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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Edelfische. Karpfen. Pfrillen. Knorpelmänler.
Hinterrande mit dicht gedrängten, einen Saum bildenden Körnchen sich bedecken. Die Rückenflosse
spannen 3 und 7, die Brustflosse 1 und 15 bis 16, die Bauchflosse 2 und 8, die Afterflosse 3 und 7,
die Schwanzflosse 19 Strahlen. Einzelne Stücke erreichen eine Länge von höchstens 5 Zoll; die
Mehrzahl wird kaum über 31/2 Zoll lang.

Klare Flüsse mit sandigem oder kiesigem Grunde, von ihrem Ursprunge im Gebirge an bis
gegen die Mündung hin, gleichviel ob sie groß oder klein, beherbergen die Elrize, manche Bäche sie
fast ausschließlich, da sie sich auch auf solchen Stellen, welche von anderen Fischen gemieden werden oder
ihnen nicht zugänglich sind, noch regelmäßig aufhält und dem Anscheine nach sehr wohl befindet. Einzeln
bemerkt man sie höchst selten, im Gegentheile fast immer in starken Schwärmen, welche sich nah dem
Wasserspiegel umhertummeln, äußerst behend auf- und niederspringen und schen vor jedem Geräusch
entfliehen, ja, so in Angst versetzt werden können, daß sie, wie Nussegger sah, Tausende von
Klaftern tief ins Jnnere eines Stollen eindringen, dem Abflußwasser desselben folgend. Bei großer
Hitze verlassen sie zuweilen eine Stelle, welche ihnen längere Zeit zum Aufenthaltsorte diente und
steigen entweder in dem Flusse aufwärts dem frischeren Wasser entgegen oder verlassen ihn gänzlich
und wandern massenhaft in einem seiner Nebenflüsse zu Berge. Dabei überspringen sie Hindernisse,
welche mit ihrer geringen Leibesgröße und Kraft in gar keinem Verhältnisse zu stehen scheinen, und
wenn erst einer das Hemmniß glücklich überwunden, folgen die andern unter allen Umständen nach.
Ein Cornelius befreundeter Beobachter hat diesem folgende Angaben über diese Wanderungen
mitgetheilt. Jn den Rheinlanden werden die Elrizen gewöhnlich Maipieren oder, der Lenne zu
Liebe, Lennepieren genannt, weil sie sich in diesem Flusse während der Laichzeit in großen Zügen
einfinden oder zeigen. Sie erscheinen meist bei mittlerem Wasserstande und heiterem Wetter, weil bei
niederem Wasser ihnen die vielen Fabrikanlagen zu große Hindernisse in den Weg legen. Zu
genannter Zeit sind die Brücken belagert von der Jugend, welche den Zügen dieser kleinen, hübschen
Thiere mit Vergnügen zusieht. Ein einziger Zug mag etwa ein halb bis anderthalb Fuß breit sein;
in ihm aber liegen die Fische so dicht neben und über einander, wie die Heringe in einem Fasse. Ein
Zug folgt in kurzer Unterbrechung dem anderen, und so geht es den ganzen Tag über fort, sodaß die
Anzahl der in der Lenne befindlichen Fischchen dieser Art nur nach Millionen geschätzt werden kann.

Jhre Nahrung besteht aus Pflanzenstoffen, Würmern und Kerfen, auch wohl aus anderen
thierischen Stoffen. So beobachtete ein Engländer einen ganzen Schwarm Elrizen, welche ihren Kopf
in einem Mittelpunkte zusammengestellt hatten, und mit dem Wasser sich treiben ließen, und fand bei
genauerer Untersuchung als Ursache dieser Zusammenrottung den Leichnam eines Mitgliedes des
Schwarmes, welcher von den überlebenden aufgezehrt wurde. Die Laichzeit fällt in die ersten
Frühlingsmonate, gewöhnlich in den Mai, hier und da wohl auch in den Juli. Um diese Zeit
werden seichte, sandige Stellen ausgewählt und jedes Weibchen von zwei oder drei Männchen
begleitet, welche auf den günstigen Augenblick des Eierlegens warten, um sich ihres Samens zu
entledigen. Aus Versuchen, welche Davy angestellt hat, geht hervor, daß die Jungen bereits nach
sechs Tagen aus dem Eie schlüpfen. Jm August haben sie etwa die Länge eines Zolles erreicht; von
nun an aber wachsen sie sehr langsam; erst im dritten oder vierten Jahre sollen sie fortpflanzungs-
fähig sein.

Ungeachtet der geringen Größe der Elrize wird sie doch überall gern gefangen, weil ihr Fleisch
trotz des bitteren Geschmackes viele Liebhaber hat und dementsprechend willige Abnehmer findet.

Jn der Lenne fäugt man sie nach Angabe des oben erwähnten Berichterstatters während der
Monate Mai und Juni, wenn sie ihre Wanderzüge bildet, zum Theil mit sogenannten Tütebellen,
einem Netze, welches an zwei kreuzweise übereinander gebundenen und an dem Ende eines Stockes
befestigten Tannenreisern ausgespannt ist. Dieses läßt man an Stellen, wo der Strom nicht zu
heftig ist, ins Wasser und zieht es, wenn ein Schwarm sich gerade darüber befindet, rasch in die Höhe.
Doch wird solche Fangart nur von der Jugend zum Zeitvertreibe betrieben, der hauptsächlichste Fang
aber mit Hilfe besenderer Fischkörbe gemacht. Diese Körbe haben vorn eine oder mehrere Oeffnungen,

Die Edelfiſche. Karpfen. Pfrillen. Knorpelmänler.
Hinterrande mit dicht gedrängten, einen Saum bildenden Körnchen ſich bedecken. Die Rückenfloſſe
ſpannen 3 und 7, die Bruſtfloſſe 1 und 15 bis 16, die Bauchfloſſe 2 und 8, die Afterfloſſe 3 und 7,
die Schwanzfloſſe 19 Strahlen. Einzelne Stücke erreichen eine Länge von höchſtens 5 Zoll; die
Mehrzahl wird kaum über 3½ Zoll lang.

Klare Flüſſe mit ſandigem oder kieſigem Grunde, von ihrem Urſprunge im Gebirge an bis
gegen die Mündung hin, gleichviel ob ſie groß oder klein, beherbergen die Elrize, manche Bäche ſie
faſt ausſchließlich, da ſie ſich auch auf ſolchen Stellen, welche von anderen Fiſchen gemieden werden oder
ihnen nicht zugänglich ſind, noch regelmäßig aufhält und dem Anſcheine nach ſehr wohl befindet. Einzeln
bemerkt man ſie höchſt ſelten, im Gegentheile faſt immer in ſtarken Schwärmen, welche ſich nah dem
Waſſerſpiegel umhertummeln, äußerſt behend auf- und niederſpringen und ſchen vor jedem Geräuſch
entfliehen, ja, ſo in Angſt verſetzt werden können, daß ſie, wie Nuſſegger ſah, Tauſende von
Klaftern tief ins Jnnere eines Stollen eindringen, dem Abflußwaſſer deſſelben folgend. Bei großer
Hitze verlaſſen ſie zuweilen eine Stelle, welche ihnen längere Zeit zum Aufenthaltsorte diente und
ſteigen entweder in dem Fluſſe aufwärts dem friſcheren Waſſer entgegen oder verlaſſen ihn gänzlich
und wandern maſſenhaft in einem ſeiner Nebenflüſſe zu Berge. Dabei überſpringen ſie Hinderniſſe,
welche mit ihrer geringen Leibesgröße und Kraft in gar keinem Verhältniſſe zu ſtehen ſcheinen, und
wenn erſt einer das Hemmniß glücklich überwunden, folgen die andern unter allen Umſtänden nach.
Ein Cornelius befreundeter Beobachter hat dieſem folgende Angaben über dieſe Wanderungen
mitgetheilt. Jn den Rheinlanden werden die Elrizen gewöhnlich Maipieren oder, der Lenne zu
Liebe, Lennepieren genannt, weil ſie ſich in dieſem Fluſſe während der Laichzeit in großen Zügen
einfinden oder zeigen. Sie erſcheinen meiſt bei mittlerem Waſſerſtande und heiterem Wetter, weil bei
niederem Waſſer ihnen die vielen Fabrikanlagen zu große Hinderniſſe in den Weg legen. Zu
genannter Zeit ſind die Brücken belagert von der Jugend, welche den Zügen dieſer kleinen, hübſchen
Thiere mit Vergnügen zuſieht. Ein einziger Zug mag etwa ein halb bis anderthalb Fuß breit ſein;
in ihm aber liegen die Fiſche ſo dicht neben und über einander, wie die Heringe in einem Faſſe. Ein
Zug folgt in kurzer Unterbrechung dem anderen, und ſo geht es den ganzen Tag über fort, ſodaß die
Anzahl der in der Lenne befindlichen Fiſchchen dieſer Art nur nach Millionen geſchätzt werden kann.

Jhre Nahrung beſteht aus Pflanzenſtoffen, Würmern und Kerfen, auch wohl aus anderen
thieriſchen Stoffen. So beobachtete ein Engländer einen ganzen Schwarm Elrizen, welche ihren Kopf
in einem Mittelpunkte zuſammengeſtellt hatten, und mit dem Waſſer ſich treiben ließen, und fand bei
genauerer Unterſuchung als Urſache dieſer Zuſammenrottung den Leichnam eines Mitgliedes des
Schwarmes, welcher von den überlebenden aufgezehrt wurde. Die Laichzeit fällt in die erſten
Frühlingsmonate, gewöhnlich in den Mai, hier und da wohl auch in den Juli. Um dieſe Zeit
werden ſeichte, ſandige Stellen ausgewählt und jedes Weibchen von zwei oder drei Männchen
begleitet, welche auf den günſtigen Augenblick des Eierlegens warten, um ſich ihres Samens zu
entledigen. Aus Verſuchen, welche Davy angeſtellt hat, geht hervor, daß die Jungen bereits nach
ſechs Tagen aus dem Eie ſchlüpfen. Jm Auguſt haben ſie etwa die Länge eines Zolles erreicht; von
nun an aber wachſen ſie ſehr langſam; erſt im dritten oder vierten Jahre ſollen ſie fortpflanzungs-
fähig ſein.

Ungeachtet der geringen Größe der Elrize wird ſie doch überall gern gefangen, weil ihr Fleiſch
trotz des bitteren Geſchmackes viele Liebhaber hat und dementſprechend willige Abnehmer findet.

Jn der Lenne fäugt man ſie nach Angabe des oben erwähnten Berichterſtatters während der
Monate Mai und Juni, wenn ſie ihre Wanderzüge bildet, zum Theil mit ſogenannten Tütebellen,
einem Netze, welches an zwei kreuzweiſe übereinander gebundenen und an dem Ende eines Stockes
befeſtigten Tannenreiſern ausgeſpannt iſt. Dieſes läßt man an Stellen, wo der Strom nicht zu
heftig iſt, ins Waſſer und zieht es, wenn ein Schwarm ſich gerade darüber befindet, raſch in die Höhe.
Doch wird ſolche Fangart nur von der Jugend zum Zeitvertreibe betrieben, der hauptſächlichſte Fang
aber mit Hilfe beſenderer Fiſchkörbe gemacht. Dieſe Körbe haben vorn eine oder mehrere Oeffnungen,

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[674/0712] Die Edelfiſche. Karpfen. Pfrillen. Knorpelmänler. Hinterrande mit dicht gedrängten, einen Saum bildenden Körnchen ſich bedecken. Die Rückenfloſſe ſpannen 3 und 7, die Bruſtfloſſe 1 und 15 bis 16, die Bauchfloſſe 2 und 8, die Afterfloſſe 3 und 7, die Schwanzfloſſe 19 Strahlen. Einzelne Stücke erreichen eine Länge von höchſtens 5 Zoll; die Mehrzahl wird kaum über 3½ Zoll lang. Klare Flüſſe mit ſandigem oder kieſigem Grunde, von ihrem Urſprunge im Gebirge an bis gegen die Mündung hin, gleichviel ob ſie groß oder klein, beherbergen die Elrize, manche Bäche ſie faſt ausſchließlich, da ſie ſich auch auf ſolchen Stellen, welche von anderen Fiſchen gemieden werden oder ihnen nicht zugänglich ſind, noch regelmäßig aufhält und dem Anſcheine nach ſehr wohl befindet. Einzeln bemerkt man ſie höchſt ſelten, im Gegentheile faſt immer in ſtarken Schwärmen, welche ſich nah dem Waſſerſpiegel umhertummeln, äußerſt behend auf- und niederſpringen und ſchen vor jedem Geräuſch entfliehen, ja, ſo in Angſt verſetzt werden können, daß ſie, wie Nuſſegger ſah, Tauſende von Klaftern tief ins Jnnere eines Stollen eindringen, dem Abflußwaſſer deſſelben folgend. Bei großer Hitze verlaſſen ſie zuweilen eine Stelle, welche ihnen längere Zeit zum Aufenthaltsorte diente und ſteigen entweder in dem Fluſſe aufwärts dem friſcheren Waſſer entgegen oder verlaſſen ihn gänzlich und wandern maſſenhaft in einem ſeiner Nebenflüſſe zu Berge. Dabei überſpringen ſie Hinderniſſe, welche mit ihrer geringen Leibesgröße und Kraft in gar keinem Verhältniſſe zu ſtehen ſcheinen, und wenn erſt einer das Hemmniß glücklich überwunden, folgen die andern unter allen Umſtänden nach. Ein Cornelius befreundeter Beobachter hat dieſem folgende Angaben über dieſe Wanderungen mitgetheilt. Jn den Rheinlanden werden die Elrizen gewöhnlich Maipieren oder, der Lenne zu Liebe, Lennepieren genannt, weil ſie ſich in dieſem Fluſſe während der Laichzeit in großen Zügen einfinden oder zeigen. Sie erſcheinen meiſt bei mittlerem Waſſerſtande und heiterem Wetter, weil bei niederem Waſſer ihnen die vielen Fabrikanlagen zu große Hinderniſſe in den Weg legen. Zu genannter Zeit ſind die Brücken belagert von der Jugend, welche den Zügen dieſer kleinen, hübſchen Thiere mit Vergnügen zuſieht. Ein einziger Zug mag etwa ein halb bis anderthalb Fuß breit ſein; in ihm aber liegen die Fiſche ſo dicht neben und über einander, wie die Heringe in einem Faſſe. Ein Zug folgt in kurzer Unterbrechung dem anderen, und ſo geht es den ganzen Tag über fort, ſodaß die Anzahl der in der Lenne befindlichen Fiſchchen dieſer Art nur nach Millionen geſchätzt werden kann. Jhre Nahrung beſteht aus Pflanzenſtoffen, Würmern und Kerfen, auch wohl aus anderen thieriſchen Stoffen. So beobachtete ein Engländer einen ganzen Schwarm Elrizen, welche ihren Kopf in einem Mittelpunkte zuſammengeſtellt hatten, und mit dem Waſſer ſich treiben ließen, und fand bei genauerer Unterſuchung als Urſache dieſer Zuſammenrottung den Leichnam eines Mitgliedes des Schwarmes, welcher von den überlebenden aufgezehrt wurde. Die Laichzeit fällt in die erſten Frühlingsmonate, gewöhnlich in den Mai, hier und da wohl auch in den Juli. Um dieſe Zeit werden ſeichte, ſandige Stellen ausgewählt und jedes Weibchen von zwei oder drei Männchen begleitet, welche auf den günſtigen Augenblick des Eierlegens warten, um ſich ihres Samens zu entledigen. Aus Verſuchen, welche Davy angeſtellt hat, geht hervor, daß die Jungen bereits nach ſechs Tagen aus dem Eie ſchlüpfen. Jm Auguſt haben ſie etwa die Länge eines Zolles erreicht; von nun an aber wachſen ſie ſehr langſam; erſt im dritten oder vierten Jahre ſollen ſie fortpflanzungs- fähig ſein. Ungeachtet der geringen Größe der Elrize wird ſie doch überall gern gefangen, weil ihr Fleiſch trotz des bitteren Geſchmackes viele Liebhaber hat und dementſprechend willige Abnehmer findet. Jn der Lenne fäugt man ſie nach Angabe des oben erwähnten Berichterſtatters während der Monate Mai und Juni, wenn ſie ihre Wanderzüge bildet, zum Theil mit ſogenannten Tütebellen, einem Netze, welches an zwei kreuzweiſe übereinander gebundenen und an dem Ende eines Stockes befeſtigten Tannenreiſern ausgeſpannt iſt. Dieſes läßt man an Stellen, wo der Strom nicht zu heftig iſt, ins Waſſer und zieht es, wenn ein Schwarm ſich gerade darüber befindet, raſch in die Höhe. Doch wird ſolche Fangart nur von der Jugend zum Zeitvertreibe betrieben, der hauptſächlichſte Fang aber mit Hilfe beſenderer Fiſchkörbe gemacht. Dieſe Körbe haben vorn eine oder mehrere Oeffnungen,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 674. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/712>, abgerufen am 23.12.2024.