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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Steingreßling. Bitterling.
dieses Fischchen neuerdings am Ausführlichsten beschrieben hat, "erscheinen beide Geschlechter gleich-
gefärbt, nämlich mit graugrünem Rücken und silberglänzenden Seiten. Sehr bezeichnend ist ein
grüner, glänzender Längsstreifen, welcher sich zu beiden Seiten des Leibes, von der Mitte derselben
bis zum Schwanze erstreckt. Die Flossen sind blaßröthlich gefärbt und die Rückenflosse ganz, die
Schwanzflosse am Grunde mit schwärzlichem Farbstoffe bedeckt. Diese einfache Färbung verschwindet
zur Brunstzeit an dem männlichen Bitterlinge vollständig und macht einem prächtigen Hochzeitskleide
Platz, dessen Farbenglanz sich schwer naturgetreu beschreiben läßt. Die ganze Körperoberfläche der
brünstigen Männchen schillert in allen Negenbogenfarben, wobei sich Stahlblau und Violet besonders
bemerklich machen und der smaragdgrüne Seitenstreifen noch glänzender hervortritt, während die
Brust- und Bauchseite in einem schönen Orangegelb prangen; auch die Rücken- und Afterflosse
zeigen sich hochroth gefärbt und schwarz gesäumt.

[Abbildung] Der Bitterling (Rhodeus amarus). Nat. Größe 2 Zoll.

"Mit der Entwicklung dieser Farbenpracht beginnt noch ein anderer Geschlechtsunterschied
hervorzutreten, welcher sich auf eine Veränderung der Haut dicht über der Oberlippe bezieht. Hier
erhebt sich an den beiden äußeren Enden der Oberkiefer allmälig ein rundlicher Wulst, welcher aus
einem Haufen von acht bis dreizehn ungleich großen, kreideweißen Warzen besteht; zwei bis drei,
diesen ganz ähnliche Warzen kommen noch an dem oberen Rande der beiden Augenhöhlen zum
Vorschein. Jede einzelne ist nichts Anderes als eine Anhäufung von dicht über und unter einander
gedrängten Oberhautzellen. Nach Beendigung des Fortpflanzungsgeschäfts verlieren sie sich und
hinterlassen bleibende Gruben, aus denen bei der Wiederkehr der Brunstzeit von Neuem jene warzen-
ähnlichen Gebilde hervorsprossen.

"Obgleich die Weibchen der Bitterlinge auch während der Laichzeit ihre Farblosigkeit behalten
und so von ihrem prächtig geschmückten Männchen auffallend abstechen, zeichnen sie sich doch während
jener Zeit durch ein ganz eigenthümliches äußeres Merkmal aus, welches trotz seiner Augenfälligkeit
erst vor Kurzem durch Krauß bemerkt wurde. Es ist eine lange, röthliche Legeröhre, welche sich an
dem weiblichen Bitterlinge beim Eintritt der Laichzeit allmälig entwickelt und, sowie die Eier im
Eierstocke ihre Reife erlangt haben, vor der Afterflosse zweizölliger Bitterlinge als ein bis zu acht

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Steingreßling. Bitterling.
dieſes Fiſchchen neuerdings am Ausführlichſten beſchrieben hat, „erſcheinen beide Geſchlechter gleich-
gefärbt, nämlich mit graugrünem Rücken und ſilberglänzenden Seiten. Sehr bezeichnend iſt ein
grüner, glänzender Längsſtreifen, welcher ſich zu beiden Seiten des Leibes, von der Mitte derſelben
bis zum Schwanze erſtreckt. Die Floſſen ſind blaßröthlich gefärbt und die Rückenfloſſe ganz, die
Schwanzfloſſe am Grunde mit ſchwärzlichem Farbſtoffe bedeckt. Dieſe einfache Färbung verſchwindet
zur Brunſtzeit an dem männlichen Bitterlinge vollſtändig und macht einem prächtigen Hochzeitskleide
Platz, deſſen Farbenglanz ſich ſchwer naturgetreu beſchreiben läßt. Die ganze Körperoberfläche der
brünſtigen Männchen ſchillert in allen Negenbogenfarben, wobei ſich Stahlblau und Violet beſonders
bemerklich machen und der ſmaragdgrüne Seitenſtreifen noch glänzender hervortritt, während die
Bruſt- und Bauchſeite in einem ſchönen Orangegelb prangen; auch die Rücken- und Afterfloſſe
zeigen ſich hochroth gefärbt und ſchwarz geſäumt.

[Abbildung] Der Bitterling (Rhodeus amarus). Nat. Größe 2 Zoll.

„Mit der Entwicklung dieſer Farbenpracht beginnt noch ein anderer Geſchlechtsunterſchied
hervorzutreten, welcher ſich auf eine Veränderung der Haut dicht über der Oberlippe bezieht. Hier
erhebt ſich an den beiden äußeren Enden der Oberkiefer allmälig ein rundlicher Wulſt, welcher aus
einem Haufen von acht bis dreizehn ungleich großen, kreideweißen Warzen beſteht; zwei bis drei,
dieſen ganz ähnliche Warzen kommen noch an dem oberen Rande der beiden Augenhöhlen zum
Vorſchein. Jede einzelne iſt nichts Anderes als eine Anhäufung von dicht über und unter einander
gedrängten Oberhautzellen. Nach Beendigung des Fortpflanzungsgeſchäfts verlieren ſie ſich und
hinterlaſſen bleibende Gruben, aus denen bei der Wiederkehr der Brunſtzeit von Neuem jene warzen-
ähnlichen Gebilde hervorſproſſen.

„Obgleich die Weibchen der Bitterlinge auch während der Laichzeit ihre Farbloſigkeit behalten
und ſo von ihrem prächtig geſchmückten Männchen auffallend abſtechen, zeichnen ſie ſich doch während
jener Zeit durch ein ganz eigenthümliches äußeres Merkmal aus, welches trotz ſeiner Augenfälligkeit
erſt vor Kurzem durch Krauß bemerkt wurde. Es iſt eine lange, röthliche Legeröhre, welche ſich an
dem weiblichen Bitterlinge beim Eintritt der Laichzeit allmälig entwickelt und, ſowie die Eier im
Eierſtocke ihre Reife erlangt haben, vor der Afterfloſſe zweizölliger Bitterlinge als ein bis zu acht

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[659/0697] Steingreßling. Bitterling. dieſes Fiſchchen neuerdings am Ausführlichſten beſchrieben hat, „erſcheinen beide Geſchlechter gleich- gefärbt, nämlich mit graugrünem Rücken und ſilberglänzenden Seiten. Sehr bezeichnend iſt ein grüner, glänzender Längsſtreifen, welcher ſich zu beiden Seiten des Leibes, von der Mitte derſelben bis zum Schwanze erſtreckt. Die Floſſen ſind blaßröthlich gefärbt und die Rückenfloſſe ganz, die Schwanzfloſſe am Grunde mit ſchwärzlichem Farbſtoffe bedeckt. Dieſe einfache Färbung verſchwindet zur Brunſtzeit an dem männlichen Bitterlinge vollſtändig und macht einem prächtigen Hochzeitskleide Platz, deſſen Farbenglanz ſich ſchwer naturgetreu beſchreiben läßt. Die ganze Körperoberfläche der brünſtigen Männchen ſchillert in allen Negenbogenfarben, wobei ſich Stahlblau und Violet beſonders bemerklich machen und der ſmaragdgrüne Seitenſtreifen noch glänzender hervortritt, während die Bruſt- und Bauchſeite in einem ſchönen Orangegelb prangen; auch die Rücken- und Afterfloſſe zeigen ſich hochroth gefärbt und ſchwarz geſäumt. [Abbildung Der Bitterling (Rhodeus amarus). Nat. Größe 2 Zoll.] „Mit der Entwicklung dieſer Farbenpracht beginnt noch ein anderer Geſchlechtsunterſchied hervorzutreten, welcher ſich auf eine Veränderung der Haut dicht über der Oberlippe bezieht. Hier erhebt ſich an den beiden äußeren Enden der Oberkiefer allmälig ein rundlicher Wulſt, welcher aus einem Haufen von acht bis dreizehn ungleich großen, kreideweißen Warzen beſteht; zwei bis drei, dieſen ganz ähnliche Warzen kommen noch an dem oberen Rande der beiden Augenhöhlen zum Vorſchein. Jede einzelne iſt nichts Anderes als eine Anhäufung von dicht über und unter einander gedrängten Oberhautzellen. Nach Beendigung des Fortpflanzungsgeſchäfts verlieren ſie ſich und hinterlaſſen bleibende Gruben, aus denen bei der Wiederkehr der Brunſtzeit von Neuem jene warzen- ähnlichen Gebilde hervorſproſſen. „Obgleich die Weibchen der Bitterlinge auch während der Laichzeit ihre Farbloſigkeit behalten und ſo von ihrem prächtig geſchmückten Männchen auffallend abſtechen, zeichnen ſie ſich doch während jener Zeit durch ein ganz eigenthümliches äußeres Merkmal aus, welches trotz ſeiner Augenfälligkeit erſt vor Kurzem durch Krauß bemerkt wurde. Es iſt eine lange, röthliche Legeröhre, welche ſich an dem weiblichen Bitterlinge beim Eintritt der Laichzeit allmälig entwickelt und, ſowie die Eier im Eierſtocke ihre Reife erlangt haben, vor der Afterfloſſe zweizölliger Bitterlinge als ein bis zu acht 42*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 659. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/697>, abgerufen am 21.12.2024.