in der beschriebenen Weise gelegt, so scharrt das Thier von beiden Seiten den Sand zusammen, tritt ihn fest und begibt sich, ebenso langsam als es gekommen, auf derselben Spur wieder in sein Element zurück."
Tennent behauptet, im Gegensatze hierzu, daß man an den Küsten von Ceylon eine gewisse List der eierlegenden Schildkröten beobachtet habe. Sie sollen nämlich ihr Nest dadurch zu verbergen suchen, daß sie ihren Weg in großen Bogen ausführen und an einer ganz verschiedenen Stelle wieder zum Meere zurückkehren. Die Singalesen würden deshalb genöthigt, die ganze Spur abzusuchen und den Boden vermittels eines Stockes zu prüfen, weil sie niemals wissen könnten, wo das Nest sich befinde. Glaubwürdiger als diese Angabe scheint mir eine andere zu sein, welche ebenfalls von Tennent herrührt. Jm Jahre 1826 nämlich wurde eine Karette in der Nähe von Hambangtotte gefunden, welche in einer ihrer Flossen einen Ring trug, den ihr dreißig Jahre früher ein holländischer Offizier genau an derselben Stelle beim Eierlegen eingeheftet hatte: ein Beweis also, daß eine und dieselbe Schildkröte immer auch wieder zu dem nämlichen Orte zurückkehrt, um zu legen.
Die Eier entwickeln sich nach etwa drei Wochen, je nach der Witterung oder der Wärme des Brutortes. Auf den Jnseln des grünen Vorgebirges sollen die jungen Schildkröten am dreizehnten Tage nach dem Legen auskommen. Sie kriechen nun sofort dem Meere zu, können aber nicht sogleich untertauchen, und viele werden den Möven, Reihern, Raubvögeln und Raubfischen zur Beute. Jhr Panzer ist anfänglich mit einer weißen, durchsichtigen Haut überzogen, wird aber bald hart, dunkel und theilt sich dann auch rasch in Schuppenschilder. Einige Naturforscher meinen, daß das Wachs- thum sehr schnell vor sich geht; diese Behauptung steht jedoch mit Beobachtungen, welche an Sumpf- schildkröten gemacht wurden, nicht im Einklange, und jedenfalls dürfte die Angabe Villemont's, daß ein Eingeborner von St. Domingo eine gefangen gehalten habe, welche in Monatsfrist fast um einen Fuß gewachsen, durchaus keinen Glauben verdienen.
Die beiden beschriebenen Schildkröten werden überall nachdrücklich verfolgt, die Suppenschildkröte wegen ihres Fleisches, die Karette des Schildpads halber. Jene insbesondere hat viele und theilweise höchst grausame Feinde. Junghuhn erzählt, daß ihr auf Java die Wildhunde (Canis rutilans) eifrig nachstellen. Auf der wüsten Sandküste bei Bantam müssen sie fünfhundert und mehr Fuß weit über den Sand wegkriechen, bevor sie eine zur Aufnahme der Eier geeignete Stelle finden, und auf diesem so langen Wege droht ihnen große Gefahr. Junghuhn versichert, daß er Hunderte von Schildkröten umherliegen sah, von einigen die gebleichten Knochen, andere, welche zum Theil noch von faulenden Eingeweiden erfüllt waren, wieder andere, welche noch bluteten und von über ihnen kreisenden Raubvögeln beschaut wurden. Jn Meuten von zwanzig bis funfzig Stücken sollen die Hunde über die Schildkröten herfallen, sie an allen zugänglichen Stellen angreifen und soweit als möglich an- oder ausfressen; selten nur soll eine Schildkröte ihrer Wuth entgehen. Jn manchen Nächten soll es geschehen, daß der Königstiger aus dem Walde hervorbricht, das Gewimmel am Strande beobachtet und dann mit dumpfschnaubendem Geknurr unter die Hunde springt, welche entsetzt davoneilen, worauf der Tiger sich an der Schildkröte erlabt. Wieviel von dieser Geschichte auf wirklicher Beobachtung des Erzählers beruht, lasse ich, wie billig, dahingestellt sein. Jedenfalls dürfen diese Hunde trotz ihrer Metzelei noch nicht als die schlimmsten Feinde der Schildkröten bezeichnet werden. Die menschenleeren, wilden Küsten, welche in Brasilien von den Schildkröten zum Legen benutzt werden, werden nur selten von Reisenden betreten, in der Legezeit unserer Thiere aber von allen in der Nachbarschaft wohnenden Jndianern besucht. "Diese Jndianer", sagt der Prinz, "sind die grausamsten Feinde der Schildkröten; sie finden täglich mehrere Thiere dieser Art, welche im Begriff sind, ihre Eier zu legen, und tödten sie sogleich, da die schweren, langsamen Geschöpfe auf dem Lande ebenso unbeweglich als geschickt im Schwimmen sind. Ueberall geben daher diese traurigen, öden, nichts als Sand und nach dem Lande hin nichts als finstere Urwälder zeigenden Küsten, welche von den tobenden Wogen des Weltmeeres bespült werden, ein Bild der Zerstörung und der Vergänglichkeit alles Lebens; denn die Knochenschädel, Panzer, ja ganze Gerippe
Die Schildkröten. Seeſchildkröten.
in der beſchriebenen Weiſe gelegt, ſo ſcharrt das Thier von beiden Seiten den Sand zuſammen, tritt ihn feſt und begibt ſich, ebenſo langſam als es gekommen, auf derſelben Spur wieder in ſein Element zurück.“
Tennent behauptet, im Gegenſatze hierzu, daß man an den Küſten von Ceylon eine gewiſſe Liſt der eierlegenden Schildkröten beobachtet habe. Sie ſollen nämlich ihr Neſt dadurch zu verbergen ſuchen, daß ſie ihren Weg in großen Bogen ausführen und an einer ganz verſchiedenen Stelle wieder zum Meere zurückkehren. Die Singaleſen würden deshalb genöthigt, die ganze Spur abzuſuchen und den Boden vermittels eines Stockes zu prüfen, weil ſie niemals wiſſen könnten, wo das Neſt ſich befinde. Glaubwürdiger als dieſe Angabe ſcheint mir eine andere zu ſein, welche ebenfalls von Tennent herrührt. Jm Jahre 1826 nämlich wurde eine Karette in der Nähe von Hambangtotte gefunden, welche in einer ihrer Floſſen einen Ring trug, den ihr dreißig Jahre früher ein holländiſcher Offizier genau an derſelben Stelle beim Eierlegen eingeheftet hatte: ein Beweis alſo, daß eine und dieſelbe Schildkröte immer auch wieder zu dem nämlichen Orte zurückkehrt, um zu legen.
Die Eier entwickeln ſich nach etwa drei Wochen, je nach der Witterung oder der Wärme des Brutortes. Auf den Jnſeln des grünen Vorgebirges ſollen die jungen Schildkröten am dreizehnten Tage nach dem Legen auskommen. Sie kriechen nun ſofort dem Meere zu, können aber nicht ſogleich untertauchen, und viele werden den Möven, Reihern, Raubvögeln und Raubfiſchen zur Beute. Jhr Panzer iſt anfänglich mit einer weißen, durchſichtigen Haut überzogen, wird aber bald hart, dunkel und theilt ſich dann auch raſch in Schuppenſchilder. Einige Naturforſcher meinen, daß das Wachs- thum ſehr ſchnell vor ſich geht; dieſe Behauptung ſteht jedoch mit Beobachtungen, welche an Sumpf- ſchildkröten gemacht wurden, nicht im Einklange, und jedenfalls dürfte die Angabe Villemont’s, daß ein Eingeborner von St. Domingo eine gefangen gehalten habe, welche in Monatsfriſt faſt um einen Fuß gewachſen, durchaus keinen Glauben verdienen.
Die beiden beſchriebenen Schildkröten werden überall nachdrücklich verfolgt, die Suppenſchildkröte wegen ihres Fleiſches, die Karette des Schildpads halber. Jene insbeſondere hat viele und theilweiſe höchſt grauſame Feinde. Junghuhn erzählt, daß ihr auf Java die Wildhunde (Canis rutilans) eifrig nachſtellen. Auf der wüſten Sandküſte bei Bantam müſſen ſie fünfhundert und mehr Fuß weit über den Sand wegkriechen, bevor ſie eine zur Aufnahme der Eier geeignete Stelle finden, und auf dieſem ſo langen Wege droht ihnen große Gefahr. Junghuhn verſichert, daß er Hunderte von Schildkröten umherliegen ſah, von einigen die gebleichten Knochen, andere, welche zum Theil noch von faulenden Eingeweiden erfüllt waren, wieder andere, welche noch bluteten und von über ihnen kreiſenden Raubvögeln beſchaut wurden. Jn Meuten von zwanzig bis funfzig Stücken ſollen die Hunde über die Schildkröten herfallen, ſie an allen zugänglichen Stellen angreifen und ſoweit als möglich an- oder ausfreſſen; ſelten nur ſoll eine Schildkröte ihrer Wuth entgehen. Jn manchen Nächten ſoll es geſchehen, daß der Königstiger aus dem Walde hervorbricht, das Gewimmel am Strande beobachtet und dann mit dumpfſchnaubendem Geknurr unter die Hunde ſpringt, welche entſetzt davoneilen, worauf der Tiger ſich an der Schildkröte erlabt. Wieviel von dieſer Geſchichte auf wirklicher Beobachtung des Erzählers beruht, laſſe ich, wie billig, dahingeſtellt ſein. Jedenfalls dürfen dieſe Hunde trotz ihrer Metzelei noch nicht als die ſchlimmſten Feinde der Schildkröten bezeichnet werden. Die menſchenleeren, wilden Küſten, welche in Braſilien von den Schildkröten zum Legen benutzt werden, werden nur ſelten von Reiſenden betreten, in der Legezeit unſerer Thiere aber von allen in der Nachbarſchaft wohnenden Jndianern beſucht. „Dieſe Jndianer“, ſagt der Prinz, „ſind die grauſamſten Feinde der Schildkröten; ſie finden täglich mehrere Thiere dieſer Art, welche im Begriff ſind, ihre Eier zu legen, und tödten ſie ſogleich, da die ſchweren, langſamen Geſchöpfe auf dem Lande ebenſo unbeweglich als geſchickt im Schwimmen ſind. Ueberall geben daher dieſe traurigen, öden, nichts als Sand und nach dem Lande hin nichts als finſtere Urwälder zeigenden Küſten, welche von den tobenden Wogen des Weltmeeres beſpült werden, ein Bild der Zerſtörung und der Vergänglichkeit alles Lebens; denn die Knochenſchädel, Panzer, ja ganze Gerippe
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[52/0066]
Die Schildkröten. Seeſchildkröten.
in der beſchriebenen Weiſe gelegt, ſo ſcharrt das Thier von beiden Seiten den Sand zuſammen,
tritt ihn feſt und begibt ſich, ebenſo langſam als es gekommen, auf derſelben Spur wieder in ſein
Element zurück.“
Tennent behauptet, im Gegenſatze hierzu, daß man an den Küſten von Ceylon eine gewiſſe
Liſt der eierlegenden Schildkröten beobachtet habe. Sie ſollen nämlich ihr Neſt dadurch zu verbergen
ſuchen, daß ſie ihren Weg in großen Bogen ausführen und an einer ganz verſchiedenen Stelle wieder
zum Meere zurückkehren. Die Singaleſen würden deshalb genöthigt, die ganze Spur abzuſuchen
und den Boden vermittels eines Stockes zu prüfen, weil ſie niemals wiſſen könnten, wo das Neſt ſich
befinde. Glaubwürdiger als dieſe Angabe ſcheint mir eine andere zu ſein, welche ebenfalls von
Tennent herrührt. Jm Jahre 1826 nämlich wurde eine Karette in der Nähe von Hambangtotte
gefunden, welche in einer ihrer Floſſen einen Ring trug, den ihr dreißig Jahre früher ein holländiſcher
Offizier genau an derſelben Stelle beim Eierlegen eingeheftet hatte: ein Beweis alſo, daß eine und
dieſelbe Schildkröte immer auch wieder zu dem nämlichen Orte zurückkehrt, um zu legen.
Die Eier entwickeln ſich nach etwa drei Wochen, je nach der Witterung oder der Wärme des
Brutortes. Auf den Jnſeln des grünen Vorgebirges ſollen die jungen Schildkröten am dreizehnten
Tage nach dem Legen auskommen. Sie kriechen nun ſofort dem Meere zu, können aber nicht ſogleich
untertauchen, und viele werden den Möven, Reihern, Raubvögeln und Raubfiſchen zur Beute. Jhr
Panzer iſt anfänglich mit einer weißen, durchſichtigen Haut überzogen, wird aber bald hart, dunkel
und theilt ſich dann auch raſch in Schuppenſchilder. Einige Naturforſcher meinen, daß das Wachs-
thum ſehr ſchnell vor ſich geht; dieſe Behauptung ſteht jedoch mit Beobachtungen, welche an Sumpf-
ſchildkröten gemacht wurden, nicht im Einklange, und jedenfalls dürfte die Angabe Villemont’s,
daß ein Eingeborner von St. Domingo eine gefangen gehalten habe, welche in Monatsfriſt faſt um
einen Fuß gewachſen, durchaus keinen Glauben verdienen.
Die beiden beſchriebenen Schildkröten werden überall nachdrücklich verfolgt, die Suppenſchildkröte
wegen ihres Fleiſches, die Karette des Schildpads halber. Jene insbeſondere hat viele und theilweiſe
höchſt grauſame Feinde. Junghuhn erzählt, daß ihr auf Java die Wildhunde (Canis rutilans)
eifrig nachſtellen. Auf der wüſten Sandküſte bei Bantam müſſen ſie fünfhundert und mehr Fuß weit
über den Sand wegkriechen, bevor ſie eine zur Aufnahme der Eier geeignete Stelle finden, und auf
dieſem ſo langen Wege droht ihnen große Gefahr. Junghuhn verſichert, daß er Hunderte von
Schildkröten umherliegen ſah, von einigen die gebleichten Knochen, andere, welche zum Theil noch
von faulenden Eingeweiden erfüllt waren, wieder andere, welche noch bluteten und von über ihnen
kreiſenden Raubvögeln beſchaut wurden. Jn Meuten von zwanzig bis funfzig Stücken ſollen die
Hunde über die Schildkröten herfallen, ſie an allen zugänglichen Stellen angreifen und ſoweit als
möglich an- oder ausfreſſen; ſelten nur ſoll eine Schildkröte ihrer Wuth entgehen. Jn manchen
Nächten ſoll es geſchehen, daß der Königstiger aus dem Walde hervorbricht, das Gewimmel am
Strande beobachtet und dann mit dumpfſchnaubendem Geknurr unter die Hunde ſpringt, welche
entſetzt davoneilen, worauf der Tiger ſich an der Schildkröte erlabt. Wieviel von dieſer Geſchichte
auf wirklicher Beobachtung des Erzählers beruht, laſſe ich, wie billig, dahingeſtellt ſein. Jedenfalls
dürfen dieſe Hunde trotz ihrer Metzelei noch nicht als die ſchlimmſten Feinde der Schildkröten
bezeichnet werden. Die menſchenleeren, wilden Küſten, welche in Braſilien von den Schildkröten
zum Legen benutzt werden, werden nur ſelten von Reiſenden betreten, in der Legezeit unſerer Thiere
aber von allen in der Nachbarſchaft wohnenden Jndianern beſucht. „Dieſe Jndianer“, ſagt der
Prinz, „ſind die grauſamſten Feinde der Schildkröten; ſie finden täglich mehrere Thiere dieſer Art,
welche im Begriff ſind, ihre Eier zu legen, und tödten ſie ſogleich, da die ſchweren, langſamen
Geſchöpfe auf dem Lande ebenſo unbeweglich als geſchickt im Schwimmen ſind. Ueberall geben
daher dieſe traurigen, öden, nichts als Sand und nach dem Lande hin nichts als finſtere Urwälder
zeigenden Küſten, welche von den tobenden Wogen des Weltmeeres beſpült werden, ein Bild der
Zerſtörung und der Vergänglichkeit alles Lebens; denn die Knochenſchädel, Panzer, ja ganze Gerippe
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/66>, abgerufen am 21.12.2024.
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