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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Edelfische. Karpfen. Messerkarpfen. Lanben.
Gewürm, Fischlaich und Pflanzenstoffe und wühlt nach diesen ebenfalls im Schlamme. Jm Früh-
linge, d. h. in den Monaten Mai und Juni nähert sie sich seichten Uferstellen, am liebsten solchen,
welche mit Riedgras bewachsen sind, in der Absicht, zu laichen, und zeigt nunmehr ein in jeder
Hinsicht verändertes Betragen. Während sie sonst schen und vorsichtig ist, bei der geringsten
Störung davon eilt und sich im Grunde verbirgt, benimmt sie sich während des Laichens ebenso
lebhaft als unvorsichtig, läßt sich zuweilen sogar geradezu mit der Hand fangen. Siebold bemerkt,
daß sich die Fortpflanzungsfähigkeit bei den Blicken sehr früh einstellt, da er fünf Zoll lange Rogener
und Milchner, deren Geschlechtsthätigkeit im vollen Gange war, gefunden hat. Bloch zählte den
Rogen eines mäßig großen Weibchens und fand, daß derselbe über hunderttausend Eier enthielt.
Die alten Blicken beginnen mit dem Eierlegen Anfangs Juni und beendigen dieses Geschäft binnen
drei und vier Tagen, falls nicht kalte Witterung eintritt, welche sie zu möglichster Eile veranlaßt.
Etwa eine Woche später erscheinen die mittelgroßen Stücke und wiederum nach acht Tagen die
kleinsten. Alle wählen wo möglich zum Eierlegen die Zeit von Sonnenaufgang bis 10 Uhr Morgens.

Nach Angabe Eckström's ist die Blicke der gefräßigste aller Karpfen, ihr Fang daher auch
ungewöhnlich einfach und leicht, weil jeder Köder seine Dienste thut. Jn großartigem Maßstabe
betreibt man diesen Fang übrigens nirgends; denn als Nahrungsmittel wird unser Fisch von
Niemanden geschätzt, schon weil ihn mehr als andere Riemenwürmer, deren oft sechs bis acht in
seinem Bauche wohnen, plagen; dagegen läßt er sich in Teichen, wo Forellen gehegt werden, mit
Vortheil als Futterfisch verwenden.



Als Verbindungsglieder der Karpfen- und Heringsfamilie darf man die Messerkarpfen
oder Sichlinge (Pelecus) ansehen, zu unserer Familie gehörige, von den übrigen jedoch sehr
abweichende Fische, ausgezeichnet durch geradlinigen Rücken und stark ausgebogenen Bauch, fast
senkrecht stehende Mundspalte mit vortretender Spitze des Unterkiefers, lange, schmale, sichel-
förmige Brustflossen, weit hinten stehende, kurze Rückenflosse, leicht abfallende Schuppen und
in zwei Reihen geordnete, zu zwei und fünf stehende, hakige, an der Krone tief sägenförmig
gekerbte Schlundzähne.

Der Sichling oder die Ziege (Pelecus cultratus), der einzige Vertreter dieser Sippe, hat
einen gestreckten, seitlich zusammengedrückten Leib und ist im Nacken stahlblau oder blaugrün, auf
dem Rücken graubraun, auf den Seiten mit silbernem Glanze, auf Rücken- und Schwanzflosse
graulich, auf den übrigen Flossen röthlich gefärbt. Die Rückenflosse enthält 3 und 7, die Brustflosse
1 und 15, die Bauchflosse 2 und 7, die Afterflosse 3 und 28, die Schwanzflosse 19 Strahlen.
Seine Länge beträgt 11/2 Fuß, das Gewicht bis 2 Pfund.

Die geographische Verbreitung des Sichlings ist in mancher Beziehung eine eigenthümliche.
Er bewohnt im Norden Mitteleuropas nur die Ostsee und die mit ihr zusammenhängenden großen
Süßwasserbecken und steigt vonhieraus in den Flüssen empor; er lebt aber auch im schwarzen Meere
und wird demgemäß regelmäßig in allen in dieselbe einmündenden Strömen bemerkt. Nach Pallas
ist er häufig in den Flüssen und Seen des europäischen Rußlands, nach Nordmann in denen der
Krim; nach Heckel und Kner erscheint er im Plattensee während des Sommers in großen Zügen
und bildet dann zu einer Zeit, in welcher andere Fische selten sind, eine Hauptnahrung armer Leute;
nach Siebold verirrt er sich zuweilen bis in die obere Donau, kaum aber auch in deren Zuflüsse.
Einen eigentlichen Meerbewohner kann man ihn nicht nennen, einen Flußwasserfisch ebenso wenig;
es scheint ihm ebenso wohl in salzigem wie in süßem Gewässer zu behagen. Zu seinem Aufenthaltsorte
wählt er reines, bewegtes Wasser und die Nähe der Ufer. Jn seinem Wesen und Gebahren und in
der Nahrung kommt er mit den anderen Karpfen überein. Die Laichzeit fällt in den Mai, und die

Die Edelfiſche. Karpfen. Meſſerkarpfen. Lanben.
Gewürm, Fiſchlaich und Pflanzenſtoffe und wühlt nach dieſen ebenfalls im Schlamme. Jm Früh-
linge, d. h. in den Monaten Mai und Juni nähert ſie ſich ſeichten Uferſtellen, am liebſten ſolchen,
welche mit Riedgras bewachſen ſind, in der Abſicht, zu laichen, und zeigt nunmehr ein in jeder
Hinſicht verändertes Betragen. Während ſie ſonſt ſchen und vorſichtig iſt, bei der geringſten
Störung davon eilt und ſich im Grunde verbirgt, benimmt ſie ſich während des Laichens ebenſo
lebhaft als unvorſichtig, läßt ſich zuweilen ſogar geradezu mit der Hand fangen. Siebold bemerkt,
daß ſich die Fortpflanzungsfähigkeit bei den Blicken ſehr früh einſtellt, da er fünf Zoll lange Rogener
und Milchner, deren Geſchlechtsthätigkeit im vollen Gange war, gefunden hat. Bloch zählte den
Rogen eines mäßig großen Weibchens und fand, daß derſelbe über hunderttauſend Eier enthielt.
Die alten Blicken beginnen mit dem Eierlegen Anfangs Juni und beendigen dieſes Geſchäft binnen
drei und vier Tagen, falls nicht kalte Witterung eintritt, welche ſie zu möglichſter Eile veranlaßt.
Etwa eine Woche ſpäter erſcheinen die mittelgroßen Stücke und wiederum nach acht Tagen die
kleinſten. Alle wählen wo möglich zum Eierlegen die Zeit von Sonnenaufgang bis 10 Uhr Morgens.

Nach Angabe Eckſtröm’s iſt die Blicke der gefräßigſte aller Karpfen, ihr Fang daher auch
ungewöhnlich einfach und leicht, weil jeder Köder ſeine Dienſte thut. Jn großartigem Maßſtabe
betreibt man dieſen Fang übrigens nirgends; denn als Nahrungsmittel wird unſer Fiſch von
Niemanden geſchätzt, ſchon weil ihn mehr als andere Riemenwürmer, deren oft ſechs bis acht in
ſeinem Bauche wohnen, plagen; dagegen läßt er ſich in Teichen, wo Forellen gehegt werden, mit
Vortheil als Futterfiſch verwenden.



Als Verbindungsglieder der Karpfen- und Heringsfamilie darf man die Meſſerkarpfen
oder Sichlinge (Pelecus) anſehen, zu unſerer Familie gehörige, von den übrigen jedoch ſehr
abweichende Fiſche, ausgezeichnet durch geradlinigen Rücken und ſtark ausgebogenen Bauch, faſt
ſenkrecht ſtehende Mundſpalte mit vortretender Spitze des Unterkiefers, lange, ſchmale, ſichel-
förmige Bruſtfloſſen, weit hinten ſtehende, kurze Rückenfloſſe, leicht abfallende Schuppen und
in zwei Reihen geordnete, zu zwei und fünf ſtehende, hakige, an der Krone tief ſägenförmig
gekerbte Schlundzähne.

Der Sichling oder die Ziege (Pelecus cultratus), der einzige Vertreter dieſer Sippe, hat
einen geſtreckten, ſeitlich zuſammengedrückten Leib und iſt im Nacken ſtahlblau oder blaugrün, auf
dem Rücken graubraun, auf den Seiten mit ſilbernem Glanze, auf Rücken- und Schwanzfloſſe
graulich, auf den übrigen Floſſen röthlich gefärbt. Die Rückenfloſſe enthält 3 und 7, die Bruſtfloſſe
1 und 15, die Bauchfloſſe 2 und 7, die Afterfloſſe 3 und 28, die Schwanzfloſſe 19 Strahlen.
Seine Länge beträgt 1½ Fuß, das Gewicht bis 2 Pfund.

Die geographiſche Verbreitung des Sichlings iſt in mancher Beziehung eine eigenthümliche.
Er bewohnt im Norden Mitteleuropas nur die Oſtſee und die mit ihr zuſammenhängenden großen
Süßwaſſerbecken und ſteigt vonhieraus in den Flüſſen empor; er lebt aber auch im ſchwarzen Meere
und wird demgemäß regelmäßig in allen in dieſelbe einmündenden Strömen bemerkt. Nach Pallas
iſt er häufig in den Flüſſen und Seen des europäiſchen Rußlands, nach Nordmann in denen der
Krim; nach Heckel und Kner erſcheint er im Plattenſee während des Sommers in großen Zügen
und bildet dann zu einer Zeit, in welcher andere Fiſche ſelten ſind, eine Hauptnahrung armer Leute;
nach Siebold verirrt er ſich zuweilen bis in die obere Donau, kaum aber auch in deren Zuflüſſe.
Einen eigentlichen Meerbewohner kann man ihn nicht nennen, einen Flußwaſſerfiſch ebenſo wenig;
es ſcheint ihm ebenſo wohl in ſalzigem wie in ſüßem Gewäſſer zu behagen. Zu ſeinem Aufenthaltsorte
wählt er reines, bewegtes Waſſer und die Nähe der Ufer. Jn ſeinem Weſen und Gebahren und in
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[664/0702] Die Edelfiſche. Karpfen. Meſſerkarpfen. Lanben. Gewürm, Fiſchlaich und Pflanzenſtoffe und wühlt nach dieſen ebenfalls im Schlamme. Jm Früh- linge, d. h. in den Monaten Mai und Juni nähert ſie ſich ſeichten Uferſtellen, am liebſten ſolchen, welche mit Riedgras bewachſen ſind, in der Abſicht, zu laichen, und zeigt nunmehr ein in jeder Hinſicht verändertes Betragen. Während ſie ſonſt ſchen und vorſichtig iſt, bei der geringſten Störung davon eilt und ſich im Grunde verbirgt, benimmt ſie ſich während des Laichens ebenſo lebhaft als unvorſichtig, läßt ſich zuweilen ſogar geradezu mit der Hand fangen. Siebold bemerkt, daß ſich die Fortpflanzungsfähigkeit bei den Blicken ſehr früh einſtellt, da er fünf Zoll lange Rogener und Milchner, deren Geſchlechtsthätigkeit im vollen Gange war, gefunden hat. Bloch zählte den Rogen eines mäßig großen Weibchens und fand, daß derſelbe über hunderttauſend Eier enthielt. Die alten Blicken beginnen mit dem Eierlegen Anfangs Juni und beendigen dieſes Geſchäft binnen drei und vier Tagen, falls nicht kalte Witterung eintritt, welche ſie zu möglichſter Eile veranlaßt. Etwa eine Woche ſpäter erſcheinen die mittelgroßen Stücke und wiederum nach acht Tagen die kleinſten. Alle wählen wo möglich zum Eierlegen die Zeit von Sonnenaufgang bis 10 Uhr Morgens. Nach Angabe Eckſtröm’s iſt die Blicke der gefräßigſte aller Karpfen, ihr Fang daher auch ungewöhnlich einfach und leicht, weil jeder Köder ſeine Dienſte thut. Jn großartigem Maßſtabe betreibt man dieſen Fang übrigens nirgends; denn als Nahrungsmittel wird unſer Fiſch von Niemanden geſchätzt, ſchon weil ihn mehr als andere Riemenwürmer, deren oft ſechs bis acht in ſeinem Bauche wohnen, plagen; dagegen läßt er ſich in Teichen, wo Forellen gehegt werden, mit Vortheil als Futterfiſch verwenden. Als Verbindungsglieder der Karpfen- und Heringsfamilie darf man die Meſſerkarpfen oder Sichlinge (Pelecus) anſehen, zu unſerer Familie gehörige, von den übrigen jedoch ſehr abweichende Fiſche, ausgezeichnet durch geradlinigen Rücken und ſtark ausgebogenen Bauch, faſt ſenkrecht ſtehende Mundſpalte mit vortretender Spitze des Unterkiefers, lange, ſchmale, ſichel- förmige Bruſtfloſſen, weit hinten ſtehende, kurze Rückenfloſſe, leicht abfallende Schuppen und in zwei Reihen geordnete, zu zwei und fünf ſtehende, hakige, an der Krone tief ſägenförmig gekerbte Schlundzähne. Der Sichling oder die Ziege (Pelecus cultratus), der einzige Vertreter dieſer Sippe, hat einen geſtreckten, ſeitlich zuſammengedrückten Leib und iſt im Nacken ſtahlblau oder blaugrün, auf dem Rücken graubraun, auf den Seiten mit ſilbernem Glanze, auf Rücken- und Schwanzfloſſe graulich, auf den übrigen Floſſen röthlich gefärbt. Die Rückenfloſſe enthält 3 und 7, die Bruſtfloſſe 1 und 15, die Bauchfloſſe 2 und 7, die Afterfloſſe 3 und 28, die Schwanzfloſſe 19 Strahlen. Seine Länge beträgt 1½ Fuß, das Gewicht bis 2 Pfund. Die geographiſche Verbreitung des Sichlings iſt in mancher Beziehung eine eigenthümliche. Er bewohnt im Norden Mitteleuropas nur die Oſtſee und die mit ihr zuſammenhängenden großen Süßwaſſerbecken und ſteigt vonhieraus in den Flüſſen empor; er lebt aber auch im ſchwarzen Meere und wird demgemäß regelmäßig in allen in dieſelbe einmündenden Strömen bemerkt. Nach Pallas iſt er häufig in den Flüſſen und Seen des europäiſchen Rußlands, nach Nordmann in denen der Krim; nach Heckel und Kner erſcheint er im Plattenſee während des Sommers in großen Zügen und bildet dann zu einer Zeit, in welcher andere Fiſche ſelten ſind, eine Hauptnahrung armer Leute; nach Siebold verirrt er ſich zuweilen bis in die obere Donau, kaum aber auch in deren Zuflüſſe. Einen eigentlichen Meerbewohner kann man ihn nicht nennen, einen Flußwaſſerfiſch ebenſo wenig; es ſcheint ihm ebenſo wohl in ſalzigem wie in ſüßem Gewäſſer zu behagen. Zu ſeinem Aufenthaltsorte wählt er reines, bewegtes Waſſer und die Nähe der Ufer. Jn ſeinem Weſen und Gebahren und in der Nahrung kommt er mit den anderen Karpfen überein. Die Laichzeit fällt in den Mai, und die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 664. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/702>, abgerufen am 23.12.2024.