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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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auszeichnet, daß sie eine Ausnahme von jener Regel bildet. Wer eines ihrer Glieder oberflächlich
beschaut, ist geneigt zu glauben, daß bei ihm der Leib von oben nach unten abgeflacht und nach den
Seiten hin verbreitert sei, überzeugt sich aber bald durch Betrachtung des, wie Geßner sagt, "gantz
widerwertig gesetzten", d. h. merkwürdig verdrehten Kopfes, daß Dem nicht so sein kann, und Unter-
suchung des Knochengerüstes, falls auch dieselbe am gebratenen Fische mittels eines gewöhnlichen
Tischmessers geschähe, belehrt ihn, daß er es mit einem höchst absonderlich gebauten Geschöpfe
zu thun hat.

Die Flachfische, wie sie schon zu Geßner's Zeiten genannt wurden, oder Seiten-
schwimmer
(Plenronectae) kennzeichnen sich durch stark zusammengedrückten Leib und einen derartig
verdrehten Kopf, daß beide Augen auf eine Seite zu stehen kommen, bald auf die rechte, bald auf
die linke, je nach Art und -- Einzelwesen, auf eine Seite, welche durch Bekleidung und Färbung von
der entgegengesetzten durchaus verschieden zu sein pflegt, außerdem auch durch größere Entwicklung
oder überhaupt Vorhandensein der Brustflossen vor jener sich auszeichnet. Die Rückenflosse nimmt
die zugeschärfte Firste des Rückens, die Bauchflosse die in derselben Weise abgeplattete Kante des
Bauches ein; die Schwanzflosse sieht, den verschiedenen Seiten entsprechend, ebenfalls auf der einen
Seite anders als auf der andern aus, obgleich ihre Bildung eine regelrechte genannt werden muß. Jn
der Kiemenhaut zählt man gewöhnlich sieben Strahlen. Jn dem Maule sinden sich verschiedene,
jedoch in der Negel entweder starke oder bürstenförmige Zähne. Die Bauchhöhle nimmt nur einen
sehr kleinen Raum ein, verlängert sich aber bis in die Schwanzgegend. Die Verdanungswerkzeuge
sind einfach. Eine Schwimmblase fehlt. Ungeachtet der Verdrehung weicht das Kopfgerüst von dem
anderer Fische wenig ab, wird auch von denselben Knochen zusammengesetzt wie bei den meisten
Klassenverwandten.

Es läßt sich von vornherein annehmen, daß diese absonderliche Gestaltung eine unseren Fischen
mehr oder weniger eigenthümliche Lebensweise bedingt, oder, wie sich Einzelne auszudrücken pflegen,
daß sie durch die Lebensweise erklärt wird. Diese weicht nun allerdings keineswegs wesentlich von
der anderer vollkommen regelrecht gehauter Fische ab, steht aber, wie selbstverständlich, mit dem Bau
der Flachfische im innigsten Einklange. Unsere Thiere leben auf dem Boden des Meeres, die eine
Seite auf den Grund gedrückt, die andere mit den Augen nach oben gekehrt, liegen hier während des
größten Theiles ihres Lebens auf der Lauer und bewegen sich fast nur, wenn es gilt, Beute zu
machen oder vor größeren Räubern sich zu bergen. So zahlreich die Familie ist, und so erheblich
die Unterschiede in Leibesbau, Beschuppung und Färbung sind: in dem Wesen und Treiben kommen
alle Flachfische mit einander überein. Es wird also angemessen sein, uns zunächst mit den hervor-
ragendsten Mitgliedern der Gruppe bekannt zu machen und sodann uns mit der Lebensweise
zu beschäftigen.



Unter dem Namen Schollen (Platessa), welchen man oft zur Bezeichnung der gesammten
Gruppe anwendet, versteht man gegenwärtig die Arten mit verschobenem, viereckigen oder eirunden
Leibe, breiter Rücken- und Afterflosse, welche nicht bis zur Schwanzflosse reichen und gänzlich oder
größtentheils durch einfache Strahlen gestützt werden. Das Gebiß besteht aus schneidenden Zähnen,
welche in beiden Kiefern einreihig geordnet sind, und Pflasterzähnen auf dem Schlundknochen. Die
Augen liegen bei den meisten auf der rechten Seite und werden durch eine erhabene Leiste getrennt.
Die Schuppen sind glatt bei einigen, gezähntrandig bei anderen.

Als die bekannteste Art der Sippe darf wohl der Goldbutt oder das Platteisen (Platessa
vulgaris)
angesehen werden, ein Flachfisch von 15 bis höchstens 20 Zoll Länge und 12, ausnahms-
weise 16, 17, 18 Pfund Gewicht, je nach der Oertlichkeit sehr verschieden gefärbt und gefleckt, in der

Lub. Bartmännchen. Goldbutt.
auszeichnet, daß ſie eine Ausnahme von jener Regel bildet. Wer eines ihrer Glieder oberflächlich
beſchaut, iſt geneigt zu glauben, daß bei ihm der Leib von oben nach unten abgeflacht und nach den
Seiten hin verbreitert ſei, überzeugt ſich aber bald durch Betrachtung des, wie Geßner ſagt, „gantz
widerwertig geſetzten“, d. h. merkwürdig verdrehten Kopfes, daß Dem nicht ſo ſein kann, und Unter-
ſuchung des Knochengerüſtes, falls auch dieſelbe am gebratenen Fiſche mittels eines gewöhnlichen
Tiſchmeſſers geſchähe, belehrt ihn, daß er es mit einem höchſt abſonderlich gebauten Geſchöpfe
zu thun hat.

Die Flachfiſche, wie ſie ſchon zu Geßner’s Zeiten genannt wurden, oder Seiten-
ſchwimmer
(Plenronectae) kennzeichnen ſich durch ſtark zuſammengedrückten Leib und einen derartig
verdrehten Kopf, daß beide Augen auf eine Seite zu ſtehen kommen, bald auf die rechte, bald auf
die linke, je nach Art und — Einzelweſen, auf eine Seite, welche durch Bekleidung und Färbung von
der entgegengeſetzten durchaus verſchieden zu ſein pflegt, außerdem auch durch größere Entwicklung
oder überhaupt Vorhandenſein der Bruſtfloſſen vor jener ſich auszeichnet. Die Rückenfloſſe nimmt
die zugeſchärfte Firſte des Rückens, die Bauchfloſſe die in derſelben Weiſe abgeplattete Kante des
Bauches ein; die Schwanzfloſſe ſieht, den verſchiedenen Seiten entſprechend, ebenfalls auf der einen
Seite anders als auf der andern aus, obgleich ihre Bildung eine regelrechte genannt werden muß. Jn
der Kiemenhaut zählt man gewöhnlich ſieben Strahlen. Jn dem Maule ſinden ſich verſchiedene,
jedoch in der Negel entweder ſtarke oder bürſtenförmige Zähne. Die Bauchhöhle nimmt nur einen
ſehr kleinen Raum ein, verlängert ſich aber bis in die Schwanzgegend. Die Verdanungswerkzeuge
ſind einfach. Eine Schwimmblaſe fehlt. Ungeachtet der Verdrehung weicht das Kopfgerüſt von dem
anderer Fiſche wenig ab, wird auch von denſelben Knochen zuſammengeſetzt wie bei den meiſten
Klaſſenverwandten.

Es läßt ſich von vornherein annehmen, daß dieſe abſonderliche Geſtaltung eine unſeren Fiſchen
mehr oder weniger eigenthümliche Lebensweiſe bedingt, oder, wie ſich Einzelne auszudrücken pflegen,
daß ſie durch die Lebensweiſe erklärt wird. Dieſe weicht nun allerdings keineswegs weſentlich von
der anderer vollkommen regelrecht gehauter Fiſche ab, ſteht aber, wie ſelbſtverſtändlich, mit dem Bau
der Flachfiſche im innigſten Einklange. Unſere Thiere leben auf dem Boden des Meeres, die eine
Seite auf den Grund gedrückt, die andere mit den Augen nach oben gekehrt, liegen hier während des
größten Theiles ihres Lebens auf der Lauer und bewegen ſich faſt nur, wenn es gilt, Beute zu
machen oder vor größeren Räubern ſich zu bergen. So zahlreich die Familie iſt, und ſo erheblich
die Unterſchiede in Leibesbau, Beſchuppung und Färbung ſind: in dem Weſen und Treiben kommen
alle Flachfiſche mit einander überein. Es wird alſo angemeſſen ſein, uns zunächſt mit den hervor-
ragendſten Mitgliedern der Gruppe bekannt zu machen und ſodann uns mit der Lebensweiſe
zu beſchäftigen.



Unter dem Namen Schollen (Platessa), welchen man oft zur Bezeichnung der geſammten
Gruppe anwendet, verſteht man gegenwärtig die Arten mit verſchobenem, viereckigen oder eirunden
Leibe, breiter Rücken- und Afterfloſſe, welche nicht bis zur Schwanzfloſſe reichen und gänzlich oder
größtentheils durch einfache Strahlen geſtützt werden. Das Gebiß beſteht aus ſchneidenden Zähnen,
welche in beiden Kiefern einreihig geordnet ſind, und Pflaſterzähnen auf dem Schlundknochen. Die
Augen liegen bei den meiſten auf der rechten Seite und werden durch eine erhabene Leiſte getrennt.
Die Schuppen ſind glatt bei einigen, gezähntrandig bei anderen.

Als die bekannteſte Art der Sippe darf wohl der Goldbutt oder das Platteiſen (Platessa
vulgaris)
angeſehen werden, ein Flachfiſch von 15 bis höchſtens 20 Zoll Länge und 12, ausnahms-
weiſe 16, 17, 18 Pfund Gewicht, je nach der Oertlichkeit ſehr verſchieden gefärbt und gefleckt, in der

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[607/0645] Lub. Bartmännchen. Goldbutt. auszeichnet, daß ſie eine Ausnahme von jener Regel bildet. Wer eines ihrer Glieder oberflächlich beſchaut, iſt geneigt zu glauben, daß bei ihm der Leib von oben nach unten abgeflacht und nach den Seiten hin verbreitert ſei, überzeugt ſich aber bald durch Betrachtung des, wie Geßner ſagt, „gantz widerwertig geſetzten“, d. h. merkwürdig verdrehten Kopfes, daß Dem nicht ſo ſein kann, und Unter- ſuchung des Knochengerüſtes, falls auch dieſelbe am gebratenen Fiſche mittels eines gewöhnlichen Tiſchmeſſers geſchähe, belehrt ihn, daß er es mit einem höchſt abſonderlich gebauten Geſchöpfe zu thun hat. Die Flachfiſche, wie ſie ſchon zu Geßner’s Zeiten genannt wurden, oder Seiten- ſchwimmer (Plenronectae) kennzeichnen ſich durch ſtark zuſammengedrückten Leib und einen derartig verdrehten Kopf, daß beide Augen auf eine Seite zu ſtehen kommen, bald auf die rechte, bald auf die linke, je nach Art und — Einzelweſen, auf eine Seite, welche durch Bekleidung und Färbung von der entgegengeſetzten durchaus verſchieden zu ſein pflegt, außerdem auch durch größere Entwicklung oder überhaupt Vorhandenſein der Bruſtfloſſen vor jener ſich auszeichnet. Die Rückenfloſſe nimmt die zugeſchärfte Firſte des Rückens, die Bauchfloſſe die in derſelben Weiſe abgeplattete Kante des Bauches ein; die Schwanzfloſſe ſieht, den verſchiedenen Seiten entſprechend, ebenfalls auf der einen Seite anders als auf der andern aus, obgleich ihre Bildung eine regelrechte genannt werden muß. Jn der Kiemenhaut zählt man gewöhnlich ſieben Strahlen. Jn dem Maule ſinden ſich verſchiedene, jedoch in der Negel entweder ſtarke oder bürſtenförmige Zähne. Die Bauchhöhle nimmt nur einen ſehr kleinen Raum ein, verlängert ſich aber bis in die Schwanzgegend. Die Verdanungswerkzeuge ſind einfach. Eine Schwimmblaſe fehlt. Ungeachtet der Verdrehung weicht das Kopfgerüſt von dem anderer Fiſche wenig ab, wird auch von denſelben Knochen zuſammengeſetzt wie bei den meiſten Klaſſenverwandten. Es läßt ſich von vornherein annehmen, daß dieſe abſonderliche Geſtaltung eine unſeren Fiſchen mehr oder weniger eigenthümliche Lebensweiſe bedingt, oder, wie ſich Einzelne auszudrücken pflegen, daß ſie durch die Lebensweiſe erklärt wird. Dieſe weicht nun allerdings keineswegs weſentlich von der anderer vollkommen regelrecht gehauter Fiſche ab, ſteht aber, wie ſelbſtverſtändlich, mit dem Bau der Flachfiſche im innigſten Einklange. Unſere Thiere leben auf dem Boden des Meeres, die eine Seite auf den Grund gedrückt, die andere mit den Augen nach oben gekehrt, liegen hier während des größten Theiles ihres Lebens auf der Lauer und bewegen ſich faſt nur, wenn es gilt, Beute zu machen oder vor größeren Räubern ſich zu bergen. So zahlreich die Familie iſt, und ſo erheblich die Unterſchiede in Leibesbau, Beſchuppung und Färbung ſind: in dem Weſen und Treiben kommen alle Flachfiſche mit einander überein. Es wird alſo angemeſſen ſein, uns zunächſt mit den hervor- ragendſten Mitgliedern der Gruppe bekannt zu machen und ſodann uns mit der Lebensweiſe zu beſchäftigen. Unter dem Namen Schollen (Platessa), welchen man oft zur Bezeichnung der geſammten Gruppe anwendet, verſteht man gegenwärtig die Arten mit verſchobenem, viereckigen oder eirunden Leibe, breiter Rücken- und Afterfloſſe, welche nicht bis zur Schwanzfloſſe reichen und gänzlich oder größtentheils durch einfache Strahlen geſtützt werden. Das Gebiß beſteht aus ſchneidenden Zähnen, welche in beiden Kiefern einreihig geordnet ſind, und Pflaſterzähnen auf dem Schlundknochen. Die Augen liegen bei den meiſten auf der rechten Seite und werden durch eine erhabene Leiſte getrennt. Die Schuppen ſind glatt bei einigen, gezähntrandig bei anderen. Als die bekannteſte Art der Sippe darf wohl der Goldbutt oder das Platteiſen (Platessa vulgaris) angeſehen werden, ein Flachfiſch von 15 bis höchſtens 20 Zoll Länge und 12, ausnahms- weiſe 16, 17, 18 Pfund Gewicht, je nach der Oertlichkeit ſehr verſchieden gefärbt und gefleckt, in der

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/645>, abgerufen am 16.07.2024.