Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Quermäuler. Menschenhaie.
werden als von anderen, so von Negern mehr als von Weißen. Ob auch ihr Gehör als scharf
bezeichnet werden kann, steht dahin.

Aus dem Gebahren der Haifische geht mit unbestreitbarer Gewißheit hervor, daß ihre geistigen
Fähigkeiten ausgebildeter sind als bei allen übrigen Fischen, so oft auch ihre ungestüme Raubsucht
und Unbedachtsamkeit beim Anblick einer Beute Dem zu widersprechen scheint. Auf Ersteres deutet
die Planmäßigkeit ihrer Jagden, welche sie ausführen, die Regelmäßigkeit, mit welcher sie bestimmte
Plätze besuchen, das Gedächtniß, welches sie bei solchen Gelegenheiten bekunden, ja, in gewissem Sinne
auch ihr schon erwähntes Verhältniß zum Lootsenfisch, dessen Dienste sie sich zu Nutzen machen, die
Hartnäckigkeit, mit welcher sie Schiffe begleiten, von denen immer Etwas für sie abfällt, die Liebe,
welche sie gegen ihre Jungen bethätigen, (zum Mindesten bethätigen sollen), und Anderes mehr. Aber
freilich, ihr unersättlicher Heißhunger, ihre unglaubliche Freßgier stellt jene Eigenschaften oft tief in
Schatten und läßt sie geradezu sinnlos handeln. Gefräßigkeit darf, wie aus dem Vorstehenden zur
Genüge hervorgegangen, als eine der hauptsächlichsten Eigenschaften aller Fische bezeichnet werden;
unter dem gefräßigen Heere aber sind sie unbedingt die gefräßigsten. "Sind zu ihrer grösse", sagt der
alte Geßner sehr richtig vom Menschenhai, "gantz schneller bewegniß, räubig vnd arglistig, für all
ander Fisch geil, frefelig, hochprächtig, stoltz vnd vnverschampt, also daß sie auch zu zeiten den Fischern
die Fisch auß den reussen vnd garnen fressen." Wenn von ihrer Unersättlichkeit gesprochen wird,
muß Dies buchstäblich verstanden werden. Es quält sie wirklich ein niemals zu stillender Heißhunger.
Alle Nahrungsmittel, welche sie verschlingen, gehen nur halbverdaut wieder weg, und deßhalb sind
sie genöthigt, den fortwährend rasch sich entleerenden Magen immer von Neuem zu füllen. Sie
fressen alles Genießbare, ja sogar Alles, was genießbar scheint; denn man hat schon die verschieden-
artigsten Dinge gefunden. Der Magen eines der Weißhaie, welcher bei Jackson erlegt wurde, enthielt
einen halben Schinken, einige Schafbeine, das Hintertheil eines Schweines, das Haupt und die
Vorderbeine eines Bulldoggen, eine Menge von Pferdefleisch, ein Stück Sackleinen und einen
Schiffskratzer. Andere Haie sah man die verschiedenartigsten Dinge verschlingen, welche man ihnen
vom Schiffe aus zuwarf, Kleidungsstücke ebenso wohl als Speck oder Stockfisch u. dgl., pflanzliche
Stoffe mit gleicher Gier wie thierische, wirklich nährfähige. Bennett vergleicht sie mit dem Strauß
und meint, man müsse annehmen, daß ihrer Verdauungsfähigkeit Nichts unmöglich sei, da sie die
Zinnkannen, welche sie verschlucken, doch wieder los werden müßten; Cetti versichert, daß man in
den Tonaren Thiere dieser Art fange, welche drei- bis viertausend Pfund wiegen und setzt hinzu, daß
allerdings auch ein sehr großer Körper erforderlich sei, um acht bis zehn Tunfische auf einmal zu
verschlucken, wie diese Haie es im Stande sind. Die Besitzer der Tonaren werden durch sie ununter-
brochen in Furcht gehalten, weil die Raubfische unter den Tunen entsetzlich hausen und, wenn sie
gefangen werden, durch den Gewinn, welchen sie abwerfen, den Fischern die ausgestandene Angst
doch nur mäßig vergüten. Auf hohem Meere füllen sie sich den Wanst mit dem verschiedenartigsten
Seegethier, welches ihnen vorkommt. Einer, welcher auf hoher See harpunirt und von Bennett
untersucht wurde, hatte den Magen zum Platzen mit kleinen Fischen der verschiedensten Art, Kalmars
und anderen Tintenfischen vollgestopft, zur Verwunderung unseres Forschers, welcher anfänglich nicht
begreifen konnte, wie es dem Riesen möglich, derartige behende Beute in solchen Massen zu fangen
und erst später zu dem Schluß geführt wurde, daß der Hai keineswegs, wie man gewöhnlich annimmt,
sich auf die Seite wälzt, um eine Beute aufzunehmen, sondern auch mit aufgesperrtem Maule durch
die Wellen zieht und Alles verschlingt, was sich bei dieser Gelegenheit fängt.

Das einstige Glück des Propheten Jonas wird den sündhaften Menschenkindern unserer Tage
äußerst selten und niemals in gleichem Umfange zu theil. Ein ähnlicher Fall soll verbürgt, ein
Matrose nämlich, welcher von einem Haifisch verschlungen worden war, wieder ausgespieen worden
sein, als der Führer des Schiffes den Räuber mit einer glücklich treffenden Kanonenkugel zum Tode
verwundet hatte. Außer dieser Erzählung wissen unsere Bücher nichts Aehnliches zu verzeichnen, und
ist es neuerdings niemals wieder vorgekommen, daß ein Mann drei Tage lang im Magen eines Hai-

Die Quermäuler. Menſchenhaie.
werden als von anderen, ſo von Negern mehr als von Weißen. Ob auch ihr Gehör als ſcharf
bezeichnet werden kann, ſteht dahin.

Aus dem Gebahren der Haifiſche geht mit unbeſtreitbarer Gewißheit hervor, daß ihre geiſtigen
Fähigkeiten ausgebildeter ſind als bei allen übrigen Fiſchen, ſo oft auch ihre ungeſtüme Raubſucht
und Unbedachtſamkeit beim Anblick einer Beute Dem zu widerſprechen ſcheint. Auf Erſteres deutet
die Planmäßigkeit ihrer Jagden, welche ſie ausführen, die Regelmäßigkeit, mit welcher ſie beſtimmte
Plätze beſuchen, das Gedächtniß, welches ſie bei ſolchen Gelegenheiten bekunden, ja, in gewiſſem Sinne
auch ihr ſchon erwähntes Verhältniß zum Lootſenfiſch, deſſen Dienſte ſie ſich zu Nutzen machen, die
Hartnäckigkeit, mit welcher ſie Schiffe begleiten, von denen immer Etwas für ſie abfällt, die Liebe,
welche ſie gegen ihre Jungen bethätigen, (zum Mindeſten bethätigen ſollen), und Anderes mehr. Aber
freilich, ihr unerſättlicher Heißhunger, ihre unglaubliche Freßgier ſtellt jene Eigenſchaften oft tief in
Schatten und läßt ſie geradezu ſinnlos handeln. Gefräßigkeit darf, wie aus dem Vorſtehenden zur
Genüge hervorgegangen, als eine der hauptſächlichſten Eigenſchaften aller Fiſche bezeichnet werden;
unter dem gefräßigen Heere aber ſind ſie unbedingt die gefräßigſten. „Sind zu ihrer gröſſe“, ſagt der
alte Geßner ſehr richtig vom Menſchenhai, „gantz ſchneller bewegniß, räubig vnd argliſtig, für all
ander Fiſch geil, frefelig, hochprächtig, ſtoltz vnd vnverſchampt, alſo daß ſie auch zu zeiten den Fiſchern
die Fiſch auß den reuſſen vnd garnen freſſen.“ Wenn von ihrer Unerſättlichkeit geſprochen wird,
muß Dies buchſtäblich verſtanden werden. Es quält ſie wirklich ein niemals zu ſtillender Heißhunger.
Alle Nahrungsmittel, welche ſie verſchlingen, gehen nur halbverdaut wieder weg, und deßhalb ſind
ſie genöthigt, den fortwährend raſch ſich entleerenden Magen immer von Neuem zu füllen. Sie
freſſen alles Genießbare, ja ſogar Alles, was genießbar ſcheint; denn man hat ſchon die verſchieden-
artigſten Dinge gefunden. Der Magen eines der Weißhaie, welcher bei Jackſon erlegt wurde, enthielt
einen halben Schinken, einige Schafbeine, das Hintertheil eines Schweines, das Haupt und die
Vorderbeine eines Bulldoggen, eine Menge von Pferdefleiſch, ein Stück Sackleinen und einen
Schiffskratzer. Andere Haie ſah man die verſchiedenartigſten Dinge verſchlingen, welche man ihnen
vom Schiffe aus zuwarf, Kleidungsſtücke ebenſo wohl als Speck oder Stockfiſch u. dgl., pflanzliche
Stoffe mit gleicher Gier wie thieriſche, wirklich nährfähige. Bennett vergleicht ſie mit dem Strauß
und meint, man müſſe annehmen, daß ihrer Verdauungsfähigkeit Nichts unmöglich ſei, da ſie die
Zinnkannen, welche ſie verſchlucken, doch wieder los werden müßten; Cetti verſichert, daß man in
den Tonaren Thiere dieſer Art fange, welche drei- bis viertauſend Pfund wiegen und ſetzt hinzu, daß
allerdings auch ein ſehr großer Körper erforderlich ſei, um acht bis zehn Tunfiſche auf einmal zu
verſchlucken, wie dieſe Haie es im Stande ſind. Die Beſitzer der Tonaren werden durch ſie ununter-
brochen in Furcht gehalten, weil die Raubfiſche unter den Tunen entſetzlich hauſen und, wenn ſie
gefangen werden, durch den Gewinn, welchen ſie abwerfen, den Fiſchern die ausgeſtandene Angſt
doch nur mäßig vergüten. Auf hohem Meere füllen ſie ſich den Wanſt mit dem verſchiedenartigſten
Seegethier, welches ihnen vorkommt. Einer, welcher auf hoher See harpunirt und von Bennett
unterſucht wurde, hatte den Magen zum Platzen mit kleinen Fiſchen der verſchiedenſten Art, Kalmars
und anderen Tintenfiſchen vollgeſtopft, zur Verwunderung unſeres Forſchers, welcher anfänglich nicht
begreifen konnte, wie es dem Rieſen möglich, derartige behende Beute in ſolchen Maſſen zu fangen
und erſt ſpäter zu dem Schluß geführt wurde, daß der Hai keineswegs, wie man gewöhnlich annimmt,
ſich auf die Seite wälzt, um eine Beute aufzunehmen, ſondern auch mit aufgeſperrtem Maule durch
die Wellen zieht und Alles verſchlingt, was ſich bei dieſer Gelegenheit fängt.

Das einſtige Glück des Propheten Jonas wird den ſündhaften Menſchenkindern unſerer Tage
äußerſt ſelten und niemals in gleichem Umfange zu theil. Ein ähnlicher Fall ſoll verbürgt, ein
Matroſe nämlich, welcher von einem Haifiſch verſchlungen worden war, wieder ausgeſpieen worden
ſein, als der Führer des Schiffes den Räuber mit einer glücklich treffenden Kanonenkugel zum Tode
verwundet hatte. Außer dieſer Erzählung wiſſen unſere Bücher nichts Aehnliches zu verzeichnen, und
iſt es neuerdings niemals wieder vorgekommen, daß ein Mann drei Tage lang im Magen eines Hai-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0822" n="780"/><fw place="top" type="header">Die Quermäuler. Men&#x017F;chenhaie.</fw><lb/>
werden als von anderen, &#x017F;o von Negern mehr als von Weißen. Ob auch ihr Gehör als &#x017F;charf<lb/>
bezeichnet werden kann, &#x017F;teht dahin.</p><lb/>
            <p>Aus dem Gebahren der Haifi&#x017F;che geht mit unbe&#x017F;treitbarer Gewißheit hervor, daß ihre gei&#x017F;tigen<lb/>
Fähigkeiten ausgebildeter &#x017F;ind als bei allen übrigen Fi&#x017F;chen, &#x017F;o oft auch ihre unge&#x017F;tüme Raub&#x017F;ucht<lb/>
und Unbedacht&#x017F;amkeit beim Anblick einer Beute Dem zu wider&#x017F;prechen &#x017F;cheint. Auf Er&#x017F;teres deutet<lb/>
die Planmäßigkeit ihrer Jagden, welche &#x017F;ie ausführen, die Regelmäßigkeit, mit welcher &#x017F;ie be&#x017F;timmte<lb/>
Plätze be&#x017F;uchen, das Gedächtniß, welches &#x017F;ie bei &#x017F;olchen Gelegenheiten bekunden, ja, in gewi&#x017F;&#x017F;em Sinne<lb/>
auch ihr &#x017F;chon erwähntes Verhältniß zum Loot&#x017F;enfi&#x017F;ch, de&#x017F;&#x017F;en Dien&#x017F;te &#x017F;ie &#x017F;ich zu Nutzen machen, die<lb/>
Hartnäckigkeit, mit welcher &#x017F;ie Schiffe begleiten, von denen immer Etwas für &#x017F;ie abfällt, die Liebe,<lb/>
welche &#x017F;ie gegen ihre Jungen bethätigen, (zum Minde&#x017F;ten bethätigen &#x017F;ollen), und Anderes mehr. Aber<lb/>
freilich, ihr uner&#x017F;ättlicher Heißhunger, ihre unglaubliche Freßgier &#x017F;tellt jene Eigen&#x017F;chaften oft tief in<lb/>
Schatten und läßt &#x017F;ie geradezu &#x017F;innlos handeln. Gefräßigkeit darf, wie aus dem Vor&#x017F;tehenden zur<lb/>
Genüge hervorgegangen, als eine der haupt&#x017F;ächlich&#x017F;ten Eigen&#x017F;chaften aller Fi&#x017F;che bezeichnet werden;<lb/>
unter dem gefräßigen Heere aber &#x017F;ind &#x017F;ie unbedingt die gefräßig&#x017F;ten. &#x201E;Sind zu ihrer grö&#x017F;&#x017F;e&#x201C;, &#x017F;agt der<lb/>
alte <hi rendition="#g">Geßner</hi> &#x017F;ehr richtig vom Men&#x017F;chenhai, &#x201E;gantz &#x017F;chneller bewegniß, räubig vnd argli&#x017F;tig, für all<lb/>
ander Fi&#x017F;ch geil, frefelig, hochprächtig, &#x017F;toltz vnd vnver&#x017F;champt, al&#x017F;o daß &#x017F;ie auch zu zeiten den Fi&#x017F;chern<lb/>
die Fi&#x017F;ch auß den reu&#x017F;&#x017F;en vnd garnen fre&#x017F;&#x017F;en.&#x201C; Wenn von ihrer Uner&#x017F;ättlichkeit ge&#x017F;prochen wird,<lb/>
muß Dies buch&#x017F;täblich ver&#x017F;tanden werden. Es quält &#x017F;ie wirklich ein niemals zu &#x017F;tillender Heißhunger.<lb/>
Alle Nahrungsmittel, welche &#x017F;ie ver&#x017F;chlingen, gehen nur halbverdaut wieder weg, und deßhalb &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;ie genöthigt, den fortwährend ra&#x017F;ch &#x017F;ich entleerenden Magen immer von Neuem zu füllen. Sie<lb/>
fre&#x017F;&#x017F;en alles Genießbare, ja &#x017F;ogar Alles, was genießbar &#x017F;cheint; denn man hat &#x017F;chon die ver&#x017F;chieden-<lb/>
artig&#x017F;ten Dinge gefunden. Der Magen eines der Weißhaie, welcher bei Jack&#x017F;on erlegt wurde, enthielt<lb/>
einen halben Schinken, einige Schafbeine, das Hintertheil eines Schweines, das Haupt und die<lb/>
Vorderbeine eines Bulldoggen, eine Menge von Pferdeflei&#x017F;ch, ein Stück Sackleinen und einen<lb/>
Schiffskratzer. Andere Haie &#x017F;ah man die ver&#x017F;chiedenartig&#x017F;ten Dinge ver&#x017F;chlingen, welche man ihnen<lb/>
vom Schiffe aus zuwarf, Kleidungs&#x017F;tücke eben&#x017F;o wohl als Speck oder Stockfi&#x017F;ch u. dgl., pflanzliche<lb/>
Stoffe mit gleicher Gier wie thieri&#x017F;che, wirklich nährfähige. <hi rendition="#g">Bennett</hi> vergleicht &#x017F;ie mit dem Strauß<lb/>
und meint, man mü&#x017F;&#x017F;e annehmen, daß ihrer Verdauungsfähigkeit Nichts unmöglich &#x017F;ei, da &#x017F;ie die<lb/>
Zinnkannen, welche &#x017F;ie ver&#x017F;chlucken, doch wieder los werden müßten; <hi rendition="#g">Cetti</hi> ver&#x017F;ichert, daß man in<lb/>
den Tonaren Thiere die&#x017F;er Art fange, welche drei- bis viertau&#x017F;end Pfund wiegen und &#x017F;etzt hinzu, daß<lb/>
allerdings auch ein &#x017F;ehr großer Körper erforderlich &#x017F;ei, um acht bis zehn Tunfi&#x017F;che auf einmal zu<lb/>
ver&#x017F;chlucken, wie die&#x017F;e Haie es im Stande &#x017F;ind. Die Be&#x017F;itzer der Tonaren werden durch &#x017F;ie ununter-<lb/>
brochen in Furcht gehalten, weil die Raubfi&#x017F;che unter den Tunen ent&#x017F;etzlich hau&#x017F;en und, wenn &#x017F;ie<lb/>
gefangen werden, durch den Gewinn, welchen &#x017F;ie abwerfen, den Fi&#x017F;chern die ausge&#x017F;tandene Ang&#x017F;t<lb/>
doch nur mäßig vergüten. Auf hohem Meere füllen &#x017F;ie &#x017F;ich den Wan&#x017F;t mit dem ver&#x017F;chiedenartig&#x017F;ten<lb/>
Seegethier, welches ihnen vorkommt. Einer, welcher auf hoher See harpunirt und von <hi rendition="#g">Bennett</hi><lb/>
unter&#x017F;ucht wurde, hatte den Magen zum Platzen mit kleinen Fi&#x017F;chen der ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Art, Kalmars<lb/>
und anderen Tintenfi&#x017F;chen vollge&#x017F;topft, zur Verwunderung un&#x017F;eres For&#x017F;chers, welcher anfänglich nicht<lb/>
begreifen konnte, wie es dem Rie&#x017F;en möglich, derartige behende Beute in &#x017F;olchen Ma&#x017F;&#x017F;en zu fangen<lb/>
und er&#x017F;t &#x017F;päter zu dem Schluß geführt wurde, daß der Hai keineswegs, wie man gewöhnlich annimmt,<lb/>
&#x017F;ich auf die Seite wälzt, um eine Beute aufzunehmen, &#x017F;ondern auch mit aufge&#x017F;perrtem Maule durch<lb/>
die Wellen zieht und Alles ver&#x017F;chlingt, was &#x017F;ich bei die&#x017F;er Gelegenheit fängt.</p><lb/>
            <p>Das ein&#x017F;tige Glück des Propheten Jonas wird den &#x017F;ündhaften Men&#x017F;chenkindern un&#x017F;erer Tage<lb/>
äußer&#x017F;t &#x017F;elten und niemals in gleichem Umfange zu theil. Ein ähnlicher Fall &#x017F;oll verbürgt, ein<lb/>
Matro&#x017F;e nämlich, welcher von einem Haifi&#x017F;ch ver&#x017F;chlungen worden war, wieder ausge&#x017F;pieen worden<lb/>
&#x017F;ein, als der Führer des Schiffes den Räuber mit einer glücklich treffenden Kanonenkugel zum Tode<lb/>
verwundet hatte. Außer die&#x017F;er Erzählung wi&#x017F;&#x017F;en un&#x017F;ere Bücher nichts Aehnliches zu verzeichnen, und<lb/>
i&#x017F;t es neuerdings niemals wieder vorgekommen, daß ein Mann drei Tage lang im Magen eines Hai-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[780/0822] Die Quermäuler. Menſchenhaie. werden als von anderen, ſo von Negern mehr als von Weißen. Ob auch ihr Gehör als ſcharf bezeichnet werden kann, ſteht dahin. Aus dem Gebahren der Haifiſche geht mit unbeſtreitbarer Gewißheit hervor, daß ihre geiſtigen Fähigkeiten ausgebildeter ſind als bei allen übrigen Fiſchen, ſo oft auch ihre ungeſtüme Raubſucht und Unbedachtſamkeit beim Anblick einer Beute Dem zu widerſprechen ſcheint. Auf Erſteres deutet die Planmäßigkeit ihrer Jagden, welche ſie ausführen, die Regelmäßigkeit, mit welcher ſie beſtimmte Plätze beſuchen, das Gedächtniß, welches ſie bei ſolchen Gelegenheiten bekunden, ja, in gewiſſem Sinne auch ihr ſchon erwähntes Verhältniß zum Lootſenfiſch, deſſen Dienſte ſie ſich zu Nutzen machen, die Hartnäckigkeit, mit welcher ſie Schiffe begleiten, von denen immer Etwas für ſie abfällt, die Liebe, welche ſie gegen ihre Jungen bethätigen, (zum Mindeſten bethätigen ſollen), und Anderes mehr. Aber freilich, ihr unerſättlicher Heißhunger, ihre unglaubliche Freßgier ſtellt jene Eigenſchaften oft tief in Schatten und läßt ſie geradezu ſinnlos handeln. Gefräßigkeit darf, wie aus dem Vorſtehenden zur Genüge hervorgegangen, als eine der hauptſächlichſten Eigenſchaften aller Fiſche bezeichnet werden; unter dem gefräßigen Heere aber ſind ſie unbedingt die gefräßigſten. „Sind zu ihrer gröſſe“, ſagt der alte Geßner ſehr richtig vom Menſchenhai, „gantz ſchneller bewegniß, räubig vnd argliſtig, für all ander Fiſch geil, frefelig, hochprächtig, ſtoltz vnd vnverſchampt, alſo daß ſie auch zu zeiten den Fiſchern die Fiſch auß den reuſſen vnd garnen freſſen.“ Wenn von ihrer Unerſättlichkeit geſprochen wird, muß Dies buchſtäblich verſtanden werden. Es quält ſie wirklich ein niemals zu ſtillender Heißhunger. Alle Nahrungsmittel, welche ſie verſchlingen, gehen nur halbverdaut wieder weg, und deßhalb ſind ſie genöthigt, den fortwährend raſch ſich entleerenden Magen immer von Neuem zu füllen. Sie freſſen alles Genießbare, ja ſogar Alles, was genießbar ſcheint; denn man hat ſchon die verſchieden- artigſten Dinge gefunden. Der Magen eines der Weißhaie, welcher bei Jackſon erlegt wurde, enthielt einen halben Schinken, einige Schafbeine, das Hintertheil eines Schweines, das Haupt und die Vorderbeine eines Bulldoggen, eine Menge von Pferdefleiſch, ein Stück Sackleinen und einen Schiffskratzer. Andere Haie ſah man die verſchiedenartigſten Dinge verſchlingen, welche man ihnen vom Schiffe aus zuwarf, Kleidungsſtücke ebenſo wohl als Speck oder Stockfiſch u. dgl., pflanzliche Stoffe mit gleicher Gier wie thieriſche, wirklich nährfähige. Bennett vergleicht ſie mit dem Strauß und meint, man müſſe annehmen, daß ihrer Verdauungsfähigkeit Nichts unmöglich ſei, da ſie die Zinnkannen, welche ſie verſchlucken, doch wieder los werden müßten; Cetti verſichert, daß man in den Tonaren Thiere dieſer Art fange, welche drei- bis viertauſend Pfund wiegen und ſetzt hinzu, daß allerdings auch ein ſehr großer Körper erforderlich ſei, um acht bis zehn Tunfiſche auf einmal zu verſchlucken, wie dieſe Haie es im Stande ſind. Die Beſitzer der Tonaren werden durch ſie ununter- brochen in Furcht gehalten, weil die Raubfiſche unter den Tunen entſetzlich hauſen und, wenn ſie gefangen werden, durch den Gewinn, welchen ſie abwerfen, den Fiſchern die ausgeſtandene Angſt doch nur mäßig vergüten. Auf hohem Meere füllen ſie ſich den Wanſt mit dem verſchiedenartigſten Seegethier, welches ihnen vorkommt. Einer, welcher auf hoher See harpunirt und von Bennett unterſucht wurde, hatte den Magen zum Platzen mit kleinen Fiſchen der verſchiedenſten Art, Kalmars und anderen Tintenfiſchen vollgeſtopft, zur Verwunderung unſeres Forſchers, welcher anfänglich nicht begreifen konnte, wie es dem Rieſen möglich, derartige behende Beute in ſolchen Maſſen zu fangen und erſt ſpäter zu dem Schluß geführt wurde, daß der Hai keineswegs, wie man gewöhnlich annimmt, ſich auf die Seite wälzt, um eine Beute aufzunehmen, ſondern auch mit aufgeſperrtem Maule durch die Wellen zieht und Alles verſchlingt, was ſich bei dieſer Gelegenheit fängt. Das einſtige Glück des Propheten Jonas wird den ſündhaften Menſchenkindern unſerer Tage äußerſt ſelten und niemals in gleichem Umfange zu theil. Ein ähnlicher Fall ſoll verbürgt, ein Matroſe nämlich, welcher von einem Haifiſch verſchlungen worden war, wieder ausgeſpieen worden ſein, als der Führer des Schiffes den Räuber mit einer glücklich treffenden Kanonenkugel zum Tode verwundet hatte. Außer dieſer Erzählung wiſſen unſere Bücher nichts Aehnliches zu verzeichnen, und iſt es neuerdings niemals wieder vorgekommen, daß ein Mann drei Tage lang im Magen eines Hai-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/822
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 780. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/822>, abgerufen am 21.12.2024.