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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Greßling.
italienischer Forscher, beschreibt es in folgender Weise: "Als ich in Desio war, ging ich an einem der
schönsten Tage des Juli frühmorgens an dem Ufer des kleinen Sees der Villa Traversi spazieren.
Jndeß ich hier die Baumgruppe bewunderte, deren Aeste sich über die Trümmer eines mittelalterlichen
Schlosses neigen, dort mich von dem Anblick eines Pinienwaldes fesseln ließ, dessen Dunkel seltsam
absticht gegen die lachenden, mit Reben und Blumen bedeckten Hügel traf mein Ohr plötzlich ein
Geräusch. Jch glaubte zuerst, daß Jemand mit Stöcken oder mit der breiten Fläche eines Ruders
auf das Wasser schlüge, ließ meine Augen über die Ufer streifen und entdeckte bald den Ort, woher
der Lärm kam und die Ursache desselben: es waren laichende Fische. Begierig, das Schauspiel in
[Abbildung] Der Greßling (Gobio vulgaris). Nat. Größe 4--7 Zoll.
der Nähe zu genießen, näherte ich mich ihnen unmerklich, und unter dem Schutze der Gesträuche und
Büsche, welche die Ufer des Sees zieren, kam ich so nah, daß ich sie bequem und ohne von ihnen
gesehen zu werden, beobachten konnte. Sie befanden sich in der Mündung eines Bächleins, welches
ein kühles und klares Wasser führt, aber in so geringer Menge, daß die kleinen Kiesel in seinem Bette
fast trocken lagen. Es waren Gründlinge. Sie näherten sich der Mündung des Baches; dann, indem
sie plötzlich rasch schwammen und dadurch ihrem Körper einen heftigen Stoß gaben, stiegen sie etwa
21/2 Fuß in dem Bache auf, ohne zu springen, gewissermaßen über den Kies hingleitend. Nach
diesem ersten Anlaufe hielten sie an, beugten Stamm und Schwanz abwechselnd nach rechts und links
und rieben sich so mit der Bauchfläche auf dem Kiese. Dabei lag, mit Ausnahme des Bauches und
des unteren Theiles des Kopfes, ihr ganzer Körper im Trocknen. Sieben bis acht Sekunden blieben
sie in dieser Lage; dann schlugen sie heftig mit dem Schwanze auf den Boden des Baches, daß das
Wasser nach allen Seiten herausspritzte, wandten sich, liefen wieder in den nahen See hinab, um

Brehm, Thierleben. V. 42

Greßling.
italieniſcher Forſcher, beſchreibt es in folgender Weiſe: „Als ich in Deſio war, ging ich an einem der
ſchönſten Tage des Juli frühmorgens an dem Ufer des kleinen Sees der Villa Traverſi ſpazieren.
Jndeß ich hier die Baumgruppe bewunderte, deren Aeſte ſich über die Trümmer eines mittelalterlichen
Schloſſes neigen, dort mich von dem Anblick eines Pinienwaldes feſſeln ließ, deſſen Dunkel ſeltſam
abſticht gegen die lachenden, mit Reben und Blumen bedeckten Hügel traf mein Ohr plötzlich ein
Geräuſch. Jch glaubte zuerſt, daß Jemand mit Stöcken oder mit der breiten Fläche eines Ruders
auf das Waſſer ſchlüge, ließ meine Augen über die Ufer ſtreifen und entdeckte bald den Ort, woher
der Lärm kam und die Urſache deſſelben: es waren laichende Fiſche. Begierig, das Schauſpiel in
[Abbildung] Der Greßling (Gobio vulgaris). Nat. Größe 4—7 Zoll.
der Nähe zu genießen, näherte ich mich ihnen unmerklich, und unter dem Schutze der Geſträuche und
Büſche, welche die Ufer des Sees zieren, kam ich ſo nah, daß ich ſie bequem und ohne von ihnen
geſehen zu werden, beobachten konnte. Sie befanden ſich in der Mündung eines Bächleins, welches
ein kühles und klares Waſſer führt, aber in ſo geringer Menge, daß die kleinen Kieſel in ſeinem Bette
faſt trocken lagen. Es waren Gründlinge. Sie näherten ſich der Mündung des Baches; dann, indem
ſie plötzlich raſch ſchwammen und dadurch ihrem Körper einen heftigen Stoß gaben, ſtiegen ſie etwa
2½ Fuß in dem Bache auf, ohne zu ſpringen, gewiſſermaßen über den Kies hingleitend. Nach
dieſem erſten Anlaufe hielten ſie an, beugten Stamm und Schwanz abwechſelnd nach rechts und links
und rieben ſich ſo mit der Bauchfläche auf dem Kieſe. Dabei lag, mit Ausnahme des Bauches und
des unteren Theiles des Kopfes, ihr ganzer Körper im Trocknen. Sieben bis acht Sekunden blieben
ſie in dieſer Lage; dann ſchlugen ſie heftig mit dem Schwanze auf den Boden des Baches, daß das
Waſſer nach allen Seiten herausſpritzte, wandten ſich, liefen wieder in den nahen See hinab, um

Brehm, Thierleben. V. 42
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[657/0695] Greßling. italieniſcher Forſcher, beſchreibt es in folgender Weiſe: „Als ich in Deſio war, ging ich an einem der ſchönſten Tage des Juli frühmorgens an dem Ufer des kleinen Sees der Villa Traverſi ſpazieren. Jndeß ich hier die Baumgruppe bewunderte, deren Aeſte ſich über die Trümmer eines mittelalterlichen Schloſſes neigen, dort mich von dem Anblick eines Pinienwaldes feſſeln ließ, deſſen Dunkel ſeltſam abſticht gegen die lachenden, mit Reben und Blumen bedeckten Hügel traf mein Ohr plötzlich ein Geräuſch. Jch glaubte zuerſt, daß Jemand mit Stöcken oder mit der breiten Fläche eines Ruders auf das Waſſer ſchlüge, ließ meine Augen über die Ufer ſtreifen und entdeckte bald den Ort, woher der Lärm kam und die Urſache deſſelben: es waren laichende Fiſche. Begierig, das Schauſpiel in [Abbildung Der Greßling (Gobio vulgaris). Nat. Größe 4—7 Zoll.] der Nähe zu genießen, näherte ich mich ihnen unmerklich, und unter dem Schutze der Geſträuche und Büſche, welche die Ufer des Sees zieren, kam ich ſo nah, daß ich ſie bequem und ohne von ihnen geſehen zu werden, beobachten konnte. Sie befanden ſich in der Mündung eines Bächleins, welches ein kühles und klares Waſſer führt, aber in ſo geringer Menge, daß die kleinen Kieſel in ſeinem Bette faſt trocken lagen. Es waren Gründlinge. Sie näherten ſich der Mündung des Baches; dann, indem ſie plötzlich raſch ſchwammen und dadurch ihrem Körper einen heftigen Stoß gaben, ſtiegen ſie etwa 2½ Fuß in dem Bache auf, ohne zu ſpringen, gewiſſermaßen über den Kies hingleitend. Nach dieſem erſten Anlaufe hielten ſie an, beugten Stamm und Schwanz abwechſelnd nach rechts und links und rieben ſich ſo mit der Bauchfläche auf dem Kieſe. Dabei lag, mit Ausnahme des Bauches und des unteren Theiles des Kopfes, ihr ganzer Körper im Trocknen. Sieben bis acht Sekunden blieben ſie in dieſer Lage; dann ſchlugen ſie heftig mit dem Schwanze auf den Boden des Baches, daß das Waſſer nach allen Seiten herausſpritzte, wandten ſich, liefen wieder in den nahen See hinab, um Brehm, Thierleben. V. 42

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 657. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/695>, abgerufen am 21.12.2024.