Zeit so zahm und zutraulich, daß sie sich beim Erblicken einer bekannten Person an die Wände des Glasgefäßes drängen und das Futter gierig aus der Hand schnappen. Das Laichgeschäft vollführen sie jedoch in der Gefangenschaft nicht, und ein Weibchen, welches ein Jahr lang in einem kleinen Gartenbecken sich erhielt, ging zu Grunde, weil es nicht laichen konnte und mit hirsekorngroßen Eiern strotzend erfüllt war. Sobald eines aus der Gefangenschaft stirbt, folgen die anderen bald nach. Sie wurden früher aus den Sümpfen des Neusiedlersees häufiger als jetzt zu Markte gebracht, jedoch stets nur als zufällige Beute zwischen die oft großen Massen von Schlammbeißern eingemengt, welche von dort hierher gelangen; denn die Fischer entfernen sie sorgfältig, da sie nach ihrer Meinung giftig sind und jene ihre Waare dadurch im Werthe zu beeinträchtigen fürchten. Sie halten sich daher auch für beleidigt, wenn man Hundsfische von ihnen verlangt."
Die Bedeutsamkeit der Fische für den Haushalt des Menschen läßt sich mit dem einzigen Worte Hering verständlich genug ausdrücken. Ohne den Stockfisch kann man leben; von den Schollen und den meisten anderen Seefischen haben bis jetzt, streng genommen, nur die Küstenbewohner Genuß und Gewinn; die Fische des süßen Wassers ohne jegliche Ausnahme gehören zu den seltenern Gerichten auf dem Tische des Binnenländers: der Hering und seine Verwandten aber bringen den Segen der Ernte des Meeres bis in die entlegenste Hütte. Wenn irgend ein Fisch es verdient, Speise des Armen genannt zu werden, so ist es dieser, welcher, auch dem Dürftigsten noch käuflich, in gar vielen Häusern die Stelle des Fleisches vertreten muß. Es gibt keinen, welcher uns unent- behrlicher wäre, welcher größere Beachtung und Theilnahme verdiente als er.
Die ihm zu Ehren benannten Heringe (Clupeae) insgemein sind beschuppte Fische ohne Fett- flossen, deren Maul in der Mitte vom Zwischenkiefer, an den Seiten vom Oberkiefer eingefaßt wird; ihr Magen hat einen Blindsack, der Darm der meisten Blinddärme; eine Schwimmblase ist gewöhnlich vorhanden; die Zahnbildung ändert ab je nach den Gattungen. Als anderweitige Merk- male hebt Johannes Müller, dessen Umgrenzung der Familie gegenwärtig allgemeine Giltigkeit hat, noch hervor, daß sich mehrere von ihnen auszeichnen durch glasartige, durchsichtige Augenlider, welche einen großen Theil des Auges bedecken. Besonders auffallend macht sich Dies bei einem brasilianischen Mitgliede der Gruppe bemerklich; hier sind die Augenlider zirkelförmig, wie beim Chamäleon, aber vollkommen durchsichtig und lassen nur in der Mitte, dem Stern gegenüber, eine kleine rundliche Oeffnung frei; bei einigen, denen die Lider fehlen, werden die Augen von einer gallertartigen, durchsichtigen Fortsetzung der Haut überzogen. Die Schwimmblase steht bei einzelnen durch luftführende Kanäle mit dem Labyrinth in Verbindung, während Dies bei anderen nicht der Fall ist.
Nicht alle Heringe herbergen im Meere; die Familie hat auch Glieder, welche nur im süßen Wasser gefunden werden, und andere, welche vom Meere aus regelmäßig in den Flüssen aufwärts gehen, um hier zu laichen. Diesem verschiedenartigen Aufenthalte entsprechend, ändert auch die Lebensweise ab; für die wichtigsten Mitglieder der Familie aber läßt sich im Allgemeinen sagen, daß sie im Wesentlichen mit den Renken übereinstimmen und sozufagen für das Meer Dasselbe sind, was jene für die Binnenseen. Außer der Laichzeit halten sie sich in großen Tiefen auf; der Fort- pflanzungstrieb bewegt sie, zu den oberen Schichten emporzusteigen. Alle, ohne Ausnahme, scheinen Raubfische zu sein, welche sich nicht blos an kleinem Wassergethier, sondern auch an Fischen vergreifen. Die Vermehrung ist nicht sehr bedeutend, die Anzahl der Stücke einer und derselben Art jedoch außerordentlich groß, dementsprechend auch die jährliche Zunahme beträchtlich. Dieser Zunahme entspricht jedoch ebenso der Abgang, und schon jetzt hat man alle Ursache, darauf zu denken, wie der Mensch dem ungeheueren Verbrauch dieser Fische gegenüber zur Vermehrung beitragen könne;
Hundsfiſch. Hering.
Zeit ſo zahm und zutraulich, daß ſie ſich beim Erblicken einer bekannten Perſon an die Wände des Glasgefäßes drängen und das Futter gierig aus der Hand ſchnappen. Das Laichgeſchäft vollführen ſie jedoch in der Gefangenſchaft nicht, und ein Weibchen, welches ein Jahr lang in einem kleinen Gartenbecken ſich erhielt, ging zu Grunde, weil es nicht laichen konnte und mit hirſekorngroßen Eiern ſtrotzend erfüllt war. Sobald eines aus der Gefangenſchaft ſtirbt, folgen die anderen bald nach. Sie wurden früher aus den Sümpfen des Neuſiedlerſees häufiger als jetzt zu Markte gebracht, jedoch ſtets nur als zufällige Beute zwiſchen die oft großen Maſſen von Schlammbeißern eingemengt, welche von dort hierher gelangen; denn die Fiſcher entfernen ſie ſorgfältig, da ſie nach ihrer Meinung giftig ſind und jene ihre Waare dadurch im Werthe zu beeinträchtigen fürchten. Sie halten ſich daher auch für beleidigt, wenn man Hundsfiſche von ihnen verlangt.“
Die Bedeutſamkeit der Fiſche für den Haushalt des Menſchen läßt ſich mit dem einzigen Worte Hering verſtändlich genug ausdrücken. Ohne den Stockfiſch kann man leben; von den Schollen und den meiſten anderen Seefiſchen haben bis jetzt, ſtreng genommen, nur die Küſtenbewohner Genuß und Gewinn; die Fiſche des ſüßen Waſſers ohne jegliche Ausnahme gehören zu den ſeltenern Gerichten auf dem Tiſche des Binnenländers: der Hering und ſeine Verwandten aber bringen den Segen der Ernte des Meeres bis in die entlegenſte Hütte. Wenn irgend ein Fiſch es verdient, Speiſe des Armen genannt zu werden, ſo iſt es dieſer, welcher, auch dem Dürftigſten noch käuflich, in gar vielen Häuſern die Stelle des Fleiſches vertreten muß. Es gibt keinen, welcher uns unent- behrlicher wäre, welcher größere Beachtung und Theilnahme verdiente als er.
Die ihm zu Ehren benannten Heringe (Clupeae) insgemein ſind beſchuppte Fiſche ohne Fett- floſſen, deren Maul in der Mitte vom Zwiſchenkiefer, an den Seiten vom Oberkiefer eingefaßt wird; ihr Magen hat einen Blindſack, der Darm der meiſten Blinddärme; eine Schwimmblaſe iſt gewöhnlich vorhanden; die Zahnbildung ändert ab je nach den Gattungen. Als anderweitige Merk- male hebt Johannes Müller, deſſen Umgrenzung der Familie gegenwärtig allgemeine Giltigkeit hat, noch hervor, daß ſich mehrere von ihnen auszeichnen durch glasartige, durchſichtige Augenlider, welche einen großen Theil des Auges bedecken. Beſonders auffallend macht ſich Dies bei einem braſilianiſchen Mitgliede der Gruppe bemerklich; hier ſind die Augenlider zirkelförmig, wie beim Chamäleon, aber vollkommen durchſichtig und laſſen nur in der Mitte, dem Stern gegenüber, eine kleine rundliche Oeffnung frei; bei einigen, denen die Lider fehlen, werden die Augen von einer gallertartigen, durchſichtigen Fortſetzung der Haut überzogen. Die Schwimmblaſe ſteht bei einzelnen durch luftführende Kanäle mit dem Labyrinth in Verbindung, während Dies bei anderen nicht der Fall iſt.
Nicht alle Heringe herbergen im Meere; die Familie hat auch Glieder, welche nur im ſüßen Waſſer gefunden werden, und andere, welche vom Meere aus regelmäßig in den Flüſſen aufwärts gehen, um hier zu laichen. Dieſem verſchiedenartigen Aufenthalte entſprechend, ändert auch die Lebensweiſe ab; für die wichtigſten Mitglieder der Familie aber läßt ſich im Allgemeinen ſagen, daß ſie im Weſentlichen mit den Renken übereinſtimmen und ſozufagen für das Meer Daſſelbe ſind, was jene für die Binnenſeen. Außer der Laichzeit halten ſie ſich in großen Tiefen auf; der Fort- pflanzungstrieb bewegt ſie, zu den oberen Schichten emporzuſteigen. Alle, ohne Ausnahme, ſcheinen Raubfiſche zu ſein, welche ſich nicht blos an kleinem Waſſergethier, ſondern auch an Fiſchen vergreifen. Die Vermehrung iſt nicht ſehr bedeutend, die Anzahl der Stücke einer und derſelben Art jedoch außerordentlich groß, dementſprechend auch die jährliche Zunahme beträchtlich. Dieſer Zunahme entſpricht jedoch ebenſo der Abgang, und ſchon jetzt hat man alle Urſache, darauf zu denken, wie der Menſch dem ungeheueren Verbrauch dieſer Fiſche gegenüber zur Vermehrung beitragen könne;
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Hundsfiſch. Hering.
Zeit ſo zahm und zutraulich, daß ſie ſich beim Erblicken einer bekannten Perſon an die Wände des
Glasgefäßes drängen und das Futter gierig aus der Hand ſchnappen. Das Laichgeſchäft vollführen
ſie jedoch in der Gefangenſchaft nicht, und ein Weibchen, welches ein Jahr lang in einem kleinen
Gartenbecken ſich erhielt, ging zu Grunde, weil es nicht laichen konnte und mit hirſekorngroßen Eiern
ſtrotzend erfüllt war. Sobald eines aus der Gefangenſchaft ſtirbt, folgen die anderen bald nach. Sie
wurden früher aus den Sümpfen des Neuſiedlerſees häufiger als jetzt zu Markte gebracht, jedoch
ſtets nur als zufällige Beute zwiſchen die oft großen Maſſen von Schlammbeißern eingemengt, welche
von dort hierher gelangen; denn die Fiſcher entfernen ſie ſorgfältig, da ſie nach ihrer Meinung giftig
ſind und jene ihre Waare dadurch im Werthe zu beeinträchtigen fürchten. Sie halten ſich daher auch
für beleidigt, wenn man Hundsfiſche von ihnen verlangt.“
Die Bedeutſamkeit der Fiſche für den Haushalt des Menſchen läßt ſich mit dem einzigen Worte
Hering verſtändlich genug ausdrücken. Ohne den Stockfiſch kann man leben; von den Schollen und
den meiſten anderen Seefiſchen haben bis jetzt, ſtreng genommen, nur die Küſtenbewohner Genuß
und Gewinn; die Fiſche des ſüßen Waſſers ohne jegliche Ausnahme gehören zu den ſeltenern
Gerichten auf dem Tiſche des Binnenländers: der Hering und ſeine Verwandten aber bringen den
Segen der Ernte des Meeres bis in die entlegenſte Hütte. Wenn irgend ein Fiſch es verdient,
Speiſe des Armen genannt zu werden, ſo iſt es dieſer, welcher, auch dem Dürftigſten noch käuflich,
in gar vielen Häuſern die Stelle des Fleiſches vertreten muß. Es gibt keinen, welcher uns unent-
behrlicher wäre, welcher größere Beachtung und Theilnahme verdiente als er.
Die ihm zu Ehren benannten Heringe (Clupeae) insgemein ſind beſchuppte Fiſche ohne Fett-
floſſen, deren Maul in der Mitte vom Zwiſchenkiefer, an den Seiten vom Oberkiefer eingefaßt wird;
ihr Magen hat einen Blindſack, der Darm der meiſten Blinddärme; eine Schwimmblaſe iſt
gewöhnlich vorhanden; die Zahnbildung ändert ab je nach den Gattungen. Als anderweitige Merk-
male hebt Johannes Müller, deſſen Umgrenzung der Familie gegenwärtig allgemeine Giltigkeit
hat, noch hervor, daß ſich mehrere von ihnen auszeichnen durch glasartige, durchſichtige Augenlider,
welche einen großen Theil des Auges bedecken. Beſonders auffallend macht ſich Dies bei einem
braſilianiſchen Mitgliede der Gruppe bemerklich; hier ſind die Augenlider zirkelförmig, wie beim
Chamäleon, aber vollkommen durchſichtig und laſſen nur in der Mitte, dem Stern gegenüber, eine
kleine rundliche Oeffnung frei; bei einigen, denen die Lider fehlen, werden die Augen von einer
gallertartigen, durchſichtigen Fortſetzung der Haut überzogen. Die Schwimmblaſe ſteht bei
einzelnen durch luftführende Kanäle mit dem Labyrinth in Verbindung, während Dies bei anderen
nicht der Fall iſt.
Nicht alle Heringe herbergen im Meere; die Familie hat auch Glieder, welche nur im ſüßen
Waſſer gefunden werden, und andere, welche vom Meere aus regelmäßig in den Flüſſen aufwärts
gehen, um hier zu laichen. Dieſem verſchiedenartigen Aufenthalte entſprechend, ändert auch die
Lebensweiſe ab; für die wichtigſten Mitglieder der Familie aber läßt ſich im Allgemeinen ſagen, daß
ſie im Weſentlichen mit den Renken übereinſtimmen und ſozufagen für das Meer Daſſelbe ſind, was
jene für die Binnenſeen. Außer der Laichzeit halten ſie ſich in großen Tiefen auf; der Fort-
pflanzungstrieb bewegt ſie, zu den oberen Schichten emporzuſteigen. Alle, ohne Ausnahme, ſcheinen
Raubfiſche zu ſein, welche ſich nicht blos an kleinem Waſſergethier, ſondern auch an Fiſchen
vergreifen. Die Vermehrung iſt nicht ſehr bedeutend, die Anzahl der Stücke einer und derſelben
Art jedoch außerordentlich groß, dementſprechend auch die jährliche Zunahme beträchtlich. Dieſer
Zunahme entſpricht jedoch ebenſo der Abgang, und ſchon jetzt hat man alle Urſache, darauf zu denken,
wie der Menſch dem ungeheueren Verbrauch dieſer Fiſche gegenüber zur Vermehrung beitragen könne;
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 719. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/759>, abgerufen am 21.12.2024.
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