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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Eishai.
herab ins Wasser fallen, ohne von den massenhaft versammelten Haien belästigt zu werden;
Fabricius hingegen gibt an, daß er die kleinen, mit Robbenfellen überzogenen Nachen der Grön-
länder mit seinem weiten Maule niederdrücken und den darauf Sitzenden die Beine abbeißen soll,
weshalb ihn die Fischer fliehen, sobald sie ihn sehen. Seine Raubsucht ist so groß, daß er die eigene
Art nicht verschont. Ein Lappländer verlor, wie Leems berichtet, einen an seinen Kahn gebundenen
Eishai, ohne es zu merken, fing bald darauf einen größeren und fand in dessen Magen den verlornen
wieder. Gunner, der bereits erwähnte Bischoff, theilt mit, daß man in dem Magen eines dieser
Fische ein Renthier ohne Hörner, in einem andern eine Robbe von Rindsgröße gefunden hat.

Die Grönländer behaupten, daß er sehr gut höre und sogleich aus der Tiefe heraufkomme,
wenn Menschen mit einander sprechen; sie schweigen also, wenn sie in seine Nachbarschaft kommen.
Scoresby gibt gerade das Gegentheil an. "Die Matrosen", sagt er, "bilden sich ein, der Eishai
sei blind, weil er sich um die Menschen nicht im Geringsten bekümmert, und soviel ist richtig, daß er
sich kaum rührt, wenn er einen Messer- oder Lanzenstich empfangen hat. Er ist merkwürdig gleich-
giltig gegen Schmerz: einer, dessen Leib mit einem Messer durchstoßen war, entfloh, kehrte aber
nach einem Weilchen wieder zurück zu demselben Walfisch, von dessen Rücken aus er seine Wunde
erhalten hatte. Das kleine Herz schlägt höchstens sechs bis acht Mal in der Minute, aber auch noch
Stunden lang, nachdem es aus dem Leibe herausgenommen. Ganz ebenso gibt der übrige Leib, und
wäre er auch in verschiedene Stücke getheilt, während einer ähnlichen Zeit, unverkennbare Lebens-
zeichen von sich. Es hält demgemäß ungemein schwer, den Eishai zu tödten, und es bleibt gefährlich,
den zähnestarrenden Rachen des vom Leibe getrennten Hauptes noch geraume Zeit nach der Hin-
richtung zu untersuchen."

Der Fang eines so freßwüthigen Thieres ist sehr leicht. Man bindet, laut Fabricius, einen
Sack mit faulem Fleische oder einen Robbenkopf an einen Haken und schleppt ihn hinter dem Schiffe
her; der Eishai umschwimmt den Köder, kostet ihn, läßt ihn aber wieder fahren. Zieht man ihn
zurück, so erwacht beim Anschein des Verlustes seine Begierde; er fährt plötzlich darauf los und ver-
schlingt ihn. Ein wahres Vergnügen ist es nun, die Sprünge zu sehen, welche er macht, um loszu-
kommen. Zuerst sucht er die Kette abzureißen; ist Dies vergeblich, so stürzt er sich wüthend auf sie
und zerreißt sich endlich selbst den Magen mit dem Haken. Nachdem sich "die Matrosen hinlänglich
an seiner Qual ergötzt haben", ziehen sie ihn in die Höhe, werfen ihm einen Strick um den Leib und
hauen ihm, noch ehe er auf das Verdeck gebracht wird, Kopf und Schwanz ab, weil er mit letzterem,
auch geköpft, noch gefährlich um sich schlägt.

Merkwürdig ist, daß dieses freche Thier sich vor dem Pottwal überaus fürchtet, vor ihm dem
Strande zuschwimmt, ja sogar wirklich strandet und zu Grunde geht, daß er es nicht einmal wagen
soll, sich einem todten Pottwal zu nähern, während er doch dessen Verwandte gierig verschlingt.

Grönländer und Jsländer erklären sein Fleisch als das eßbarste aller Haie und genießen es
frisch oder gedörrt, auch wohl nachdem sie es eine Zeit lang faulen ließen. Aus der Leber bereitet
man einen Thran, welchen man hauptsächlich zum Schmieren, seltener zum Beleuchten benutzt. Mit
der rauhen Haut polirt man die Zeltstangen oder fertigt sich aus ihr Schuhe und Pferdegeschirr.



Der einzige Engel, von welchem wir sichere Kunde haben, hält sich im Meere auf und ist ein
Haifisch. "Er bekompt den namen von seiner gestalt: dann er mit seinen breiten vorderen fäckten
sich etlicher maß einem Engel vergleicht." Der Kopf ist rund, der Leib von oben nach unten abge-
plattet, und durch die nach vorn gerichteten, sehr großen Brust- und Bauchflossen, noch mehr ver-
breitert, die Kiemenspalten öffnen sich auf der Oberseite zwischen Rücken- und Brustflossen, das mit
kegelförmigen, in mehrere Reihen geordneten Zähnen bewehrte Maul vorn an der Schnauze, die

Eishai.
herab ins Waſſer fallen, ohne von den maſſenhaft verſammelten Haien beläſtigt zu werden;
Fabricius hingegen gibt an, daß er die kleinen, mit Robbenfellen überzogenen Nachen der Grön-
länder mit ſeinem weiten Maule niederdrücken und den darauf Sitzenden die Beine abbeißen ſoll,
weshalb ihn die Fiſcher fliehen, ſobald ſie ihn ſehen. Seine Raubſucht iſt ſo groß, daß er die eigene
Art nicht verſchont. Ein Lappländer verlor, wie Leems berichtet, einen an ſeinen Kahn gebundenen
Eishai, ohne es zu merken, fing bald darauf einen größeren und fand in deſſen Magen den verlornen
wieder. Gunner, der bereits erwähnte Biſchoff, theilt mit, daß man in dem Magen eines dieſer
Fiſche ein Renthier ohne Hörner, in einem andern eine Robbe von Rindsgröße gefunden hat.

Die Grönländer behaupten, daß er ſehr gut höre und ſogleich aus der Tiefe heraufkomme,
wenn Menſchen mit einander ſprechen; ſie ſchweigen alſo, wenn ſie in ſeine Nachbarſchaft kommen.
Scoresby gibt gerade das Gegentheil an. „Die Matroſen“, ſagt er, „bilden ſich ein, der Eishai
ſei blind, weil er ſich um die Menſchen nicht im Geringſten bekümmert, und ſoviel iſt richtig, daß er
ſich kaum rührt, wenn er einen Meſſer- oder Lanzenſtich empfangen hat. Er iſt merkwürdig gleich-
giltig gegen Schmerz: einer, deſſen Leib mit einem Meſſer durchſtoßen war, entfloh, kehrte aber
nach einem Weilchen wieder zurück zu demſelben Walfiſch, von deſſen Rücken aus er ſeine Wunde
erhalten hatte. Das kleine Herz ſchlägt höchſtens ſechs bis acht Mal in der Minute, aber auch noch
Stunden lang, nachdem es aus dem Leibe herausgenommen. Ganz ebenſo gibt der übrige Leib, und
wäre er auch in verſchiedene Stücke getheilt, während einer ähnlichen Zeit, unverkennbare Lebens-
zeichen von ſich. Es hält demgemäß ungemein ſchwer, den Eishai zu tödten, und es bleibt gefährlich,
den zähneſtarrenden Rachen des vom Leibe getrennten Hauptes noch geraume Zeit nach der Hin-
richtung zu unterſuchen.“

Der Fang eines ſo freßwüthigen Thieres iſt ſehr leicht. Man bindet, laut Fabricius, einen
Sack mit faulem Fleiſche oder einen Robbenkopf an einen Haken und ſchleppt ihn hinter dem Schiffe
her; der Eishai umſchwimmt den Köder, koſtet ihn, läßt ihn aber wieder fahren. Zieht man ihn
zurück, ſo erwacht beim Anſchein des Verluſtes ſeine Begierde; er fährt plötzlich darauf los und ver-
ſchlingt ihn. Ein wahres Vergnügen iſt es nun, die Sprünge zu ſehen, welche er macht, um loszu-
kommen. Zuerſt ſucht er die Kette abzureißen; iſt Dies vergeblich, ſo ſtürzt er ſich wüthend auf ſie
und zerreißt ſich endlich ſelbſt den Magen mit dem Haken. Nachdem ſich „die Matroſen hinlänglich
an ſeiner Qual ergötzt haben“, ziehen ſie ihn in die Höhe, werfen ihm einen Strick um den Leib und
hauen ihm, noch ehe er auf das Verdeck gebracht wird, Kopf und Schwanz ab, weil er mit letzterem,
auch geköpft, noch gefährlich um ſich ſchlägt.

Merkwürdig iſt, daß dieſes freche Thier ſich vor dem Pottwal überaus fürchtet, vor ihm dem
Strande zuſchwimmt, ja ſogar wirklich ſtrandet und zu Grunde geht, daß er es nicht einmal wagen
ſoll, ſich einem todten Pottwal zu nähern, während er doch deſſen Verwandte gierig verſchlingt.

Grönländer und Jsländer erklären ſein Fleiſch als das eßbarſte aller Haie und genießen es
friſch oder gedörrt, auch wohl nachdem ſie es eine Zeit lang faulen ließen. Aus der Leber bereitet
man einen Thran, welchen man hauptſächlich zum Schmieren, ſeltener zum Beleuchten benutzt. Mit
der rauhen Haut polirt man die Zeltſtangen oder fertigt ſich aus ihr Schuhe und Pferdegeſchirr.



Der einzige Engel, von welchem wir ſichere Kunde haben, hält ſich im Meere auf und iſt ein
Haifiſch. „Er bekompt den namen von ſeiner geſtalt: dann er mit ſeinen breiten vorderen fäckten
ſich etlicher maß einem Engel vergleicht.“ Der Kopf iſt rund, der Leib von oben nach unten abge-
plattet, und durch die nach vorn gerichteten, ſehr großen Bruſt- und Bauchfloſſen, noch mehr ver-
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[791/0833] Eishai. herab ins Waſſer fallen, ohne von den maſſenhaft verſammelten Haien beläſtigt zu werden; Fabricius hingegen gibt an, daß er die kleinen, mit Robbenfellen überzogenen Nachen der Grön- länder mit ſeinem weiten Maule niederdrücken und den darauf Sitzenden die Beine abbeißen ſoll, weshalb ihn die Fiſcher fliehen, ſobald ſie ihn ſehen. Seine Raubſucht iſt ſo groß, daß er die eigene Art nicht verſchont. Ein Lappländer verlor, wie Leems berichtet, einen an ſeinen Kahn gebundenen Eishai, ohne es zu merken, fing bald darauf einen größeren und fand in deſſen Magen den verlornen wieder. Gunner, der bereits erwähnte Biſchoff, theilt mit, daß man in dem Magen eines dieſer Fiſche ein Renthier ohne Hörner, in einem andern eine Robbe von Rindsgröße gefunden hat. Die Grönländer behaupten, daß er ſehr gut höre und ſogleich aus der Tiefe heraufkomme, wenn Menſchen mit einander ſprechen; ſie ſchweigen alſo, wenn ſie in ſeine Nachbarſchaft kommen. Scoresby gibt gerade das Gegentheil an. „Die Matroſen“, ſagt er, „bilden ſich ein, der Eishai ſei blind, weil er ſich um die Menſchen nicht im Geringſten bekümmert, und ſoviel iſt richtig, daß er ſich kaum rührt, wenn er einen Meſſer- oder Lanzenſtich empfangen hat. Er iſt merkwürdig gleich- giltig gegen Schmerz: einer, deſſen Leib mit einem Meſſer durchſtoßen war, entfloh, kehrte aber nach einem Weilchen wieder zurück zu demſelben Walfiſch, von deſſen Rücken aus er ſeine Wunde erhalten hatte. Das kleine Herz ſchlägt höchſtens ſechs bis acht Mal in der Minute, aber auch noch Stunden lang, nachdem es aus dem Leibe herausgenommen. Ganz ebenſo gibt der übrige Leib, und wäre er auch in verſchiedene Stücke getheilt, während einer ähnlichen Zeit, unverkennbare Lebens- zeichen von ſich. Es hält demgemäß ungemein ſchwer, den Eishai zu tödten, und es bleibt gefährlich, den zähneſtarrenden Rachen des vom Leibe getrennten Hauptes noch geraume Zeit nach der Hin- richtung zu unterſuchen.“ Der Fang eines ſo freßwüthigen Thieres iſt ſehr leicht. Man bindet, laut Fabricius, einen Sack mit faulem Fleiſche oder einen Robbenkopf an einen Haken und ſchleppt ihn hinter dem Schiffe her; der Eishai umſchwimmt den Köder, koſtet ihn, läßt ihn aber wieder fahren. Zieht man ihn zurück, ſo erwacht beim Anſchein des Verluſtes ſeine Begierde; er fährt plötzlich darauf los und ver- ſchlingt ihn. Ein wahres Vergnügen iſt es nun, die Sprünge zu ſehen, welche er macht, um loszu- kommen. Zuerſt ſucht er die Kette abzureißen; iſt Dies vergeblich, ſo ſtürzt er ſich wüthend auf ſie und zerreißt ſich endlich ſelbſt den Magen mit dem Haken. Nachdem ſich „die Matroſen hinlänglich an ſeiner Qual ergötzt haben“, ziehen ſie ihn in die Höhe, werfen ihm einen Strick um den Leib und hauen ihm, noch ehe er auf das Verdeck gebracht wird, Kopf und Schwanz ab, weil er mit letzterem, auch geköpft, noch gefährlich um ſich ſchlägt. Merkwürdig iſt, daß dieſes freche Thier ſich vor dem Pottwal überaus fürchtet, vor ihm dem Strande zuſchwimmt, ja ſogar wirklich ſtrandet und zu Grunde geht, daß er es nicht einmal wagen ſoll, ſich einem todten Pottwal zu nähern, während er doch deſſen Verwandte gierig verſchlingt. Grönländer und Jsländer erklären ſein Fleiſch als das eßbarſte aller Haie und genießen es friſch oder gedörrt, auch wohl nachdem ſie es eine Zeit lang faulen ließen. Aus der Leber bereitet man einen Thran, welchen man hauptſächlich zum Schmieren, ſeltener zum Beleuchten benutzt. Mit der rauhen Haut polirt man die Zeltſtangen oder fertigt ſich aus ihr Schuhe und Pferdegeſchirr. Der einzige Engel, von welchem wir ſichere Kunde haben, hält ſich im Meere auf und iſt ein Haifiſch. „Er bekompt den namen von ſeiner geſtalt: dann er mit ſeinen breiten vorderen fäckten ſich etlicher maß einem Engel vergleicht.“ Der Kopf iſt rund, der Leib von oben nach unten abge- plattet, und durch die nach vorn gerichteten, ſehr großen Bruſt- und Bauchfloſſen, noch mehr ver- breitert, die Kiemenſpalten öffnen ſich auf der Oberſeite zwiſchen Rücken- und Bruſtfloſſen, das mit kegelförmigen, in mehrere Reihen geordneten Zähnen bewehrte Maul vorn an der Schnauze, die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 791. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/833>, abgerufen am 21.12.2024.