches hatten ſich ebenſo viele Töchter des Landes, als unſer Schiff Matroſen zählte, willig
finden laſſen, an einer Feſtlichkeit theilzunehmen, welche erſt durch die Reize der holden Mägdlein
und Frauen Bedeutung und Schmuck erlangen ſollte. Ueber drei großen Feuern brodelte in mächtigen,
kugelrunden Töpfen das ſeltene Wildpret, und um das Feuer, um die Töpfe bewegten ſich die braunen
Geſtalten in gewohntem Tanze. Lieblich erklang die Tarabuka oder Trommel der Eingebornen;
lieblich dufteten die Schönen, denen die höflichen Anbeter vermittels einer geopferten Drüſe köſtliche
Salbe bereitet; Liebesworte wurden geſpendet und zurückgegeben, und der gute Mond und ich gingen
ſtill ihres Weges, um die Feſtfreude nicht zu ſtören. Bis ſpät in die Nacht hinein erklang die
Trommel, bis gegen den Morgen hin währte der Tanz; man ſpeiſte vergnügt ein Gericht Krokodil
und trank köſtliche Meriſa dazu, bot auch mir an von beiden und wunderte ſich nicht wenig, daß ich
das erſtere ſo entſchieden verſchmähte.

Jm Alterthume wurde auch aus dem erlegten Krokodile mancherlei Arzenei gewonnen. Sein
Blut galt als ein vortreffliches Mittel gegen Schlangengift, vertrieb auch Flecken auf den Augen;
die aus der Haut gewonnene Aſche ſollte Wunden heilen, das Fett außerdem gegen Fieber, Zahnweh,
Schnakenſtiche ſchützen, ein Zahn, als Amulet am Arme getragen, noch beſondere Kräfte verleihen.
Auch hiervon hört man heutigentages Nichts mehr. Gewiſſen Theilen des Krokodils ſchreibt man
aber allgemein noch eine Stärkung derjenigen Kräfte zu, welche alle in Vielweiberei lebenden
Männer für die wünſchenswertheſten anſehen und deren Erhaltung ſie mit den verſchiedenartigſten
Mitteln zu erreichen ſtreben.

Meine Anſicht über die Verehrung, welche die Krokodile im Egyptenlande genoſſen, habe ich
bereits ausgeſprochen. Nicht alle wurden mit ſo großen Ehren beſtattet wie diejenigen, deren
Mumien man in den Gräbern von Theben findet, und an denen man, laut Geoffroy, ſogar noch
die Löcher bemerkt, in denen ſie Ringe trugen; denn alle, welche wir in der Höhle von Maabde bei
Monfalut unterſuchten, waren einfach in Pech durchtränkte Leinentücher gehüllt. Jene Höhle liegt
am rechten Nilufer auf der erſten Hochebene, welche man betritt, nachdem man die Uferberge erſtiegen.
Ein kleiner, von einem mächtigen Felsblock überdachter Schacht von zehn bis zwölf Fuß Tiefe, um
deſſen Eingang Knochen, Muskeln und Leinwandfetzen von Krokodilen und Mumien zerſtreut ſind,
bildet den Eingang und geht bald in einen längeren Stollen über, welchen der wißbegierige Forſcher
auf Händen und Füßen durchkriechen muß. Der Gang führt in eine weite und geräumige Höhle, in
welcher Tauſende und andere Tauſende von Fledermäuſen ihre Herberge aufgeſchlagen haben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0088" n="72"/><fw place="top" type="header">Die Panzerech&#x017F;en. Krokodile.</fw><lb/>
Hauptes mit Ricinusöl &#x017F;alben und deshalb minde&#x017F;tens dem Europäer jede Annäherung auf weniger<lb/>
als dreißig Schritte verleiden. Die&#x017F;e Mo&#x017F;chusdrü&#x017F;en geben dem Flei&#x017F;che des Krokodils einen &#x017F;o<lb/>
durchdringenden Geruch, daß es uns unmöglich i&#x017F;t, das Flei&#x017F;ch älterer Thiere zu genießen. Jch habe<lb/>
mehrmals Krokodilflei&#x017F;ch ver&#x017F;ucht, jedoch nur von dem junger Thiere einige Bi&#x017F;&#x017F;en hinabwürgen<lb/>
können. Die Eingeborenen freilich denken anders; ihnen er&#x017F;cheinen Flei&#x017F;ch und Fett der Panzerech&#x017F;en<lb/>
als be&#x017F;ondere Leckerbi&#x017F;&#x017F;en. Durch die alten Schrift&#x017F;teller wi&#x017F;&#x017F;en wir, daß die Einwohner von<lb/>
Appollonopolis ebenfalls gern Krokodilflei&#x017F;ch aßen, die gefangenen Thiere vor dem Schlachten aber<lb/>
zuer&#x017F;t aufhingen, &#x017F;ie &#x017F;olange prügelten, bis &#x017F;ie jämmerlich &#x017F;chrieen und hierauf er&#x017F;t zerlegten. Solche<lb/>
Um&#x017F;tände machen die heutigen Nubier und Sudahne&#x017F;en nicht mehr: &#x017F;ie kochen das Krokodilflei&#x017F;ch<lb/>
einfach im Wa&#x017F;&#x017F;er und &#x017F;etzen die&#x017F;em höch&#x017F;tens etwas Salz und Pfeffer zu.</p><lb/>
            <p>Ein Krokodil, welches ich vom Schiffe aus kurz vor un&#x017F;erer Ankunft im Städtchen Wolled-<lb/>
Medineh tödtete und mit mir nahm, fand ich bei meiner Rückkunft von einem Jagdausfluge bereits<lb/>
zerlegt und von den vielen Eiern, welche es im Leibe hatte, nur noch ihrer &#x017F;echsundzwanzig übrig;<lb/>
denn die Matro&#x017F;en hatten es nicht über &#x017F;ich vermocht, dem Anblicke die&#x017F;es kö&#x017F;tlich&#x017F;ten Leckerbi&#x017F;&#x017F;ens zu<lb/>
wider&#x017F;tehen, &#x017F;ondern bereits eine, wie &#x017F;ie &#x017F;agten, vortreffliche Mahlzeit gehalten. Am folgenden Tage<lb/>
wurde mit zwei Viertheilen des Beutevorraths der Markt von Wolled-Medineh bezogen und das Flei&#x017F;ch<lb/>
dort in überra&#x017F;chend kurzer Zeit theils verkauft, theils in Meri&#x017F;a (ein bierähnliches Getränk) umge-<lb/>
tau&#x017F;cht. Abends gab es ein Fe&#x017F;t in der Nähe der Barke. Gegen Zu&#x017F;icherung eines Gerichtes<lb/>
Krokodilflei&#x017F;ches hatten &#x017F;ich eben&#x017F;o viele Töchter des Landes, als un&#x017F;er Schiff Matro&#x017F;en zählte, willig<lb/>
finden la&#x017F;&#x017F;en, an einer Fe&#x017F;tlichkeit theilzunehmen, welche er&#x017F;t durch die Reize der holden Mägdlein<lb/>
und Frauen Bedeutung und Schmuck erlangen &#x017F;ollte. Ueber drei großen Feuern brodelte in mächtigen,<lb/>
kugelrunden Töpfen das &#x017F;eltene Wildpret, und um das Feuer, um die Töpfe bewegten &#x017F;ich die braunen<lb/>
Ge&#x017F;talten in gewohntem Tanze. Lieblich erklang die Tarabuka oder Trommel der Eingebornen;<lb/>
lieblich dufteten die Schönen, denen die höflichen Anbeter vermittels einer geopferten Drü&#x017F;e kö&#x017F;tliche<lb/>
Salbe bereitet; Liebesworte wurden ge&#x017F;pendet und zurückgegeben, und der gute Mond und ich gingen<lb/>
&#x017F;till ihres Weges, um die Fe&#x017F;tfreude nicht zu &#x017F;tören. Bis &#x017F;pät in die Nacht hinein erklang die<lb/>
Trommel, bis gegen den Morgen hin währte der Tanz; man &#x017F;pei&#x017F;te vergnügt ein Gericht Krokodil<lb/>
und trank kö&#x017F;tliche Meri&#x017F;a dazu, bot auch mir an von beiden und wunderte &#x017F;ich nicht wenig, daß ich<lb/>
das er&#x017F;tere &#x017F;o ent&#x017F;chieden ver&#x017F;chmähte.</p><lb/>
            <p>Jm Alterthume wurde auch aus dem erlegten Krokodile mancherlei Arzenei gewonnen. Sein<lb/>
Blut galt als ein vortreffliches Mittel gegen Schlangengift, vertrieb auch Flecken auf den Augen;<lb/>
die aus der Haut gewonnene A&#x017F;che &#x017F;ollte Wunden heilen, das Fett außerdem gegen Fieber, Zahnweh,<lb/>
Schnaken&#x017F;tiche &#x017F;chützen, ein Zahn, als Amulet am Arme getragen, noch be&#x017F;ondere Kräfte verleihen.<lb/>
Auch hiervon hört man heutigentages Nichts mehr. Gewi&#x017F;&#x017F;en Theilen des Krokodils &#x017F;chreibt man<lb/>
aber allgemein noch eine Stärkung derjenigen Kräfte zu, welche alle in Vielweiberei lebenden<lb/>
Männer für die wün&#x017F;chenswerthe&#x017F;ten an&#x017F;ehen und deren Erhaltung &#x017F;ie mit den ver&#x017F;chiedenartig&#x017F;ten<lb/>
Mitteln zu erreichen &#x017F;treben.</p><lb/>
            <p>Meine An&#x017F;icht über die Verehrung, welche die Krokodile im Egyptenlande geno&#x017F;&#x017F;en, habe ich<lb/>
bereits ausge&#x017F;prochen. Nicht alle wurden mit &#x017F;o großen Ehren be&#x017F;tattet wie diejenigen, deren<lb/>
Mumien man in den Gräbern von Theben findet, und an denen man, laut <hi rendition="#g">Geoffroy,</hi> &#x017F;ogar noch<lb/>
die Löcher bemerkt, in denen &#x017F;ie Ringe trugen; denn alle, welche wir in der Höhle von Maabde bei<lb/>
Monfalut unter&#x017F;uchten, waren einfach in Pech durchtränkte Leinentücher gehüllt. Jene Höhle liegt<lb/>
am rechten Nilufer auf der er&#x017F;ten Hochebene, welche man betritt, nachdem man die Uferberge er&#x017F;tiegen.<lb/>
Ein kleiner, von einem mächtigen Felsblock überdachter Schacht von zehn bis zwölf Fuß Tiefe, um<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Eingang Knochen, Muskeln und Leinwandfetzen von Krokodilen und Mumien zer&#x017F;treut &#x017F;ind,<lb/>
bildet den Eingang und geht bald in einen längeren Stollen über, welchen der wißbegierige For&#x017F;cher<lb/>
auf Händen und Füßen durchkriechen muß. Der Gang führt in eine weite und geräumige Höhle, in<lb/>
welcher Tau&#x017F;ende und andere Tau&#x017F;ende von Fledermäu&#x017F;en ihre Herberge aufge&#x017F;chlagen haben<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0088] Die Panzerechſen. Krokodile. Hauptes mit Ricinusöl ſalben und deshalb mindeſtens dem Europäer jede Annäherung auf weniger als dreißig Schritte verleiden. Dieſe Moſchusdrüſen geben dem Fleiſche des Krokodils einen ſo durchdringenden Geruch, daß es uns unmöglich iſt, das Fleiſch älterer Thiere zu genießen. Jch habe mehrmals Krokodilfleiſch verſucht, jedoch nur von dem junger Thiere einige Biſſen hinabwürgen können. Die Eingeborenen freilich denken anders; ihnen erſcheinen Fleiſch und Fett der Panzerechſen als beſondere Leckerbiſſen. Durch die alten Schriftſteller wiſſen wir, daß die Einwohner von Appollonopolis ebenfalls gern Krokodilfleiſch aßen, die gefangenen Thiere vor dem Schlachten aber zuerſt aufhingen, ſie ſolange prügelten, bis ſie jämmerlich ſchrieen und hierauf erſt zerlegten. Solche Umſtände machen die heutigen Nubier und Sudahneſen nicht mehr: ſie kochen das Krokodilfleiſch einfach im Waſſer und ſetzen dieſem höchſtens etwas Salz und Pfeffer zu. Ein Krokodil, welches ich vom Schiffe aus kurz vor unſerer Ankunft im Städtchen Wolled- Medineh tödtete und mit mir nahm, fand ich bei meiner Rückkunft von einem Jagdausfluge bereits zerlegt und von den vielen Eiern, welche es im Leibe hatte, nur noch ihrer ſechsundzwanzig übrig; denn die Matroſen hatten es nicht über ſich vermocht, dem Anblicke dieſes köſtlichſten Leckerbiſſens zu widerſtehen, ſondern bereits eine, wie ſie ſagten, vortreffliche Mahlzeit gehalten. Am folgenden Tage wurde mit zwei Viertheilen des Beutevorraths der Markt von Wolled-Medineh bezogen und das Fleiſch dort in überraſchend kurzer Zeit theils verkauft, theils in Meriſa (ein bierähnliches Getränk) umge- tauſcht. Abends gab es ein Feſt in der Nähe der Barke. Gegen Zuſicherung eines Gerichtes Krokodilfleiſches hatten ſich ebenſo viele Töchter des Landes, als unſer Schiff Matroſen zählte, willig finden laſſen, an einer Feſtlichkeit theilzunehmen, welche erſt durch die Reize der holden Mägdlein und Frauen Bedeutung und Schmuck erlangen ſollte. Ueber drei großen Feuern brodelte in mächtigen, kugelrunden Töpfen das ſeltene Wildpret, und um das Feuer, um die Töpfe bewegten ſich die braunen Geſtalten in gewohntem Tanze. Lieblich erklang die Tarabuka oder Trommel der Eingebornen; lieblich dufteten die Schönen, denen die höflichen Anbeter vermittels einer geopferten Drüſe köſtliche Salbe bereitet; Liebesworte wurden geſpendet und zurückgegeben, und der gute Mond und ich gingen ſtill ihres Weges, um die Feſtfreude nicht zu ſtören. Bis ſpät in die Nacht hinein erklang die Trommel, bis gegen den Morgen hin währte der Tanz; man ſpeiſte vergnügt ein Gericht Krokodil und trank köſtliche Meriſa dazu, bot auch mir an von beiden und wunderte ſich nicht wenig, daß ich das erſtere ſo entſchieden verſchmähte. Jm Alterthume wurde auch aus dem erlegten Krokodile mancherlei Arzenei gewonnen. Sein Blut galt als ein vortreffliches Mittel gegen Schlangengift, vertrieb auch Flecken auf den Augen; die aus der Haut gewonnene Aſche ſollte Wunden heilen, das Fett außerdem gegen Fieber, Zahnweh, Schnakenſtiche ſchützen, ein Zahn, als Amulet am Arme getragen, noch beſondere Kräfte verleihen. Auch hiervon hört man heutigentages Nichts mehr. Gewiſſen Theilen des Krokodils ſchreibt man aber allgemein noch eine Stärkung derjenigen Kräfte zu, welche alle in Vielweiberei lebenden Männer für die wünſchenswertheſten anſehen und deren Erhaltung ſie mit den verſchiedenartigſten Mitteln zu erreichen ſtreben. Meine Anſicht über die Verehrung, welche die Krokodile im Egyptenlande genoſſen, habe ich bereits ausgeſprochen. Nicht alle wurden mit ſo großen Ehren beſtattet wie diejenigen, deren Mumien man in den Gräbern von Theben findet, und an denen man, laut Geoffroy, ſogar noch die Löcher bemerkt, in denen ſie Ringe trugen; denn alle, welche wir in der Höhle von Maabde bei Monfalut unterſuchten, waren einfach in Pech durchtränkte Leinentücher gehüllt. Jene Höhle liegt am rechten Nilufer auf der erſten Hochebene, welche man betritt, nachdem man die Uferberge erſtiegen. Ein kleiner, von einem mächtigen Felsblock überdachter Schacht von zehn bis zwölf Fuß Tiefe, um deſſen Eingang Knochen, Muskeln und Leinwandfetzen von Krokodilen und Mumien zerſtreut ſind, bildet den Eingang und geht bald in einen längeren Stollen über, welchen der wißbegierige Forſcher auf Händen und Füßen durchkriechen muß. Der Gang führt in eine weite und geräumige Höhle, in welcher Tauſende und andere Tauſende von Fledermäuſen ihre Herberge aufgeſchlagen haben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/88
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/88>, abgerufen am 21.12.2024.