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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Karaibenfisch. Piraia. Pirai.
Kaiman von ihnen angegriffen, so wälzt er sich gewöhnlich auf den Rücken und streckt den Bauch nach
der Oberfläche." Das entschiedenste Zeichen ihrer Raubgier findet Schomburgk darin, daß sie
selbst ihre eigenen verwundeten Kameraden nicht verschonen. "Als ich mich eines Abends mit Angeln
beschäftigte", fährt er fort, "zog ich einen ganz ansehnlichen Pirai ans Land. Nachdem ich ihn mit
einigen kräftigen Schlägen auf den Kopf getödtet zu haben glaubte, legte ich ihn neben mich auf die
Klippe; plötzlich jedoch machte er wieder einige Bewegungen und, bevor ich es verhindern konnte,
schwamm er, wenn auch noch halb betäubt, auf der Oberfläche des Wassers umher. Jm Nu waren
sechszehn bis zwanzig seiner Genossen um ihn versammelt, und nach einigen Minuten war nur der
Kopf von ihm übrig." Jch vermag in dieser Beobachtung nichts Absonderliches zu finden. Dasselbe
kommt bei vielen anderen Fischen, wie wir erfahren haben sogar bei Elrizen vor, ist also durchaus
nichts Ungewöhnliches, und wenn die Sägesalmler nichts Schlimmeres thäten, hätte man kaum
Ursache, mit ihnen zu zürnen. Aber sie verschonen überhaupt kein Thier, mit Ausnahme der wenigen,
welche sie selbst vernichten, der Fischotter und der Raubsische z. B., sie wagen sich sogar an den
Beherrscher der Erde und sehen -- es ist nichtswürdig und abscheulich! -- in dem Ebenbildlichen
nur ein Säugethier, in ihren Augen ein freßbares, ja höchst schmackhaftes Säugethier. Nicht selten
soll es, laut Gumila, ihrem ersten Beschreiber, geschehen, daß, wenn ein Ochs, ein Tapir, oder ein
anderes großes Thier schwimmend unter einen Schwarm dieser fürchterlichen Fische geräth, es auf-
gefressen wird. Seiner Kraft beraubt durch den in Folge unzähliger Bisse erlittenen Blutverlust,
kann sich das Säugethier nicht mehr retten und muß ertrinken. Man sah solche Thiere in Flüssen
zu Grunde gehen, welche kaum dreißig und vierzig Schritte breit waren oder sie, wenn sie das andere
Ufer glücklich erreichten, als halbfertige Gerippe hier zu Boden stürzen. Die an den Flüssen
wohnenden Thiere kennen die ihnen durch die Pirais drohenden Gefahren und nehmen sich ängstlich
in Acht, beim Trinken das Flußwasser weder zu bewegen, noch zu trüben, um ihre gräßlichen
Feinde nicht anzulocken. Pferde und Hunde setzen das Wasser an einer Stelle in starke Bewegung,
entfliehen, sobald sich Sägesalmler an derselben Stelle versammelt haben, so schnell sie können, und
trinken an einem anderen, in Folge des Abzuges der dort gewesenen Fische nunmehr sicheren Orte.
Dieser Vorsicht ungeachtet werden ihnen oft genug Stücke aus Nase und Lippen gerissen. Gumila
hegt, wie verzeihlich, noch soviel Ehrfurcht vor dem Halhgott Mensch, daß er annimmt, die Säge-
salmler würden sich an ihm nicht vergreifen; ihn aber widerlegt schon Dobrizhofer, welcher
mittheilt, daß zwei spanische Soldaten, als sie, neben ihren Pferden schwimmend, einen Fluß über-
setzten, von den Piraias angegriffen und getödtet wurden. Humboldt sagt: "Der Karaibenfisch
fällt die Menschen beim Baden und Schwimmen an und reißt ihnen oft ansehnliche Stücke Fleisch ab.
Jst man Anfangs auch nur unbedeutend verletzt, so kommt man doch nur schwer aus dem Wasser,
ohne die schlimmsten Wunden davonzutragen. Verschiedene Jndianer zeigten uns an Waden und
Schenkeln vernarbte, sehr tiefe Wunden, welche von diesen kleinen Thieren herrührten." Martius
erzählt: Einer seiner indianischen Begleiter habe an einer Stelle des Flusses, wo man vorher
getödtete Hühner abgewaschen, unvorsichtig das Wasser berührt und diesen Leichtsinn durch Verlust
des ersten Gliedes eines Fingers bezahlt, welches ihm ein Piraia abgebissen. Schomburgk berichtet
wörtlich Folgendes: "Auch die Piraias durchfurchten den Wassersaum und schälten dem armen
Pureka, welcher eben seine bluttriefenden Hände abwaschen wollte, zwei seiner Finger fast rein ab,
sodaß der Unglückliche dieselben während eines großen Theiles der Reise gar nicht gebrauchen konnte
und anfänglich bedeutende Schmerzen litt". An einer anderen Stelle heißt es: "Die kühlenden
Wellen des Piraras waren bei der unausstehlichen Hitze für unsere Gesundheit die größte Erquickung,
welche uns aber leider nur zu bald vergällt wurde, da einem der Jndianerknaben, welche uns gefolgt
waren, beim Ueberschwimmen des Flusses von den gefräßigen Pirais ein großes Stück Fleisch aus
dem Fuß gerissen wurde. Das schreckliche Aufschreien des Knaben, als er die Wunde erhielt, ließ
uns anfänglich fürchten, er sei die Beute eines Kaimans geworden. Schreck und Schmerz hatten
ihn so erschüttert, daß er kaum das Ufer erreichen konnte."

Karaibenfiſch. Piraia. Pirai.
Kaiman von ihnen angegriffen, ſo wälzt er ſich gewöhnlich auf den Rücken und ſtreckt den Bauch nach
der Oberfläche.“ Das entſchiedenſte Zeichen ihrer Raubgier findet Schomburgk darin, daß ſie
ſelbſt ihre eigenen verwundeten Kameraden nicht verſchonen. „Als ich mich eines Abends mit Angeln
beſchäftigte“, fährt er fort, „zog ich einen ganz anſehnlichen Pirai ans Land. Nachdem ich ihn mit
einigen kräftigen Schlägen auf den Kopf getödtet zu haben glaubte, legte ich ihn neben mich auf die
Klippe; plötzlich jedoch machte er wieder einige Bewegungen und, bevor ich es verhindern konnte,
ſchwamm er, wenn auch noch halb betäubt, auf der Oberfläche des Waſſers umher. Jm Nu waren
ſechszehn bis zwanzig ſeiner Genoſſen um ihn verſammelt, und nach einigen Minuten war nur der
Kopf von ihm übrig.“ Jch vermag in dieſer Beobachtung nichts Abſonderliches zu finden. Daſſelbe
kommt bei vielen anderen Fiſchen, wie wir erfahren haben ſogar bei Elrizen vor, iſt alſo durchaus
nichts Ungewöhnliches, und wenn die Sägeſalmler nichts Schlimmeres thäten, hätte man kaum
Urſache, mit ihnen zu zürnen. Aber ſie verſchonen überhaupt kein Thier, mit Ausnahme der wenigen,
welche ſie ſelbſt vernichten, der Fiſchotter und der Raubſiſche z. B., ſie wagen ſich ſogar an den
Beherrſcher der Erde und ſehen — es iſt nichtswürdig und abſcheulich! — in dem Ebenbildlichen
nur ein Säugethier, in ihren Augen ein freßbares, ja höchſt ſchmackhaftes Säugethier. Nicht ſelten
ſoll es, laut Gumila, ihrem erſten Beſchreiber, geſchehen, daß, wenn ein Ochs, ein Tapir, oder ein
anderes großes Thier ſchwimmend unter einen Schwarm dieſer fürchterlichen Fiſche geräth, es auf-
gefreſſen wird. Seiner Kraft beraubt durch den in Folge unzähliger Biſſe erlittenen Blutverluſt,
kann ſich das Säugethier nicht mehr retten und muß ertrinken. Man ſah ſolche Thiere in Flüſſen
zu Grunde gehen, welche kaum dreißig und vierzig Schritte breit waren oder ſie, wenn ſie das andere
Ufer glücklich erreichten, als halbfertige Gerippe hier zu Boden ſtürzen. Die an den Flüſſen
wohnenden Thiere kennen die ihnen durch die Pirais drohenden Gefahren und nehmen ſich ängſtlich
in Acht, beim Trinken das Flußwaſſer weder zu bewegen, noch zu trüben, um ihre gräßlichen
Feinde nicht anzulocken. Pferde und Hunde ſetzen das Waſſer an einer Stelle in ſtarke Bewegung,
entfliehen, ſobald ſich Sägeſalmler an derſelben Stelle verſammelt haben, ſo ſchnell ſie können, und
trinken an einem anderen, in Folge des Abzuges der dort geweſenen Fiſche nunmehr ſicheren Orte.
Dieſer Vorſicht ungeachtet werden ihnen oft genug Stücke aus Naſe und Lippen geriſſen. Gumila
hegt, wie verzeihlich, noch ſoviel Ehrfurcht vor dem Halhgott Menſch, daß er annimmt, die Säge-
ſalmler würden ſich an ihm nicht vergreifen; ihn aber widerlegt ſchon Dobrizhofer, welcher
mittheilt, daß zwei ſpaniſche Soldaten, als ſie, neben ihren Pferden ſchwimmend, einen Fluß über-
ſetzten, von den Piraias angegriffen und getödtet wurden. Humboldt ſagt: „Der Karaibenfiſch
fällt die Menſchen beim Baden und Schwimmen an und reißt ihnen oft anſehnliche Stücke Fleiſch ab.
Jſt man Anfangs auch nur unbedeutend verletzt, ſo kommt man doch nur ſchwer aus dem Waſſer,
ohne die ſchlimmſten Wunden davonzutragen. Verſchiedene Jndianer zeigten uns an Waden und
Schenkeln vernarbte, ſehr tiefe Wunden, welche von dieſen kleinen Thieren herrührten.“ Martius
erzählt: Einer ſeiner indianiſchen Begleiter habe an einer Stelle des Fluſſes, wo man vorher
getödtete Hühner abgewaſchen, unvorſichtig das Waſſer berührt und dieſen Leichtſinn durch Verluſt
des erſten Gliedes eines Fingers bezahlt, welches ihm ein Piraia abgebiſſen. Schomburgk berichtet
wörtlich Folgendes: „Auch die Piraias durchfurchten den Waſſerſaum und ſchälten dem armen
Pureka, welcher eben ſeine bluttriefenden Hände abwaſchen wollte, zwei ſeiner Finger faſt rein ab,
ſodaß der Unglückliche dieſelben während eines großen Theiles der Reiſe gar nicht gebrauchen konnte
und anfänglich bedeutende Schmerzen litt“. An einer anderen Stelle heißt es: „Die kühlenden
Wellen des Piraras waren bei der unausſtehlichen Hitze für unſere Geſundheit die größte Erquickung,
welche uns aber leider nur zu bald vergällt wurde, da einem der Jndianerknaben, welche uns gefolgt
waren, beim Ueberſchwimmen des Fluſſes von den gefräßigen Pirais ein großes Stück Fleiſch aus
dem Fuß geriſſen wurde. Das ſchreckliche Aufſchreien des Knaben, als er die Wunde erhielt, ließ
uns anfänglich fürchten, er ſei die Beute eines Kaimans geworden. Schreck und Schmerz hatten
ihn ſo erſchüttert, daß er kaum das Ufer erreichen konnte.“

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[681/0719] Karaibenfiſch. Piraia. Pirai. Kaiman von ihnen angegriffen, ſo wälzt er ſich gewöhnlich auf den Rücken und ſtreckt den Bauch nach der Oberfläche.“ Das entſchiedenſte Zeichen ihrer Raubgier findet Schomburgk darin, daß ſie ſelbſt ihre eigenen verwundeten Kameraden nicht verſchonen. „Als ich mich eines Abends mit Angeln beſchäftigte“, fährt er fort, „zog ich einen ganz anſehnlichen Pirai ans Land. Nachdem ich ihn mit einigen kräftigen Schlägen auf den Kopf getödtet zu haben glaubte, legte ich ihn neben mich auf die Klippe; plötzlich jedoch machte er wieder einige Bewegungen und, bevor ich es verhindern konnte, ſchwamm er, wenn auch noch halb betäubt, auf der Oberfläche des Waſſers umher. Jm Nu waren ſechszehn bis zwanzig ſeiner Genoſſen um ihn verſammelt, und nach einigen Minuten war nur der Kopf von ihm übrig.“ Jch vermag in dieſer Beobachtung nichts Abſonderliches zu finden. Daſſelbe kommt bei vielen anderen Fiſchen, wie wir erfahren haben ſogar bei Elrizen vor, iſt alſo durchaus nichts Ungewöhnliches, und wenn die Sägeſalmler nichts Schlimmeres thäten, hätte man kaum Urſache, mit ihnen zu zürnen. Aber ſie verſchonen überhaupt kein Thier, mit Ausnahme der wenigen, welche ſie ſelbſt vernichten, der Fiſchotter und der Raubſiſche z. B., ſie wagen ſich ſogar an den Beherrſcher der Erde und ſehen — es iſt nichtswürdig und abſcheulich! — in dem Ebenbildlichen nur ein Säugethier, in ihren Augen ein freßbares, ja höchſt ſchmackhaftes Säugethier. Nicht ſelten ſoll es, laut Gumila, ihrem erſten Beſchreiber, geſchehen, daß, wenn ein Ochs, ein Tapir, oder ein anderes großes Thier ſchwimmend unter einen Schwarm dieſer fürchterlichen Fiſche geräth, es auf- gefreſſen wird. Seiner Kraft beraubt durch den in Folge unzähliger Biſſe erlittenen Blutverluſt, kann ſich das Säugethier nicht mehr retten und muß ertrinken. Man ſah ſolche Thiere in Flüſſen zu Grunde gehen, welche kaum dreißig und vierzig Schritte breit waren oder ſie, wenn ſie das andere Ufer glücklich erreichten, als halbfertige Gerippe hier zu Boden ſtürzen. Die an den Flüſſen wohnenden Thiere kennen die ihnen durch die Pirais drohenden Gefahren und nehmen ſich ängſtlich in Acht, beim Trinken das Flußwaſſer weder zu bewegen, noch zu trüben, um ihre gräßlichen Feinde nicht anzulocken. Pferde und Hunde ſetzen das Waſſer an einer Stelle in ſtarke Bewegung, entfliehen, ſobald ſich Sägeſalmler an derſelben Stelle verſammelt haben, ſo ſchnell ſie können, und trinken an einem anderen, in Folge des Abzuges der dort geweſenen Fiſche nunmehr ſicheren Orte. Dieſer Vorſicht ungeachtet werden ihnen oft genug Stücke aus Naſe und Lippen geriſſen. Gumila hegt, wie verzeihlich, noch ſoviel Ehrfurcht vor dem Halhgott Menſch, daß er annimmt, die Säge- ſalmler würden ſich an ihm nicht vergreifen; ihn aber widerlegt ſchon Dobrizhofer, welcher mittheilt, daß zwei ſpaniſche Soldaten, als ſie, neben ihren Pferden ſchwimmend, einen Fluß über- ſetzten, von den Piraias angegriffen und getödtet wurden. Humboldt ſagt: „Der Karaibenfiſch fällt die Menſchen beim Baden und Schwimmen an und reißt ihnen oft anſehnliche Stücke Fleiſch ab. Jſt man Anfangs auch nur unbedeutend verletzt, ſo kommt man doch nur ſchwer aus dem Waſſer, ohne die ſchlimmſten Wunden davonzutragen. Verſchiedene Jndianer zeigten uns an Waden und Schenkeln vernarbte, ſehr tiefe Wunden, welche von dieſen kleinen Thieren herrührten.“ Martius erzählt: Einer ſeiner indianiſchen Begleiter habe an einer Stelle des Fluſſes, wo man vorher getödtete Hühner abgewaſchen, unvorſichtig das Waſſer berührt und dieſen Leichtſinn durch Verluſt des erſten Gliedes eines Fingers bezahlt, welches ihm ein Piraia abgebiſſen. Schomburgk berichtet wörtlich Folgendes: „Auch die Piraias durchfurchten den Waſſerſaum und ſchälten dem armen Pureka, welcher eben ſeine bluttriefenden Hände abwaſchen wollte, zwei ſeiner Finger faſt rein ab, ſodaß der Unglückliche dieſelben während eines großen Theiles der Reiſe gar nicht gebrauchen konnte und anfänglich bedeutende Schmerzen litt“. An einer anderen Stelle heißt es: „Die kühlenden Wellen des Piraras waren bei der unausſtehlichen Hitze für unſere Geſundheit die größte Erquickung, welche uns aber leider nur zu bald vergällt wurde, da einem der Jndianerknaben, welche uns gefolgt waren, beim Ueberſchwimmen des Fluſſes von den gefräßigen Pirais ein großes Stück Fleiſch aus dem Fuß geriſſen wurde. Das ſchreckliche Aufſchreien des Knaben, als er die Wunde erhielt, ließ uns anfänglich fürchten, er ſei die Beute eines Kaimans geworden. Schreck und Schmerz hatten ihn ſo erſchüttert, daß er kaum das Ufer erreichen konnte.“

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 681. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/719>, abgerufen am 23.12.2024.