ergreifen es in demselben Augenblicke; ersterer hat ihm seine Pranken in den Rücken geschlagen, das Krokodil es am Halse erfaßt. Jeder Räuber will die Beute sich zueignen; sie ringen um dieselbe; keiner gibt nach; jeder verdoppelt seine Anstrengung: da reißt das Kamel mitten entzwei, und Löwe und Krokodil erhalten jedes seine Hälfte. Sicherlich ist diese Anekdote aus der Luft gegriffen; aber sie beweist, was die Araber dem Krokodil zutrauen. Daß letzteres wirklich Kamele überwältigt, davon habe ich mich später überzeugen können: einem am weißen Flusse, Charthum gegenüber, zur Tränke gehenden Kamele wurde während meiner Anwesenheit in der Stadt ein Bein abgerissen, und gelegentlich meiner Reise auf dem blauen und weißen Flusse sah ich, daß die Hirten des Ost-Sudahns beim Tränken ihrer Kamele stets die Vorsicht gebrauchten, sie unter großem Geschrei und ganze Herden auf einmal in den Strom zu treiben, um die Krokodile durch den Lärmen und das Getümmel zu verscheuchen. Kleinere Herdenthiere, Rinder, Pferde, Esel, Schafe und Ziegen tränkt man da, wo gefährliche Krokodile hausen, niemals im Strome, sondern in neben demselben aufgedämmten Becken und Teichen, welche die Hirten erst mühselig mit Wasser füllen müssen.
Gefährlicher als durch den Schaden, welchen es an den Herden anrichtet, wird das Krokodil durch seinen Menschenraub. Jm ganzen Sudahn gibt es nicht ein einziges Dorf, aus welchem durch die Krokodile nicht schon Menschen geraubt worden wären; alljährlich geschehen Unglücksfälle, und wenn die Reisenden nicht viel davon zu erzählen wissen, so erklärt sich Dies dadurch, weil sie sich auch nicht besonders darnach erkundigen. Dem Fremden, welcher fragt, wissen die alten Leute zu erzählen, daß das Krokodil Den und Den, Sohn Des und Des, Nachkommen von Dem und Dem, außer ihm aber noch verschiedene Pferde, Kamele, Maulthiere, Esel, Hunde, Schafe, Ziegen in die trüben Fluten hinabgezogen und gefressen oder ihnen wenigstens ein Glied abgerissen habe. Die meisten Menschen- opfer werden der Panzerechse, wenn die Eingebornen in den Fluß waten, um Wasser zu schöpfen. Höchst selten kommt es vor, daß die einmal erfaßte Beute sich rettet; denn alle Angriffe des Kroko- dils geschehen so plötzlich, daß ein Entrinnen kaum möglich ist. Selbst an den Wasserplätzen großer Ortschaften und Städte treiben sich die gefährlichen Raubthiere umher: während meines Anfenthaltes in Charthum wurde ein Knabe wenige Schritte vom Hause seiner Eltern geraubt, ertränkt, nach der mitten im Strome liegenden Sandbank geschleppt und hier vor den Augen meiner Diener verschlungen. Die grenzenlose Furcht der Sudahnesen ist leider vollkommen gerechtfertigt.
Alle klügeren Thiere kennen das Krokodil und seine Angriffsweise. Wenn die Nomaden der Steppe mit ihren Herden und Hunden an den Fluß kommen, haben sie mit den letzteren oft große Noth, verlieren auch regelmäßig einige der trefflichen Thiere, weil diese noch keine Erfahrung gesammelt haben. Hunde dagegen, welche in den Dörfern am Strome groß geworden sind, fallen dem Krokodile selten zum Opfer. Sie nähern sich, wenn sie trinken wollen, stets mit äußerster Vorsicht dem Wasser- spiegel, beobachten denselben genau, trinken einige Tropfen, kehren eilig zum Uferrande zurück, bleiben längere Zeit hier stehen, sehen starr auf das Wasser herab, nahen sich wiederum unter Beobachtung derselben Vorsichtsmaßregeln, trinken nochmals und fahren so fort, bis sie ihren Durst gestillt haben. Jhr Haß gegen das Krokodil offenbart sich, wenn man ihnen eine größere Eidechse zeigt: sie weichen vor einer solchen zurück wie Affen vor einer Schlange und bellen wüthend.
Rächst den lebenden frißt das Krokodil alle todten Thiere, welche den Fluß hinabschwimmen. Jch bin durch dasselbe mehrere Male werthvoller Vögel, welche nach dem Schusse in den Strom stürzten, beraubt und dann jedesmal von Neuem an den Racheschwur erinnert worden, welchen ich gelegentlich eines Zusammentreffens mit ihm geleistet -- eines Zusammentreffens, welches unheilvoll für mich hätte werden können. Jede von meiner Hand abgesendete Büchsenkugel, welche während meiner zweiten Reise im Sudahn die Panzerhaut eines dieser Ungethüme durchbohrt hat, war nur ein Werkzeug meiner Rache; ich habe keine Gelegenheit vorübergehen lassen, letztere zu bethätigen. Charthum gegenüber hatte ich mein Zelt aufgeschlagen, einige Tage lang gejagt und einmal gegen Abend einen Seeadler angeschossen, welcher noch bis zum Strome flatterte und hier auf das Wasser fiel. Der mir damals werthvoll erscheinende Vogel trieb mit den Wellen dicht am Ufer hin und näherte sich einer
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Nilkrokodil.
ergreifen es in demſelben Augenblicke; erſterer hat ihm ſeine Pranken in den Rücken geſchlagen, das Krokodil es am Halſe erfaßt. Jeder Räuber will die Beute ſich zueignen; ſie ringen um dieſelbe; keiner gibt nach; jeder verdoppelt ſeine Anſtrengung: da reißt das Kamel mitten entzwei, und Löwe und Krokodil erhalten jedes ſeine Hälfte. Sicherlich iſt dieſe Anekdote aus der Luft gegriffen; aber ſie beweiſt, was die Araber dem Krokodil zutrauen. Daß letzteres wirklich Kamele überwältigt, davon habe ich mich ſpäter überzeugen können: einem am weißen Fluſſe, Charthum gegenüber, zur Tränke gehenden Kamele wurde während meiner Anweſenheit in der Stadt ein Bein abgeriſſen, und gelegentlich meiner Reiſe auf dem blauen und weißen Fluſſe ſah ich, daß die Hirten des Oſt-Sudahns beim Tränken ihrer Kamele ſtets die Vorſicht gebrauchten, ſie unter großem Geſchrei und ganze Herden auf einmal in den Strom zu treiben, um die Krokodile durch den Lärmen und das Getümmel zu verſcheuchen. Kleinere Herdenthiere, Rinder, Pferde, Eſel, Schafe und Ziegen tränkt man da, wo gefährliche Krokodile hauſen, niemals im Strome, ſondern in neben demſelben aufgedämmten Becken und Teichen, welche die Hirten erſt mühſelig mit Waſſer füllen müſſen.
Gefährlicher als durch den Schaden, welchen es an den Herden anrichtet, wird das Krokodil durch ſeinen Menſchenraub. Jm ganzen Sudahn gibt es nicht ein einziges Dorf, aus welchem durch die Krokodile nicht ſchon Menſchen geraubt worden wären; alljährlich geſchehen Unglücksfälle, und wenn die Reiſenden nicht viel davon zu erzählen wiſſen, ſo erklärt ſich Dies dadurch, weil ſie ſich auch nicht beſonders darnach erkundigen. Dem Fremden, welcher fragt, wiſſen die alten Leute zu erzählen, daß das Krokodil Den und Den, Sohn Des und Des, Nachkommen von Dem und Dem, außer ihm aber noch verſchiedene Pferde, Kamele, Maulthiere, Eſel, Hunde, Schafe, Ziegen in die trüben Fluten hinabgezogen und gefreſſen oder ihnen wenigſtens ein Glied abgeriſſen habe. Die meiſten Menſchen- opfer werden der Panzerechſe, wenn die Eingebornen in den Fluß waten, um Waſſer zu ſchöpfen. Höchſt ſelten kommt es vor, daß die einmal erfaßte Beute ſich rettet; denn alle Angriffe des Kroko- dils geſchehen ſo plötzlich, daß ein Entrinnen kaum möglich iſt. Selbſt an den Waſſerplätzen großer Ortſchaften und Städte treiben ſich die gefährlichen Raubthiere umher: während meines Anfenthaltes in Charthum wurde ein Knabe wenige Schritte vom Hauſe ſeiner Eltern geraubt, ertränkt, nach der mitten im Strome liegenden Sandbank geſchleppt und hier vor den Augen meiner Diener verſchlungen. Die grenzenloſe Furcht der Sudahneſen iſt leider vollkommen gerechtfertigt.
Alle klügeren Thiere kennen das Krokodil und ſeine Angriffsweiſe. Wenn die Nomaden der Steppe mit ihren Herden und Hunden an den Fluß kommen, haben ſie mit den letzteren oft große Noth, verlieren auch regelmäßig einige der trefflichen Thiere, weil dieſe noch keine Erfahrung geſammelt haben. Hunde dagegen, welche in den Dörfern am Strome groß geworden ſind, fallen dem Krokodile ſelten zum Opfer. Sie nähern ſich, wenn ſie trinken wollen, ſtets mit äußerſter Vorſicht dem Waſſer- ſpiegel, beobachten denſelben genau, trinken einige Tropfen, kehren eilig zum Uferrande zurück, bleiben längere Zeit hier ſtehen, ſehen ſtarr auf das Waſſer herab, nahen ſich wiederum unter Beobachtung derſelben Vorſichtsmaßregeln, trinken nochmals und fahren ſo fort, bis ſie ihren Durſt geſtillt haben. Jhr Haß gegen das Krokodil offenbart ſich, wenn man ihnen eine größere Eidechſe zeigt: ſie weichen vor einer ſolchen zurück wie Affen vor einer Schlange und bellen wüthend.
Rächſt den lebenden frißt das Krokodil alle todten Thiere, welche den Fluß hinabſchwimmen. Jch bin durch daſſelbe mehrere Male werthvoller Vögel, welche nach dem Schuſſe in den Strom ſtürzten, beraubt und dann jedesmal von Neuem an den Racheſchwur erinnert worden, welchen ich gelegentlich eines Zuſammentreffens mit ihm geleiſtet — eines Zuſammentreffens, welches unheilvoll für mich hätte werden können. Jede von meiner Hand abgeſendete Büchſenkugel, welche während meiner zweiten Reiſe im Sudahn die Panzerhaut eines dieſer Ungethüme durchbohrt hat, war nur ein Werkzeug meiner Rache; ich habe keine Gelegenheit vorübergehen laſſen, letztere zu bethätigen. Charthum gegenüber hatte ich mein Zelt aufgeſchlagen, einige Tage lang gejagt und einmal gegen Abend einen Seeadler angeſchoſſen, welcher noch bis zum Strome flatterte und hier auf das Waſſer fiel. Der mir damals werthvoll erſcheinende Vogel trieb mit den Wellen dicht am Ufer hin und näherte ſich einer
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Nilkrokodil.
ergreifen es in demſelben Augenblicke; erſterer hat ihm ſeine Pranken in den Rücken geſchlagen, das
Krokodil es am Halſe erfaßt. Jeder Räuber will die Beute ſich zueignen; ſie ringen um dieſelbe;
keiner gibt nach; jeder verdoppelt ſeine Anſtrengung: da reißt das Kamel mitten entzwei, und Löwe
und Krokodil erhalten jedes ſeine Hälfte. Sicherlich iſt dieſe Anekdote aus der Luft gegriffen; aber ſie
beweiſt, was die Araber dem Krokodil zutrauen. Daß letzteres wirklich Kamele überwältigt, davon
habe ich mich ſpäter überzeugen können: einem am weißen Fluſſe, Charthum gegenüber, zur Tränke
gehenden Kamele wurde während meiner Anweſenheit in der Stadt ein Bein abgeriſſen, und gelegentlich
meiner Reiſe auf dem blauen und weißen Fluſſe ſah ich, daß die Hirten des Oſt-Sudahns beim Tränken
ihrer Kamele ſtets die Vorſicht gebrauchten, ſie unter großem Geſchrei und ganze Herden auf einmal
in den Strom zu treiben, um die Krokodile durch den Lärmen und das Getümmel zu verſcheuchen.
Kleinere Herdenthiere, Rinder, Pferde, Eſel, Schafe und Ziegen tränkt man da, wo gefährliche
Krokodile hauſen, niemals im Strome, ſondern in neben demſelben aufgedämmten Becken und Teichen,
welche die Hirten erſt mühſelig mit Waſſer füllen müſſen.
Gefährlicher als durch den Schaden, welchen es an den Herden anrichtet, wird das Krokodil
durch ſeinen Menſchenraub. Jm ganzen Sudahn gibt es nicht ein einziges Dorf, aus welchem durch
die Krokodile nicht ſchon Menſchen geraubt worden wären; alljährlich geſchehen Unglücksfälle, und
wenn die Reiſenden nicht viel davon zu erzählen wiſſen, ſo erklärt ſich Dies dadurch, weil ſie ſich auch
nicht beſonders darnach erkundigen. Dem Fremden, welcher fragt, wiſſen die alten Leute zu erzählen,
daß das Krokodil Den und Den, Sohn Des und Des, Nachkommen von Dem und Dem, außer ihm
aber noch verſchiedene Pferde, Kamele, Maulthiere, Eſel, Hunde, Schafe, Ziegen in die trüben Fluten
hinabgezogen und gefreſſen oder ihnen wenigſtens ein Glied abgeriſſen habe. Die meiſten Menſchen-
opfer werden der Panzerechſe, wenn die Eingebornen in den Fluß waten, um Waſſer zu ſchöpfen.
Höchſt ſelten kommt es vor, daß die einmal erfaßte Beute ſich rettet; denn alle Angriffe des Kroko-
dils geſchehen ſo plötzlich, daß ein Entrinnen kaum möglich iſt. Selbſt an den Waſſerplätzen großer
Ortſchaften und Städte treiben ſich die gefährlichen Raubthiere umher: während meines Anfenthaltes
in Charthum wurde ein Knabe wenige Schritte vom Hauſe ſeiner Eltern geraubt, ertränkt, nach der
mitten im Strome liegenden Sandbank geſchleppt und hier vor den Augen meiner Diener verſchlungen.
Die grenzenloſe Furcht der Sudahneſen iſt leider vollkommen gerechtfertigt.
Alle klügeren Thiere kennen das Krokodil und ſeine Angriffsweiſe. Wenn die Nomaden der
Steppe mit ihren Herden und Hunden an den Fluß kommen, haben ſie mit den letzteren oft große
Noth, verlieren auch regelmäßig einige der trefflichen Thiere, weil dieſe noch keine Erfahrung geſammelt
haben. Hunde dagegen, welche in den Dörfern am Strome groß geworden ſind, fallen dem Krokodile
ſelten zum Opfer. Sie nähern ſich, wenn ſie trinken wollen, ſtets mit äußerſter Vorſicht dem Waſſer-
ſpiegel, beobachten denſelben genau, trinken einige Tropfen, kehren eilig zum Uferrande zurück, bleiben
längere Zeit hier ſtehen, ſehen ſtarr auf das Waſſer herab, nahen ſich wiederum unter Beobachtung
derſelben Vorſichtsmaßregeln, trinken nochmals und fahren ſo fort, bis ſie ihren Durſt geſtillt haben.
Jhr Haß gegen das Krokodil offenbart ſich, wenn man ihnen eine größere Eidechſe zeigt: ſie weichen
vor einer ſolchen zurück wie Affen vor einer Schlange und bellen wüthend.
Rächſt den lebenden frißt das Krokodil alle todten Thiere, welche den Fluß hinabſchwimmen.
Jch bin durch daſſelbe mehrere Male werthvoller Vögel, welche nach dem Schuſſe in den Strom
ſtürzten, beraubt und dann jedesmal von Neuem an den Racheſchwur erinnert worden, welchen ich
gelegentlich eines Zuſammentreffens mit ihm geleiſtet — eines Zuſammentreffens, welches unheilvoll
für mich hätte werden können. Jede von meiner Hand abgeſendete Büchſenkugel, welche während
meiner zweiten Reiſe im Sudahn die Panzerhaut eines dieſer Ungethüme durchbohrt hat, war nur ein
Werkzeug meiner Rache; ich habe keine Gelegenheit vorübergehen laſſen, letztere zu bethätigen. Charthum
gegenüber hatte ich mein Zelt aufgeſchlagen, einige Tage lang gejagt und einmal gegen Abend einen
Seeadler angeſchoſſen, welcher noch bis zum Strome flatterte und hier auf das Waſſer fiel. Der mir
damals werthvoll erſcheinende Vogel trieb mit den Wellen dicht am Ufer hin und näherte ſich einer
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/83>, abgerufen am 18.07.2024.
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